FGSV-Nr. FGSV 002/116
Ort Stuttgart
Datum 22.03.2017
Titel Nachfragepotenziale für multimodale Tarife unter Berücksichtigung der Präferenzen von Kunden des ÖPNV
Autoren Prof. Dr.-Ing. Carsten Sommer, Dipl.-Ing. Claudia Witte
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Mit der Zunahme neuer Verkehrsdienstleistungen und einem Wandel im Mobilitätsverhalten stehen Verkehrsdienstleister vor der Frage, ob sie sich mit gemeinsamen Tarifprodukten auf dem Markt positionieren können. Der Beitrag stellt eine Methode vor, wie Präferenzstrukturen für Modelle von multimodalen Tarifen für Stamm- und Gelegenheitskunden des ÖPNV identifiziert werden können. Das methodische Vorgehen basiert auf einer zweiphasigen Befragung von Kunden des ÖPNV, in der das Mobilitätsverhalten (Phase 1) und die Attraktivität von Tarifprodukten mittels Stated-Preference-Experimenten (Phase 2) erhoben worden sind. Auf Grundlage von Conjoint-Analysen wurden Präferenzstrukturen für multimodale Tarife abgeleitet. Im Beitrag wird die Anwendung exemplarisch für Stammkunden des ÖPNV in Frankfurt am Main dargestellt.

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1 Hintergrund

Im Vergleich zu Vorgängergenerationen konnte in den letzten Jahren ein Wandel im Mobitätsverhalten und in den Einstellungen festgestellt werden. Die Verkehrsmittelwahl der 18- bis 25- Jährigen ist zunehmend multimodal, während gleichzeitig der Pkw-Besitz in Haushalten junger Erwachsener sinkt (vgl. u. a. NOBIS 2016, [1] und IFMO 2011, [2]). Dem gegenüber steigt die Bereitschaft zur Vernetzung mit anderen Personen sowie dem Teilen. Dies verdeutlicht u. a. die rasante Zunahme von Online-Plattformen im Bereich der Shared-Economy, in der die geteilte Mobilität eine Vorreiterrolle einnimmt (vgl. SCHOLL 2015, [3]). Mit dem Smartphone ergeben sich neue Möglichkeiten, ständig und überall Informationen zu erhalten. Umweltverträgliche Stadtplanungen, die es erlauben zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln unabhängig von dem Pkw zu sein, erfahren einer Studie des Umweltbundesamtes [4] nach eine überragende Zustimmung von 82 % der Befragten.
Die Voraussetzungen für ein nachhaltiges Mobilitätsverhalten bilden neben der kompakten bzw. nutzungsdurchmischten Stadt öffentlich zugängliche Verkehrsmittel. Der klassische ÖPNV mit Bus und Bahn stellt hierbei das Rückgrat der Mobilität dar. Jedoch kann der ÖPNV mit starren Fahrplänen und Linienwegen nicht sämtliche Anforderungen und Aufgaben erfül-len. Gerade für den Transport von großen Gegenständen und für Wege, die während Tagesrandzeiten oder in Gebieten mit geringer Erschließung stattfinden, sind Alternativen notwendig (vgl. SOMMER/MUCHA 2013, [5]). Dies ist zumeist der private Pkw.

Sharing-Angebote ergänzen den klassischen ÖPNV, sodass sowohl die Anzahl der Alternativen zur Verkehrsmittelwahl als auch die Mobilitätschancen, insbesondere von Personen ohne privaten Pkw, erhöht werden. Insbesondere seit den 2010er Jahren ist die Verbreitung dieser Systeme in Deutschland stark gestiegen. Zum einen haben diverse Automobilhersteller eigene Carsharing-Angebote mit einer hohen Anzahl an Fahrzeugen auf den Markt gebracht, zum anderen wurden prämierte Städte im Rahmen des Kommunalwettbewerbs „Innovative Öffentliche Fahrradverleihsysteme – Neue Mobilität in Städten“ bei der Umsetzung eines Bikesharing-Systems gefördert. Technische Neuerungen wie die elektronische Chipkarten und das Smartphone haben gleichzeitig die Voraussetzungen geschaffen, dass öffentliche Fahrräder und Carsharing-Fahrzeuge autonom, spontan und komfortabel genutzt werden können.

Mit der Verbreitung und dem Ausbau von Bike- und Carsharing-Systemen stieg ebenfalls die Nachfrage. Der Bundesverband CarSharing e. V. verzeichnete zum 01.01.2016 rund 1.260.000 registrierte Carsharing-Kunden, dies ist ein Anstieg von 21,2 % im Vergleich zum Vorjahr (siehe BUNDESVERBAND CARSHARING 2016, [6]).

Das diesem Bericht zugrundeliegende Vorhaben wurde bzw. wird mit Mitteln des Bundesmi- nisteriums für Bildung und Forschung gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren.

2 Multimodale Tarife in der Praxis

Unter Schlagwörtern wie „Nahtloser Verkehr“, „Mobilität aus einer Hand“ und „Integrierter ÖPNV“ werden in der Praxis verschiedene Verkehrsdienstleistungen zu multimodalen Angeboten zusammengefasst („Mobilitätspaket“) und dabei in unterschiedlicher Integrationstiefe kommunikativ, infrastrukturell, vertrieblich und/oder tariflich verknüpft. Ziele der Dienstleister sind die Kundengewinnung und -bindung. Kunden erhalten u. a. einen abgestimmten Zugang zu den verschiedenen Verkehrsdienstleistungen sowie ggf. ökonomische Vorteile gegenüber dem Erwerb der Einzeldienstleistungen.

Ein multimodaler Tarif stellt ein spezielles Produkt dar, das mehrere Verkehrsdienstleistungen kombiniert und in dem Verbund besondere Konditionen gegenüber der Nutzung von Einzeldienstleistungen gewährt. Für die tarifliche Gestaltung von multimodalen Angeboten bestehen weite Handlungsspielräume, die vornehmlich für die Verknüpfung von ÖPNV und Bike- bzw. Carsharing zum Einsatz kommen. Zumeist geht für ÖPNV-Kunden eine Vergünstigung für die andere Verkehrsdienstleistung einher. Jedoch können sich die Änderungen gegenüber einem Standardtarif auch auf sich gegenseitig beziehen.

