FGSV-Nr. FGSV 001/26
Ort Bremen
Datum 28.09.2016
Titel Auswirkung des Schichtenverbundes auf die Nutzungsdauer von Asphaltbefestigungen
Autoren Univ.-Prof. Dr.-Ing. Frohmut Wellner, Dr.-Ing. Borislav Hristov, Dipl.-Inf. Uwe Reinhardt
Kategorien Kongress
Einleitung

In diesem Beitrag wird eine neu entwickelte Vorrichtung zur zyklischen Prüfung des Schichtenverbundes, die Methodik zur versuchstechnischen und analytischen Bestimmung der Schersteifigkeit in der Schichtengrenzfläche sowie die Auswirkung des Schichtenverbundes auf die Nutzungsdauer von Asphaltbefestigungen vorgestellt. Dabei wurden in einem umfangreichen Prüfprogramm Probekörper mit definierten qualitativ unterschiedlichen Schichtenverbünden hergestellt, anschließend die auf den Schichtenverbund wirkenden Einflussparameter Temperatur, Belastungsfrequenz und Normalspannung untersucht und deren funktionale Zusammenhänge mit einer Masterfunktion beschrieben. Mittels Finite-Elemente-Berechnungen und durch Anwendung des Verfahrens der rechnerischen Dimensionierung nach RDO Asphalt wurden Ermüdungsbetrachtungen für unterschiedliche Schichtenverbünde über eine Nutzungsdauer von 30 Jahren durchgeführt und Empfehlungen für die praktische Anwendung bei Neubau und Erhaltung gemacht.

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1 Einleitung

Die im Folgenden dargestellten Ergebnisse sind in dem IGF-Vorhaben Nr. 17634 BG ,,Zyklische Schersteifigkeits- und Scherermüdungsprüfung zur Bewertung und Optimierung des Schichtenverbundes in Straßenbefestigungen aus Asphalt", gefördert durch die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsgemeinschaften (AIF) mit Unterstützung des Deutschen Asphaltinstitutes (DAI) in Zusammenarbeit mit dem Institut für Straßenwesen der TU Braunschweig sowie im Rahmen der Bearbeitung des Projektes der Forschergruppe FOR 2089 ,,Dauerhafte Straßenbefestigungen für zukünftige Verkehrsbelastungen ­ gekoppeltes System Straße-Reifen-Fahrbahn" entstanden. Für die Förderung durch AIF und DFG sowie die Unterstützung durch das DAI möchten wir uns sehr bedanken.

1.1 Ausgangssituation

In der Regel besteht das Asphaltpaket einer Straße in Deutschland aus Asphaltdeck-, Asphaltbinder- und Asphalttragschicht. Die Schichten des Asphaltpaketes werden sowohl in vertikaler Richtung, durch Radlasten, als auch in horizontaler Richtung, durch Brems- und Beschleunigungslasten, belastet. Zusätzlich wirken witterungsbedingte Belastungen durch die Einflüsse von Erwärmung, Abkühlung und Durchfeuchtung. Der Schichtenverbund ist die vollflächige Verbindung zwischen den einzelnen Schichten bzw. Lagen der Verkehrsflächenbefestigung. Er ermöglicht die Übertragung von Scher- und Normalspannungen zwischen den Asphaltschichten und wirkt über die Verzahnung der Gesteinskörner in der Schichtengrenzfläche, die Reibung zwischen den Gesteinskörnern und die Verklebung mit Bitumen. Bei der Übertragung von Scherspannungen über die Schichtengrenzfläche wirken diese drei Faktoren gleichzeitig mit unterschiedlichen Anteilen, in Abhängigkeit von den eingesetzten Asphaltmischgütern, der Temperatur, dem Normaldruck sowie der Bitumenemulsionsart und -menge.

Die entstehenden, teilweise extremen Schubbeanspruchungen an den Schichtengrenzflächen müssen durch bautechnische Maßnahmen so aufgenommen werden können, dass horizontales gegeneinander Gleiten der Schichtengrenzflächen weitestgehend ausgeschlossen wird. Fehlender Schichtenverbund verändert den dreidimensionalen Beanspruchungszustand in der gesamten Befestigung so, dass es zu einer Reduktion bzw. zu einem Verlust der Tragfähigkeit, zu vorzeitiger Materialermüdung, ggf. zum Lösen des Verbundes mit folgender Entstehung von Schäden kommen kann. Dies führt zu einer deutlich kürzeren Nutzungsdauer der Gesamtbefestigung. Damit alle Schichten der Asphaltbefestigung bei der Lasteintragung als Einheit wirken können und an der Schichtengrenzfläche keine bzw. nur sehr geringe Relativverschiebungen zwischen den Schichten stattfinden, muss die Herstellung des bestmöglichen Schichtenverbundes angestrebt werden.

