FGSV-Nr. FGSV 001/20
Ort Berlin
Datum 13.10.2004
Titel Abwägungsprozesse bei Maßnahmen der Lärmminderung
Autoren Dipl.-Ing. Hans-Jörg Kleffner
Kategorien Kongress
Einleitung

Mit steigender Verkehrsbelastung auf den Straßen wird die Forderung nach Lärmschutz immer größer. Im Beitrag werden die Lärmquellen aufgezeigt und wie die Höhe der Immissionen bereits während der Planungsphasen beeinflusst werden kann. Wenn trotz aller Optimierungsmaßnahmen aus lärmtechnischer Sicht bei der Straßenplanung die Immissionsgrenzwerte an den schutzwürdigen Objekten überschritten werden, sind Maßnahmen zur Lärmminderung erforderlich. Für die Auswahl der Lärmminderungsmaßnahmen werden Abwägungskriterien diskutiert und Möglichkeiten der Bewertung der Verhältnismäßigkeit der Lärmminderungskosten aufgezeigt. Bei der Planung und Ausführung der Maßnahmen der Lärmminderung sind nicht nur die schall- und bautechnischen Erfordernisse sowie die Verkehrssicherheit zu beachten, sondern auch die Gestaltung der Lärmschutzanlagen.

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1 Einführung

Mit steigender Verkehrsbelastung auf den Straßen wird die Forderung nach Lärmschutz immer größer. Geschützt werden muss nicht nur der Mensch in seinem Umfeld, sondern in besonderen Fällen auch die Fauna, z. B. besondere Vogelarten.

Ursache für die Quelle des Verkehrslärms sind bei Kraftfahrzeugen

  • Antriebsgeräusche der Fahrzeuge
  • Rollgeräusche (Reifen-Fahrbahn-Geräusche).

Beim Pkw überwiegt das Rollgeräusch ab einer Geschwindigkeit von 40 km/h, beim Lkw ab 60/70 km/h. Die optimale Lösung, um eine Lärmminderung zu erreichen, ist, die Ursache an der Quelle zu beseitigen durch leisere Fahrzeugantriebe und Verminderung der Rollgeräusche [1].

Die Fahrgeräusch-Grenzwerte – Antriebsgeräusche – wurden von 1980 (Richtlinie 70 157/EWG) bis 1996 (Richtlinie 92/97/EWG)

  • für Pkw von 82 dB(A) auf 74 dB(A) abgesenkt, eine Minderung um 8 dB(A)
  • für Lkw >3,5 t (leistungsabhängig) von 89 – 91 dB(A) auf 77 – 80 dB(A) abgesenkt, eine Minderung um 11 dB(A).

Dennoch ist die Geräuschbelastung der Bevölkerung in den letzten Jahren stetig angewachsen [2]. Seit 1975 stieg sie

  • an Autobahnen um 2,5 dB(A)
  • an Bundes-, Landes- und Kreisstraßen um 1,5 dB(A).

Das führte u. a. dazu, dass die durchschnittliche Höhe der an Bundesfernstraßen gebauten Lärmschutzwände deutlich gestiegen ist: von ca. 3,00 m Höhe im Jahr 1980 auf ca. 4,20 m im Jahr 2000 [3], d. h., die Lärmschutzmaßnahmen werden immer mehr ein Kostenfaktor und beeinflussen das Erscheinungsbild der Straße.

2 Lärmquellen

Bei der Entstehung des Lärms selbst und seiner möglichen Beeinflussung im Straßenbereich sind nicht nur vielfältige Einflussfaktoren vorhanden, sondern auch nicht steuerbare äußere Rahmenbedingungen.

Die Kfz-Emissionen sind abhängig von:

  • Verkehrssituation/Betriebszustand/Fahrverhalten
  • Verkehrsstärke
  • Verkehrszusammensetzung
  • Geschwindigkeit
  • Längsneigung
  • Verkehrsgeräuschen
    • Antriebsgeräusche
    • Rollgeräusche.

Im Rahmen der Straßenplanung beeinflussbar sind:

  • Fahrverhalten: nur bedingt durch Wahl der Gradientenführung in Grund- und Aufriss einschließlich Querschnittsgestaltung
  • Geschwindigkeit: durch Wahl der Entwurfsgeschwindigkeit und Querschnittsgestaltung
  • Längsneigung: durch die Gradientenwahl
  • Rollgeräusche: durch die Fahrbahnoberfläche.