Die Beispiele tariflicher Integrationen können i. W. auf die folgenden Grundformen und deren Kombination zurückgeführt werden:
- reduzierte einmalige Kosten (Aufnahmegebühr, Kaution o. ä.),
- kostenfreie Probenutzung,
- reduzierte monatliche Grundgebühr,
  reduzierter Leistungstarif,
- Guthaben,
- unbegrenzte Nutzung (Flatrate).

Häufig angewendet werden Nachlässe auf einmalige oder fixe Kosten wie Kaution, Aufnahmegebühr und Mitgliedsbeitrag. Ein Beispiel für reduzierte Leistungstarife und eine reduzierte monatliche Grundgebühr – und gleichzeitig das älteste und bekannteste multimodale Tarifprodukt – ist „Hannover mobil“. Hier erhalten Kunden für einen Preis von 9,95 EUR pro Monat und einer Vertragslaufzeit von einem Jahr eine BahnCard 25, 20 % Rabatt auf Taxifahrten sowie einen vergünstigten Nutzungstarif und einen Erlass der Aufnahmegebühr für das Carsharing (siehe ÜSTRA 2016, [7]). Andere Vorbilder beinhalten die freie Nutzung von Verkehrsdienstleistungen innerhalb eines zeitlichen oder monetären Limits. Während sich die Guthaben wie 50 Freikilometer bei scouter Carsharing (siehe RMV 2016, [8]) oder 30 EUR Fahrtguthaben bei book-n-drive (siehe RMV 2016, [9]) für eTicket-Inhaber des RMV auf einmalige Werbeaktionen als „Willkommensgeschenk“ beziehen, gehen andere Kooperationen weiter: Bei dem Tarifprodukt „Mobil in Düsseldorf“ sind in dem Monatsticket für Bus und Bahn 90 Mi- nuten pro Monat beim Carsharing des Anbieters car2go und 240 Minuten pro Tag für die öffentlichen Fahrräder von nextbike inklusive (vgl. RHEINBAHN 2016, [10]). Darüber hinaus bestehen weitere, jedoch weniger verbreitete Modelle der tariflichen Verknüpfung, z. B. dass Carsharing-Kunden Ermäßigungen für die ÖPNV-Nutzung erhalten.

Ein multimodaler Tarif stellt nicht per se einen ökonomischen Vorteil gegenüber den Kosten auf Basis der Tarife für die Einzeldienstleistungen dar. Typische Fälle sind Carsharing-Tarife für Inhaber von Jahreskarten des ÖPNV, denen geringe monatliche Grundgebühren in Verbindung mit erhöhten Leistungstarifen angeboten werden. Mit einem klassischen Vielfahrer-Tarif, der aus einer hohen monatlichen Grundgebühr und geringen Leistungstarifen besteht, kann ein Kunde in Abhängigkeit von der Nutzung besser gestellt sein.

Im Angebotsportfolio von Verkehrsverbünden und Verkehrsunternehmen sind multimodale Tarife allerdings noch Nischenprodukte mit vergleichsweiser geringer Nachfrage (vgl. ACKER- MANN 2013, [11]). Auf dem Markt werden in erster Linie die Stammkunden des ÖPNV mit multimodalen Tarifen adressiert. Angebote für Kunden, die den ÖPNV nur gelegentlich nutzen, sind selten – obgleich die Personengruppe der Gelegenheitskunden am größten ist und durch- aus Variationen in der Verkehrsmittelwahl aufzeigt.

In Deutschland stellen – unter der Berücksichtigung, dass ein ÖV-Anschluss vorhanden ist die ÖV-Gelegenheitskunden mit rund 42,3 Mio. die größte Gruppe unter der erwachsenen Bevölkerung dar. Dem gegenüber umfassen Zeitkarten-Kunden ca. 9,8 Mio. Erwachsene, wenngleich sie eine deutlich höhere Nutzungsintensität öffentlicher Verkehrsmittel haben. Besonders hohe Potenziale für multimodale Tarife haben Personen, die einen ÖV-Anschluss am Wohnort haben, ÖV-affin sind und nicht über einen privaten Pkw verfügen. Dies trifft auf rund 6,3 Mio. ÖV-Gelegenheitskunden und 3,3 Mio. Zeitkarten-Kunden in Deutschland zu (vgl. SOMMER/KRICHEL 2012, [12]).

3 Forschungsleitfragen

Auch wenn vor dem Hintergrund neuer Verkehrsdienstleistungen und Informations- und Kommunikationstechnologien die Multimodalität an Bedeutung gewinnt, folgt hieraus nicht unmittelbar, dass die Kunden sich eine Verknüpfung der Verkehrsdienstleistungen mittels multimodaler Tarif wünschen. Die Verkehrsverbünde und -dienstleister stehen vor der Frage, wie sie sich auf dem Markt positionieren und welche Rolle und Aufgaben sie übernehmen sollen.

Im Rahmen des Projekts wird daher geprüft, ob seitens der Kunden grundsätzlich eine Nachfrage nach multimodalen Tarifen für öffentliche Verkehrsdienstleistungen in Verbindung mit einer Zahlungsbereitschaft besteht und falls ja, welche Personengruppen welche Präferenzen für welche Modelle von multimodalen Tarifen haben. Hierauf aufbauend eröffnet sich die Forschungsfrage, welche Faktoren die Entscheidung für bzw. gegen ein Tarifprodukt beeinflussen. Als Entscheidungsgrundlage ist für Verkehrsverbünde und Verkehrsdienstleister von Bedeutung, welche Nachfragepotenziale jeweilige Produkte am Markt haben.