1.2 Zielsetzung

Das Hauptziel bestand darin, die Wirksamkeit des Schichtenverbundes durch funktionale Zusammenhänge zwischen Schersteifigkeit, Temperatur, Belastungsfrequenz und Normalspannung experimentell zu bestimmen. Mit Hilfe der Finiten Elemente Methode und dem Verfahren zur rechnerischen Dimensionierung von Straßenbefestigungen nach RDO Asphalt sollten des Weiteren Rückschlüsse der Auswirkung des Schichtenverbundes auf die Nutzungsdauer der Straßenbefestigung gezogen werden. Mit der neu entwickelten Vorrichtung zur zyklischen Prüfung des Schichtenverbundes konnten die praxisgerechte Beschreibung und Beurteilung der Verbundwirkung in Asphaltbefestigungen, zur Schaffung eines umfassenden Bewertungshintergrundes, weiterentwickelt und die Kenntnisse zu den Einflüssen auf den Schichtenverbund vervollständigt werden.

Dabei wurden die auf den Schichtenverbund wirkenden Einflussparameter Temperatur, Belastungsfrequenz und Normalspannung in dem Prüfprogramm berücksichtigt. Die sich daraus ergebenden Schersteifigkeiten sind bei unterschiedlicher Beschaffenheit und Verschmutzungsgrad der Oberfläche, unterschiedlichen Asphaltgemischen, Bitumenemulsionsarten und -mengen labortechnisch ermittelt worden.

2 Beschreibung des Versuches

2.1 Probekörperherstellung und -vorbereitung

Die für die zyklische Prüfung des Schichtenverbundes notwendigen zylindrischen Probekörper wurden aus zweischichtigen Asphaltplatten gebohrt. Die labortechnische Herstellung der Asphaltplatten erfolgte im Walzsektor-Verdichtungsgerät nach dem Braunschweiger Verdichtungsprogramm, welches eine weggeregelte Vorverdichtung und eine kraftgeregelte Hauptverdichtung beinhaltet. Die Asphaltmischgüter sind vorher auf die erforderliche Verdichtungstemperatur im Ofen aufgeheizt und anschließend homogenisiert worden. Nach Verdichtung der unteren Asphaltschicht wurde die Platte für mindestens 24 Stunden bei Raumtemperatur gelagert. Mit Hilfe von Schaumstoffwalzen wurde, bei den Versuchen mit Bitumenemulsion, die Bitumenemulsion auf die Oberfläche der unteren Platte aufgebracht und bei Raumtemperatur für mindestens drei Stunden bis zum kompletten Brechen der Emulsion und Verdunsten des Wassers gelagert. Nach der Erwärmung des Mischgutes der oberen Schicht auf die erforderliche Einbautemperatur und gründlicher Homogenisierung konnte diese in benötigtem Maße verdichtet werden. Anschließend wurden aus jeder zweischichtigen Platte die zylindrischen Probekörper mit einem Durchmesser von jeweils 100 mm gebohrt. Die Asphaltprobekörper wurden mit einem 2-komponentigen Epoxidharzkleber in zwei Stahladapter eingeklebt und mit Schrauben befestigt (Bild 1). Ein Stahladapter bestand jeweils aus zwei Halbschalen und hielt eine der Asphaltschichten des Probekörpers fest. Während des Einklebens wurde zwischen den beiden Adaptern ein Abstand von 1,0 mm eingestellt und die Schichtgrenze des Probekörpers genau auf diesen Abstand präzise angepasst. Jede eingeklebte Probe wurde daraufhin bei Raumtemperatur mindestens 24 Stunden zur vollständigen Aushärtung des Klebers gelagert.

