FGSV-Nr. FGSV B 34
Ort Aschaffenburg
Datum 26.09.2020
Titel Analyse der thermischen Dehnung von Fahrbahndeckenbetonen aus dem BAB-Netz
Autoren Dipl.-Ing. Alexandra Spilker, Dipl.-Ing. Ludwig Stelzner
Kategorien Betonstraßen
Einleitung

Die Kenntnis von Materialeigenschaften spielt bei der Entwicklung oder Optimierung von Betonen und Bauweisen für den Straßenbau sowie der Qualitätskontrolle und -sicherung eine bedeutende Rolle. Gleichermaßen bilden physikalische Materialkennwerte die Grundlage für die rechnerische Dimensionierung und die Restsubstanzbewertung von Betonfahrbahndecken. Einen relevanten Kennwert bei der Untersuchung thermisch induzierter Spannungs- und Verformungszustände stellt der thermische Ausdehnungskoeffizient von Beton dar. Dieser beeinflusst beispielsweise maßgeblich das Längsdehnungsverhalten des Deckensystems sowie das Ausmaß von Plattenkrümmungen und Fugenbewegungen. Im Zuge der systematischen Weiterentwicklung der rechnerischen Dimensionierung aber auch im Zusammenhang mit der gezielten Verbesserung der Gebrauchseigenschaften von Fahrbahndecken gilt es zu hinterfragen, ob lastunabhängige Formänderungseigenschaften, wie z. B. der thermische Ausdehnungskoeffizient der verwendeten Betone, aktuell ausreichend Beachtung finden, ob allgemeine Literaturwerte für die heutigen Fahrbandeckenbetone stets Gültigkeit besitzen und ob deren Implementierung in moderne Rechenmodelle zu validen Ergebnissen führt. Für eine empirische Herangehensweise ist die Verfügbarkeit adäquater Prüfverfahren von entscheidender Bedeutung. In Deutschland existiert aktuell jedoch kein standardisiertes oder genormtes Verfahren für die prüftechnische Bestimmung des thermischen Ausdehnungskoeffizienten von Beton. Daher wurden unter Beachtung straßenbauspezifischer Gesichtspunkte zwei Prüfansätze entwickelt, die in diesem Beitrag vorgestellt und hinsichtlich möglicher Messunsicherheiten und Messungenauigkeiten diskutiert werden. Außerdem erfolgt die Darstellung ausgewählter Ergebnisse aus Analysen an Bestandsbetonen aus dem BAB-Netz. Im Ergebnis sollen die Untersuchungen einen Beitrag zur Schaffung der prüftechnischen Voraussetzungen für eine abgesicherte Quantifzierung der thermischen Dehnung von Fahrbahndeckenbetonen leisten.

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1 Einleitung

Der thermische Ausdehnungskoeffizient (CTE) von Beton besitzt hinsichtlich der Analyse thermisch induzierter Spannungs- und Verformungszustände von Fahrbahnplatten einen hohen Stellenwert. So beeinflusst dieser Kennwert maßgeblich das Längsdehnungsverhalten des Deckensystems sowie das Ausmaß von Plattenkrümmungen und Fugenbewegungen bei den in Deutschland konventionell hergestellten Decken in Plattenbauweise. Bei der rechnerischen Dimensionierung in Deutschland (RDO Beton 09) findet eine Berücksichtigung nur über allgemeine Tabellenwerte statt. Hingegen wird in den USA dem CTE sowie seiner labortechnischen Bestimmung seit Einführung des Mechanistic Empirical Pavement Design Guide (MEPDG) eine hohe Bedeutung zugeschrieben. Im Rahmen von Sensitivitätsanalysen mittels MEPDG wurde festgestellt, dass der CTE einen maßgebenden Materialparameter im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit von Betonfahrbahndecken darstellt. So besitzt der CTE einen signifikanten Einfluss auf Stufenbildung, Rissbildung und die Ebenheit bei Decken in Plattenbauweise sowie auf das Auftreten von punch outs, die Rissbreite und die Ebenheit bei durchgehend bewehrten Fahrbahndecken (z. B. Mallela; Abbas et al., 2005; Schwartz; Li et al., 2011; Darter; Titus-Glover et al., 2014). Im Ergebnis wird z. B. in Kalifornien der CTE im Rahmen der Qualitätssicherung während der Bauausführung experimentell bestimmt. In Texas ist ein oberer Grenzwert für den CTE der Gesteinskörnung, die beim Bau durchgehend bewehrter Betonfahrbahndecken eingesetzt wird, vorgeschrieben (Gudimettla; Parvini et al., 2012).

