FGSV-Nr. FGSV 001/20
Ort Berlin
Datum 13.10.2004
Titel Ansprache des Bundesministers für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Autoren Dr. Manfred Stolpe
Kategorien Kongress
Einleitung

Deutscher Straßen- und Verkehrskongress 2004 der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) am 13. Oktober 2004 in Berlin

Manfred Stolpe: Straße bleibt Verkehrsträger Nr. 1

„Die Straße wird auch in Zukunft die Hauptlast des Verkehrs tragen.“ Das sagte Bundesminister Dr. Manfred Stolpe am Mittwoch anlässlich der Eröffnung des Deutschen Straßen- und Verkehrskongresses 2004 der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) in Berlin. Daher müssen Lücken im Straßennetz geschlossen, die vorhandene Infrastruktur erhalten und Verknüpfungspunkte mit anderen Verkehrsträgern optimiert werden. Nur so könne dauerhaft Mobilität am Wirtschaftsstandort Deutschland gesichert werden. Vor mehr als 1 000 Teilnehmern aus 15 Ländern würdigte der Minister die Leistungen der FGSV. Regelwerke zu Planung, Bau, Unterhalt und Betrieb der Straßeninfrastruktur sowie fachliche Unterstützung des Bundes und der Länder zur Mobilitätssicherung seien unverzichtbare Hilfe. „Leistungsgerechter Ausbau des Straßennetzes und Verbesserung der Verkehrssicherheit bleiben unsere wesentlichen Aufgaben“, betonte Stolpe. Nachdem das Parlament dem Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen mit einem Gesamtinvestitionsvolumen in Höhe von rd. 80 Milliarden Euro bis 2015 zugestimmt hatte, könnten jetzt wichtige Achsen des Fernstraßennetzes komplettiert werden, so der Minister. Schwerpunkte bis 2015 seien der Neubau von 1 900 km Autobahnen und der sechsstreifige Ausbau von weiteren 2 200 km sowie der Bau von Ortsumgehungen. Vor allem aber werde der Umfang der Erhaltungsinvestitionen deutlich zunehmen. Zur Sicherung der Mobilität der Bürger und der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft sei für die Erhaltung der bestehenden Straßeninfrastruktur eine nachhaltige Strategie erforderlich, so Stolpe. Daher habe man – auch mit Unterstützung der FGSV – ein bundesweites Erhaltungsmanagement entwickelt. So verfolge der Bund für seine rund 36 000 Brücken ein umfangreiches Prüf- und Erhaltungsprogramm. Die Prüfergebnisse wurden für die Bereiche Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit in einem EDV-gestützten Prüfprogramm ausgewertet und benotet, sagte der Minister. Durch diese Prüfungen würden Bauschäden rechtzeitig erkannt und könnten beseitigt werden. Das sichere das auf 50 Milliarden geschätzte Anlagevermögen der Brücken und gebe dem Verkehrsteilnehmer die Gewissheit, auf standsicheren Brücken zu fahren. Auch das Thema Sicherheit in Tunnel werde mit hoher Priorität verfolgt, sagte Stolpe. Das Bundesministerium habe in den letzten Jahren nochmals alle Sicherheitsstandards auf den Prüfstand gestellt. Experten aus dem In- und Ausland werteten neueste wissenschaftliche Erkenntnisse aus. Derzeit würden in Deutschland zwei Programme parallel betrieben: Ein Sofortprogramm für noch relativ neue Tunnel und ein Nachrüstungsprogramm, mit dem alle Tunnel komplett auf den neuesten technischen Stand gebracht würden.

(Pressemitteilung Nr. 414/2004 des BMVBW vom 13. Oktober 2004)

 

Herr Präsident Sparmann, meine sehr verehrten Damen und Herren,

Sie wissen das, aber ich sage es hier gerne noch einmal: die Straße ist der Verkehrsträger Nummer 1 in Deutschland und das auch deshalb und zunehmend, weil wir die europäische Transitdrehscheibe sind. Und gerade auch nach der Osterweiterung der Europäischen Union müssen wir uns verstärkt, noch mehr verstärkt, um unsere Straßen kümmern. Dem Personen- und Güterverkehr auf der Straße kommt eine Schlüsselfunktion in unserer mobilen Gesellschaft zu. Die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, meine Damen und Herren, hat einen ganz wesentlichen Anteil an der Sicherung von Mobilität auf der Straße. Sie ahnen gar nicht, wie Sie von den Fachleuten unseres Hauses gelobt werden. „Unverzichtbar“, „wichtigster Partner“: man kommt sich selbst so richtig überflüssig vor, wenn über Sie geredet wird. Jedenfalls freue ich mich, dass offenbar eine so hervorragende Zusammenarbeit zwischen meinem Haus und der FGSV in den so wichtigen Fragen besteht.