3 Lärmminderungsmaßnahmen

Die Immissionen in schutzbedürftigen Gebieten bzw. an schutzbedürftiger Bebauung können gemindert werden im Wesentlichen durch

  • Abrücken vom schutzbedürftigen Objekt (Lage)
  • Gradientenwahl
  • aktiven Lärmschutz
    • Lärmmindernde Straßenoberfläche (v > 60 km/h)
    • Lärmschutzwälle
    • Wall/Wand-Kombinationen, Steilwälle
    • Lärmschutzwände
    • Einhausungen, teilabgedeckte Troglage
  • Geschwindigkeitsbeschränkungen
  • Lärmschutz durch günstig angeordnete Zweckbauten (im städtischen Gebiet) (Sonderfall).

Mit Maßnahmen am schutzwürdigen Objekt durch passive Maßnahmen

  • Lärmschutzfenster
  • Verstärkungen an den Außenwänden, Außentüren und Dächern

kann nur der Raum geschützt werden, nicht das Gebiet.

Bei der Entwurfsplanung sind die erforderlichen Lärmschutzmaßnahmen festzulegen.

4 Abwägungskriterien für Lärmminderungsmaßnahmen

4.1 Lage der Trasse

Je größer der Abstand vom schutzbedürftigen Objekt ist, desto größer ist die Pegelminderung. Die Pegelminderung ergibt sich nach den RLS-90 [5] bei freier Schallausbreitung für einen Immissionsort in 4 m Höhe aus Abstandskorrektur Ds und Boden- und Meteorologiedämpfung DBM.

Hierbei wird deutlich, dass der Trassenverlauf sich wesentlich auf die Höhe des Lärmpegels im 250 m-Korridor zwischen Lärmquelle und dem schutzwürdigen Objekt auswirkt. Um eine wesentliche Pegelminderung (Reduzierung um >5 dB(A)) außerhalb des 250 m-Korridors zu erreichen, müsste die Trasse um über 260 m weiter abgerückt werden (Bild 1).

Die Lage der Trasse im Grund- und Aufriss wird in der Linienplanung festgelegt. Zu diesem Zeitpunkt liegen in der Regel noch keine detaillierten Lärmberechnungen vor, sondern nur Isophonen mit Angaben der Beachtlichkeitsschwelle in Anlehnung an Blatt 1 zu DIN 18005-1 (Orientierungswerte) nach freier Schallausbreitung ohne Berücksichtigung der genauen topographischen Gegebenheiten und der Gradiente. Liegen die schutzwürdigen Gebiete außerhalb der Isophonen mit den Orientierungswerten, ist den Lärmimmissionen bei der Trassierung hinreichend Rechnung getragen. Liegen sie innerhalb, sollte eine mögliche Überschreitung der Immissionsgrenzwerte (Zumutbarkeitsgrenzen) nach der 16. BImSchV überprüft werden (Bild 2).

Bild 1: Pegelminderung als Funktion des Abstandes

Bild 2: Grenz-und Schwellenwerte

Im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung ist der Lärmschutz nur ein Schutzgut der vielen Schutzgüter nach § 2 Abs.1 UVPG, die im Rahmen der UVS bei der Variantenbewertung beurteilt werden [6].

Da die Lage im Höhen- und Lageplan entscheidend für den Lärmschutz ist, lohnt sich gerade im Rahmen der Linienplanung, erhöhten Planungsaufwand zu investieren, um zu vermeiden, dass beim Abwägungsverfahren der einzelnen Schutzgüter der Lärmschutz mit dem Argument „aktiver Lärmschutz möglich“ abgetan wird. Bei den weiteren Planungsschritten beschränkt sich der Abwägungsprozess im Wesentlichen nur noch auf die Art, den Umfang und die Gestaltung der Lärmschutzmaßnahmen.

4.2 Aktive Lärmschutzmaßnahmen

4.2.1 Beispiel

An einem Beispiel werden die üblichen aktiven Lärmschutzmaßnahmen gegenübergestellt. Bei einer Autobahn mit RQ 29 und 25 000 Kfz/24 h, 28 % Lkw-Anteil, werden die zulässigen Immissionsgrenzwerte am Wohngebiet um 8 dB(A) überschritten. Welche Maßnahmen zur Pegelminderung sind möglich (Bild 3), wenn die Trasse nicht auf 500 m Entfernung verlegt werden kann?

Lärmschutzwälle/-wände

Die Pegelminderung von Lärmschirmen wird durch das Abschirmmaß charakterisiert. Es ist alllerdings zu beachten, dass zur Ermittlung der tatsächlich wirksamen Pegelminderung noch die Boden- und Meteorologiedämpfung abgezogen werden muss, die nur bei freier Schallausbreitung in Ansatz gebracht wird. Sie kann bis zu 4,8 dB(A) betragen.