4 Methodisches Vorgehen

4.1 Einleitung

Zur Beantwortung dieser Fragen wurden Befragungen von Stamm- und Gelegenheitskunden des ÖPNV in der Stadt Frankfurt am Main konzipiert. Gerade ÖPNV-affine Personen weisen ein hohes Potenzial für multimodale Tarife auf. Der ÖPNV kann erst in Kombination mit Sharing-Angeboten ein vollwertiger Ersatz zum privaten Pkw werden. So zeigen Sommer et al. [13], dass Kunden von Sharing-Angeboten überproportional häufig öffentliche Verkehrsmittel nutzen und aufgeschlossen gegenüber multimodalen Angeboten sind.

Über bevölkerungsrepräsentative Befragungen wie Haushaltsbefragungen, ist die Gruppe der ÖPNV-Kunden nur mit hohem Aufwand zu erreichen, da einerseits auch Nicht-Nutzer des ÖPNV angesprochen werden und andererseits grundsätzlich geringe Antwortquoten zu erwarten sind. Um die Zielgruppe der ÖPNV-Kunden zu erreichen, wurde daher eine persönliche Befragung im Verkehrssystem geplant.

Neben Präferenzen für multimodale Tarife, die unter Umständen für die Probanden unbekannte Verkehrsdienstleistungen wie Carsharing beinhalten, liegen weitere Forschungsinteressen in Zahlungsbereitschaften, Einstellungen und dem derzeitigen Mobilitätsverhalten. Für eine Befragung, die „auf dem Weg nebenbei“ erfolgt, sind diese Inhalte zu komplex. In der Folge wurde die Befragung in zwei zeitlich aufeinander folgenden Phasen aufgeteilt, wobei die erste Phase zum einen der Rekrutierung von Probanden diente und zum anderen der Erfassung des Mobilitätsverhaltens („Mobilitätsbefragung“). Der Fokus der zweiten Phase lag auf der Erhebung von Präferenzen für multimodale Tarife („Präferenzbefragung“).

In Bild 1 ist das methodische Vorgehen im Überblick dargestellt, das in den folgenden Unterkapiteln im Detail erläutert wird.

Bild 1: Methodische Vorgehen im Überblick [14]

4.2 Befragung von ÖPNV-Kunden zum Mobilitätsverhalten (Phase 1, Mobilitätsbefragung)

Für die Mobilitätsbefragung wurden unter Einbezug von Empfehlungen des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV) sieben U-Bahn-Haltestellen in der Frankfurter Innenstadt ausgewählt. Mit geschultem Erhebungspersonal wurden die wartenden Fahrgäste nach einem Zufallsprinzip ausgewählt (jede zehnte ankommende Person) und in einem computergestützten persönlichen Interview (CAPI) befragt.

Die Erhebungsinhalte waren u. a.:
- Soziodemografie (u. a. Alter, Geschlecht, Beruf, Bildung),
- überwiegend genutzte Fahrkartenart für den ÖPNV,
- Führerscheinbesitz und Pkw-Verfügbarkeit,
- Nutzungshäufigkeit verschiedener Verkehrsmittel,
- Einstellungen gegenüber Verkehrsmitteln sowie
- Interesse an Leistungsinhalten eines multimodalen Tarifes.

Die Mobilitätsbefragung fand im Frühjahr 2016 statt. Mit etwa jeder zweiten angesprochenen Person war die Durchführung eines Interviews aufgrund einer bewussten Verweigerung oder großer Sprachbarrieren nicht möglich. Die Antworterstichprobe betrug n = 1.795. Mit der Möglichkeit, das Interview im Verkehrsmittel fortzuführen und zu beenden, konnte der Abbruch begonnener Interviews auf unter 4 % gehalten werden. Etwa ein Drittel der Probanden hatte den Wohnsitz außerhalb der Stadt Frankfurt, sodass der Umfang der Nettostichprobe 609 ÖPNV-Stammkunden und 216 ÖPNV-Gelegenheitskunden umfasste.

Für die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die gesamte Bevölkerung Frankfurts wurde ein Gewichtungs- und Hochrechnungsverfahren entwickelt. Die Stichprobe der Mobilitätsbefragung wurde demnach auf Basis von gewichteten Auswertungen der SrV 2013 der Stadt Frankfurt nach Alter, Geschlecht und ÖPNV-Kundensegment zunächst gewichtet und anschließend mittels Bevölkerungsstatistik der Stadt Frankfurt hochgerechnet.

4.3 Befragung von ÖPNV-Kunden zu Präferenzen multimodaler Tarife (Phase 2, Präferenzbefragung)

In dem vertiefenden zweiten Interview wurden mit ausgewählten Stamm- und Gelegenheitskunden die Präferenzen für kombinierte Tarifprodukte und die Zahlungsbereitschaft näher untersucht. Die Auswahlstichprobe setzte sich aus den teilnahmebereiten Personen der ersten Befragung zusammen. Etwa ein Drittel der Befragten hatte sich bereit erklärt, an dem Folgeinterview teilzunehmen und Kontaktdaten angegeben. Dabei lag die Bereitschaft, eine E-Mail-Adresse anzugeben, rund fünf Mal so hoch wie für die Angabe einer Telefonnummer. Zur Erhöhung der Teilnahme erhielt jeder Proband ein Einzellos der Deutschen Fernsehlotterie als Incentive. Dennoch lag in Folge unechter Ausfälle (4 %, im Wesentlichen falsche E-Mail-Adressen) und echter Ausfälle (72 %, hauptsächlich Nichtantworter bei E-Mail-Korrespondenz) die Teilnehmerzahl bis Ende 2016 bei nur 13 ÖPNV-Gelegenheitskunden und 35 ÖPNV- Stammkunden.