 

Sie in Ihrer Arbeit führen die Experten aus der Praxis, der Verwaltung und der Wissenschaft zusammen und stellen damit eine ganz entscheidende Wissensplattform dar. Sie weisen auf Probleme hin, Sie suchen Lösungen und treiben Innovationen voran. Ich bin gerne dieser Einladung zu dem Kongress gefolgt und ich danke Ihnen auch für die Möglichkeit, die ich damit habe, einige Bemerkungen zur verkehrspolitischen Zielvorstellung der Bundesregierung vorzutragen und auch einige aktuelle Themen anzusprechen. Wenn ich mir aber vergegenwärtige, was Sie alleine auf diesem Kongress hier leisten, was Sie in den verschiedensten Arbeitsgruppen auch sonst voranbringen, dann will ich ganz vorsichtig sein. Ich kann nur einige wenige Dinge ansprechen; eigentlich müsste man einen längeren Vortrag halten zu all dem, wo wir Berührungspunkte miteinander haben. Ich muss mich also hier bescheiden und kann nur einige Punkte ansprechen.

Bild 1: Dr. Manfred Stolpe Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

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Die Ansprache zur Veranstaltung ist im Volltext und als PDF verfügbar. Die PDF enthält alle Bilder und Formeln.

... Wir haben in Deutschland eine starke Infrastruktur. Wir haben das dichteste und beste Verkehrsnetz Europas. Das muss immer mal wieder gesagt werden, weil wir ja so ein wenig leiden in diesem schönen Lande unter der Neigung, dass alles schwierig ist, dass alles kompliziert ist. Manchmal hat man das Gefühl, wir sind sozusagen das allerletzte Land in den verschiedensten Möglichkeiten und unsere ausländischen Freunde wundern sich dann immer darüber, wie wir unser eigenes Licht so unter den Scheffel stellen können. In der Verkehrsinfrastruktur haben wir wirklich ein hervorragendes Netz, und das gilt sowohl für den notwendigen Aus- und Neubau, als auch für die immer wichtiger werdende Anstrengung, unsere Straßen, Brücken und Tunnel zu erhalten und sie auch gleichzeitig entsprechend neuer Anforderungen zu modernisieren. Das gilt natürlich bei Tunneln ganz besonders, das gilt aber auch bei Brücken, und wir hatten unlängst ein Ereignis in Nordrhein-Westfalen, wo man dann auch erfährt und erlebt, wie geradezu wichtig es ist, auf die Verkehrssicherheit auf Brücken zu achten und auch in Zukunft einige Maßstäbe bei Neubauten hinzuzusetzen.

Wir setzen in unserem Verkehrswegeplan 2003 auch deshalb ganz klare Akzente zu Gunsten des Bestandes. Der Anteil der Erhaltungsinvestition am Gesamtinvestitionsvolumen wurde von bisher 46 % auf nahezu 56 % gesteigert. Zur Unterstützung der netzweiten Erhaltungsplanung wurde ein bundesweites Erhaltungsmanagement entwickelt und sukzessive eingeführt. Auch in diesem Bereich möchte ich herzlich danken für die Zuarbeit der FGSV, die uns entscheidend mit unterstützt hat, dieses wichtige Projekt voranzubringen.