Bild 3: Aktive Lärmschutzmaßnahmen im Vergleich

Um z. B. eine Pegelminderung von 8 dB(A) am Immissionsort in 4 m Höhe zu erreichen, ist

  • ein Lärmschutzwall mit 9 m Höhe oder
  • eine Lärmschutzwand mit 6,50 m Höhe

erforderlich.

Nach der Statistik des Lärmschutzes an Bundesfernstraßen 2003 [3] betragen die Durchschnittskosten

  • für Lärmschutzwälle 7,00 €/m3 (einschließlich Grunderwerb)
  • für Lärmschutzwände 255,00 €/m2.

Damit ergeben sich Kosten bei diesem Beispiel

  • für einen 9 m hohen Lärmschutzwall: ~ 900 €/m
  • für eine 6,5 m hohe Lärmschutzwand: ~1 700 €/m.

Hierbei muss berücksichtigt werden, dass Lärmschutzwände je nach Materialart zwischen 210 bis 510 €/m2 kosten können. Beim Lärmschutzwall können die Kosten variieren durch die Bodenqualität, Grunderwerbskosten sowie die Frage Massenüberschuss oder Massendefizit und damit -zulieferung. Dennoch werden die Kosten bei Lärmschutzwällen i. d. R. unter den Kosten für Lärmschutzwände liegen. Die ohnehin schon geringen Kosten eines Lärmschutzwalles reduzieren sich noch beträchtlich, wenn die jeweiligen Abschreibungszeiträume berücksichtigt werden (Wall: 100 Jahre, Wand: 25 Jahre) und unter dem Gesichtspunkt der Folgekosten bei Unfällen.

Bei beengten Verhältnissen kann eine wirtschaftliche Lösung auch durch Kombination einer Wand/Wall-Konstruktion erreicht werden oder durch Steilwälle, besonders auf der Straßenseite.

Einschnitt- und Troglagen

Abhängig von der Topographie, den geologischen wie hydrologischen Verhältnissen kann die Pegelminderung durch die Absenkung der Gradiente in Einschnitts- bzw.Troglage erreicht werden. Am aufgezeigten Beispiel ist eine Einschnittslage von 13 m unter Gelände erforderlich bei einer Trogkonstruktion von 8 m mit absorbierenden oder reflektierenden Stützmauern. Während die Trogkonstruktion erhebliche Kosten verursacht (> 5000 €/m), kann die Einschnittslage kostengünstig ausgeführt werden, besonders wenn der Einschnittsboden als Baustoff der Trasse weiterverwandt werden kann. Kombinationen – Einschnitt mit Wall-/Wandkonstruktionen – können ebenfalls zu wirtschaftlichen Lösungen führen.

Lärmmindernde Straßenoberflächen

Lärmmindernde Straßenoberflächen werden durch einen Korrekturwert DStrO charakterisiert, der angibt, wie sich der Emissionspegel gegenüber einem Referenzbelag (Gussasphalt) erhöht oder vermindert. Für lärmmindernde Straßenoberflächen bieten sich verschiedene Bauweisen an. Betondecken mit Längsglätter bzw. Jutetuch, Asphaltdecken 0/11 oder Splittmastixdecken ohne Absplittung mit einer Pegelminderung von 2 dB(A) sind Stand der Technik und werden grundsätzlich dann geplant und gebaut, wenn Immissionsgrenzwertüberschreitungen zu erwarten sind.

Lärmmindernde Straßenoberflächen mit Korrekturwerten DStrO = – 2 dB(A) können nahezu kostenneutral hergestellt werden. Zu beachten ist aber eine verminderte Griffigkeit und bei Splittmastixasphalt ohne Absplittung eine geringere Aufhellung.

An den Einsatz von offenporigen Asphaltdeckschichten (OPA) [4,7] sind hingegen besondere Anforderungen zu stellen. Bei entsprechend großen Hohlraumgehalten (heute >22 %) ist eine Anfangspegelminderung von 8 dB(A) mit einem jährlichen Verlust von 0,5 dB(A) abgesichert. Das heißt aber auch, dass nach 6 Jahren geeignete Maßnahmen zur Gewährleistung der zugesicherten Pegelminderung ergriffen werden müssen. Das kann eine Erneuerung der Deckschicht bedeuten.

In der Entwicklung befindet sich ein zweilagiger OPA mit einer unteren Grobschicht (Schichtdicke 45 mm, Korngrößenverteilung 11 – 16 mm) und einer oberen Feinschicht (25 mm, 4 – 8 mm). Damit wird zum einen die Absorptionseigenschaft und zum anderen das Verhalten gegenüber Verschmutzung verbessert.

