FGSV-Nr. FGSV 002/127
Ort online-Konferenz
Datum 13.04.2021
Titel Urbane Seilbahn in München? Akzeptanz und Wahlentscheidung von Pendlern und Touristen
Autoren Univ.-Prof. Dr.-Ing. Klaus Bogenberger, M.Sc. Michaela Tiessler, Roman Engelhardt, Dorothee Wittek
Kategorien HEUREKA
Einleitung

In Städten wie Constantine, La Paz oder Istanbul sind Seilbahnen aus dem öffentlichen Nahverkehr kaum mehr wegzudenken. In Deutschland sind diese hingegen eher als Beförderungsmittel für Touristen beim Ski fahren bekannt. Immer mehr Städte und Kommunen äußern jedoch den Gedanken, Seilbahnen in das öffentliche Nahverkehrsnetz aufzunehmen. Auch in München wird an verschiedenen Stellen überlegt, ob sich das Verkehrsproblem durch eine Seilbahn eindämmen lässt. Im Rahmen von Untersuchungen einer Strecke im Münchner Norden haben wir zwei Umfragen durchgeführt, um die Akzeptanz und die Bereitschaft urbane Seilbahnen zu nutzen zu untersuchen. Die Auswertung der Umfrage hat gezeigt, dass diese in München durchaus Potential haben, auch wenn manch ein Münchner fürchtet, dass eine Seilbahn im Stadtbild stört.

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1 Einleitung

Die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel im Einzugsgebiet der Münchner Verkehrsgesellschaft ist in den vergangenen zehn Jahren jährlich gestiegen, wie auch Bild 1 verdeutlicht. Insgesamt hat sich die Zahl der Fahrgäste in diesem Zeitraum um etwa 16% von rund 620 Mio. auf 722 Mio. Fahrgäste erhöht. Um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden, muss das Angebot dementsprechend angepasst werden. Dies ist zum einen in begrenztem Maß durch Taktverkürzungen und dem Einsatz von Fahrzeugen mit höherer Kapazität möglich und zum anderen durch die Ergänzung neuer Linien.

Bild 1: Fahrgastzahlen des MVV 2009 - 2018 in Million (MVV, [12])

Derzeit verkehren im Münchner Nahverkehr S-Bahnen, U-Bahnen, Trambahnen und Busse. U- und S-Bahnen benötigen jeweils eigene Schienensysteme, die innerhalb Münchens größtenteils unterirdisch verlaufen. Trambahnen sind zwar auch schienengebunden, können sich aber wie Busse die Flächen mit dem Straßenverkehr teilen. Dadurch sind sie jedoch verkehrsabhängig. Das heißt, wenn es sich zu Stoßzeiten staut, können auch Bus und Tram davon betroffen sein.

Die Idee, eine Seilschwebebahn zu nutzen, ergab sich daraus, die Vorteile beider Verkehrsmittel miteinander zu vereinen. Dadurch, dass Seilbahnen in der Luft über den Stau hinwegschweben können ohne viel Fläche zu versiegeln, eignen sie auch für bereits bebauten Gebiete. Im konkreten wurde hierfür eine Strecke in Münchens Norden betrachtet. Die Strecke sowie Grundlagen zu urbanen Seilbahnsystemen sind in Kapitel 3 beschrieben. Um die Akzeptanz so wie das Wahlverhalten der potentiellen Fahrgäste zu untersuchen, haben wir zwei Befragungen durchgeführt. In der Einen haben wir Pendler befragt, in der Anderen Touristen. Kapitel 4 beschreibt, wie die Umfragen aufgebaut sind. In Kapitel 5 analysieren wir die Ergebnisse der Umfrage. Der Fokus liegt hierbei vor allem auf dem Wahlverhalten in Abhängigkeit von der Fahrtdauer.

