FGSV-Nr. FGSV 002/119
Ort Bergisch Gladbach
Datum 29.03.2017
Titel Hotspot-Ermittlung und Emissionskataster lagebezogen in Niedersachsen (HErmEliN)
Autoren Dr. rer. nat. Christian Büns, Frank Gnoth, Dipl.-Ing. Rolf-Dieter Mummenthey, Heike Rühling, Dr. rer. nat. Jürgen Tharsen
Kategorien Luftqualität
Einleitung

Die Ermittlung und Bewertung der Luftqualität wird durch den Betrieb ländereigener Messnetze (in Niedersachsen durch die Lufthygienische Überwachung Niedersachsen, LÜN) mit Messungen der relevanten Luftschadstoffe an repräsentativen Standorten vollzogen. Die 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (39. BImSchV) legt die Grundlagen für ein bundesweit einheitliches Vorgehen bei der Ermittlung der Luftqualität. Ferner legt sie fest, dass Messungen auch an den Standorten vorgenommen werden, „an denen die höchsten Werte auftreten, denen die Bevölkerung wahrscheinlich direkt oder indirekt […] ausgesetzt sein wird“.

Diese Orte mit den höchsten Luftschadstoffimmissionen und mit einer Relevanz bezogen auf die Grenzwerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit der 39. BImSchV befinden sich heute in der Hauptsache an viel befahrenen Straßen mit einem für die Luftreinhaltung ungünstigen Verhältnis der Straßenbreite zur Gebäudehöhe der Randbebauung sowie einer hohen Bebauungsdichte. In solchen Fällen kann der Luftaustausch innerhalb einer so genannten „Straßenschlucht“ deutlich eingeschränkt sein und sich dort emittierte Luftschadstoffe akkumulieren. Solche Orte werden dann auch als Hotspots bezeichnet.

PDF
Volltext

Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

Einleitung

Die Ermittlung und Bewertung der Luftqualität wird durch den Betrieb ländereigener Messnetze (in Niedersachsen durch die Lufthygienische Überwachung Niedersachsen, LÜN) mit Messungen der relevanten Luftschadstoffe an repräsentativen Standorten vollzogen. Die 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (39. BImSchV) legt die Grundlagen für ein bundesweit einheitliches Vorgehen bei der Ermittlung der Luftqualität. Ferner legt sie fest, dass Messungen auch an den Standorten vorgenommen werden, „an denen die höchsten Werte auftreten, denen die Bevölkerung wahrscheinlich direkt oder indirekt […] ausgesetzt sein wird“.

Diese Orte mit den höchsten Luftschadstoffimmissionen und mit einer Relevanz bezogen auf die Grenzwerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit der

39. BImSchV befinden sich heute in der Hauptsache an viel befahrenen Straßen mit einem für die Luftreinhaltung ungünstigen Verhältnis der Straßenbreite zur Gebäudehöhe der Randbebauung sowie einer hohen Bebauungsdichte. In solchen Fällen kann der Luftaustausch innerhalb einer so genannten „Straßenschlucht“ deutlich eingeschränkt sein und sich dort emittierte Luftschadstoffe akkumulieren. Solche Orte werden dann auch als Hotspots bezeichnet.

Mit dem vom Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz beauftragten und von der Zentralen Unterstützungsstelle Luftreinhaltung, Lärm und Gefahrstoffe (ZUS LLG) im Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim (GAA Hildesheim) in den Jahren 2013 bis 2016 durchgeführten HErmEliN-Projekt (Hotspot-Ermittlung und Emissionskataster lagebezogen in Niedersachsen; Abbildung 1) wird eine neue Basis zur Identifizierung von solchen beschriebenen Hotspots mit den höchsten Belastungen durch Luftschadstoffe gelegt.

Vorgehensweise

Der erste Schritt zur Identifizierung von Orten mit sehr hohen Luftschadstoffbelastungen ist die räumliche Erfassung von „Straßenschluchten“, die so genannte geometrisch-potenzielle Hotspots bilden (u. a. Straßenbreite: Randbebauungshöhe << 1). Genutzt wird hierfür ein dreidimensionales Gebäudemodell, das flächendeckend für Niedersachsen vorliegt. Mithilfe der Programme IMMISbuild (IVU Umwelt 2012) und AutoBuild werden im ATKIS-Straßennetz Straßenabschnitte mit homogenen Bebauungsmustern gesucht und in (für das später verwendete Screeningmodell IMMISluft-) konforme Abschnitte aufgeteilt. Für die so identifizierten geometrisch-potenziellen Hotspots wird später die lokale Zusatzbelastung von NO2 und PM10 bestimmt.