Die Kosten für offenporige Asphaltdeckschichten (OPA) liegen bei der Herstellung bei ca. 3 €/m2 über denen eines Splittmastixasphaltes (SMA). Stärker ins Gewicht fällt jedoch die geringere Standzeit. Die Kosten für die Instandsetzung betragen für SMA ca. 12 €/m2 und für OPA ca.15 € m2. Die Standzeit für Splittmastixasphalt beträgt 15 Jahre, die für OPA ca. 6 Jahre.

Berechnung:

RQ 29,5 befestigte Fahrbahn 2 • 11,50 m = 23 m

Mehrkosten bei der Herstellung pro km: 69 000 €

Bewertungszeitraum 30 Jahre

SMA: eine Instandsetzung pro km (abgezinst): 177 000 €

OPA: vier Instandsetzungen pro km (abgezinst): 903 000 €

Mehrkosten gesamt pro km: 795 000 €

In diesem Beispiel wird davon ausgegangen, dass die gesamte befestigte Fahrbahn (einschließlich Standstreifen) instandgesetzt wird. Zusätzliche Ausgaben für Unterhaltung und Winterdienst fallen demgegenüber kaum ins Gewicht. Die Mehrkosten für einen OPA betragen ca. 800 €/m.

Im angeführten Beispiel ist eine Reduzierung von 8 dB(A) mit einer unter lärmtechnischen Gesichtspunkten optimierten Straßenoberfläche allein nicht zu erreichen, wohl aber in einer Kombination mit einer reduzierten Wall- oder Wandanlage mit Kosten zwischen 1 000 bis 1 600 €/m und damit wirtschaftlichen Varianten im Vergleich zu den aufgeführten Beispielen.

4.2.2 Teileinhausungen, Einhausungen

Bei Pegelüberschreitungen über 12 dB(A) und großer Betroffenheit (Anzahl der Häuser) muss die Teileinhausung/Einhausungen mit einkalkuliert werden.

Einhausungen sind in den Herstellungs- wie Unterhaltungskosten immer die teuersten Lösungen, bringen aber lärmtechnisch die optimale Lösung. Bei einer Einhausung mit hinreichender Überstandlänge ist der Verkehrslärm praktisch nicht mehr wahrnehmbar. Zu beachten ist, dass es in der Nähe der Portale zu Pegelerhöhungen kommen kann, denen kann durch schallabsorbierende Auskleidung des Inneren der Einhausung entgegengewirkt werden.

Teilabgedeckte Troglagen haben gegenüber einer massiven Abdeckelung den Vorteil, dass Betriebskosten für Beleuchtung und Lüftung reduziert werden können (Bild 4.) Allerdings dringt durch die meist lamellenförmigen Öffnungen auch ein bestimmter Schallanteil. Ein normiertes Prognoseverfahren für diesen Anteil besteht nicht. Man behilft sich hier meist mit einer Pegelkorrektur, die aus Messungen der Hersteller abgeleitet werden. Detaillierte Untersuchungen über Art und Längenausdehnung sind unerlässlich.

Bild 4: Funktionsschema Lärmschutzdecke

4.3 Geschwindigkeitsbeschränkungen

Die lärmmindernde Wirkung von Geschwindigkeitsbeschränkungen, insbesondere im Außerortsbereich, wird häufig überschätzt. Nach den RLS-90 (Diagramm II) [5] beträgt die Pegelminderung auf Autobahnen mit einem Lkw-Anteil von 20 % bei einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h ca. 1 dB(A), auf 80 km/h ca. 2 dB(A).

Spürbare Pegelminderungen sind erst zu verzeichnen, wenn auch die Geschwindigkeit für Lkw beschränkt wird. Etwas günstiger ist die Situation im innerstädtischen Bereich. Dort können, zumindest theoretisch, bei einer Beschränkung von 50 km/h auf 30 km/h Pegelminderungen von bis zu 3 dB(A) erzielt werden.

5 Auswahl der Lärmminderungsmaßnahmen

Der entscheidende Abwägungsprozess über Art und Umfang der Maßnahmen zur Lärmminderung erfolgt in der Linienplanung.

Grundsätzlich sollte durch Wahl der Trasse im Höhen- und Lageplan die Auswirkung des Straßenverkehrs auf das Wohnumfeld soweit wie möglich bei der Abwägung der Belange der verschiedenen Schutzgüter im Rahmen der UVP optimiert werden. Wenn aktive Lärmschutzmaßnahmen erforderlich werden, kann nur im Rahmen der Variantenuntersuchung die wirtschaftlichste und aus lärmtechnischer Sicht die effizienteste Maßnahme erarbeitet werden. Die aufgeführten Beispiele, abgestimmt auf einseitigen Schutzeffekt, machen deutlich, dass durch die unterschiedlichen Randbedingungen nur objektbezogene Variantenuntersuchungen zu wirtschaftlichen Lösungen führen können.