Die Präferenzbefragung findet seit dem 14. September 2016 statt. Sie wird als computergestütztes, persönliches Interview (CAPI) mit einer Dauer von ca. 30 bis 45 Minuten bei den Probanden Zuhause oder in öffentlichen Räumlichkeiten in Frankfurt (i. W. an der Frankfurt University of Applied Sciences oder in Cafés) durchgeführt. Die Erhebungsinhalte der Präferenzbefragung umfassen im Wesentlichen:

- Überprüfung des Mobilitätsverhaltens und der Verkehrsmittelwahlsituation mit den Ergebnissen der Mobilitätsbefragung (erste Phase),
- finanzielle Aufwendungen für den ÖPNV,
- Eignung des genutzten Tarifproduktes für den ÖPNV (Bewertung mit 7er-Skala),
- finanzielle Aufwendungen für den Pkw,
- Einstellungen gegenüber Verkehrsmitteln,
- Bedeutung von Eigenschaften eines multimodalen Tarifes (Bewertung mit 4er-Skala) sowie
- Eignung und Kaufbereitschaft für verschiedene multimodale Tarifprodukte (Bewertung mit 7er-Skala bzw. 5er-Skala).

In dem Fragebogen werden personenspezifische Informationen aus der vorab erfolgten Mobilitätsbefragung verwendet (z. B. bisher genutzte Fahrkartenart, Präferenz für Leistungsinhalte eines multimodalen Tarifes). Gleichzeitig dient der Computer der Visualisierung teilweise unbekannter Verkehrsdienstleistungen, fiktiver Tarifprodukte sowie deren Vertrieb. Die Bilder stellen die Funktionsweise von Carsharing, Bikesharing, Taxi, Fernzug, Fernbus und Parken vereinfacht dar und geben die Kosten für eine durchschnittliche Fahrt vor. Neben dem Verständnis soll gewährleistet werden, dass alle Probanden die multimodalen Tarife unter denselben Rahmenbedingungen bewerten. In Bild 2 ist das Schaubild für den Vertrieb des vorzustellenden Tarifproduktes dargestellt.

Bild 2: Vertriebskonzept der Tarifprodukte in der Präferenzbefragung [14]

Die Messung von Präferenzen für Modelle multimodaler Tarife erfolgt mit Stated-Preference-Experimenten, in denen den Probanden verschiedene fiktive Tarifprodukte vorgestellt und sie gebeten werden, sie entsprechend der Eignung für den persönlichen Bedarf und der Kaufbereitschaft zu bewerten.

Im Fokus der Untersuchung stehen die Präferenzen für Modelle von multimodalen Tarifen. Für Stammkunden gilt als Basisprodukt die bisher genutzte Zeitkarte (Monatskarte, Jahreskarte, Jobticket oder Semesterticket) für den ÖPNV, die zu einem multimodalen Tarifprodukt erweitert wird. Als modellrelevante Eigenschaften wurden anhand der Beispiele aus der Praxis ein Preis für das Tarifprodukt, das Bildungsprinzip für Leistungsinhalte und die Preisstrategie für Leistungen identifiziert. In Tabelle 1 sind die Eigenschaften und Eigenschaftsausprägungen für Tarifprodukte für Stammkunden dargestellt. Für Gelegenheitskunden wird als ergänzende Komponente der ÖPNV in das Tarifmodell aufgenommen (vgl. Tabelle 2).

Einmalige Nutzungsanreize, die primär eine Werbe- statt Tarifmaßnahme sind, werden nicht betrachtet. Ebenso werden Flatrate-ähnliche Modelle für Verkehrsdienstleistungen außerhalb des ÖPNV (z. B. die freie Nutzung von Carsharing (im Rahmen eines sehr hohen Guthabens)), die ggf. im Widerspruch zu betriebswirtschaftlichen, umwelt- und verkehrspolitischen Zielen stehen, nicht einbezogen. Die Werte für Tarife, Rabatte und Guthaben wurden verkehrsmittelspezifisch aus Beispielen aus der Praxis abgeleitet und zum Teil für ein leichtes Nachvollziehen der Kosten vereinfacht.

Tabelle 1: Modelle für Tarifprodukte für Stammkunden [14]

Tabelle 2: Modelle für Tarifprodukte für Gelegenheitskunden [14]

Damit ein Produkt nicht grundsätzlich wegen uninteressanter Leistungsinhalte – und damit unabhängig von dem Tarifmodell – abgelehnt wird, entsprechen die enthaltenen Verkehrsdienstleistungen dem Wunsch des Probanden bzw. dem typischen Wunsch der zugehörigen Personengruppe. Das Vertriebskonzept wird dem Befragten als konstante Rahmenbedingung für alle Konzepte gleich vorgegeben (vgl. Bild 2).

Für Stammkunden ermöglicht die Kombination aller Eigenschaften aus Tabelle 1 (3 x 2 x 3 =) 18 verschiedene Tarifprodukte. Um die Belastung für die Probanden zu reduzieren, wird für die Befragung ein reduziertes Erhebungsdesign verwendet. Mittels der Prozedur Orthoplan in SPSS wurde ein Versuchsplan mit neun Tarifprodukten erstellt (siehe Tabelle 3). Diese Tarifprodukte, so genannte Stimuli, werden den Probanden in zufälliger Reihenfolge und unabhängig voneinander zur Beurteilung dargestellt.

Tabelle 3: Versuchsplan Stamm [14]

Die Beurteilung erfolgt nach der Präferenzwertmethode, nach der jedes Tarifprodukt mit einer Rating-Skala durch einen Präferenzwert bewertet wird. Für die Bewertung dient die Frage, „Wie gut eignet sich das folgende Mobilitätsprodukt für Ihren persönlichen Bedarf?“ mit den Präferenzwerten 1 = „sehr schlecht“ bis 7 = „sehr gut“ und wird im Folgenden als quasi-metrischer Wert mit gleichen Abständen zwischen den Stufen interpretiert. Die Tarifprodukte werden hierbei ganzheitlich mit allen Merkmalen beurteilt.

4.4 Methoden zur Ermittlung von Präferenzstrukturen für Tarife

Auf Grundlage der empirisch ermittelten Bewertungen der verschiedenen Tarifprodukte und dem Beurteilungsverhalten mehrerer Personen werden mittels Conjoint-Analysen Präferenzstrukturen abgeleitet. Das Ziel der Conjoint-Analysen ist, aus der ganzheitlichen Bewertung einiger Produkte (Stimuli) mit mehreren Eigenschaften und Eigenschaftsausprägungen auf die Attraktivität und die Bedeutung der einzelnen Komponenten zu schließen.