Aber, meine Damen und Herren, wir brauchen natürlich auch die Netzerweiterungen und Netzergänzungen. Das 5. Fernstraßenausbauänderungsgesetz wurde Anfang Juli vom Bundestag beschlossen und ist jetzt unsere Arbeitsgrundlage. Im neuen Bedarfsplan sind die Weichen für die Investitionen im Bundesfernstraßennetz gestellt. Strategischer Schwerpunkt ist dabei neben anderen natürlich die Staubeseitigung. Der Stau als Wirtschaftshemmnis muss auch durch Straßenbau verringert werden. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Anbindung bzw. die Integration von benachteiligten Regionen; die gibt es quer durch Deutschland. Wir haben Lücken zu schließen, auch bei einigen wichtigen Autobahnen. Das betrifft die Eifel, das betrifft das Emsland, um nur zwei Beispiele zu nennen. Wir müssen die Hinterland-Anbindung der deutschen Seehäfen sicherstellen. Sie wissen, dass der Export blüht, Sie wissen, dass 95 % des Interkontinentalexportes über die Seehäfen laufen. Das ist also ein Wirtschaftszweig, der eine große und wachsende Bedeutung hat. Die Erreichbarkeit der Häfen muss also gewährleistet sein und unsere Häfen stehen natürlich in einem starken internationalen Wettbewerb. Zugleich müssen wir in unserer Strategie beachten die Auswirkungen des transnationalen Verkehrs – und dabei ist auch noch einmal zu erwähnen, was sich aus der Osterweiterung der Europäischen Union ergibt – und ich will noch hinzufügen: das ist nicht nur ein Thema im grenznahen Bereich, also etwa in Bayern, in Sachsen, in Brandenburg, in Mecklenburg-Vorpommern: der durch die Erweiterung aufwachsende verstärkte Güterverkehr wirkt sich natürlich quer durch ganz Deutschland aus. Es wird auch zu einem verstärkten Transit kommen und deshalb müssen wir auch auf diese Notwendigkeiten achten.

Wir haben als Grundlage zu unserer Arbeit die hochdifferenzierten und komplexen Vorarbeiten zum Bundesverkehrswegeplan 2003. Dieser Bundesverkehrswegeplan ist schon im Sommer 2003 von der Bundesregierung verabschiedet worden. Es hatte eine sehr intensive Beschäftigung im Bundestag in verschiedenen Ausschüssen und auch im Plenum zu dem Entwurf gegeben und der Bundestag hat unseren Vorschlag weitgehend übernommen und beschlossen. Im Einzelnen heißt das, dass 94 % der vorgeschlagenen Dringlichkeitsreihungen der Projekte bestätigt wurden und auch das Investitionsvolumen nicht verändert worden ist. Der neue Bedarfsplan weist bis 2015 ein Gesamtinvestitionsvolumen in Höhe von 80 Mrd. 1 aus unter Einschluss einer Planungsreserve von etwa 12 Mrd. 1. Für laufende und festdisponierte Neu- und Ausbauvorhaben einschließlich der Refinanzierung der privat vorfinanzierten Projekte sind noch einmal knapp 30 Mrd. 1 festgelegt. Für weitere 23 Mrd. 1 konnten neue Projekte für den vordringlichen Bedarf vorgeschlagen werden. Der weitere Bedarf umfasst 28 Mrd. 1, davon sind Projekte mit einem Bauvolumen in Höhe von 8 Mrd. 1 mit Planungsrecht versehen und das bedeutet, dass die Länder die Projektplanung aufnehmen und die Vorhaben zur Baureife führen können. Die Auswahl neuer vordringlicher Vorhaben erfolgte unter Beachtung einer gesamtwirtschaftlichen Nutzen-Kosten-Analyse; aber auch konzeptionelle Überlegungen wurden berücksichtigt, um zielgerichtet begonnene Ausbaukonzeptionen weiterzuführen und wichtige Achsen des Fernstraßennetzes zu komplettieren. Eine Harmonisierung mit den transeuropäischen Netzen wurde in diesem Zusammenhang auch vorgenommen.

Ein weiterer Schwerpunkt ist der Bau von Ortsumgehungen. Wir wollen die Menschen in besonders betroffenen Städten und Gemeinden vom Durchgangsverkehr entlasten, wir wollen die Umweltbedingungen verbessern und wir wollen natürlich auch die Fernstraßen durch solche Ortsumgehungen flüssiger machen. Zusammengefasst sind das, meine Damen und Herren, 15 Mrd. 1 für den Neubau von 1 900 km Autobahnen, 13 Mrd. 1 für den Ausbau von 2 200 km Autobahnen und 19 Mrd. 1 für den Aus- und Neubau von 5 500 km Bundesstraßen, davon allein 11 Mrd. 1 für rund 850 Ortsumgehungen. Das sind sehr ambitionierte Planungen, die natürlich erhebliche Investitionsmittel erfordern.