Vielfach bietet sich die Kombination verschiedener Schutzmaßnahmen an. Durch Abschirmeinrichtungen an Straßen können in günstigsten Fällen Pegelminderungen um bis zu 15 dB(A) erzielt werden. Sonderkonstruktionen, wie Ein- bzw. Teileinhausungen, sind auf Grund ihrer hohen Herstellungs-, Unterhaltungs- und Betriebskosten nur in begrenztem Umfang zu verwirklichen. Die Wirksamkeit von Troglagen und Teilabdeckungen wird häufig überschätzt. Nur bei hoch absorbierenden Auskleidungen können von ihnen Pegelminderungen einfacher Lärmschirme übertroffen werden.

Vorrang haben die aktiven Lärmschutzmaßnahmen an der Straße. Passive Lärmschutzmaßnahmen kommen nur dann in Frage, wenn die aktiven Lärmschutzmaßnahmen nicht durchführbar sind oder unangemessen zum angestrebten Schutzzweck stehen.

Über Art und Umfang der erforderlichen Maßnahmen kann nur eine Bewertung der Verhältnismäßigkeit der erforderlichen Mittel zum erreichten Schutzzweck Aufschluss geben.

Verhältnismäßigkeit von Schallschutzkosten

Die Frage, wann die Kosten einer Lärmschutzmaßnahme außer Verhältnis zu den Kosten stehen, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls und ist einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich [8].

Nutzen-Kosten-Betrachtungen sind aber für den sparsamen Gebrauch öffentlicher Gelder unabdingbar und im Bereich des Schallschutzes auch durch das Gesetz geboten (§ 41 BlmSchG).

Für die Abwägung kann es hilfreich sein, bestimmte objektive Kriterien zur Bewertung der Verhältnisse zu schaffen. Aus den Variantenuntersuchungen resultieren zum einen Erkenntnisse darüber, welche Maßnahmen im Vergleich zu anderen effizient sind. Zum anderen geben sie auch eine Grundlage für die Beurteilung, dass nicht jede Überschreitung der Grenzwerte durch Maßnahmen mit hohen Kosten vermieden werden muss.

Die Kostenseite der erforderlichen Schutzmaßnahmen – Vermeidungsleistungen – ist unproblematisch zu erarbeiten. Schwieriger zu erfassen sind die durch Lärmschutzmaßnahmen vermiedenen volkswirtschaftlichen Kosten des Lärms, z. B. Gesundheitsschäden, Produktionsausfälle, Wertverluste von Grundstücken etc. – der volkswirtschaftliche Nutzen [9].

Bei der Bewertung der Varianten ist entscheidend, mit welchen Kosten welche Lärmminderung erreicht wird bzw. mit welchen Grenzwertüberschreitungen noch gerechnet werden muss.

Einen Überblick für die Bewertungen der Varianten erhält man, wenn die Kosten gegenübergestellt werden der verbleibenden Belastung an den betroffenen Häusern.

Bild 5: Verhältnismäßigkeit von Schallschutzmaßnahmen

Die Belastung ergibt sich aus der Anzahl der Häuser, die infolge der Maßnahmen immer noch Grenzwertüberschreitungen aufweisen, multipliziert mit der Höhe der verbleibenden Grenzwertüberschreitungen in dB(A):

Formel in PDF

Werden die Kosten für Lärmschutzmaßnahmen und die Belastung im Diagramm (Bild 5) eingetragen, wird deutlich: je steiler die Kurve, desto höher sind die Kosten für weitere Lärmminderungsmaßnahmen.

Nun ist die Pegelminderung von beispielsweise 60 dB(A) auf 55 dB(A) nicht mit einer Pegelminderung von 55 dB(A) auf 50 dB(A) gleichzusetzen, da die Beeinträchtigung im höheren Pegelbereich wesentlich höher ist. Um den Grad der Beeinträchtigung mit einfließen zu lassen, wird in Anlehnung an die Lästigkeitsfaktoren für die Beeinträchtigung von Außenbereichen nach der „Richtlinie für den Verkehrslärmschutz an Bundesstraßen in der Baulast des Bundes (VLärmSchR 97) ein Lästigkeitsmaß LKM definiert:

Lästigkeitsmaß Objekt:

Formeln in PDF

Wenn mit der Lärmschutzmaßnahme verschiedene Gebiete, z. B. Wohngebiet und Mischgebiet geschützt werden, kann das Lästigkeitsmaß für das Gesamtprojekt durch Summation der Lästigkeitsmaße für die verschiedenen Gebiete ermittelt werden:

Formel in PDF

Werden die Lästigkeitsmaße für den Nullfall (ohne Lärmschutz) und den Planfall (mit Lärmschutz) ermittelt, so kann daraus die Effektivität der Maßnahme bestimmt werden:

Formeln in PDF

Die Effektivität für sich allein sagt nicht viel aus, da ohne Beschränkung der Kosten immer 100 % erreicht werden können.