Die Gesamtbelastung an einem Immissionsort setzt sich zusammen aus einer Hintergrundbelastung (regionaler und lokaler Hintergrund) und aus der Zusatzbelastung aus den Emissionen von Quellen der direkten Umgebung. Zur Ermittlung der Hintergrundbelastung an jedem beliebigen Ort in Niedersachsen wird im HErmEliN-Projekt eine neue zentrale Emissionsdatenbasis geschaffen. In dieser werden die Emissionen verschiedener Quellgruppen (Industrie, Landwirtschaft, Hausbrand, Verkehr) räumlich hoch aufgelöst für das gesamte Landesgebiet Niedersachsens mit Hilfe eines bottom-up-Ansatzes bestimmt. Im Ergebnis liegen für die betrachteten Quellgruppen die Jahressummen der Emissionen verschiedener Stoffe vor.

Abbildung 1: Ablaufschema des HErmEliN-Projekts 

Zur Ermittlung der Emissionen des Straßenverkehrs wird das gesamte Straßennetz in Niedersachsen herangezogen. Zunächst wird das Netz in die vom Handbuch für Emissionsfaktoren (Hbefa; INFRAS 2014) vorgegebenen Kategorien nach einem definierten Schlüssel eingeteilt. Für die Berechnung der Emissionen wird die Fahrleistung auf jedem Streckenabschnitt benötigt. Daher werden zum einen Daten aus verschiedenen Quellen berücksichtigt, die Verkehrszähldaten beinhalten (zumeist nur für Hauptverkehrsstraßen und einzelne Ballungsräume). Zum anderen wird für die übrigen Strecken des Straßenverkehrsnetzes ein dynamisches Emissionskataster (EKatDyn; IVU Umwelt 2015a) erstellt. In diesem werden anhand eines Nebennetzmodells auf Basis räumlicher und soziodemographischer Daten die spezifischen Fahrleistungen und Verkehrsstärken für jeden Streckenabschnitt bestimmt. Die Berechnung der Emissionen erfolgt mit dem Emissionsmodell IMMISem (IVU Umwelt 2015b), ebenfalls basierend auf dem HBEFA (Abbildung 2).

Abbildung 2: Schema des Verfahrens zur Emissionsermittlung des Straßenverkehrs

Für die weiteren im HErmEliN-Projekt betrachteten Quellgruppen mussten zum Teil andere Verfahren zur Bestimmung der Quellpositionen und ihrer Quellstärke entwickelt werden. Während Großteile der industriellen Quellen aus einem bestehenden Datensatz (BUBE-Online) ausgelesen werden können, kann für die Ermittlung der Tierzahlen lediglich auf landkreisbezogene Daten der Tierseuchenkasse Niedersachsen zurückgegriffen werden. Die Identifizierung der Position und Emission der einzelnen Tierhaltungsanlagen wird über einen semiempirischen Ansatz auf der Grundlage von Gebäudedaten realisiert. Bei der Quellgruppe des Hausbrands werden Daten der Schornsteinfegerinnung in Niedersachsen, die sich auf die einzelnen Feuerstätten beziehen, jedem einzelnen Gebäude in Niedersachsen zugeordnet. Die Emissionen der Quellgruppen (mit Ausnahme der Industrie) werden über anerkannte Emissionsfaktoren auf Jahresbasis berechnet.

Die Hintergrundbelastung wird auf einem 2 * 2 km²-Rechengitter für ganz Niedersachsen flächendeckend als Jahresmittelwert mit dem Chemie-Transport-Modell REM-CALGRID (Reimer und Scherer 1992) berechnet. Zusätzlich werden im Anschluss die Modellergebnisse an die Messergebnisse der Stationen des LÜN des Bezugsjahres 2011 assimiliert. Nach der Identifizierung der potenziellen Hotspots werden in Verbindung mit der Hintergrundbelastung die tatsächlichen Hotspots ermittelt. Das Hauptaugenmerk liegt im HErmEliN-Projekt auf den Luftschadstoffen NO2 und PM10 .

Ergebnisse und Diskussion

Die nach dem beschriebenen Verfahren ermittelte Gesamtfahrleistung des Straßenverkehrs auf dem Straßennetz in Niedersachsen beläuft sich auf etwa 8,6 * 1010 km a-1. Die daraus berechneten Emissionen des Straßenverkehrs liegen bei 60,9*106 kg a-1 NOx und 5,3*106 kg a-1 PM10 (Auspuffemissionen und Aufwirbelung und Abrieb; Abbildung 3). Zum Vergleich: Die für den Schienenverkehr ermittelten jährlichen Gesamtemissionen liegen bei 1,3*106 kg a-1 NOx und 0,9*106 kg a-1 PM10. Beim Schiffsverkehr (Binnen- und Seeschifffahrt) in Niedersachsen sind es 9,0*106 kg a-1 NOx sowie 0,6*106 kg a-1 PM10 . Die Emissionen durch den Offroadverkehr von landwirtschaftlichen Zugmaschinen werden im HErmEliN-Projekt mit 4,2*106 kg a-1 NOx und 0,3*106 kg a-1 PM10 angesetzt.