2 Literaturrecherche

Urbane Seilbahnen werden in der Literatur zwar bereits unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet, bieten aber noch immer viel Spielraum für weitere Forschung. Im Jahr 1992 hat Neumann [1] verschiedene Systeme in Bezug auf Technologie, Kosten, Performanz und mögliche Anwendungsbereiche untersucht. Seitdem hat sich jedoch viel verändert, weshalb das Thema beispielsweise von Alshalalfah et al. (2012, [2]) wieder aufgegriffen wurde. In ihrer Publikation beschreiben Alshalalfah et al. die verschiedenen Komponenten von Seilbahnsystem, vergleichen verschiedene Systemtypen und stellen sieben Beispiele urbaner Implementationen vor. In einer weiteren Publikation untersuchen Alshalalfah et al. (2014, [3]) bereits implementierte urbane und suburbane Seilbahnsysteme. Neben drei Systemen in den Vereinigten Staaten werden auch die Rheinseilbahn in Koblenz und das Verkehrsnetz in Medellín, das neben Metro, Straßenbahn und Bus auch Seilbahnlinien umfasst, untersucht. Auch Ruiz et al. (2013, [4]), Goodship (2015, [6]) und haben das Verkehrssystem in Medellín untersucht und Erfolgsfaktoren, Auswirkungen und Erfahrungen mit der Seilbahn herausgearbeitet.

Reichenbach und Puhe untersuchen Stärken und Schwächen urbaner Seilbahnen indem sie Experten befragen sowie bestehende Systeme und abgebrochene Projekte analysieren. Im Konkreten untersuchen sie auch drei Städte in Baden-Württemberg und führen dort Bürger- und Expertenworkshops durch (Reichenbach 2016/17,[5][9][10]). Aus den Ergebnissen leiten sie schlussendlich einen Handlungsleitfaden für den Planungsprozess urbaner Seilbahnen ab (Reichenbach 2018, [11]). Hofer, Haberl und Fellendorf (Hofer 2016, [7], Haberl 2017, [8]) untersuchen das Nachfragepotential für so ein System in Graz. Dafür interviewe sie zunächst Pendler und verteilen einen Stated-Preference-Fragebogen unter den Bürgern, mit denen sie deren Mobilitätsverhalten analysieren. Die ausgwerteten Ergebnisse übertragen sie dann in das Verkehrsmodell des Großraumes Graz und schätzen die Nachfrage für verschiedene Seilbahnvarianten ab.

3 Hintergrund

In diesem Kapitel beschreiben wir kurz urbane Seilbahnsysteme mit besonderem Augenmerk auf die 3S- Bahn und geben einen Überblick über die untersuchte Strecke und den öffentlichen Nahverkehr, der dort verkehrt.

3.1 Urbane Seilbahnsysteme

Reichenbach (2018, [16]) definiert urbane Seilbahnen als „Seilbahnen, die im urbanen Raum verkehren und dem öffentlichen Verkehr dienen“. Dafür eignen sich vor allem drei Seilbahntypen. Standseilbahnen, Pendelbahnen und Umlaufbahnen. Aufgrund der Streckenlänge und der Anzahl der Stationen eignen sich für die untersuchte Strecke Umlaufbahnen (UB) am besten. Diese zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass viele Kabinen in relativ kurzen Abständen am Seil hängen. Die Kabinen werden bei der Stationseinfahrt aus dem Seil ausgekoppelt, sodass die Passagiere trotz höherer Geschwindigkeiten auf der Strecke in den Stationen gemütlich ein- und aussteigen können. Dieses System ermöglicht zum einen eine stetige Förderung von Passagieren ohne Wartezeiten, zum anderen kann die Anzahl der Kabinen je nach Nachfrage variiert werden. Umlaufbahnen kann man Anhand der Anzahl von Seilen weiter unterteilen. Bei der klassischen Einseilumlaufbahn (EUB) fungiert das Seil zugleich als Tragseil und als Zugseil. Im Gegensatz dazu hat die Dreiseilumlaufbahn (3S) zwei Tragseile und ein Zugseil, was sie wiederständiger gegen Wind macht und höhere Geschwindigkeiten (bis zu 8,5 m/s) ermöglicht (Doppelmayr, [12]) Mit einer Beförderungskapazität von bis zu 35 Personen pro Kabine, schafft die 3S bis zu 6000 Fahrgäste in der Stunde und Richtung zu transportieren (Leitner, [14]). Allerdings sind Seilbahnen nur für relativ gerade Strecken geeignet. Kurven außerhalb von Stationen sind nur über Schienensysteme oder Umlenkstationen möglich.