Im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung nationaler Dimensionierungsverfahren, z. B. durch Nutzung numerischer Simulationen mittels FEM, kommt der Verbesserung der Qualität von Eingangsdaten eine hohe Bedeutung im Hinblick auf die Erzielung realitätsnaher Vorhersagen zu. Hierzu gehören u. a. gute Parameterschätzungen der realen, im Netz vorhandenen Materialeigenschaften sowie über deren zeitlichen Verlauf während der Nutzungsdauer. In diesem Kontext gilt es zu hinterfragen, ob die aktuellen Ansätze zur Berücksichtigung der thermischen Beanspruchung von Fahrbahnplatten hinreichend für eine abgesicherte Einschätzung der Nutzungsdauer sind und ob allgemeine Literaturwerte für die heutigen Fahrbandeckenbetone stets Gültigkeit besitzen. Des Weiteren ist insbesondere bei einer nutzerorientierten Betrachtung des Straßenoberbaus die Dimensionierung nicht ausschließlich auf eine Bemessung der Deckendicke auszurichten. Eine übergeordnete Rolle spielt hier die dauerhafte Sicherstellung der Funktionseigenschaften der Fahrbahnoberfläche, z. B. Ebenheit und akustische Eigenschaften, die auch durch lastunabhängige Formänderungseigenschaften, wie thermisch und hygrisch induzierte Verformungen, beeinflusst werden können.

Für eine empirische Herangehensweise ist die Verfügbarkeit adäquater Prüfverfahren von entscheidender Bedeutung. In Deutschland existiert aktuell jedoch kein standardisiertes oder genormtes Verfahren für die prüftechnische Bestimmung des thermischen Ausdehnungskoeffizienten von Beton. Daher wurden zunächst unter Beachtung straßenbauspezifischer Gesichtspunkte zwei Prüfansätze entwickelt, die u. a. die bauspezifischen Randbedingungen deutscher Fahrbahndecken berücksichtigen. Ein wesentlicher Aspekt hierbei war die Möglichkeit der Prüfung von Probekörpern aus Bestandsdecken, um eine Untersuchung in den verschiedenen Teilprozessen der Wertschöpfungskette sowie während der Nutzungsdauer zu ermöglichen. Dies besitzt insbesondere auch für die Anwendung bei der Kennwertermittlung im Rahmen einer mechanisch und statistisch abgesicherten Bewertung der strukturellen Substanz von Fahrbahndecken im Kontext mit der systematischen Erhaltungsplanung des Bundesfernstraßennetzes Relevanz (Wieland; Villaret et al., 2017).

In diesem Beitrag werden nach der Darlegung ausgewählter Inhalte zum aktuellen Stand in Forschung, Normung und Regelwerk die entwickelten Prüfansätze vorgestellt und hinsichtlich möglicher Messunsicherheiten und Messungenauigkeiten diskutiert. Außerdem erfolgt die Darstellung ausgewählter Ergebnisse aus Analysen an Bestandsbetonen aus dem BAB-Netz. Im Ergebnis sollen die Untersuchungen einen Beitrag zur Schaffung der prüftechnischen Voraussetzungen für eine abgesicherte Quantifizierung der thermischen Dehnung von Fahrbahndeckenbetonen leisten.

2 Status quo

2.1 Definitionen

Der thermische Ausdehnungskoeffizient (auch Wärme- oder Temperaturdehnzahl; engl.: coefficient of thermal expansion (CTE)) von Beton stellt einen Materialkennwert zur Beschreibung des Ausdehnungsverhaltens bei Temperaturbeanspruchung dar und gibt die auftretende Längen- bzw. Volumenänderung eines Stoffes je Temperatureinheit an. Es wird zwischen dem linearen CTE (Längenausdehnungszahl) und dem kubischen CTE (Raumausdehnungszahl) unterschieden. In der Regel ist die Wärmeausdehnung mineralischer Baustoffe temperaturabhängig und steigt meist mit der Temperatur an. Aus diesem Grund werden mittlere Dehnzahlen für einen definierten Temperaturbereich angegeben. Die Wärmedehnung von Beton ergibt sich aus der Summe der wahren und der scheinbaren Wärmedehnung (Dettling, 1962).

Die unterschiedlichen CTE der Betonbestandteile Gesteinskörnung und Zementstein führen zu einer unterschiedlichen thermischen Ausdehnung der einzelnen Gemengeteile infolge kinetischer Molekularbewegung. Aufgrund des Verbundes zwischen Gesteinskörnern und Zementstein kommt es zu inneren Gefügespannungen, die zu Druckspannungen in den Elementen mit dem größeren Dehnungsbestreben (in der Regel Zementstein) und zu Zugspannungen in den Elementen mit dem geringeren Dehnungsbestreben (in der Regel Gesteine) führen. Die Überlagerung der thermischen Dehnung mit den mechanischen Dehnungen aus Gefügespannungen wird als wahre Wärmedehnung bezeichnet. In Stoffen, die aufgrund ihres inneren Gefüges und ihrer stofflichen Zusammensetzung Wasser physikalisch anlagern können, wirken adsorptive und kapillare Kräfte. Diese hängen von der Porenstruktur und dem Feuchtigkeitsgehalt ab und ändern sich mit der Temperatur. Die hierdurch hervorgerufene Raumänderung quellungsfähiger Bestandteile des Zementgels und die Dehnung bzw. Stauchung des Stoffgerüsts führt zu einer der wahren Wärmedehnung gleichgerichteten Dehnung des Betons, der sogenannten scheinbaren Wärmedehnung. Diese tritt nur in teilgesättigten Porensystemen auf, ohne, dass sich der Gesamtwassergehalt des Betons ändert. Bei wassergesättigten oder extrem getrockneten Porensystemen entspricht die eintretende thermische Dehnung der wahren Wärmedehnung (z. B. Dettling, 1962).