Nach dem additiven Modell der Conjoint-Analyse stellt sich der Gesamtnutzenwert eines Produktes als Summe der Teilnutzenwerte dar (vgl. BACKHAUS ET AL. 2016, [15]):

Formel (1) siehe PDF.

In dem Modell stellen die Eigenschaften der Produkte die unabhängigen Variablen dar, von denen der Gesamtnutzen abhängig ist. Das Ziel ist die Bestimmung der Teilnutzenwerte für die einzelnen Eigenschaftsausprägungen, sodass der geschätzte Gesamtnutzen möglichst gut der empirisch gemessenen Beurteilung entspricht.

Zur Bestimmung der Teilnutzenwerte auf Grundlage metrischer Präferenzwerte, wird das Modell um die Konstante erweitert (siehe Gleichung 2), die als Basisnutzen die durchschnittliche Bewertung aller Produkte wider gibt (vgl. BACKHAUS ET AL. 2016, [15]). Die Eigenschaftsausprägungen heben sich positiv bzw. negativ hiervon ab.

Formel (2) siehe PDF.

Der Teilnutzenwert für eine Eigenschaftsausprägung ergibt sich bei diskreten Faktoren hier aus der Differenz zwischen der mittleren empirischen Bewertung aller Produkte, die diese Eigenschaftsausprägung enthalten (z. B. bei der Eigenschaft „Leistungsinhalte“ Produkte, die die Ausprägung „zur Wahl“ enthalten (Nr. 1, 7 und 9 in Tabelle 3)), und dem Präferenzgesamtmittel der Eigenschaft (vgl. BALTES-GÖTZ 2006, [16]):

Formel (3) siehe PDF.

Durch Addition der empirischen Schätzwerte für die Teilnutzenwerte nach Formel 2 ergeben sich die geschätzten Gesamtnutzenwerte für die Tarifprodukte. Damit die geschätzten Gesamtnutzenwerte möglichst gut den empirisch ermittelten Präferenzwerten entsprechen, wird für die ermittelten Teilnutzenwerte eine Varianzanalyse durchgeführt. Auf Grundlage von Kleinste-Quadrate-Schätzung wird das Zielkriterium erreicht, dass die quadratische Abweichung zwischen den empirischen und geschätzten Nutzenwerten minimal ist (vgl. BACKHAUS ET AL. 2016, [15]):

Formel (4) siehe PDF.

Mit Hilfe der geschätzten Teilnutzenwerte lassen sich nun nach Formel 2 die Gesamtnutzen aller beliebigen Produktkombinationen berechnen.

Neben dem absoluten Beitrag zum Gesamtnutzen eines Produktes ist die relative Wichtigkeit der Eigenschaft für die Attraktivität des Produktes von Interesse. Führen Variationen von Ausprägungen einer Eigenschaft nicht zu bedeutsamen Änderungen des Gesamtnutzens, dann ist die Gestaltung dieses Faktors insgesamt von geringer relativer Bedeutung. Die Bedeutung von Eigenschaften bemisst sich anhand der Spannweite zwischen dem geringsten und höchsten Teilnutzenwert von Ausprägungen jeweils einer Eigenschaft. Die relative Wichtigkeit einer Eigenschaft ergibt sich aus der Spannweite des Faktors dividiert durch die Summe der Spannweiten aller Eigenschaften (vgl. BACKHAUS ET AL. 2016, [15]):

Formel (5) siehe PDF.

Die so ermittelten Teilnutzenwerte und Wichtigkeiten stellen die individuellen Präferenzstrukturen eines Kunden dar. Da jedoch insgesamt die Nachfragepotenziale von multimodalen Tarifprodukten für die Gruppe der Stamm- bzw. Gelegenheitskunden des ÖPNV von Interesse sind, werden die Teilnutzenwerte und Wichtigkeiten durch Bildung der arithmetischen Mittelwerte je Personengruppe aggregiert.

4.5 Methoden zur Ermittlung von Determinanten

Um die Entscheidungen weitergehend zu analysieren, sollen in den nächsten Schritten die Gründe und Determinanten bestimmt werden, die diese beeinflussen. Für einen möglichen Zusammenhang zwischen Präferenzen und Personengruppen, werden daher die Daten zu Soziodemografie, Einstellungen, Verkehrsmittelwahlsituation und Mobilitätsverhalten auf Korrelationen untersucht.

Sind die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge bekannt, sollen diese mittels einem binominalen logistischen Regressionsmodell modelliert und quantifiziert werden. Ziel ist es, am Beispiel der Stadt Frankfurt am Main abzuschätzen, wie groß die Anzahl der Kunden sein wird, die sich für ein spezifisches Tarifprodukt entscheiden. Durch den Vergleich der Nachfragepotenziale verschiedener Modelle multimodaler Tarife soll der Leitfrage nachgegangen werden, welche Modelle von multimodalen Tarifen erfolgsversprechend sind und entsprechende Empfehlungen für Verkehrsdienstleister abgeleitet werden.

5 Potenziale für multimodale Tarife

5.1 Rahmenbedingungen

Grundvoraussetzung für multimodale Tarife sind verfügbare und gebrauchstaugliche Verkehrsdienstleistungen sowie die Bereitschaft der Verkehrsdienstleister Kooperationen mit einander einzugehen.
Für die Befragung wurde vorausgesetzt, dass die zu verknüpfenden Verkehrsdienstleistungen vorhanden sind. In großen Großstädten (> 500.000 Einwohner) sind (fast) ausnahmslos Bike- und Carsharing-Angebote, teilweise mehrerer Anbieter, vorhanden und bereits in den ÖPNV integriert. Mit der Stadtgröße sinkt tendenziell die Verfügbarkeit. Während stationsgebundene Carsharing-Angebote vereinzelt noch in Städten unter 50.000 Einwohnern vorhanden sind, sind Bikesharing-Angebote nur in Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern vertreten (vgl. SOMMER ET AL. 2015, [13]).
Die folgenden Ergebnisse beziehen sich beispielhaft auf die Stadt Frankfurt am Main mit 727.000 Einwohnern (siehe FRANKFURT 2017, [17]). Die Stadt Frankfurt am Main besitzt ein sehr gut ausgebautes ÖPNV-Angebot. Darüber hinaus besteht mit vier Carsharing-Anbietern – darunter das Free-Floating-System Car2go – sowie zwei Bikesharing-Systemen bereits ein etabliertes Angebot an ergänzenden Verkehrsdienstleistungen.