3.2 Ausgangssituation

Seit der Geburtsstunde des öffentlichen Nahverkehrs in München 1876, als die erste Pferdetram eingeführt wurde, wird das Verkehrsnetz immer weiter ausgebaut. Mittlerweile umfasst das Netz der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) 8 U-Bahn-, 13 Tram- und 78 Buslinien. Zusätzlich binden 8 S-Bahnlinien sowie verschiedene Busse und Regional- und Fernzügen die Landeshauptstadt an die Umgebung an [15].

Bild 2: Schienengebundener ÖPNV in München und untersuchte Seilbahn (Karte: Maximilian Dörrbecker, Creative Common)

Wie Bild 2 verdeutlicht, sind die schienengebundenen Systeme radial angeordnet. Zusätzlich verkehren verschiedene Busse, um die Bereiche zwischen den Ästen zu erschließen und die Äste miteinander zu verknüpfen. Nichtsdestotrotz ist ein Umweg über das Zentrum oftmals schneller als die direkte Verbindung, wenn man von einem Ast zum benachbarten möchte.

Der im Projekt untersuchte Abschnitt befindet sich im Norden Münchens und bildet eine Tangentiale zu drei U-Bahnen sowie einer Tramlinie. Die Seilbahn soll die Haltestellen Oberwiesenfeld (U3), Frankfurter Ring (U2), Schwabing Nord (Tram 23) und Studentenstadt (U6) bedienen. Zu Beginn des Projektes wurde die Strecke von zwei Buslinien, Bus 177 und Metrobus 50, bedient, jedoch ist keine der Buslinien die gesamte Strecke abgefahren. Der Bus 177 startet am Petuelring (U3) und bedient die Haltestellen Frankfurter Ring, Schwabing Nord und Studentenstadt. Der Metrobus 50 kommt von Westen und bedient alle U-Bahnhaltestellen entlang der geplanten Seilbahnlinie. Zwischen Frankfurter Ring und Studentenstadt verkehrt der Bus etwas nördlicher und bedient dort die Haltestellen Domagkstraße (Tram 23) und Alte Heide (U6). Bild 3 bildet alle Buslinien im betroffenen Raum ab. Nach Abschluss der Untersuchungen wurden Expressbuslinien eingeführt, die die untersuchte Strecke mit einem weiteren Zwischenhalt abfahren.

Bild 3: Buslinien im Münchener Norden

4 Vorgehensweise

Die Untersuchung lässt sich in drei Schritte unterteilen. Zuerst haben wir die aktuelle Situation eingehend untersucht. Basierend auf den Ergebnissen der Verkehrsanalyse haben wir im darauffolgenden Schritt haben potentiellen Nutzer online zu Mobilitätsverhalten und urbanen Seilbahnen befragt. Zudem haben wir eine ähnliche nicht repräsentative Umfrage mit Touristen durchgeführt.

4.1 Befragung Pendler

Der Fragebogen war von 02.05.2018 bis 15.06.2018 online. Um eine möglichst hohe Anzahl an potentiellen Teilnehmern zu erreichen wurde zu Beginn des Befragungszeitraumes eine Pressemitteilung herausgegeben, sodass die Umfrage auf den Onlineportalen verschiedener Zeitungen zu finden war. Die Umfrage umfasste 22 Fragen, bei denen die Teilnehmer entweder eine (Single Choice) oder mehrere Antwortmöglichkeiten (Multiple Choice) auswählen konnten, oder Freitextantworten geben sollten. Die Fragen aus dem Fragebogen sowie wie die Fragen zu beantworten waren, sind in Tabelle 1 aufgelistet.