2.2 Einflüsse auf die thermische Dehnung von Beton

Die thermische Dehnung von Beton ist von einer Vielzahl an Einflussfaktoren abhängig, deren Kenntnis für die Entwicklung von Prüfverfahren zur Bestimmung des thermischen Ausdehnungskoeffizienten (CTE) sowie die Interpretation von Messergebnissen von Bedeutung ist. Grundsätzlich sind die Einflüsse vielfältig und lassen sich in material- und versuchsbedingte Einflüsse einordnen. Eine Zusammenstellung der für diese Untersuchungen relevanten Einflüsse ist in (Spilker, 2018) enthalten. Als Haupteinflüsse haben sich die Gesteinsart der verwendeten groben Gesteinskörnung sowie der Feuchtegehalt der Probekörper herausgestellt.

2.3 Prüfverfahren und normative Regelungen

Die Bestimmung des CTE von Beton kann zum einen rechnerisch bei Kenntnis der CTE der einzelnen Betonbestandteile, der Betonrezeptur sowie des Feuchtezustands und des Alters des Betons erfolgen (Dettling, 1962). Sind nicht alle Eingangsdaten für die Berechnung bekannt oder ist eine hohe Genauigkeit des Kennwerts gefordert, ist im Einzelfall eine Ermittlung auf experimentellem Wege vorzunehmen. Grundsätzlich werden national und international verschiedene Prüfverfahren zur Bestimmung der thermischen Längenänderung mineralischer Baustoffe verwendet, die sich in einer Vielzahl an Parametern unterscheiden. In der Regel werden Messungen diskontinuierlich auf mechanischem (z. B. Messuhr) oder kontinuierlich auf elektrischem Wege (z. B. induktive Wegaufnehmer) vorgenommen. Die Temperierung der Probekörper erfolgt über eine Flüssigkeit oder Luft. Ferner variieren die Probekörper hinsichtlich geometrischer Form und Abmessung, Alter, Feuchtegehalt und dem Vorhandensein einer Feuchtigkeitsisolierung. Unterschiede angewendeter Prüfverfahren sind u. a. ebenfalls bezüglich des untersuchten Temperaturbereichs, der Dauer der Temperierung der Proben, der Anzahl aufgebrachter Temperaturzyklen sowie der gewählten Aufheiz- und Abkühlraten zu verzeichnen. Prinzipiell ist festzuhalten, dass derzeit in Deutschland kein standardisiertes Verfahren zur Bestimmung des CTE von Beton existiert und vereinzelt in Forschung und Praxis verschiedene Verfahren Anwendung finden, die sich in der Regel an bestehende Normen zur Bestimmung des CTE anderer Konstruktionswerkstoffe anlehnen. In den USA wurde die (AASHTO T 336-15) im Jahr 2009 als Standardverfahren für die Ermittlung des CTE von Betonzylindern und Bohrkernen aus Fahrbahndecken eingeführt. Hierbei werden die Proben in gesättigtem Zustand im Wasserbad in einem Temperaturbereich zwischen 10 °C und 50 °C untersucht. Die Längenänderung wird über die Deckenhöhe kontinuierlich mit einem induktivem Wegaufnehmer (LVDT) bestimmt. Insbesondere aufgrund der in Deutschland häufig angewendeten zweischichtigen Bauweise ist ein derartiges Verfahren als ungeeignet für die nationale Anwendung einzustufen.

3 Labortechnische Untersuchungen

3.1 Probekörperherstellung

Im Betonstraßenbau ist insbesondere das Spannungs- und Verformungsverhalten der Fahrbahndecken in Längsrichtung von Bedeutung. Da nicht bekannt ist, ob sich der CTE des Fahrbahndeckenbetons beispielsweise material- und/oder herstellungsbedingt isotrop verhält, ist die Bestimmung des CTE an Probekörpern vorzunehmen, deren Längsachse in Fahrtrichtung verläuft. Hierzu werden je drei Betonprismen entsprechend (Bild 1) aus einer oberen und unteren Bohrkernscheibe hergestellt. Dieses Vorgehen sichert zudem die notwendige getrennte Ansprache von Ober- und Unterbeton bei zweischichtigen Decken. Die Schichtdicke des Oberbetons beträgt in der Regel 5 cm. Aufgrund möglichst minimaler Eingriffe in den Bestand sowie Einschränkungen durch vorhandene Technologien zur Bohrkernentnahme ist die Geometrie der Bohrkerne und folglich auch der Prismen begrenzt. So ergeben sich bei Bohrkernen mit einem Durchmesser von 340 mm Probekörper für die Laborprüfungen mit den Abmessungen 225 x 50 x 50 mm³.