Bild 3: Kundensegmente (ab 18 Jahren) nach subjektiver Einschätzung der Verkehrsmittelnutzung [14] auf Datengrundlage SRV 2013, [18]

5.1 Multimodales Mobilitätsverhalten

Nachfragepotenziale für multimodale Verkehrsdienstleistungen ergeben sich für Personen, die Variationen in der Verkehrsmittelwahl aufzeigen, also multimodal sind. Unter wirtschaftlichen und organisatorischen Aspekten stellt Carsharing eine sinnvolle Ergänzung oder gar einen Ersatz zum eigenen Pkw dar, wenn das Leihfahrzeug nur gelegentlich benötigt wird.
In der Stadt Frankfurt besitzen rund 34 % der erwachsenen Einwohner eine Zeitkarte für den ÖPNV (i. W. Monatskarte, Jahreskarte, Jobticket, Semesterticket). Gelegenheitskunden, die Nutzer von Einzelfahrkarten, Tageskarten oder Wochenkarten sind, stellen 51 % der Bevölkerung dar. Dem gegenüber nutzen 8 % der Einwohner Busse und Bahnen nie. (Datengrundlage SrV 2013, [18])
Nach subjektiver Einschätzung benutzt jeder Dritte der erwachsenen Frankfurter täglich oder fast täglich einen Pkw, obgleich die Hälfte darüber hinaus auch gelegentlich auf Bus und Bahn zurückgreift (vgl. Bild 3). Unter Abzug der Personengruppen, die im hohen Maß bzw. nie einen Pkw benutzen und derjenigen, die nicht ÖPNV-affin sind, ergibt sich aufgrund des Mobilitätsverhaltens ein Potenzial von 43 % der erwachsenden Einwohner für die Nachfrage nach multimodalen Angeboten.

5.1 Einstellungen gegenüber Verkehrssystemen

Das ÖPNV-Angebot verleiht den Kunden in Frankfurt ein hohes Autonomieempfinden, das heißt viele Wege des Alltags können mit Bus und Bahn absolviert werden (vgl. Bild 4). Darüber hinaus spricht die hohe Zustimmung von 80 % bzw. 90 % der ÖPNV-Kunden bezüglich der Aussage, dass der Alltag auch ohne Pkw sehr gut gestaltet werden kann, dafür, dass der Besitz eines eigenen Pkws in vielen Fällen obsolet ist. Dies schafft positive Rahmenbedingungen für eine Verknüpfung von Carsharing und ÖPNV. Vor dem Hintergrund, dass 57 % der ÖPNV-Gelegenheitskunden und 40 % der ÖPNV-Stammkunden (fast) immer einen Pkw zur Verfügung haben (nach SRV 2013, [18]), ergeben sich hohe theoretische Pkw-Abschaffungs- potenziale. Allerdings zeigen die Ergebnisse auch, dass für je ein Drittel der ÖPNV-Kunden Carsharing zu umständlich ist bzw. sie das Angebot nicht einschätzen können. Wenn bereits das Verkehrssystem Carsharing als wenig gebrauchstauglich angesehen wird, mindert dies die Erfolgsaussichten für ein integriertes Tarifprodukt aus ÖPNV und Carsharing.

Bild 4: Einstellungen gegenüber Verkehrsmitteln von Kunden des ÖPNV [14]

5.2 Anforderungen an den Leistungsumfang von multimodalen Tarifen

Das Grundinteresse, neben Bus und Bahn über weitere Verkehrsdienstleistungen in einem Tarifprodukt zu verfügen, ist hoch. In der Mobilitätsbefragung haben nur ein Viertel der ÖPNV- Gelegenheitskunden bzw. ein Fünftel der ÖPNV-Stammkunden es abgelehnt, beliebige Zusatzleistungen in ein gewünschtes Tarifprodukt aufzunehmen.

In Tabelle 4 sind die Präferenzen für Leistungsinhalte für ein multimodales Tarifprodukt dargestellt, dass neben dem ÖPNV weitere Verkehrsdienstleistungen enthält. Dabei geben die Anteilswerte in der Hauptdiagonalen an, wie häufig diese Verkehrsdienstleistung in einem selbst zusammenstellbaren Tarifprodukt genannt worden ist, unabhängig davon, ob weitere Leistungsinhalte gewählt worden sind. Darunter liegend ist die Nachfrage für Tarifprodukte dargestellt, die mindestens aus den beiden genannten Leistungen bestehen (ggf. zzgl. weiterer Dienste). Die Präferenzen für Leistungsinhalte eines multimodalen Tarifproduktes sind sehr heterogen. Zudem bestehen keine dominanten Unterschiede zwischen Stamm- und Gelegenheitskunden. Dies legt die These nahe, dass multimodale Tarife modular gestaltet werden sollen (Baukastenprinzip), damit die Kunden die für sie jeweils relevanten Verkehrsdienstleistungen nachfragen können. Vorgegebene Leistungsinhalte sprechen dagegen nur einen kleinen Kundenkreis an. Besteht ein Tarifprodukt aus zwei weiteren Verkehrsdienstleistungen werden damit nur maximal 14 % der Stamm- bzw. 17 % der ÖPNV-Gelegenheitskunden angesprochen. Dabei besteht die beliebteste Kombination neben dem ÖPNV für die Stammkunden aus Fernzug und Fernbus, für die Gelegenheitskunden aus Fernzug und Taxi.