Tabelle 1: Fragebogen Pendler

Die Umfrage war in drei Teile gegliedert: Der erste Teil beinhaltet allgemeine Aspekte in Bezug auf die Benutzer, wie beispielsweise Alter, Wohnort und aktuelle Verkehrsmittelwahl. Im zweiten Teil filtern wir diejenigen, die den ÖPNV sowie Seilbahnen strikt ablehnen, um zu vermeiden, dass diese die Ergebnisse verfälschen. Der dritte Teil besteht aus 12 Szenarien, bei denen die Befragten zwei ÖPNV Optionen hatten, die sich in Zeit, Anzahl der Umstiege und Verkehrsmittel unterscheiden. Der Verlauf des Fragebogens ist in Bild 4 dargestellt.

Bild 4: Ablauf Fragebogen

Für die Szenariodefinition wurden verschiedene ÖPNV-Routen im Münchner Norden untersucht, auf die die Seilbahn einen Einfluss haben könnte. Als Rahmen für die Reisezeiten haben wir die fahrplanmäßige Reisezeit als untere Schranke gewählt, und als Maximalwerte haben wir ein worst-case Szenario aus den untersuchten Reisezeiten kombiniert mit verpassten Anschlüssen. In jedem Szenario konnten sich die Teilnehmer jeweils zwischen einer Option mit und einer ohne Seilbahn entscheiden. Die Reisezeiten für beide Optionen wurden zufällig aus dem vorgegebenen Intervall gezogen. In den ersten neun Szenarien wurden die Fahrtzeiten für die Option mit Seilbahn und die Option ohne Seilbahn unabhängig voneinander gezogen, sodass gleiche Fahrtzeiten nur zufällig aufgetreten sind. in den letzten drei Szenarien hatten beide Optionen dieselbe Fahrtzeit. Wir haben uns dagegen entschieden, Preisvariationen in der Umfrage abzufragen, da wir es für kontraproduktiv halten, die geplante Seilbahn nicht in das bestehende ÖPNV Tarifsystem einzubinden. Die Szenarien sowie die Fahrtzeitintervalle sind in Tabelle 2 aufgelistet.

Tabelle 2: Szenarien

4.2 Tourismus Befragung

Im Anschluss an das Projekt haben wir eine ähnliche Umfrage mit Touristen durchgeführt, um einen Eindruck zu bekommen, wie attraktiv eine Seilbahn als touristisches Ziel ist. Die Fragen des Fragebogens sind in Tabelle 3 aufgelistet. Im Gegensatz zur vorherigen Befragung haben wir nur drei Szenarien (Tabelle 4) abgefragt. Die Umfrage wurde in der BMW-Welt in durchgeführt. Die BMW Welt ist ein sehr beliebtes touristisches Ziel in München. Um den Teilnehmerkreis auf Touristen zu beschränken und ortsansässige Besucher auszuschließen, wurden die Teilnehmer direkt angesprochen. Die Umfrage ist nicht repräsentativ, soll aber dennoch eine Tendenz zeigen.

Tabelle 3: Fragebogen Tourismus

Tabelle 4: Szenarien Tourismus

5 Ergebnisse

5.1 Analyse Verkehrssituation

Um uns einen Überblick über die tatsächliche Verkehrssituation zu machen, haben wir stichprobenhaft Befahrungen der Strecke mit dem Auto sowie den Buslinien 50 und 177 durchgeführt. Die Befahrungen fanden an verschiedenen Wochentagen zu Stoßzeiten statt. Die nachfolgenden Grafiken (Bild 5 & Bild 6) bilden die Fahrtzeiten mit dem Bus ab. Fahrten mit Ausgangspunkt Oberwiesenfeld und Ziel Studentenstadt sind in Rot dargestellt, die entgegengesetzte Fahrtrichtung in blau. Die durchgezogene Linie markiert die durchschnittliche Fahrtzeit, wohingegen die gepunkteten Linien Minimum und Maximum anzeigen. Die Seilbahnverbindung ist in schwarz eingezeichnet. Auf Abschnitten, auf denen die jeweilige Buslinie von der geplanten Seilbahnlinie abweicht, ist die Seilbahn gestrichelt dargestellt.