Wie bereits erwähnt, wird der CTE u. a. von der Betonfeuchte beeinflusst. Um die Wiederholbarkeit der Prüfergebisse zu ermöglichen bzw. prüftechnisch realisierbare Zustände einstellen zu können ist es erforderlich, bei der Bestimmung der thermischen Längenänderung Extrem- oder Ausgleichszustände zu betrachten. Aufgrund der maximalen Dehnung bei lufttrockenen Proben wurden die Prismen im Normklima bei (20 ± 2) °C und (65 ± 5) % relativer Luftfeuchte bis zur Massekonstanz gelagert. Hierfür wurde als erhöhtes Kriterium zur Feststellung der Massekonstanz eine Massenänderung von ≤ 0,05 M.-% in zwei aufeinanderfolgenden Messungen im Abstand von 24 h herangezogen. Im Anschluss wurden die für die beiden Prüfansätze unterschiedlichen Messmarkenpaare appliziert und eine allseitige Beschichtung mit Epoxidharz aufgebracht, um eine Feuchtigkeitsaufnahme während der Prüfung zu vermeiden. Aufgrund der geringen Steifigkeit des Epoxidharzes im Vergleich zu der Steifigkeit des Betons wird davon ausgegangen, dass dies keine Auswirkungen auf das Verformungsverhalten des Probekörpers hat.

Bild 1: Darstellung der Präparation von Prismen aus Bohrkernen

3.2 Prüfansatz 1: Diskontinuierliche Messung

Der Prüfansatz 1 (PA1) zur Bestimmung der temperaturabhängigen Längenänderung der Betonprobekörper wird in Anlehnung an die Vorgehensweise gemäß DIN EN 1770:1998-04, Verfahren 2: Alternativverfahren, durchgeführt. Hierbei werden die Probekörper stufenweise in definierten Temperaturinkrementen im Temperaturbereich 0 – 40 °C aufgeheizt und abgekühlt. Nach jedem Temperaturschritt von 10 K wird die Längenänderung der Messstrecke diskontinuierlich auf mechanischem Weg mittels Messuhr (Auflösung 0,001 mm) bestimmt. Die Temperierung der Probekörper auf die Zieltemperaturen findet aufgrund der schnelleren Wärmeübertragung im Vergleich zu Luft in einer Wärmeträgerflüssigkeit statt. Der mittlere lineare CTE lässt sich entweder mittels linearer Regression oder über Mittelwertbildung der für jede Temperaturstufe ermittelten CTE gemäß Gleichung (1) errechnen.

Gleichung (1) siehe PDF

Eine genauere Beschreibung der Versuchsdurchführung und -auswertung ist in (Spilker, 2018) enthalten.

3.3 Prüfansatz 2: Kontinuierliche Messung

Die Bestimmung des CTE mittels kontinuierlicher Messungen nach Prüfansatz 2 (PA2) erfolgt in Anlehnung an die AASHTO 331-15. Zur Sicherstellung der Vergleichbarkeit der Ergebnisse mit den Ergebnissen des zuvor beschriebenen diskontinuierlichen Messverfahrens erfolgt die Prüfung ebenfalls im Temperaturbereich von 0 – 40 °C jedoch mit Temperaturschritten von 5 K. Zwischen jedem Temperaturschritt wird die Solltemperatur jeweils für 4 h gehalten, bevor der nächste Temperaturschritt angefahren wird. Im gesamten Versuchszeitraum wird die Dehnung der Betonprüfkörper mit induktiven Wegaufnehmern (LVDT) mit einer Messrate von 1 Hz aufgezeichnet. Die induktiven Wegaufnehmer besitzen einen Messbereich von ± 2,5 mm und einen Temperaturfehler von ± 0,1 %/10 K. Je Messplatz ist dabei ein LVDT zusammen mit dem Betonprüfkörper in einem Prüfrahmen aus Edelstahl (V2A) montiert. Über mittig auf den Stirnflächen aufgeklebte Messzapfen ist der Prüfkörper mit dem Messaufnehmer bzw. dem Prüfrahmen verbunden. Der gesamte Messaufbau besteht aus sechs Messplätzen und kann in einem Klimaschrank eingebaut werden. Der Messaufbau im eingebauten Zustand ist im Bild 2 dargestellt. Im linken Teilbild (I) ist der gesamte Messaufbau im eingebauten Zustand im Klimaschrank zu sehen. Zusätzlich zu den sechs induktiven Wegaufnehmern sind zwei Temperaturmessstellen mittels Thermoelemente Typ K im Klimaschrank eingebaut (grüne Messleitungen im Bild). Die Teilbilder (II) und (III) im Bild 2 geben einen Überblick über den Prüfkörpereinbau im Messrahmen.

Bild 2: Messaufbau des Prüfansatzes 2 im eingebauten Zustand

Aufgrund der Klimatisierung des gesamten Prüfaufbaus und der damit verbundenen thermischen Dehnung des Prüfrahmens und des Wegsensors, ist es nicht möglich, die thermische Dehnung des Betons direkt aus den Messwerten der induktiven Wegaufnehmer zu bestimmen. Gleichung (2) zeigt, wie sich die Einzeldehnungen bzw. die daraus resultierenden Längenänderungen zur Gesamtdehnung zusammensetzen. Die thermische Ausdehnung des Prüfrahmens (ΔsRahmen (T)) ist dabei gleich der Summe aus der thermischen Ausdehnung des Betons (ΔsBeton (T) = αTBeton (T) * lBeton * ΔT), der thermischen Ausdehnung der aufgeklebten Messzapfen (ΔsMesszapfen = lMesszapfen * αTMesszapfen (T) * ΔT), der thermischen Ausdehnung bzw. des systematischen Messfehlers des induktiven Wegaufnehmers (ΔsLVDT(T)) und dem ermittelten Messwertunterschied (ΔsMessung). Die jeweiligen Dehnungen bzw. Längenveränderungen werden dabei immer auf ein Temperaturintervall von 5 K im Temperaturbereich von 0 – 40 °C bezogen.