Bild 1: Einkleben des Asphaltprobekörpers

Um eine möglichst breite Datenbasis zu erhalten und um die funktionalen Zusammenhänge im Bezug auf den Schichtenverbund möglichst realistisch und allumfassend beschreiben zu können, wurde die Qualität der Verbundes der beiden Asphaltplatten in mehreren Dimensionen variiert. Diese Variationen waren wie folgt:

  • zwei Bitumenemulsionsarten ­ C60BP1-S (polymermodifiziert), C40BF1-S (lösemittelhaltig, Haftkleber),
  • ­zwei verschiedene Hersteller bei der Bitumenemulsion der Art C60BP1-S,
  • ­drei verschiedene Mengen an Bitumenemulsion ­ 200 g/m2, 300 g/m2, 400 g/m2,
  • ­zwei Oberflächenrauheitskonfigurationen – geschliffen auf geschliffen, fein auf grob,
  • ­drei verschiedenen Verschmutzungsgrade –­ nicht, mittelstark, stark verschmutzt,
  • ­Ohne Bitumenemulsion:
    • drei Oberflächenrauheiten ­ fein, normal, grob
    • zwei Temperaturkonfigurationen ­ heiß auf heiß, heiß auf kalt

2.2 Prüfvorrichtung zur zyklischen Prüfung des Schichtenverbundes

Für die zyklische Prüfung des Schichtenverbundes ist eine neue Prüfvorrichtung entwickelt worden. Diese konnte in der Temperierkammer einer servohydraulischen Prüfmaschine an der Professur für Straßenbau der Technischen Universität Dresden eingesetzt werden. Während des Versuches wird in vertikaler Richtung, durch den Hydraulikzylinder der servohydraulischen Prüfmaschine, eine zyklische Scherkraft auf die vertikal bewegliche Scherbacke und in horizontaler Richtung, mittels Pneumatikzylinder, eine statisch wechselnde Normalkraft auf die Rückseite der Asphaltprobe aufgebracht. Um dem Normaldruck entgegenzuwirken, muss an die Stirnseite der Probe eine Stahlplatte mit Hilfe der Gewindespindel angedrückt werden. Der vertikale Scherweg und die horizontalen Bewegungen wurden durch jeweils zwei induktive Wegaufnehmer gemessen. Das mechanische Modell der Prüfvorrichtung ist im Bild 2 dargestellt.

Bild 2: Prüfvorrichtung (links) und mechanisches Modell (rechts)

2.3 Prüfprogramm

Die zyklischen Versuche wurden in Form eines umfangreichen Prüfprogramms durchgeführt (Bild 3) (siehe Abschnitt 2.1). Neben den labortechnisch hergestellten Probekörpern wurden auch auf Baustellen gewonnene Proben verwendet, um die Auswirkung aller Parameter, die den Schichtenverbund beeinflussen, zu untersuchen. Die initiale Konfiguration zum Start des Prüfprogramms war dabei jeweils: Temperatur T = -10 °C, Normalspannung N = 0,9 MPa, Frequenz f = 10 Hz und maximaler Scherweg sw,max = 0,03 mm. Während jedes Normaldrucks wurde der Probekörper mit sechs Frequenzen und der entsprechenden Lastwechselanzahl belastet. Die Software der verwendeten Prüfmaschine ermöglichte die voll automatisierte Durchführung der Prüfabläufe, somit waren keine manuellen Eingriffe zur Umstellung notwendig. Das Temperierungsprogramm lief ebenfalls voll automatisch. Die Gesamtdauer der Prüfung eines Probekörpers betrug 11 Stunden und 43 Minuten.

Bild 3: Prüfprogramm für die zyklischen Schersteifigkeitsversuche

3 Funktionen zur Berechnung der Schersteifigkeit

3.1 Bestimmung der Masterfunktion

Um die Anfangsabweichungen zu Beginn jedes Frequenzbereiches auszuschließen, wurden die Daten der letzten fünf Zyklen am Ende jedes Frequenzbereiches für die Berechnung der Schersteifigkeit verwendet. Die Scherspannungen wurden wie folgt berechnet: (1) Für kleine Scherwinkel ist tan s s. Die Scherbeanspruchung kann als das Verhältnis der Scherverschiebung sw zu dem Spalt zwischen den Stahladaptern ds, der 1,0 mm für alle Versuche beträgt, dargestellt werden. (2) Die Schersteifigkeit wurde aus den experimentellen Werten wie folgt berechnet: (3) (4) mit

Formel siehe PDF.