Bild 5: Fahrtzeit Bus 177

Bild 6: Fahrtzeit Bus 50

Die Befahrungen haben gezeigt, dass die Seilbahn von der Fahrtzeit her kaum mit dem Individualverkehr mithalten kann. Auch zu Stoßzeiten benötigt das Auto auf den meisten Abschnitten weniger Zeit als für die Seilbahn angenommen wird. Die Busse hingegen sind langsamer als die Seilbahn. Das liegt vor allem an der Vielzahl an Haltestellen, die sie auf der Strecke bedienen. Was bei den Bussen zudem dazu kommt, sind Wartezeiten bis der Bus kommt. Während der Befahrung kam es so beispielsweise zu Wartezeiten von bis zu 16 Minuten an einer Haltestelle, bis der gewünschte Bus kam, obwohl der Bus im 10-Minuten- Takt verkehren sollte. Ein weiteres Vorkommen bei den Befahrungen war ein Bus, der ohne ersichtlichen Grund mehr als fünf Minuten an einer Haltestelle gewartet hat. Der Bus war so voll, dass niemand mehr zusteigen konnte und die wartenden Fahrgäste in den darauffolgenden Bus einsteigen mussten, der noch während der Bus an der Haltestelle stand eintraf.

5.2 Befragung Pendler

Während des Bearbeitungszeitraumes von 1,5 Monaten haben 736 Teilnehmer an der Umfrage teilgenommen. Von den Teilnehmern waren 37,3% weiblich, 61,3% männlich und 1,4% haben keine Angabe zu ihrem Geschlecht gemacht. Der jüngste Teilnehmer der Umfrage war 9 Jahre alt, der älteste 86. Dazwischen waren alle Altersgruppen vertreten.

Zentrales Thema der Umfrage ist die Verkehrsmittelwahl. Insgesamt 70,8% der Teilnehmer gaben an, regelmäßig den öffentlichen Nahverkehr (S-Bahn, U-Bahn, Bus, Tram) zu nutzen. 74,7% der Teilnehmer, die bisher weder S-Bahn noch U-Bahn noch Bus noch Tram regelmäßig nutzen, gaben dennoch an, bereit zu sein, den öffentlichen Nahverkehr regelmäßig zu nutzen. Nur 7,3% der Befragten sind nicht bereit, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Als Gründe für die Ablehnung wurden vor allem mangelnde Zuverlässigkeit, überfüllte Züge und Busse, sowie die hohen Kosten genannt. 

Um zu verstehen, welche Faktoren die Routenwahl beeinflussen, haben wir die Teilnehmer gebeten, die fünf wichtigsten Aspekte, die ihre Entscheidung beeinflussen, aufzulisten. Insgesamt haben 645 Teilnehmer diese Frage beantwortet. Um das Ergebnis besser visualisieren und auswerten zu können, haben wir die Antworten codiert, indem wir ähnliche Antworten zu einem Begriff zusammengefasst haben. So haben wir beispielsweise Begriffe wie Reisezeit, Schnelligkeit, Fahrtdauer und Zeit unter dem Begriff Dauer gesammelt.

Das Ergebnis haben wir in Bild 7 in Form einer Tag-Cloud visualisiert. Je größer ein Begriff dargestellt ist, desto öfter wurde er genannt. Die zehn Einflussfaktoren, die am häufigsten genannt wurden, heben sich farblich von den anderen ab. Der meist genannte Faktor ist die Dauer der Fahrt, gefolgt von Kosten und Verkehr.

Bild 7: Einflussfaktoren auf die Verkehrsmittelwahl bei Pendlern

8,5% der Teilnehmer, die bereits ÖPNV nutzen bzw. bereit wären, ihn zu nutzen, haben angegeben, dass sie nicht bereit sind, eine urbane Seilbahn zu nutzen. Als Gründe für die Ablehnung der Seilbahn wurden am häufigsten Bedenken, dass die Seilbahn das Stadtbild zerstört und Angst genannt. Hauptsächlich Höhenangst, aber auch Platzangst spielten hier eine Rolle. Sicherheit war allgemein ein Punkt, über den sich die Teilnehmer Gedanken gemacht haben, vor allem wenn es darum geht, wie die Insassen der Kabinen evakuiert werden im Falle eines Betriebsstops.