Für die Kosten können die Investitions-, Unterhaltungs- und Erhaltungskosten ermittelt werden. Wird die Effektivität der Varianten den entsprechenden Kosten zugeordnet, kann die kostengünstigste Variante ermittelt werden (niedrigste Kosten bei höchstem Erfolg). Wieviel Kosten sind aber zur Lärmminderung gerechtfertigt? Je höher die Beeinträchtigungen sind, umso höher dürfen die Kosten zur Problembewältigung sein. Um das zum Ausdruck zu bringen, werden die relativen Kosten (Kosten pro LKM) eingeführt:

Formeln in PDF

Auch dieser Wert ist für sich allein noch nicht aussagekräftig, da in ihm nicht zum Ausdruck kommt, welcher Effekt mit den eingesetzten Mitteln erreicht wurde.

Die Effizienz einer Maßnahme ist das Verhältnis von Zielerreichung und Mitteleinsatz, hier wie folgt definiert:

Formeln in PDF

Da hier nur der Abbau des Lästigkeitsmaßes berücksichtigt wird und nicht der volkswirtschaftliche Nutzen (Monetarisierung), sagt der Absolutwert der Effizienz zunächst nicht viel aus. Bei Variantenuntersuchungen für eine Maßnahme, z. B. schrittweise Erhöhung und/oder Verlängerung einer Lärmschutzwand oder Einhausung, wird bei Zuordnung der Effizienz zu den entsprechenden Kosten deutlich, wieweit Kostenerhöhungen bei gleicher Effektivität der eingesetzten Mittel die Lärmsituation verbessern. Das Maximum der Effizienz ist erreicht, wenn weitere Verbesserungen der Lärmsituation nur mit erheblichem Kostenaufwand möglich sind.

Verdeutlicht werden die Berechnungen durch Auswertung der Diagramme, in denen

  • die Effektivität der Lärmschutzmaßnahmen sowie
  • die Effizienz der Lärmschutzmaßnahmen

den entsprechenden Kosten zugerechnet werden. Mit diesem Nachweis kann die lärmtechnisch optimale Lösung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ermittelt und auch dargestellt werden.

Zur Bewertung des Absolutwertes der Effizienz müssen Erfahrungen durch Nachrechnung realisierter und untersuchter Lärmschutzmaßnahmen gesammelt werden.

Zurzeit wird vom Bayerischen Landesamt für Umweltschutz eine Studie zur Verhältnismäßigkeit von Schallschutzkosten nach § 41 Abs. 2 BImSchG erarbeitet, in der verschiedene Rechenverfahren aufgezeigt werden, die zu vergleichenden Beurteilungen herangezogen werden können.

6 Gestaltung von Lärmschutzanlagen

Lärmschutzanlagen stellen häufig relativ hohe und optisch dominante Bauwerke dar, die zu erheblichen visuellen Beeinträchtigungen führen können (Bild 6). Dem Erscheinungsbild und der Gestaltung von Lärmschutzanlagen ist daher eine hohe Bedeutung beizumessen. Bei der Planung und Ausführung sind die schall- und bautechnischen Erfordernisse sowie die Verkehrssicherheit zu beachten und Lösungen zu suchen, die den gestalterischen Ansprüchen

Bild 6: Lärmschutzanlagen sind optisch dominante Bauwerke

des Straßenumfeldes unter Beachtung von wirtschaftlichen Gesichtspunkten am besten gerecht werden. Als allgemeiner Gestaltungsgrundsatz muss beachtet werden, dass der Anwohner die Lärmschutzanlage als dauernden Bestandteil seines unmittelbaren Umfeldes erlebt. Dies muss bei der Gestaltung der der Fahrbahn abgewandten Seite berücksichtigt werden.