Gleichung (2) siehe PDF

Mit Hilfe von Referenzmessungen an Kalibriermaterialien wird im ersten Schritt die thermische Ausdehnung des Prüfrahmens und des induktiven Wegaufnehmers bestimmt. Als Referenzmaterialien wurde eine Invarlegierung mit geringer thermischer Ausdehnung und ein Edelstahl V2A (1.4301) verwendet. Für beide Referenzmaterialien wurde mittels Dilatometer der temperaturabhängige thermische Ausdehnungskoeffizient αTReferenz(T) bestimmt. Aus den in den Referenzmessungen ermittelten Messwertdifferenzen und den ermittelten thermischen Dehnungen der Referenzmaterialien wird nun die temperaturabhängige Ausdehnung des Prüfrahmens und des induktiven Wegaufnehmers nach Gleichung (3) berechnet.

Gleichung (3) siehe PDF

Darauf aufbauend erfolgt die eigentliche Messung, bei der die Betonprismen anstatt der Referenzmaterialien in die Prüfrahmen eingebaut werden. Mit Hilfe der Gleichung (4) kann die thermische Längenänderung der Betonprüfkörper unter Verwendung der bestimmten Wegmesswerte berechnet werden. Abschließend lässt sich mit zuvor genannter Formel der thermische Ausdehnungskoeffizient des Betons ermitteln.

Gleichung (4) siehe PDF

Das Bild 3 (I) zeigt exemplarisch die Messwertdarstellung für einen induktiven Wegaufnehmer und ein Thermoelement. Die Bestimmung des jeweiligen, zur Temperaturstufe gehörenden, Messwertes erfolgt durch Mittelung über einen Zeitraum von 2000 s am Ende jedes Temperaturintervalls. Exemplarisch für die Temperaturstufe 20 °C ist im Bild 3 (II) der Bereich der Messwertmittelung farbig hinterlegt. Mit Hilfe der Messwertmittelung werden Messwertänderungen, die auf die Temperaturregelung des Klimaschrankes zurückgehen, eliminiert. Jeder Messdurchlauf wurde jeweils mit V2A und Invar als Referenzmaterial ausgewertet. Aus diesem Grund sind sämtliche Ergebnisse des Prüfansatzes 2 mit dem jeweils verwendeten Referenzmaterial gekennzeichnet (vgl. Bilder 4 und 5).

Bild 3: Exemplarischer Messwertverlauf (Wegmesswert und Lufttemperatur im Klimaschrank) während eines Messdurchlaufs (links), Detailansicht einer Temperaturstufe mit gekennzeichnetem Bereich zur Messwertmittelung (farbig hinterlegt) (rechts)

3.4 Vergleichsuntersuchungen an Metallprobekörpern

Für eine erste Bewertung der beiden Prüfansätze PA1 und PA2 erfolgten zunächst Messungen an einem homogenen Werkstoff. Aufgrund einer ähnlichen thermischen Ausdehnung wie Beton wurden hierfür Edelstahlproben (V2A) mit den zuvor beschriebenen Abmessungen verwendet. Mit beiden Prüfansätzen wurde eine Dreifachbestimmung an 3 identischen Proben vorgenommen. Ergänzend wurden an Proben aus dem gleichen Material Untersuchungen mit einem horizontalen Schubstangendilatometer durchgeführt, das aufgrund der begrenzten Probekörperdimensionen in erster Linie zur Untersuchung homogener Werkstoffe eingesetzt wird. Das enthaltene opto-elektronische Wegmesssystem zeichnet sich insbesondere durch eine sehr hohe Auflösung (0,1 nm) über einen relativ großen Messbereich von ± 25 mm aus. Für die Messungen mittels Dilatometer (DIL) wurde eine zylindrische Probe mit einem Durchmesser von 19 mm und einer Länge von 50 mm hergestellt, an der eine Doppelbestimmung vorgenommen wurde. Die Auswertung der Messergebnisse wurde jeweils mittels linearer Regression im gesamten Temperaturbereich sowie durch Mittelwertbildung der für die einzelnen Temperaturstufen abschnittsweise ermittelten CTE vorgenommen. Im Bild 4 sind die Ergebnisse zusammenfassend dargestellt. Die an die Balken angetragenen Fehlerindikatoren bilden dabei die Standardabweichung der Messergebnisse je Prüfansatz ab (n=9, DIL: n=2).

Die Vergleichsuntersuchungen an Edelstahlprobekörpern mit beiden Prüfansätzen sowie mittels Dilatometer ergaben mittlere CTE im Bereich von 15,1 bis 16,2 x 10-6/K. Diese Werte liegen tendenziell geringfügig unter dem im Werkstoffdatenblatt angegebenen Wert von 16,0 x 10-6/K für den Temperaturbereich 20 – 100 °C und erscheinen hinsichtlich der Größenordnung plausibel.