Das Wahlverhalten der Verkehrsteilnehmer wird in Bild 8 dargestellt. Für die Illustrationen wurden Szenarien mit gleichen Transportmodi zusammengefasst. Auf der x-Achse wird die Zeitdifferenz der Alternativen ohne und mit Seilbahn abgebildet, auf der y-Achse die Wahrscheinlichkeit, dass die Teilnehmer die Seilbahn nehmen. In rot ist Wahlwahrscheinlichkeit aus der Umfrage mit 30% Konfidenzintervall dargestellt. Die blaue Linie markiert die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fahrgast zu gegebener Zeitdifferenz die Seilbahn wählt, beschrieben durch die nachfolgende Sigmoidfunktion mit den Parametern aus Tabelle 5:

Formel siehe PDF

Tabelle 5: Parameter Pendler

Bild 8: Wahlverhalten Seilbahn

Vor allem im Vergleich zum Bus kann die Seilbahn punkten. So zeigt sich beispielsweise im direkten Vergleich von Bus und Seilbahn (Bild 8a), dass bei gleicher Fahrtzeit 85% der Befragten die Seilbahn bevorzugen. Selbst wenn die Seilbahn 6 Minuten langsamer ist als der Bus, würden noch die Hälfte der Befragten die Seilbahn bevorzugen. Ähnliches zeigt sich auch, wenn die Seilbahn eine Busverbindung ersetzen soll, die mit anderen Verkehrsmitteln kombiniert wird wie Beispielsweise mit der U-Bahn (Bild 8b) oder mit der Tram (Bild 8e). Auch hier würde die Mehrheit der Pendler trotz längerer Fahrzeiten die Variante mit der Seilbahn wählen.

Dieser Vorteil der Seilbahn gegenüber dem Bus kann jedoch durch die Anzahl der Umstiege wieder kompensiert werden. Wenn eine Busverbindung durch eine Seilbahn- und eine U-Bahnfahrt ersetzt werden kann. In Szenario c) ist die Entscheidung zwischen einer Verbindung mit U-Bahn und Bus und einer mit zwei U-Bahn-Fahrten und einer Seilbahnfahrt bei gleicher Fahrtzeit relativ ausgeglichen. Dass die Anzahl der Umstiege eine wichtige Rolle spielt, zeichnet sich auch in den Szenarien f) und d) ab. Während bei gleicher Fahrtzeit 63% der Befragten die Kombination U-Bahn – Seilbahn der Kombination U-Bahn – U-Bahn (Bild 8f) bevorzugen, würden 94% eine Seilbahnfahrt wählen, wenn als Alternative zwei U-Bahn- Fahrten zur Auswahl stehen (Bild 8d).

5.3 Befragung Tourismus

Die Befragung wurde Anfang Januar 2019 in der BWM-Welt durchgeführt. Insgesamt haben 190 Teilnehmer aus 33 Ländern an der Umfrage teilgenommen. Mit 87 Befragten, stammt der größte Teil der Teilnehmer aus Deutschland, gefolgt von USA (77 Befragte) und Indien (7 Befragte). Von den Teilnehmern haben 123 angegeben, im Urlaub den lokalen öffentlichen Nahverkehr (Bus, Tram, U-Bahn, S-Bahn) zu nutzen. Von den anderen haben lediglich 14 angegeben, dass sie nicht bereit wären, diesen zu nutzen.

Bei der Frage, ob die Teilnehmer im Allgemeinen bereit wären, eine urbane Seilbahn zu nutzen, haben 158 Teilnehmer Bereitschaft bekundet. 132 haben sogar angegeben, dass sie diese auch nutzen würden, nur um den Ausblick zu genießen, auch wenn diese nicht auf ihrem Weg liegt.

Auch die Touristen haben wir befragt, was für sie die wichtigsten Faktoren bei der Verkehrsmittelwahl sind. Hier wurden am Häufigsten die Kosten genannt, gefolgt von Komfort und Dauer. Aber es wurden auch einige Faktoren aufgezählt, die für Pendler eher unwichtig sind, wie beispielsweise Geschichte, kulturelle Angebote oder Sehenswürdigkeiten.