Bei der Finanzierung gehen wir auch vor dem Hintergrund der schwierigen öffentlichen Haushaltslage jetzt ganz bewusst neue Wege. Sie wissen um die Maut und ihre großen Probleme im Jahr 2003. Ich kann Ihnen hier sagen, dass wir seit Anfang dieses Jahres drei wichtige Veränderungen erreichen konnten. Zum einen konnten wir eine deutliche Verbesserung der Vertragslage zu unseren Gunsten durchsetzen, d. h. also mit Schadensersatzansprüchen in beachtlicher Größenordnung und mit Vertragsstrafen, ebenfalls deutlich angehoben. Zum Zweiten haben wir dann sehr bald ein eigenes Projektmanagement eingesetzt; das bedeutet, dass eine Projektgruppe sich ausschließlich mit diesen Fragen befasst und das Ganze dann auch in die Hand nehmen konnte, so dass wir in der Lage sind, auch zu jeder Zeit zu beurteilen, was da vor sich geht. Und das Dritte, was ich auch für ganz wichtig halte, wir haben ein Simultancontrolling verabreden können, d. h. dass unsere Leute, insbesondere die vom Bundesamt für Güterverkehr ganz regelmäßig und auch ständig beobachten, begleiten und beurteilen können, was vor sich geht und Situationen, wie Sie uns Anfang bzw. Mitte des Jahres 2003 beschert wurden, nicht mehr vorkommen können. Mit den Vorbereitungen für die Gebührenerhebung über das Erfassungssystem liegen wir für den Beginn des Systems am 1. Januar 2005 voll im Zeitplan; die Zusammenarbeit mit der neuen Geschäftsführung von Toll Collect gestaltet sich gut und die bisher durchgeführten Tests haben jetzt gezeigt, dass die On-Board-Units, die im letzten Jahr die wesentliche Schwachstelle des Systems waren, stabil laufen, und zwar mit einer Erfassungsquote von über 99 %. Das Unternehmen Toll Collect hat vorfristlich am 2. September 2004 mit der Generalprobe begonnen und diese läuft bisher nahezu fehlerfrei. Jetzt wird das komplette System mit allen Betriebsprozessen, von der automatischen Mauterfassung mit den On-Board-Units, mit der Einbuchung im Internet bis hin zur Terminaleinbuchung geprüft. Dabei legen wir auch ganz großen Wert darauf, dass ausländische Nutzer des Systems mit eingebunden werden können, einerseits durch die Möglichkeiten der Beratung der Vertragswerkstätten im Ausland, andererseits aber auch durch Bereitstellung der wichtigsten Materialien auch in den Sprachen der Nachbarschaft. Wir haben auch die Mautkontrolle, die Abrechnung und den Kundenservice dieses Systems inzwischen getestet und vorangebracht bekommen. Jetzt kommt es darauf an und das ist ein ganz spannender Punkt, dass sich die Fuhrunternehmen die Teilnahme am automatischen Abrechnungsverfahren sichern, dass sie sich die On-Board-Units beschaffen und einbauen lassen. Über 700 000 Geräte dieser Art stehen bereit, etwas über 100 000 sind in der Zwischenzeit eingebaut und einsatzfähig.

Meine Damen und Herren, mit der Verteilung der Mauteinnahmen zur Finanzierung von Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen des bundesweiten Straßen- und Schienennetzes und von Wasserstraßen wurde die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft beauftragt. Dies hat zwei große Vorteile. Der eine ist, dass sie die Finanzen überjährig einsetzen kann. Sie kennen alle die Freude des Haushaltsjahres. Die Ängste, die im späten Herbst aufkommen, wie man das Geld vernünftig einsetzen kann und die Freude vom Finanzminister in allen Verantwortungsebenen, wenn da noch was übrigbleibt, das dann anderen Zwecken zugeführt werden kann. Mit der VIFG, wie sie abgekürzt heißt, ist jetzt die Überjährigkeit gewährleistet. Der zweite Vorteil ist, dass diese Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft auch verkehrsträgerübergreifend einen Mittelausgleich vornehmen kann, d. h. Schwerpunkte, die sich in einem Bereich ergeben, verstärkt unterstützen kann und dadurch auch wichtige Vorhaben voranbringen kann.