Gs = Schersteifigkeit [MPa/mm]

Fs = Scherkraftamplitude

[N] s = Scherdehnung

[-] s = Scherspannung [MPa]

A = Fläche des Interface [mm2]

sw = Scherwegamplitude [mm]

ds = Spalt zwischen den Stahladaptern [mm].

Für die analytische Berechnung der Schersteifigkeit war es notwendig, eine Masterfunktion zu entwickeln, die den kombinierten Einfluss von Temperatur, Normaldruck und Frequenz berücksichtigt. Es wurde festgestellt, dass die Verteilung der Werte der experimentell bestimmten Schersteifigkeit von jedem einzelnen Versuch am besten mit Hilfe einer Sigmoidfunktion approximiert werden konnten. Zunächst wurde die Temperatur-Frequenz-Äquivalenz berechnet, wie sie in der AL Sp-Asphalt 09 beschrieben wird: (5) Die Masterfunktion für die Schersteifigkeit ist: (6) mit

Formel siehe PDF.

m = Temperatur-Frequenz-Äquivalenz [Hz]

Gs,min = minimale Schersteifigkeit [MPa/mm]

Gs,max = maximale Schersteifigkeit [MPa/mm]

αT = Verschiebungsfaktor [-]

f = Frequenz [Hz]

T = Temperatur [°C]

TR = Referenztemperatur [°C]

Ea = Aktivierungsenergie [J/mol]

R = universelle Gaskonstante [J/mol·K]

a,b = Regressionsparameter [-].

Der funktionale Zusammenhang zwischen Schersteifigkeit und Temperatur-Frequenz-Äquivalenz wurde jeweils bei den vier untersuchten Normalspannungen bestimmt und aus jeder einzelnen Funktion die Abhängigkeit der Parameter a und b von der Normalspannung untersucht (Bild 4). Für den Parameter a zeigte eine logarithmische Funktion und für den Parameter b eine lineare Funktion die beste Anpassung. (7) (8) mit c1, c2, d1, d2 = Funktionsparameter [-].

Formel siehe PDF.

Bild 4: Beispiel einer Abhängigkeit der Schersteifigkeit von der reduzierten Frequenz bei den vier Normalspannungen

Somit ergab sich aus Gleichung 6 (9) Mit dieser Gleichung können die Schersteifigkeiten für jede beliebige Temperatur, Frequenz und Normalspannung berechnet werden. Die sigmoidalen Masterfunktionen zur Berechnung der Schersteifigkeit an den zwei Schichtgrenzen der Straßenbefestigung (Deckschicht-Binderschicht und Binderschicht-Tragschicht) wurden schließlich in das Finite-Elemente-Programm SAFEM (Semi-Analytical Finite Elements Method) eingesetzt (Oeser u. a., 2014), um die durch den Schichtenverbund beeinflusste Ermüdung der Straßenbefestigung zu untersuchen.

Der Zusammenhang zwischen Schersteifigkeit, reduzierter Frequenz und Normalspannung wurde mit Flächendiagrammen graphisch dargestellt (Bild 5). Die Vergleiche der Flächendiagramme der versuchstechnisch bestimmten Werte der Schersteifigkeit mit den nach Gleichung 9 berechneten Werten haben stets eine sehr gute Übereinstimmung mit hohem Bestimmtheitsmaß gezeigt.

Bild 5: Flächenplot aus den versuchstechnisch ermittelten Schersteifigkeitswerten (links) und mit Gleichung 9 bestimmtes Flächendiagramm (rechts)

3.2 Schersteifigkeit bei vollständig ermüdetem Schichtenverbund

Bei zyklischen Langzeitversuchen zum Schichtenverbund, welche an der Technischen Universität Braunschweig innerhalb des Projektes ,,Zyklische Schersteifigkeits- und Scherermüdungsprüfung zur Bewertung und Optimierung des Schichtenverbundes in Straßenbefestigungen aus Asphalt" (Wellner u. a., 2016) durchgeführt wurden, konnte beobachtet werden, dass es eine Lastwechselzahlabhängige Abnahme der Schersteifigkeit gibt. Aus diesen versuchstechnisch ermittelten Ermüdungskurven (Bild 6) konnte gefolgert werden, dass die Erhöhung der Normalspannung eine generelle Erhöhung der verbleibenden Schersteifigkeit des Probekörpers über die gesamte Versuchsdauer, sowie eine größere Lastwechselzahl bis zur vollständigen Ermüdung bewirkt. Durch die Annäherung der Ermüdungsfunktionen bei jeweils einer Normalspannung und den drei untersuchten Temperaturen auf denselben Wert, wird deutlich, dass die Schersteifigkeiten der vollständig ermüdeten Schichtenverbünde temperaturunabhängig sind.