Aus dem Blickwinkel des vorbeifahrenden Verkehrsteilnehmers hingegen werden Lärmschutzanlagen als Teil des Straßenraumes angesehen. In erster Linie wird die fahrbahnseitige Grobgestalt des Bauwerkes wahrgenommen. In der Regel bilden Lärmschutzanlagen eine Behinderung der freien Sicht in die Landschaft. Ziel der Planung muss daher sein, Lärmschutzanlagen so zu gestalten, dass sie sich harmonisch in die Umgebung einfügen und vom Betrachter nicht als Fremdkörper empfunden werden. Eine harmonische Gestaltung und Eingliederung des Bauwerkes in die Landschaft und das Umfeld werden durch die Wahl geeigneter Bauformen, Bauweisen, Baustoffe und Farbgebung erreicht, die auf den Charakter der jeweiligen Umgebung abgestimmt ist.

DEGES beauftragt frühzeitig für ausgewählte Streckenabschnitte Architekten, Gestaltungskonzepte zu erarbeiten und diese Konzepte dann bis zur Ausführung zu begleiten. Die Bearbeitung erfolgt in 3 Stufen:

  1. Bestandsaufnahme:
    Landschafts- und Siedlungstopografie, Bausubstanz, Geologie
  2. Gestaltungskonzept
  3. Beratung bei der Umsetzung.

Die Abschnittslängen liegen zwischen 20 bis 50 km, das entspricht einer Fahrzeit zwischen 10 und 15 Minuten.

Zurzeit wird unter Federführung des BMVBW eine Richtlinie zur Gestaltung der Lärmschutzanlagen erarbeitet [10].

Durch eine Bepflanzung mit Bäumen, Sträuchern, Kletter- oder Schlingpflanzen wird die harmonische Einbindung in die Umgebung wesentlich verbessert. Pflanzen bieten mit ihren jahreszeitlich unterschiedlichen Farben und Formen der Belaubung, der Blüten, der Früchte und des Habitus ein abwechslungsreiches Erscheinungsbild (Bild 7).

Dies gilt für den schnell vorbeifahrenden Verkehrsteilnehmer wie für den Betrachter der Anlage von der dem Verkehr abgewandten Seite.

Bild 7: Bepflanzung einer Lärmschutzwand

Bei der Entscheidung über die Art der Lärmschutzanlage sollte daher nach Maßgabe der verfügbaren Fläche und unter Berücksichtigung schalltechnischer Gesichtspunkte (RLS-90) der landschaftsgerechten Variante stets der Vorzug gegeben werden.

Aus gestalterischen Gründen und nach Maßgabe der verfügbaren Flächen sollte bei dem Bau der Lärmschutzanlagen von folgender Rangfolge ausgegangen werden:

  • Lärmschutzwall
  • Kombination Lärmschutzwall/Lärmschutzwand
  • Lärmschutzwall/Steilwall
  • Steilwall
  • Lärmschutzwand.

Dabei sind folgende Grundsätze zu beachten:

  • Die Eigenart des jeweiligen Landschafts- Stadtraumes ist zu berücksichtigen
  • Natürliche Gestaltungselemente und Materialien wie Pflanzen, Boden, Stein und Holz sollen bevorzugt und standortgemäß verwendet werden

Bild 8: Lärmschutzanlage an der BAB A 9

Bild 9: Lärmschutzanlage an der BAB A 10

  • Zurückhaltende Gestaltung und Farbgebung erleichtern die Einfügung in die Umgebung (Bild 8)
  • Wälle und Wall-Wand-Kombinationen sind aus gestalterischen Gründen reinen Wandkonstruktionen vorzuziehen
  • Sehr lange Lärmschutzanlagen sollten zur Vermeidung von Monotonie gegliedert werden durch Wechsel der Baustoffe, durch Wechsel der Farbe und dem Abstand zur Fahrbahn (Bild 9)
  • Ein kleinräumiger unharmonischer Wechsel von verschiedenen Systemen und Farben innerhalb einer Lärmschutzanlage soll vermieden werden
  • Bei dicht aufeinander folgenden Lärmschutzanlagen im Verlauf eines Straßenzuges sollen diese gestalterisch aufeinander abgestimmt werden
  • Liegen beengte Verhältnisse vor, soll die zur Verfügung stehende Fläche vorrangig der Anliegerseite zugutekommen (Bild 10)
  • Berücksichtigung vorhandener Bauwerke.

Dieser Katalog kann im Hinblick auf Linienführung, Stellung der Pfosten (rechtwinklig zur Gradiente oder senkrecht) usw. verlängert werden.