Wir haben schon jetzt im Jahr 2004 erstmals im Rahmen eines solchen verkehrsträgerübergreifenden Mittelausgleichs 200 Mio. 1 zur Finanzierung von höchst prioritären Projekten des Straßenbaus schnell zur Verfügung stellen können. Mit dieser Umschichtung und zusätzlichen Mitteln der Europäischen Union konnten wir die Einsparauflagen – das betrifft die Länder und das betrifft uns im Bund natürlich auch – ein Stück weit auffangen. Damit stehen Mittel in diesem Jahr für nötige Investitionen zur Verfügung und damit entsprechen wir natürlich auch den Belangen der Bauwirtschaft, schaffen Aufträge und sichern Arbeitsplätze. Zusammen mit den Mitteln für die Eisenbahnkreuzungen im Straßenbereich stehen somit in 2004 mehr als 6 Mrd. 1 für den Bundesfernstraßenbau zur Verfügung. Das ist, mit aller Bescheidenheit gesagt, mit Abstand der höchste zur Verfügung stehende Jahresbetrag bei Bundesfernstraßen.

Ein weiteres neues Instrument sind die Betreibermodelle. Diese werden mit Unterstützung der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft, die als Kompetenzzentrum hier tätig wird, für den Straßenbau in Angriff genommen. Dabei setzen wir ganz stark auf Public-Private-Partnership. Die Vorzüge der Betreibermodelle lassen sich in den folgenden Stichpunkten zusammenfassen. Wir haben damit die Möglichkeit einer frühzeitigen Realisierung von Maßnahmen im Bereich des Straßenbaus und wir haben die Chance der Bau- und Finanzwirtschaft, Ideenreichtum und Innovationen anzubieten und das zugleich zu mobilisieren. Sie wissen vielleicht, dass wir im Ganzen in Deutschland hier so etwas hinterherhinken; andere Länder haben da schon gute Erfahrungen sammeln können und wir sind bemüht, das auch für uns zu erschließen. Das Betreibermodell zum mehrstreifigen Autobahnausbau, das so genannte A-Modell, ist bereits vorbereitet durch eine Liste mit mehreren wichtigen Projekten, die wir mit den Ländern vereinbart haben.

Ein anderes Betreibermodell zur Realisierung insbesondere von Brücken, Tunneln und Sonderstrecken basiert auf dem Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz, das sind die so genannten F-Modelle. Hier haben wir mehrere Projekte in der Vorbereitung. Bei einigen ist die Machbarkeit schon geprüft worden, bei anderen sind wir dabei noch nicht ganz zum Abschluss gekommen. Das erste bundesweite Projekt ist die Querung der Warnow in Rostock gewesen, das im September 2003 dem Verkehr übergeben wurde, also vollständig privat finanziert. Die Trave-Querung in Lübeck wird Mitte des nächsten Jahres fertig gestellt werden. Ideen sind auch schon sehr intensiv vorbereitet, ob z. B. nicht eine Elbe-Querung bei Glückstadt auch ein Projekt dieser Art wäre. Das sind Maut-Vorhaben, die alle Verkehrsteilnehmer betreffen, während bei den so genannten A-Modellen, wenn also ein 6-streifiger Ausbau vorhandener Strecken erfolgt, die Refinanzierung für die Investoren über die Lkw-Mauteinnahmen vorgenommen wird.

Meine Damen und Herren, diese neuen Strategien haben auch im Bundeshaushalt ihren Niederschlag gefunden und es ist damit gelungen, für die Verkehrsinfrastruktur eine hohe Investitionslinie zu sichern. Wir werden die erreichte Verkehrsinvestitionslinie von jährlich über 10 Mrd. 1 auch in den Jahren 2005 und Folgende halten können. So stehen für die Erhaltung, den Neubau und die Erweiterung von Bundesfernstraßen 2005 Ausgabemittel in Höhe von 5,5 Mrd. 1 zur Verfügung, davon rund 4,6 Mrd. 1 rein für Investitionen. Mittelfristig entscheidend für Planer und Bauwirtschaft ist ein verlässlicher Finanzkorridor und den haben wir mit über 4,5 Mrd. 1 reiner Investition des Bundes gesichert.

Meine Damen und Herren, ein zielgerichteter Einsatz von Investitionen zum richtigen Zeitpunkt setzt allerdings auch einen verlässlichen und kalkulierbaren Planungsverlauf voraus. Aktuell stehen wir in diesen Tagen vor der Frage, ob das Bundesverkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz verlängert und seine positiven Erfahrungen für ganz Deutschland nutzbar gemacht werden können. Wegen der guten Erfahrungen, die mit diesem Gesetz in Ostdeutschland gemacht worden sind, konnten bereits in den vergangen Jahren wesentliche Inhalte des Gesetzes über das bundesweit geltende Planungsvereinfachungsgesetz in die verkehrsträgerspezifischen Verkehrswegegesetze übernommen werden. Das ist weitgehend bereits erfolgt und wir haben mit dieser Gesetzgebung erreichen können, dass wir jetzt Planungszeiten von nur noch 15 bis 18 Monaten erreicht haben.