Bild 6: Ermüdungskurven des Schichtenverbundes für die Normalspannungen 0 MPa und 0,25 MPa und die jeweiligen Temperaturen 10 °C, 20 °C und 30 °C

Aus den so ermittelten normalspannungsabhängigen Grenzwerten konnte ein linearer Zusammenhang festgestellt werden, welcher die Beziehung zwischen Normalspannung und Schersteifigkeit bei vollständig ermüdetem Schichtenverbund beschreibt (Bild 7).

Bild 7: Zusammenhang zwischen verbleibender Schersteifigkeit und Normalspannung bei vollständig ermüdetem Schichtenverbund

4 Ergebnisse

Die umfangreichen Versuche haben gezeigt, dass die Schersteifigkeiten zwischen zwei getrennt voneinander hergestellten und anschließend miteinander verbundenen Asphaltschichten eine Schersteifigkeit von 100 MPa/mm nicht übersteigt (Wellner u. a., 2016). Der Schichtenverbund ist somit deutlich geringer, als er im Berechnungsmodell der RDO Asphalt berücksichtigt wird. Um die Auswirkungen des verminderten Schichtenverbundes auf das Ermüdungsverhalten von Asphaltkonstruktionen zu untersuchen, wurden mit Hilfe des Finite-Elemente-Programms SAFEM Dimensionierungsberechnungen entsprechend dem Verfahren nach RDO Asphalt durchgeführt. Dafür wurden fünf verschiedene Schichtenverbundkonfigurationen für die Schichtgrenzen zwischen Deck- und Binderschicht sowie zwischen Binder- und Tragschicht angesetzt:

  1. Vollständiger Schichtenverbund:
    • ­theoretischer Schichtenverbund
    • ­obere und untere Asphaltschicht sind fest miteinander verbunden
    • ­für die Dimensionierung nach RDO Asphalt zwischen Asphaltschichten angenommen
  2. ,,Good Case": jeweils bester, an den labortechnisch hergestellten Probekörpern, gemessener Schichtenverbund
  3. ,,Bad Case": jeweils schlechtester, an den labortechnisch hergestellten Probekörpern, gemessener Schichtenverbund
  4. Vollständig ermüdeter Schichtenverbund: in Langzeitversuchen festgestellter, normalspannungsabhängiger, temperaturunabhängiger Schichtenverbund (siehe Abschnitt 3.2)
  5. Vollständig aufgelöster Schichtenverbund:
    • ­– theoretischer Schichtenverbund
    • ­– obere und untere Asphaltschicht gleiten reibungsfrei aufeinander.

Die Ergebnisse sind für eine Bauweise gemäß Tafel 1, Zeile 1 der RStO und für eine Beanspruchung der Belastungsklasse Bk100 bestimmt worden. Da die Berechnung mit verminderten Schersteifigkeiten nicht kalibriert ist, können nur vergleichende Aussagen getroffen werden. Hierfür wurde das Berechnungsergebnis der ,,Good Case"-Schichtenverbundkonfiguration als Referenzwert für die hundertprozentige Ermüdung und den Nutzungszeitraum der Asphaltbefestigung festgesetzt (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1: Relative Ergebnisse für die berechneten Schichtenverbundkonfigurationen

Die fünf berechneten Ermüdungsverläufe sind im Bild 8 dargestellt. Da gegenwärtig mit dem theoretischen vollständigen Schichtenverbund (grüne Linie) dimensioniert wird und sich gezeigt hat, dass dieser Fall nicht realistisch ist, ist es in einem nächsten Schritt empfehlenswert den Schichtenverbund mittels dem hier dargestellten Verfahren in die Berechnungsprozedur der RDO Asphalt aufzunehmen und mit den gewonnenen Informationen neu an den Schichtdicken der RStO zu kalibrieren. Dabei ist es ratsam, die Werte der ,,Bad Case"-Schichtenverbundkonfiguration zunächst generell anzunehmen. Dadurch ist bei einem Neubau einer Asphaltbefestigung ein schlechterer Schichtenverbund nahezu ausgeschlossen und die Berechnungsergebnisse liegen auf der ,,sicheren Seite". Bei Annahme eines besseren Schichtenverbundes kann bei der Dimensionierung eine Schichtenreduzierung und damit eine Kostenersparnis erreicht werden. Sollte ein besserer Schichtenverbund, aufgrund von z. B. Erfahrungswerten, bei der Berechnung angesetzt werden, muss dieser jedoch nach Abschluss der Einbauarbeiten versuchstechnisch nachgewiesen werden.