Bild 10: Lärmschutzanlage an der BAB A 4

7 Besondere Beispiele

1. Sechsstreifiger Ausbau BAB A 4 bei Chemnitz

Die außergewöhnliche Höhe der Wände mit 9 m ist nur vertretbar, wenn ein überzeugendes Gestaltungskonzept gefunden werden kann (Bild 11). Das Gestaltungskonzept geht von einer ausgeprägten räumlichen Gliederung in der Vertikalen und Horizontalen aus. Über die Wandhöhe erfolgt die Gliederung durch die Gleitwand, den unteren Wandteil aus Porenbetonelementen, den vorstehenden horizontalen Betonriegel und durch eine transparente Wand im oberen Drittel. Über die Längsentwicklung der Wände erfolgt die Gliederung im unteren Wandteil durch eine Differenzierung in den Wandstützen.

Bild 11: Gliederung hoher Lärmschutzwände

Die Hauptstützen stehen im Abstand von 12 m und sind als Betonstützen mit einer kreisförmig konkaven Form deutlich betont. Die Zwischenstützen und in den Hauptstützen liegenden Nebenstützen treten optisch nicht in Erscheinung. Trotz der starken horizontalen und vertikalen Strukturierung der Wände bleiben schließlich doch Wandflächen in Porenbeton mit Höhen von 3,50 m bzw. 5,00 m, die nach einer weiteren Gestaltung verlangten. Dies erfolgte durch eine differenzierte, abwechslungsreiche Farbgebung. Mit der Farbgestaltung wurde das auf diesem Gebiet führende Institut von Granier beauftragt [11].

2. Querung des Osterzgebirgskammes im Zuge der BAB A17

Bei der Prüfung der Verträglichkeit von Projekten nach dem Bundesnaturschutzgesetz hat sich gezeigt, dass der Lebensraum des Birkhuhnes und anderer Brutvögel durch den Bau der Autobahn A 17 betroffen sind. Da Birkhuhn, Uhu, Rauhfußkauz und Schwarzspecht zu den schutzwürdigen Tieren nach der Vogelschutzrichtlinie gehören, wäre das Projekt unzulässig, da es durch die Verlärmung des Gebietes über 45 dB(A) zu einer Vergrämung dieser geschützten Vogelarten kommen würde und damit zu einem erheblichen Eingriff in das Vogelschutzgebiet. Um die Nichterheblichkeit des Eingriffes zu erreichen, müssen neben dem Landschaftstunnel Lärmschutzwände vorgesehen werden (Bild 12).

Bild 12: Querung des Osterzgebirges im Zuge der BAB A 17

8 Schlussbemerkung

Die Akzeptanz von baulichen Lärmschutzmaßnahmen hängt bei den Betroffenen im Wesentlichen von der Wirksamkeit der Lärmschutzmaßnahmen ab, weniger von der Gestaltung. Die Gestaltung einer Lärmschutzmaßnahme muss selbstverständlich sein und ist bei der Planung zu berücksichtigen.

Literaturverzeichnis

  1. Sliwa, N.: Projekt „Leiser Straßenverkehr – Reduzierte Reifen-Fahrbahn-Geräusche“ als Bestandteil des Forschungsnetzwerkes „Leiser Verkehr“, Straße und Autobahn, Heft 10/2004
  2. Steven, H.: Minderungspotenziale beim Straßenverkehrslärm, Tagung „Lärmkongress 2000“
  3. BMVBW: Statistik des Lärmschutzes an Bundesfernstraßen 2003
  4. Schulte, W.: Offenporiger Asphalt – Lärmschutzwirkung, -bedingungen und -dauer, asphalt, Heft 2/2004
    Holldorb, C.: Offenporige Asphaltdeckschichten – Ökonomische Bewertung im Vergleich mit Lärmschutzwällen und -wänden, asphalt, Heft 2/2004
  5. Bundesministerium für Verkehr: Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen, Ausgabe 1990 (RLS-90), Bonn 1990
  6. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Merkblatt zur Umweltverträglichkeitsstudie in der Straßenplanung (MUVS), Ausgabe 2001, Köln 2001
  7. Bundesanstalt für Straßenwesen: Statuspapier 18. Oktober 2001 – Offenporige Asphaltdeckschichten (OPA), Anlage zum ARS Nr. 5/2002 des BMVBW
  8. Strick, S.: Lärmschutz an Straßen, 1998
  9. Schriftenreihe Umwelt Nr. 301 – 1998 – Wirtschaftliche Tragbarkeit und Verhältnismäßigkeit von Lärmschutzmaßnahmen – BUWAL
  10. BMVBW: Empfehlungen für die Gestaltung von Lärmschutzanlagen an Straßen, Entwurf 2004
  11. Reintjes, K.-H.: Der Bahremühlenviadukt in Chemnitz, 3. Symposium Straßenbrückenbau, 11. und 12. Februar 2003, Leipzig