Allerdings, meine Damen und Herren, ist erneut eine Tendenz zur Verlangsamung von Planungsverfahren erkennbar. Auch mit Unterstützung Ihrer Gesellschaft werden Anforderungen des europäischen Verkehrs- und Umweltrechtes national umzusetzen sein. Ich nenne hier z. B. die Umweltverträglichkeitsprüfung bei Plänen und Programmen oder die Umsetzung der EU-Umgebungslärmrichtlinie. Diese notwendigen europäischen Harmonisierungen dürfen aber nach meiner Überzeugung die Planungszeiten nicht verlängern. Ich halte daher eine weitere Vereinfachung und Beschleunigung des Planungsrechtes für ganz Deutschland für dringend erforderlich. Es gilt, die neuen Regelungen, die zu Lasten der Planungszeiten gehen, zu vermeiden und alle sinnvollen Möglichkeiten zu nutzen, um innerhalb der Planungs- und Rechtsschutzverfahren selbst weitere Beschleunigungspotenziale zu erschließen. Dazu werden wir mit der Erarbeitung eines entsprechenden Gesetzentwurfs beginnen. Die Verkehrsminister der Länder haben gestern bei der Verkehrsministerkonferenz dieses Vorhaben mit unterstützt.

Meine Damen und Herren, Umweltschutz, die Reduktion von Emissionen und Energieverbrauch, Lärmminderung und Verkehrssicherheit sind zu ganz konkreten Akzeptanzkriterien und deshalb zu zentralen Paradigmen des Straßenverkehrs geworden. Sie verbinden sich mit langfristigen planerischen Lösungen. Materialforschung und -erprobung und kostengünstige Produktions- und Bauverfahren gehören zum komplexen Bild des modernen, innovativen Straßenwesens in Deutschland. Mit der Bundesanstalt für Straßenwesen steht uns zudem ein leistungsfähiges Kompetenzzentrum zur Seite. Aus der Zusammenarbeit der verschiedenen Fachdisziplinen von Praktikern, Wissenschaftlern, öffentlicher Hand und Wirtschaft können wir einen optimalen Erfolg für die deutsche Verkehrswirtschaft erzielen; viele Ideen, Produkte und Verfahren sind auch international nachgefragt. Ich bin selbst überrascht über das starke Interesse am deutschen Know-how in diesen Fragen, das ich bei Besuchen und Gesprächen mit Vertretern der neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erfahren habe. Das ist eine große Herausforderung, aber auch eine große Chance für uns und ich möchte Sie ermutigen, dort weiter zu machen. An den Gästen, die wir hier vorhin begrüßen konnten, ersehe ich, dass Sie ja bereits deutlich international aktiv sind.

Meine Damen und Herren, ich erhoffe mir aus den Fachvorträgen und den Gesprächen dieses Kongresses wertvolle Impulse und Anregungen für das Straßen- und Verkehrswesen. Auch die Ausstellung „Straßen und Verkehr 2004“ ist eine beachtliche Leistungsschau, meine Damen und Herren.

Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit auch noch einmal zum Abschluss meiner Ausführungen ganz herzlich den mehr als 2500 aktiven Mitgliedern in der FGSV danken für die langjährige fachliche Unterstützung unserer Arbeit und die Verantwortung, vor allem bei der Weiterentwicklung der technischen Erkenntnisse im gesamten Straßen- und Verkehrswesen, aber im Grunde genommen der gesamten Palette des Straßenwesens bis hin zu den außerordentlich wichtigen Fragen der Verkehrssicherheit. Unsere Straßen- und Verkehrsforschung und die Normen und Regelwerke genießen europa- und weltweit ein hohes Ansehen. Sie haben einen bedeutenden Anteil daran, dass wir diesen Stand erreicht haben. Ich bitte Sie, bleiben Sie dran und bleiben Sie vorn bei diesen Fragen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg für die Zukunft und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit und jetzt zunächst einmal auf den Rundgang. Herzlichen Dank