Bild 8: Ermüdungsverläufe der bei den Berechnungen berücksichtigten Schichtenverbundkonfigurationen

Die Berechnungsergebnisse zum verminderten Schichtenverbund können zukünftig auch bei Maßnahmen an bestehenden Asphaltkonstruktionen bei Begutachtung nach RSO Asphalt Berücksichtigung finden. Sollte bei einer Erhaltungsmaßnahme an einem Bohrkern ein gebrochener Schichtenverbund, also keine Verklebung, festgestellt werden, kann in den Berechnungen gemäß RSO Asphalt die Konfiguration ,,Vollständig Ermüdet" (schwarze Linie) als Schichtenverbund angesetzt werden. Ist hingegen am Bohrkern noch ein Verbund der Asphaltschichten nachweisbar, wird empfohlen, die ,,Bad Case"-Schichtenverbundkonfiguration oder einen am Probekörper versuchstechnisch ermittelten Schichtenverbund anzuwenden.

5 Zusammenfassung

Aus den Versuchsergebnissen konnten sigmoidale Masterfunktionen zur Beschreibung der Schersteifigkeit für verschiedene Zustände abgeleitet werden. Diese Masterfunktion wurde in das Finite-Elemente-Programm SAFEM implementiert, um den Einfluss des Schichtenverbundes auf die Nutzungsdauer der Asphaltbefestigung zu untersuchen. Aus den Finite-Elemente-Berechnungen und bei Anwendung des Verfahrens der rechnerischen Dimensionierung nach RDO Asphalt konnten Ermüdungsverläufe für den vollständigen, den guten, den schlechten, den vollständig ermüdeten und den vollständig aufgelösten (gleiten) Schichtenverbund für eine beispielhaft angenommene Asphaltbefestigung ermittelt werden. Die Masterfunktion für die Bedingung des schlechten Schichtenverbundes (Bad Case) könnte zunächst generell für die Planung von Neubaumaßnahmen sowie bei Erhaltungsmaßnahmen angesetzt werden, wenn Verklebung, festgestellt mit dem Abscherversuch nach TP Asphalt, Teil 80 unter Ansatz der Kriterien nach ZTV Asphalt angenommen werden kann. Diese Annahme liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit auf der ,,sicheren Seite". Auf Nachweis (versuchstechnisch mit Hilfe des zyklischen Scherversuches) können auch bessere Masterfunktionen bei Prognoseberechnungen für Erhaltungsmaßnahmen und ggf. auch für Neubaumaßnahmen angesetzt werden. Bei Feststellung eines gebrochenen Verbundes im Rahmen einer Maßnahme zur Straßenerhaltung ist es empfehlenswert, die Funktion des vollständig ermüdeten Schichtenverbundes anzusetzen.

Literaturverzeichnis

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Prüfvorschriften für Asphalt TP Asphalt-StB, Teil 80 ­ Abscherversuch, Köln, Ausgabe 2012 (FGSV 756/80)

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht (RDO Asphalt 09), Köln, Ausgabe 2009 (FGSV 498)

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Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen (RStO 12), Köln, Ausgabe 2012 (FGSV 499)

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O e s e r, M.; W a n g, D.; L i u, P.; W e l l n e r, F.; R e i n h a r d t, U.: Verbesserung der Sicherheit und Wirtschaftlichkeit der rechnerischen Dimensionierung von Asphaltbefestigungen über ein Finite Elemente Modell, FE 04.0259/2012/NGB, BASt, 2014

W e l l n e r, F.; H r i s t o v, B.; R e i n h a r d t, U.; W i s t u b a, M.; B ü c h l e r, S.: Zyklische Schersteifigkeitsund Scherermüdungsprüfung zur Bewertung und Optimierung des Schichtenverbundes in Straßenbefestigungen aus Asphalt, Schlussbericht zum IGF-Vorhaben Nr. 17634 BG, Dresden, 2016