Tabelle 4: Anteile der ÖPNV-Kunden, die mindestens die Zusatzleistung bzw. deren Kombination für ein Tarifprodukt gewählt haben [14]

5.3 Anforderungen an die Gestaltung von multimodalen Tarifen

Die folgenden Präferenzstrukturen für Modelle von multimodalen Tarifen stellen exemplarische Auswertungen der Conjoint-Analyse für Stammkunden des ÖPNV dar. Aufgrund der geringen Teilnahmebereitschaft wird die Befragung zum Zeitpunkt der Beitragserstellung fortgesetzt. Den beispielhaften Darstellungen liegt ein gültiger Stichprobenumfang von n = 29 zugrunde. Darüber hinaus basieren die Ergebnisse auf ungewichteten Fällen. Generell ist nicht auszuschließen, dass die Stichprobe Verzerrungen gegenüber der Grundgesamtheit der ÖPNV-Stammkunden mit Wohnsitz in Frankfurt aufweist, sodass eine Gewichtung notwendig ist. Das Erhebungsdesign setzt die Teilnahmebereitschaft an zwei Interviews voraus. Neben Unterschieden bei der Soziodemografie kann davon ausgegangen werden, dass insbesondere ein überdurchschnittliches Interesse der befragten am Untersuchungsgegenstand Einfluss auf die Präferenzen für multimodale Tarife hat. Dies ist bei der Beurteilung der Ergebnisse zu beachten.

Um den Einfluss der Eigenschaften von multimodalen Tarifen auf die Attraktivität für ÖPNV- Stammkunden zu bestimmen, wird das Modell nach Formel 2 genutzt. Der Tarifbeschreibung liegen die Eigenschaften nach Tabelle 1 zugrunde.

Formel (6) siehe PDF.

Die Eigenschaften der Tarifprodukte stellen sich als unabhängige Variablen dar. Die abhängige Variable ist hingegen der metrische Gesamtnutzen, der in den Stated-Preference-Experimenten nach dem Versuchsplan in Tabelle 3 empirisch erhoben worden ist. Die durch die Probanden beurteilten Tarifprodukte sind die Beobachtungen, mit Hilfe derer das Modell geschätzt wird. Ziel ist die Bestimmung der Teilnutzenwerte für jede Eigenschaft und Ausprägung auf Grundlage des Gesamtnutzenwertes. Die Eigenschaften Preisbildung für Leistungsinhalte und Leistung sind nominale Variablen, für die die Annahmen getroffen werden, dass keine sachlogischen Beziehungen zwischen den Eigenschaftsausprägungen und den Präferenzurteilen bestehen. Für den Preis wird hingegen angenommen, dass er in linearer, abfallender Beziehung zum Nutzen steht, d. h. je höher der Preis desto geringer (negativer) der Nutzen.

Das Ergebnis für die Modellschätzung ist in Bild 5 dargestellt. Der Basisnutzen (Konstante) für ein multimodales Tarifprodukt nimmt einen Wert von 5,811 an. Auf Grundlage der Nutzenschätzung besteht die Tendenz, dass die Stammkunden für die Preisstrategie einen Rabatt gegenüber einem Guthaben zur Nutzung von anderen Verkehrsdienstleistungen vorziehen. Die These, dass ein Baukastenprinzip zur eigenständigen Wahl von Verkehrsdienstleistungen gegenüber vorgegeben Inhalten – obgleich dies in der Versuchsanordnung bereits präferierte Angebote waren – bevorzugt wird, wird durch das Experiment gestützt.

Die Umkehrungsauswertung in Bild 5 zeigt, dass sich im Experiment ein Proband entgegen der Annahme eines sinkenden Nutzens mit steigendem Preis entschieden hat – was nicht unplausibel ist, wenn ein hoher Preis als Indikator für eine hohe Qualität eingeschätzt wird. Die Wichtigkeitswerte verdeutlichen, dass für die Probanden die Eigenschaften, die die Kosten von Verkehrsdienstleistungen beeinflussen, von größerer relativer Wichtigkeit sind als das Prinzip wie die Leistungsinhalte gebildet werden.

Bild 5: Ergebnisse einer exemplarischen Conjoint-Analyse für ÖPNV-Stammkunden des ÖPNV (n = 29) [14]

Die Korrelationskoeffizienten weisen eine hohe interne Validität des Modells aus. Während Pearsons’s R die Korrelation zwischen metrischen Gesamtnutzenwerten und den empirischen Rängen beschreibt, misst Kendall’s Tau die Korrelation zwischen empirischen und aus den Conjoint-Ergebnissen abgeleiteten Rängen (vgl. BACKHAUS ET AL. 2016, [15]).

Mit den geschätzten Teilnutzenwerten und dem Modell nach Gleichung 6 kann der Gesamtnutzen eines beliebigen und nicht empirisch überprüften Tarifprodukts bestimmt werden. Das Tarifprodukt mit der höchsten Attraktivität verursacht keine Zusatzkosten beim Kunden, enthält frei wählbare Verkehrsdienstleitungen für die Rabatte gewährt werden. Darüber hinaus können auf Grundlage der Nutzenwerte die Wahrscheinlichkeiten für verschiedene Tarifprodukte auf dem Markt bestimmt werden, beispielsweise durch Anwendung eines Max-Utility- oder Logit-Modells.

6 Ausblick und weiteres Vorgehen

Die geringe Teilnahmebereitschaft an der Befragung zu Präferenzen für multimodale Tarife (Phase 2) führt dazu, dass aktuell eine Nacherhebung stattfindet. Insbesondere die Gruppe der Gelegenheitskunden des ÖPNV ist nur mit sehr hohem Aufwand zu erreichen, da sie grundsätzlich eine erheblich geringere Nutzungsintensität von Bus und Bahn gegenüber Zeitkartenkunden hat. Das Forschungsinteresse ist jedoch hoch, da zum einen das Mengengerüst potenzieller Kunden groß ist und zum anderen wenig über diese Gruppe bekannt ist. Neuartig ist hier zum Beispiel die Bindung an ein Tarifprodukt.