Bild 9: Einflussfaktoren auf die Verkehrsmittelwahl bei Touristen

57 Teilnehmer haben angegeben, bereits eine urbane Seilbahn genutzt zu haben. Die angegebenen Erfahrungen waren im Allgemeinen sehr positiv. Nur drei Personen haben negative Erfahrungen genannt. Eine Person hat sich unwohl gefühlt, da es sehr eng in der Kabine war, eine weitere, dass es ein wenig stressig war und die Dritte, dass sie Höhenangst hat. Bild 10 zeigt das Wahlverhalten, das sich aus der Tourismusbefragung ableiten lässt. Wie auch in Bild 8 ist auf der x-Achse die Zeitdifferenz der Alternativen ohne und mit Seilbahn und auf der y-Achse die Wahrscheinlichkeit, dass die Teilnehmer die Seilbahn nehmen, abgebildet. Analog zur Befragung der Pendler in Abschnitt 5.2 markiert die blaue Linie die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fahrgast zu gegebener Zeitdifferenz die Seilbahn wählt, beschrieben durch eine Sigmoidfunktion mit den Parametern, die in Tabelle 6 gegeben sind. In rot ist Wahlwahrscheinlichkeit aus der Umfrage mit 30% Konfidenzintervall dargestellt.

Tabelle 6: Parameter Tourismus

Bild 10: Wahlverhalten Seilbahn Tourismus

Aus Bild 10 lässt sich schließen, dass die Fahrtzeit bei den Touristen nicht so eine große Rolle spielt, wie bei den Pendlern in der vorangegangenen Umfrage. Dies ist zum einen daran zu erkennen, dass die Kurven deutlich flacher sind, zum anderen, dass die Mittelwerte nicht erkennbar auf einer Kurve liegen.

Deutlich wird ebenfalls, dass für den Touristen die Anzahl der Umstiege eine Rolle spielt. Im dritten Szenario (Bild 10c), in dem eine Fahrt mit zwei Umstiegen ohne Seilbahn und drei Umstiege mit Seilbahn verglichen werden, ist die Wahrscheinlichkeit dass die Befragten die Seilbahn nehmen geringer als in den anderen beiden Szenarien. Bei den Faktoren, die die Verkehrsmittelwahl beeinflussen, wurde zwar die Anzahl der Umstiege selbst nur einmal genannt, allerdings wurde mehrfach erwähnt, dass die Route möglichst einfach sein soll.

Bei gleicher Anzahl an Umstiegen bevorzugen die Touristen tendenziell die Seilbahn gegenüber Bus oder U-Bahn.

6 Zusammenfassung

Im Rahmen der Untersuchung des Nutzerpotentials für urbane Seilbahnen am Frankfurter Ring haben wir zwei Umfragen durchgeführt, um das Verkehrsmittelwahlverhalten von Pendlern und Touristen zu untersuchen und herauszuarbeiten, ob diese auch bereit sind, eine urbane Seilbahn zu nutzen. Im Allgemeinen war die Akzeptanz der Seilbahn sehr gut. Vor Allem im Vergleich zum Bus konnte die Seilbahn bei den Pendlern punkten. Im Gegensatz zu den Pendlern, spielt für die Touristen die Fahrtzeit eine eher untergeordnete Rolle. Anzahl der Umstiege und der daraus resultierende Komfort ist für Touristen wichtiger. Die positive Einstellung gegenüber Seilbahnsystemen, lässt sich vermutlich zum einen daraus ableiten, dass sie oft mit Urlaub und Skifahren assoziiert werden, zum anderen wird dieser Effekt durch den Wunsch nach einem zuverlässigeren, verdichteten Verkehrsnetz verstärkt. Allerdings zeigt sich auch, dass einige Befragte nicht bereit sind, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen oder befürchten, dass sich eine Seilbahn negativ auf das Stadtbild auswirkt. Ziel des Projektes war es, die Nachfrage auf der Strecke zu untersuchen. In einem ersten Schritt wurden dafür die Seilbahn und die Ergebnisse aus der Pendlerbefragung in das ÖV-Verkehrsmodell der Landeshauptstadt München eingefügt und die Nachfrage umgelegt.