Bild 4: Ergebnisse aus Untersuchungen an Edelstahl (V2A) mit den Prüfansätzen 1 und 2 sowie mittels Dilatometer (DIL)

Bei den mit PA1 gewonnenen Ergebnissen ist die größte Standardabweichung festzustellen, wobei zu beachten ist, dass diese auf einer Grundgesamtheit von 9 Messungen, hier 3 Wiederholungsmessungen von jeweils 3 Metallprismen beruht. Die im Vergleich zum PA2 erhöhten Streuungen sind vermutlich auf das Messverfahren zurückzuführen, da die Standardabweichung bei den Messungen mit dem PA2 deutlich kleiner sind und der Werkstoff aufgrund seiner Homogenität geringe Streuungen aufweisen sollte. Bei den Untersuchungen mittels PA2 ist weiterhin zu erkennen, dass grundsätzlich die CTE, bei denen Invar als Kalibriermaterial verwendet wurde, um ca. 0,3 x 10 6/K höher sind als jene, denen V2A als Referenzmaterial zu Grunde liegt. Die mittels Dilatometer durchgeführten Messungen weisen die geringste Standardabweichung auf und sind vergleichbar mit dem Mittelwert der Untersuchungen mit dem PA1.

3.5 Untersuchungen an Bestandsbetonen

Aufbauend auf den Untersuchungen an Edelstahlproben wurden Analysen an Bestandsbetonen aus dem BAB-Netz vorgenommen. Exemplarisch werden nachfolgend ausgewählte repräsentative Ergebnisse dargestellt. Die Proben stammen aus drei Bohrkernen unterschiedlicher Streckenabschnitte, denen jedoch die gleiche Rezeptur für den Oberbeton (Waschbeton, D = 8 mm) und den Unterbeton (D = 32 mm) zu Grunde liegt. Zur Bewertung der linearen thermischen Längenausdehnung je Schicht wurden jeweils drei Proben mittels PA1 und PA2 in einer Doppelbestimmung untersucht. Im Bild 5 sind die berechneten Mittelwerte aus den sechs Messungen der Proben je Schicht unter Angabe der Standardabweichungen gegenübergestellt. Aufgrund der geringen Abweichungen der Ergebnisse bei den Untersuchungen an Edelstahl mit beiden Auswerteverfahren (lineare Regression und Mittelwertbildung) werden nachfolgend nur die mittels Mittelwertbildung der abschnittsweise bestimmten CTE gewonnenen Ergebnisse betrachtet.

Bild 5: CTE der Ober- und Unterbetone von drei Bohrkernen aus dem BAB-Netz

Die im Rahmen der Ergebnisdarstellung der Vergleichsuntersuchungen an Metallprobekörpern genannten Aspekte spiegeln sich entsprechend auch bei den Untersuchungen an Bestandsbetonen wider. Es wird zudem deutlich, dass die sich bei Verwendung des PA1 ergebenden Streuungen bei der Untersuchung des Unterbetons größer darstellen. Die mit dem PA1 und dem PA2 (V2A) durchgeführten Untersuchungen am Bohrkern 1 weisen eine sehr gute Übereinstimmung der Ergebnisse für den mittleren CTE je Schicht auf. Hier ergeben die Messungen mittels PA1 im Mittel CTE für den Ober- und Unterbeton in Höhe von 10,6 x 10-6/K und 10,7 x 10-6/K und mittels PA2 (V2A) in Höhe von 10,5 x 10-6/K und 10,7 x 10 -6/K. Abweichungen der Ergebnisse sind für den Bohrkern 2 für den Oberbeton in geringem Ausmaß und für den Unterbeton in größerem Ausmaß zu verzeichnen. Für den Bohrkern 3 lassen sich die größten Abweichungen für den Unterbeton in Höhe von 1,0 x 10 -6/K feststellen.

Insgesamt ergeben sich für den Oberbeton CTE im Bereich von 9,8 – 10,8 x 10-6/K. Diese liegen im oberen Bereich der in der Literatur angegebenen Spannbreite von ca. 8,8 – 10,4 x 10-6/K für die im Oberbeton verwendete Gesteinsart Granit (Sodeikat, 2001). Hierbei ist anzumerken, dass sich die Werte auf einen Zementgehalt von 350 kg/m³ beziehen. Der höhere Zementgehalt bei Waschbetonen führt zu einer geringfügig höheren thermischen Dehnung, sodass die ermittelten Werte hinsichtlich ihrer Größenordnung schlüssig im Vergleich mit den Literaturwerten sind. Die CTE für den Unterbeton liegen im Bereich 9,5 – 11,0 x 10 -6/K. Aufgrund der fehlenden Kenntnis der im Unterbeton verwendeten Kiese (z. B. hinsichtlich Gesteinsart und Abbaustätte) ist hier ein Abgleich mit Literaturwerten nicht möglich.