Abbildung 3: Emissionen in 10³kg a-1 und Fahrleistungen in 106 km a-1 des Straßenverkehrs nach Lage der Straße in Niedersachsen

Die Fahrleistung auf niedersächsischen Straßen entspricht etwa einem Zehntel der bundesdeutschen Fahrleistung. Die im HErmEliN-Projekt ermittelten Straßenverkehrsemissionen sind dahingehend plausibel, da sie gleichfalls bei etwa einem Zehntel der für Deutschland gemeldeten Emissionen durch den Straßenverkehr (UBA 2016) liegen.

Der Verkehr auf den Autobahnen in Niedersachsen hat den größten Anteil an den NOx-Straßenverkehrsemissionen (41 %; Abbildung 3). Ursache hierfür ist einerseits das hohe Verkehrsaufkommen auf den Autobahnen an sich (Anteil an der Gesamtfahrleistung: 31%) und der hohe Anteil schwerer Nutzfahrzeuge an der Fahrleistung auf den Autobahnen (20 %; Abbildung 4). 

Abbildung 4: Fahrleistungsanteile des Straßenverkehrs nach Lage der Straße und Fahrzeugarten in Niedersachsen

Der Anteil des Straßenverkehrs an den im HErmEliN-Projekt bestimmten anthropogenen Gesamtemissionen von NOx in Niedersachsen beträgt etwa 50 %. Bei PM10 liegt der Anteil für ganz Niedersachsen mit etwa 18 % deutlich niedriger. Dennoch zeichnen sich die Emissionen des Straßenverkehrs in der räumlichen Verteilung auf den Hauptverkehrsstraßen (z. B. Autobahnen A1, A2, A7) zum Teil deutlich ab. Dies gilt sowohl für NOx als auch für PM10 (Abbildung 5; Abbildung 6).

Abbildung 5: Im HErmEliN-Projekt ermittelte Gesamt-NOx-Emission in Niedersachsen

Abbildung 6: Im HErmEliN-Projekt ermittelte Gesamt-PM10 -Emission in Niedersachsen

Abbildung 7: NO2-Immissionen auf Basis der im HErmEliN-Projekt ermittelten Emissionen

Abbildung 8: PM10-Immissionen auf Basis der im HErmEliN-Projekt ermittelten Emissionen

Die flächenhaften Immissionen ergeben sich aus den im HErmEliN-Projekt ermittelten Emissionen sowie den Emissionen aus den benachbarten Bundesländern nach den Ausbreitungsrechnungen mittels des RCG-Modells. Aus den resultierenden Hintergrundkarten (Abbildung 7 und Abbildung 8) können die spezifischen Hintergrundbelastungen für die folgende Hotspotermittlung herausgelesen werden.

Insgesamt konnten über die beschriebene Vorgehensweise 340.000 Streckenabschnitte identifiziert werden, die potenziell hohe Luftschadstoffkonzentrationen aufweisen können. Durch die Verbindung der Hintergrundbelastung mit kleinräumigen Ausbreitungsrechnungen mit dem Screeningmodell IMMISluft werden in der Folge die tatsächlichen Hotspots identifiziert. Hierfür werden aktualisierte Daten zur Verkehrsmenge, -zusammensetzung und zum Verkehrsablauf in Absprache mit den betroffenen Gemeinden verwendet. Das Ergebnis dieser Hotspotsuche ist eine Liste der rechnerisch am stärksten belasteten Bereiche in Niedersachsen auf deren Grundlage die Positionierung von Messeinrichtungen verbessert werden kann.

Fazit

Mithilfe des HErmEliN-Projekts sollte eine verbesserte Grundlage für die Ausrichtung des Messnetzes zur Erfüllung der Aufgaben der 39. BImSchV gelegt werden. Die hierfür erforderlichen Arbeiten, u. a. mit der Erstellung einer umfangreichen und lagebezogenen Emissionsdatenbank, führen darüber hinaus zu einer Verbesserung der Möglichkeit zur Beurteilung der Luftqualität in Regionen, die nicht durch Messstationen abgedeckt sind. Die ermittelten tatsächlichen Hotspots werden nun Schwerpunkt weiterer Betrachtungen und Messungen werden.

Literatur

  1. INFRAS 2014: HBEFA 3.2: Handbuch für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs, Bern
  2. IVU Umwelt 2012: IMMISbuild: Handbuch Version 2.4, Freiburg IVU Umwelt 2015a: Anwendung von EKatDyn für Niedersachsen: Dokumentation. Im Auftrag des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts Hildesheim, Freiburg
  3. IVU Umwelt 2015b: IMMISem/luft: Handbuch Version 6, Freiburg Neununddreißigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen): 39. BImSchV (2010)
  4. Reimer, E., Scherer, B. 1992:    An operational meteorological diagnostic system for regional air pollution analysis and long-term modelling. Air Poll. Modelling and its Applications IX
  5. UBA 2016: Nationale Trendtabellen für die deutsche Berichterstattung atmosphärischer Emissionen: 1990-2014. Endstand 23.12.2015, Dessau