Die Untersuchungen liefern erste Hinweise, wie multimodale Tarifprodukte gestaltet werden sollen, sodass sie sich an die Interessen von Kunden richten. Eine weitere Herausforderung ist die Ableitung realistischer Nachfragepotenziale für die Tarifprodukte aus den Präferenzstrukturen der Stichprobe. Die Zusammensetzung der Antworterstichprobe mit einem mutmaßlich gesteigerten Interesse an multimodalen Tarifprodukten wird dazu führen, dass der Gesamtnutzen von multimodalen Tarifen und die Preisbereitschaft hierfür bei einer Übertragung auf sämtliche ÖPNV-Kunden überschätzt werden.

Des Weiteren stellt die hypothetische Befragungssituation mit fiktiven Tarifen eine abstrakte Entscheidungssituation dar, die von den tatsächlichen Verhaltensreaktionen abweichen kann. Gleichzeitig wird in der Realität die Nach- frage nach einem multimodalen Tarifprodukt nicht ausschließlich durch den Tarif beeinflusst. So werden die Bedingungen, dass die Verkehrsdienstleistungen verfügbar und gebrauchs- tauglich gestaltet sind sowie mit dem ÖPNV auf infrastruktureller, vertrieblicher und kommunikativer Ebene nach den Anforderungen der Kunden verknüpft sind, nicht vollständig erfüllt sein. Hier soll insbesondere der Dialog mit Experten aus der Praxis dafür dienen, theoretische Potenziale einzuordnen und die abgeleiteten Empfehlungen auf die Praxistauglichkeit zu prüfen.

7 Danksagung

Die Autoren bedanken sich bei dem Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV), der Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main (VGF), der traffiQ, der DB Station&Service AG, der Rhein-Main-Verkehrsverbund Servicegesellschaft mbH (rms), der Stadt Frankfurt am Main sowie dem gesamten Konsortium von DieMoRheinMain für die wertvollen Anregungen und die Unterstützung bei den Erhebungen. Darüber hinaus bedanken wir uns für die Förderung und Betreuung des Projektes.

8 Literatur

[1]    NOBIS, C. (2015). Multimodale Vielfalt – Quantitative Analyse multimodalen Verkehrshandelns. Dissertation, Humbolt-Universität zu Berlin, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät II, Berlin.

[2]    IFMO (2011). Mobilität junger Menschen im Wandel – multimodaler und weiblicher. Institut für Mobilitätsforschung (Hrsg.), http://www.ifmo.de/tl_files/publications_con-tent/2011/ifmo_2011_Mobilitaet_junger_Menschen_de.pdf, Abruf: 24.01.2017.

[3]    SCHOLL, G. (2015). Peer-to Peer Sharing: Stand, Debatten und Perspektiven. I-share Symposium,    Berlin,    26.    November    2015,    Vortrag,    http://www.i-share-eco- nomy.org/kos/WNetz?art=File.download&id=124&name=Gerd+Scholl+at+the+i- share+Symposium+2015.pdf, Abruf: 26.01.2017.

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[6]    BUNDESVERBAND CARSHARING (2016). Wachstum und Konsolidierung im deut- schen CarSharing-Markt. http://www.carsharing.de/sites/default/files/uploads/pm_car- sharing-bilanz_2016_0.pdf, Abruf: 08.07.2016.

[7]    ÜSTRA (2016). Hannovermobil – unser Mobilitätspaket. https://www.uestra.de/mobili-taetsshop/hannovermobil/, Abruf: 08.07.2016.

[8]    RMV (2016). Nutzen Sie scouter Carsharing mit Ihrem eTicket. http://www.rmv.de/de/Fahrkarten/Die_richtige_Fahrkarte/eTicket_RheinMain/Zusatz-angebote/68846/zusatzangebote_scouter_carsharing.html, Abruf: 08.11.2016.

[9]    RMV (2016). Nutzen Sie mit dem eTicket die Angebote von book-n-drive Carsharing. http://www.rmv.de/de/Fahrkarten/Die_richtige_Fahrkarte/eTicket_RheinMain/Zusatz-angebote/63782/Zusatzangebot_book-n-drive.html, Abruf: 08.11.2016.

[10]    RHEINBAHN (2016). Mobil in Düsseldorf. http://www.rheinbahn.de/tickets/weitere_ti- cketangebote/Seiten/Mobil-D%C3%BCsseldorf.aspx, Abruf: 08.11.2016.

[11]    ACKERMANN, T. (2013). Zukünftige (neue) Vertriebswege – Mobilitätskarten. ZBV- Jahresversammlung, Bremen, 27. September 2013, Vortrag.

[12]    SOMMER, C.; KRICHEL, P. (2012). Wer nutzt welche Verkehrsmittel. Der Nahverkehr 03/2012, S. 15-21.

[13]    SOMMER, C. ET AL. (2017). Umwelt- und Kostenvorteile ausgewählter innovativer Mobilitäts- und Verkehrskonzepte im städtischen Personenverkehr – Teilbericht 1, For- schungsbericht 371296101, UBA-FB, im Erscheinen.

[14]    WITTE, C. (2017). Unveröffentlichtes Manuskript.

[15]    BACKHAUS, K. ET AL. (2016). Multivariate Analysemethoden: Eine Anwendungsori- entierte Einführung. 14. Auflage, Springer-Verlag, Berlin.
 
[16]    BALTES-GÖTZ, B. (2006). Conjoint-Analyse mit SPSS. Universitäts-Rechenzentrum Trier (Hrsg.), Trier.

[17]    FRANKFURT (2017). Bevölkerung. https://www.frankfurt.de/sixcms/de- tail.php?id=2912&_ffmpar%5B_id_inhalt%5D=7524, Abruf: 26.01.2017.

[18]    SRV (2013). Eigene Auswertungen der Mobilität in Städten 2013, Haushaltsbefragung der TU Dresden im Auftrag der Stadt Frankfurt am Main, Dezernat Verkehr, Referat 66A/traffiQ.