Neben der Ergebnisauswertung mittels Mittelwertbildung und linearer Regressionsanalyse im gesamten Temperaturbereich von 0 – 40 °C, kann beim Prüfansatz 2 der thermische Ausdehnungskoeffizient ebenfalls für jede 5 K-Temperaturstufe ermittelt werden. Exemplarische Ergebnisse für einen Prüfdurchlauf eines Betonprismas aus Bohrkern 1 sind im Bild 6 dargestellt. Dabei zeigt sich im Bild 6 (I), dass der Dehnungsverlauf des Betonkörpers systematisch von der Regressionsgeraden abweicht. Dies deutet auf eine Temperaturabhängigkeit des thermischen Ausdehnungskoeffizienten hin. Zur besseren Darstellung ist im Bild 6 (II) der für jede Temperaturstufe ermittelte CTE über die Temperatur aufgetragen. Es zeigt sich, dass der CTE eine Temperaturabhängigkeit aufweist, wobei der CTE bei 35 – 40 °C um ca. 20 % über dem CTE bei 0 – 5 °C liegt. Das bedeutet, dass die Mittelwertbildung und die lineare Regressionsanalyse im Temperaturbereich zwischen 0 und 20 °C den CTE überschätzen und im höheren Temperaturbereich unterschätzen. Die Zunahme des CTE im gesamten Temperaturbereich scheint linear zu sein.

Bild 6: (I) Exemplarischer Dehnungsverlauf eines Prüfkörpers aus dem Unterbeton des Bohrkerns 1 mit Regressionsgerade,
(II) Temperaturabhängigkeit des CTE aufgetragen über Einzeltemperaturstufen im Temperaturbereich 0 – 40 °C (Kalibriermaterial: V2A)

Es ist jedoch anzumerken, dass die temperaturabhängige Auswertung des ermittelten CTE stark von der Güte der Dilatometermessungen an den verwendeten Kalibriermaterialien (hier V2A) abhängt. Die Validierung der gewonnenen Ergebnisse zur Temperaturabhängigkeit des CTE ist Gegenstand derzeit laufender Untersuchungen.

3.6 Diskussion der Prüfansätze

Im Hinblick auf die sich ergebenden Unterschiede in den Messergebnissen werden die beiden Prüfansätze nachfolgend hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile sowie möglicher Messunsicherheiten und Messungenauigkeiten diskutiert. Der Prüfansatz 1 mittels diskontinuierlichem, mechanischem Messverfahren ist einfach anzuwenden und hinsichtlich Messequipment und Messaufbau mit geringem Aufwand umsetzbar. Zudem ist eine relativ schnelle Datenaufbereitung und -auswertung möglich. Die begrenzte Genauigkeit des mechanischen Messverfahrens führt jedoch zu Streuungen in den Ergebnissen. Diese können ebenso aufgrund von Messunsicherheiten in Form von zufälligen Fehlern beispielsweise bedingt durch die händische Messwertaufnahme (Ablesen der Messskala, Ankopplung an Messmarken bei jedem Messvorgang, Datenaufbereitung, etc.) entstehen. Nachteilig anzuführen ist, dass die Messwerterfassung nur bei diskreten Temperaturwerten erfolgen kann. Darüber hinaus ist anzumerken, dass die Messmarken exzentrisch auf der Oberseite der Prismen angeordnet werden. Nach aktuellem Wissensstand wirkt sich der Fehler, der aus einer Krümmung der Prismenoberfläche entstehen kann, marginal auf den sich ergebenden Ausdehnungskoeffizienten aus.

Der Prüfansatz 2 mittels kontinuierlichem, elektrischem Messverfahren zeichnet sich insbesondere durch eine hohe Wiederholgenauigkeit und eine kleine Streuung der Messwerte aus. Durch die Anordnung der Messzapfen in der Längsachse der Proben wird eine zentrische Messung der Probekörperdehnung ermöglicht. Nachteilig ist hierbei die notwendige Kenntnis der Ausdehnung des Prüfrahmens, der angebrachten Messzapfen und weiterer Einflussfaktoren wie dem Temperaturgang der induktiven Wegaufnehmer. Der höhere Aufwand hinsichtlich Messequipment, Messaufbau sowie der Datenauswertung bei Anwendung des PA2 steht einem schnellen Messdurchlauf von 72 h sowie einem geringen personaltechnischen Aufwand während der Messung aufgrund des hohen Automatisierungsgrades gegenüber. Vorteilhaft ist ebenfalls die Möglichkeit einer Bewertung der Linearität der temperaturabhängigen Dehnungen durch die kontinuierliche Messwerterfassung. Messungenauigkeiten könnten sich bei dem PA2 durch die notwendige Kalibrierung zur Berücksichtigung des Einflusses aus der Dehnung des Messrahmens ergeben. Es wurde gezeigt, dass die Ergebnisse für den CTE abhängig von dem verwendeten Kalibriermaterial sind. Die Genauigkeit der Messergebnisse wird daher u. a. bestimmt durch die Qualität der für die Charakterisierung des Kalibriermaterials notwendigen Dilatometermessungen.