7 Literatur

7.1 Zeitschriftenartikel

[1] E. S. Neumann. (1992). Cable-propelled people movers in urban environments," Transportation Research Record 1349

[2] B. Alshalalfah, A. Shalaby, S. Dale, F. M. Y. Othman. (2012). Aerial Ropeway Transportation Systems in the Urban Environment: State of the Art," Journal of Transportation Engineering 138(3), S. 253-262

[3] B. Alshalalfah, A. Shalaby, and S. Dale. (2014). Experiences with Aerial Ropeway Transportation Systems in the Urban Environment," Journal of Urban Planning and Development 140(1), S. 04013001

[4] E. R. Ruiz Rincón and I. Sarmiento Ordosgoitia. (2013). Claves del Èxito en Teleféricos y su Articulación con Planes de Desarrollo Urbano Integral: Metrocables Medellín. Ingeneria de Transporte, S. 21-28

[5] M. Reichenbach, M. Puhe. (2017). Flying high in urban ropeways? A socio-technical analysis of drivers and obstacles for urban ropeway systems in Germany. Transportation Research Part D: Transport and Environment 61(B), S. 339-355

7.2 Beiträge aus Tagungsbänden

[6] P. Goodship. (2015). The Social and Spatial Transformative Impact of an Urban Cable- Car: The case of Medellin. Architecture and resilience on the human scale, Proceedings, S. 397-410. Sheffield

[7] K. Hofer, M. Haberl, and M. Fellendorf. (2016). Estimating the Demand of a Cable Car System As Part of Public Transport in Graz. European Transport Conference. Barcelona

[8] M. Haberl, M. Fellendorf, and K. Hofer. (2017). Verkehrsmodellgestützte Nachfragepotentialermittlung eines urbanen Seilbahnsystems am Beispiel der Stadt Graz, Heureka17 - Optimierung in Verkehr und Transport, S. 775-789, Deutschland: Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V., Stuttgart

7.3 Projektberichte

[9] M. Reichenbach, M. Puhe. (2016). Praxis urbaner Luftseilbahnen. Projekt: Hoch hinaus in Baden-Württemberg: Machbarkeit, Chancen und Hemmnisse urbaner Luftseilbahnen in Baden-Württemberg. Karlsruhe

[10] M. Reichenbach, M. Puhe, T. Soylu, S. von Behren, B. Chlond, (2017) Urbane Seilbahnen in Baden-Württemberg: Explorative Analyse von Bürgersicht, Expertenmeinungen und Planungshürden. Hoch hinaus in Baden-Württemberg: Machbarkeit, Chancen und Hemmnisse urbaner Luftseilbahnen in Baden-Württemberg. Karlsruhe

[11] M. Reichenbach and M. Puhe. (2018). Handlungsleitfaden Urbane Luftseilbahnen: Empfehlungen aus dem Projekt „Hoch hinaus". Karlsruhe

7.4 Onlinequellen

[12] Münchner Verkehrs- und Tarifverbund GmbH (MVV). Pressemitteilungen. https://www.mvv-muenchen.de/ueber-den-mvv/presse/pressemitteilungen/index.html (abgerufen am 12.06.2019)

[13] Doppelmayr. 3S Bahnen. Die Seilbahn der Superlative. https://www.doppelmayr.com/systeme/3s-bahnen/. (abgerufen am 01.07.2019)

[14] Leitner. Drei- und Zweiseilumlaufbahnen. https://www.leitner- ropeways.com/de/produkte/drei-und-zweiseilumlaufbahnen-1/. (abgerufen am 01.07.2019)

[15] Münchner Verkehrsgesellschaft mbH (MVG). MVG in Zahlen – Fakten im Überblick. https://www.mvg.de/dam/mvg/ueber/unternehmensprofil/mvg_in_zahlen_s (abgerufen am 06.01.2020)

7.5 Präsentationen

[16] Reichenbach, Max. (2018). Rahmenbedingungen für urbane Seilbahnen: Bürger- und Experten-Perspektiven auf ein „ungewohntes“ Stadtverkehrsmittel. ÖVG-Forum „Seilbahnen im urbanen Raum“. 20.06.2018. Linz