4 Zusammenfassung und Ausblick

Der thermische Ausdehnungskoeffizient von Beton besitzt hinsichtlich der Analyse thermisch induzierter Spannungs- und Verformungszustände von Fahrbahnplatten einen hohen Stellenwert. Im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung nationaler Dimensionierungsverfahren, z. B. durch Nutzung numerischer Simulationen mittels FEM, kommt der Verbesserung der Qualität von Eingangsdaten eine hohe Bedeutung im Hinblick auf die Erzielung realitätsnaher Vorhersagen zu. Hierzu gehören u. a. gute Parameterschätzungen der realen, im Netz vorhandenen Materialeigenschaften sowie über deren zeitlichen Verlauf während der Nutzungsdauer. In diesem Kontext gilt es zu hinterfragen, ob die aktuellen Ansätze zur Berücksichtigung der thermischen Beanspruchung von Fahrbahnplatten hinreichend für eine abgesicherte Einschätzung der Nutzungsdauer sind und ob allgemeine Literaturwerte für die heutigen Fahrbandeckenbetone stets Gültigkeit besitzen. Des Weiteren ist insbesondere bei einer nutzerorientierten Betrachtung des Straßenoberbaus die Dimensionierung nicht ausschließlich auf eine Bemessung der Deckendicke auszurichten. Eine übergeordnete Rolle spielt hier die dauerhafte Sicherstellung der Funktionseigenschaften der Fahrbahnoberfläche, z. B. Ebenheit und akustische Eigenschaften, die auch durch lastunabhängige Formänderungseigenschaften, wie thermisch und hygrisch induzierte Verformungen, beeinflusst werden können.

Für eine empirische Herangehensweise ist die Verfügbarkeit adäquater Prüfverfahren von entscheidender Bedeutung. In Deutschland existiert aktuell jedoch kein standardisiertes oder genormtes Verfahren für die prüftechnische Bestimmung des thermischen Ausdehnungskoeffizienten von Beton. Daher wurden zunächst unter Beachtung straßenbauspezifischer Gesichtspunkte zwei Prüfansätze entwickelt, die u. a. die bauspezifischen Randbedingungen deutscher Fahrbahndecken berücksichtigen. Die Prüfansätze unterscheiden sich in erster Linie durch die verwendeten Messverfahren. Prüfansatz 1 (PA) nutzt ein mechanisches Verfahren zur diskontinuierlichen Bestimmung der thermisch bedingten Längenänderung. Dem Prüfansatz 2 (PA2) liegt ein elektrisches Verfahren, dass eine kontinuierliche Messwerterfassung ermöglicht, zu Grunde. Die mit beiden Prüfansätzen durchgeführten Vergleichsuntersuchungen an Metallproben sowie die Bestandsuntersuchungen an Betonen aus dem BAB-Netz führen insgesamt zu plausiblen Ergebnissen hinsichtlich der Größenordnung der ermittelten CTE. Bei dem PA1 treten insbesondere aufgrund der begrenzten Genauigkeit des Messsystems und ggf. auftretender zufälliger Messfehler größere Streuungen in den Messergebnissen auf. Die Ergebnisse bei Anwendung des PA2 sind sehr stark von der Güte der Kalibrierung zur Berücksichtigung des Einflusses aus der Dehnung des Messrahmens abhängig. So ergeben sich für den CTE bei Verwendung von Invar um ca. 0,3 x 10-6/K höhere CTE im Vergleich zur Nutzung von V2A als Kalibriermaterial. Hier ist in aufbauenden Untersuchungen zu überprüfen, inwieweit diese systematischen Fehler die Genauigkeit der Messergebnisse beeinflussen und gegebenenfalls reduziert werden können.

Weiterhin haben die Untersuchungen an Betonen mittels PA2 gezeigt, dass der CTE eine Temperaturabhängigkeit aufweist, wobei der dieser bei 35 – 40 °C um ca. 20 % über dem CTE bei 0 – 5 °C liegt. Das bedeutet, dass die Mittelwertbildung und die lineare Regressionsanalyse im Temperaturbereich zwischen 0 und 20 °C den CTE überschätzen und im höheren Temperaturbereich unterschätzen. Die Zunahme des CTE im gesamten Temperaturbereich scheint linear zu sein. Es ist jedoch anzumerken, dass auch die temperaturabhängige Auswertung des ermittelten CTE stark von der Güte der Dilatometermessungen an den verwendeten Kalibriermaterialien abhängt. Die Validierung der gewonnenen Ergebnisse zur Temperaturabhängigkeit des CTE ist Gegenstand derzeit laufender Untersuchungen.

Für eine abgesicherte Quantifizierung der thermischen Dehnung von Fahrbahndeckenbetonen bedarf es der Weiterentwicklung der vorgestellten Prüfansätze bzw. weiterführender Untersuchung der vorhandenen Messunsicherheiten und Messungenauigkeiten. Im Kontext mit der Verwendung der Ergebnisse für die rechnerische Dimensionierung besitzt die Fragestellung, mit welcher Genauigkeit der CTE zu bestimmen ist, eine zentrale Bedeutung.

Literaturverzeichnis

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Darter, M.; Titus-Glover, L.; Von Quintus, H.; Bhattacharya, B.; Mallela, J. (2014): Calibration and Implementation of the AASHTO Mechanistic-Empirical Pavement Design Guide in Arizona. Report SPR-606, Arizona Department of Transportation

Dettling, H. (1962): Die Wärmedehnung des Zementsteins, der Gesteine und der Betone. Otto-Graf-Institut der Technischen Hochschule Stuttgart

DIN EN 1770:1998-04: Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken – Prüfverfahren – Bestimmung des Wärmeausdehnungskoeffizienten

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