FGSV-Nr. FGSV 002/94
Ort Karlsruhe
Datum 15.09.2009
Titel Durchführung der Baumkontrolle mit Hilfe eines digitalen Baumkatasters
Autoren Dipl.-Ing. Gerhard Schmidt
Kategorien Straßenbetrieb, Winterdienst
Einleitung

Baumkontrollen sind aus Gründen der Verkehrssicherheit unerlässlich und in regelmäßigen Abständen durchzuführen. Ein digitales Baumkataster ermöglicht vor Ort eine datenbankgestützte Erfassung und Kontrolle von Straßenbäumen und minimiert den damit verbundenen Aufwand. Das Kataster sollte alle relevanten Daten beinhalten, die für die Bestandsaufnahme und Identifizierung der Bäume nützlich sind und die eine Beurteilung des Zustandes ermöglichen. Der umfangreiche Datenbestand ist damit einfach zu verwalten und kann als Grundlage für die Ausschreibung von Baumpflegearbeiten ausgewertet werden. Statistische Aussagen und die Darstellung der Historie bestimmter Objekte sind kurzfristig und tagesaktuell abrufbar. Eine zweckorientierte Hardware erweitert das Anwendungsspektrum eines Arbeitsplatzrechners um die Möglichkeit eines mobilen Einsatzes. Die Eingabe der Daten am Einsatzort erfolgt über das Anklicken standardisierter Auswahlmenüs, umfangreiche Texteingaben werden vermieden. Das System vereinheitlicht die Vorgehensweise am Objekt und automatisiert die notwendige Dokumentation der Ergebnisse. Bei Eintritt eines Schadensfalles ist somit Rechtssicherheit für den Kontrollierenden gegeben.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1   Einleitung

Die Kontrolle von Straßenbäumen ist unverzichtbarer Bestandteil des Betreibens von Verkehrswegen. Regelmäßige Kontrollen sind erforderlich, um Schäden an Bäumen und damit verbundene Risiken rechtzeitig zu erkennen und daraus abzuleitende, zielgerichtete Maßnahmen vornehmen zu können. Sie erfolgen im Rahmen der Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht und dienen der Abwendung von Haftungsansprüchen. Die Häufigkeit der Kontrollen von Straßenbäumen in NRW ist abhängig vom Alter und Zustand der Bäume. Diesbezüglich wird der Baumbestand in drei Kategorien (Jungbaum bis 20 Standjahre, vitale Bäume 20 – 50 Jahre und Altbäume > 50 Jahre) eingeteilt. Durch diese Unterscheidung lässt sich zum Einen die Häufigkeit der Kontrollen (die Gruppe „Jungbäume“ wird nicht regelmäßig kontrolliert) im Gegensatz zu Früher (pauschale Kontrolle aller Bäume 2 x im Jahr) deutlich reduzieren, ist aber auf der anderen Seite nicht einfach zu verwalten. Diese Erkenntnis hat neben weiteren Gründen dazu beigetragen, über die Einführung eines digitalen Baumkatasters nachzudenken. Nachfolgend wird der Prototyp eines digitalen Baumkatasters beschrieben, mit dem die Machbarkeit, sprich die Kompatibilität mit der Nordrhein-Westfälischen Straßeninformationsbank (NWSIB) im Outdooreinsatz erfolgreich getestet worden ist und der nun in eine Produktivlösung umgesetzt werden soll.

2   Vorteile eines digitalen Baumkatasters

Insgesamt sprechen eine Reihe von Gründen für die Nutzung einer digitalen Lösung. Der Gesamtaufwand einer Kontrolle reduziert sich, denn es ist nicht allein damit getan, einen Baum zu kontrollieren und Daten zu sammeln. Vielmehr müssen die Daten auch zusammengeführt, ausgewertet und katalogisiert werden. Des Weiteren wird die Dokumentation und spätere Nutzung vorhandener Daten erleichtert.

2.1   Minimierung des Aufwandes für Baumkontrollen

Der Aufwand verringert sich bereits bei der Vorbereitung. Benötigtes Kartenmaterial ist digital vor Ort dabei und muss nicht vorab in Papierform aufbereitet werden. Ein schnelles Selektieren und Auffinden der Objekte vereinfacht die Planung der Tagestour, insbesondere unter der Berücksichtigung unterschiedlicher Kontrollintervalle. Ein händisches Nachbearbeiten entfällt nahezu, da die Kontrollergebnisse im Büro automatisch in die Datenbank übertragen werden und jedem Zugangsberechtigten dann aktuell zur Verfügung stehen.

2.2   Einheitliche Dokumentation der Kontrollen

Die Daten werden regelmäßig und zeitnah durch das System dokumentiert und gesichert, die Gefahr von Datenverlusten wird somit reduziert. Durch standardisierte Vorgaben verlaufen die Kontrollen und die Symptomermittlung einheitlich. Diese Ergebnisse können jederzeit nachvollziehbar und vollständig zur Beweissicherung herangezogen werden. Damit besteht für den Kontrolleur Rechtsicherheit bei Eintritt eines Schadensfalles.

2.3   Nutzbare Datensammlung für Ausschreibungen

Die einmal gesammelten Daten stehen in vollem Umfang für weitere Nutzungen zur Verfügung. Die umfangreichen Auswertemöglichkeiten bieten sich für die Erstellung einer Massenermittlung, eines Leistungsverzeichnisses und weiterer Vertragsunterlagen (z. B. kartographische Darstellungen der Einsatzorte) an.

2.4  Statistische Auswertungen

Statistische Auswertungen sind kurzfristig durch wenige Mausklicks zu erstellen. Durch den Synergieffekt Kontrolle/Katasterpflege sind immer tagesaktuelle Daten vorhanden. Und nicht nur quantitativ sondern auch in Bezug auf qualitative Aussagen. So lässt sich z. B. das zunehmende Aufkommen invasiver Schädlingsarten und neuartiger Pflanzenkrankheiten eindeutig dokumentieren und nachweisen.

2.5  Historie

Zur Bewertung eines Objektes (z. B. Lebenserwartung) ist es nicht unerheblich, wenn der Lebenslauf bekannt ist. Hat es in der Vergangenheit massive Eingriffe gegeben (Baumaßnahmen im Wurzelbereich, Unfallschäden, etc.), können daraus eindeutige Rückschlüsse auf den aktuellen Zustand gezogen werden. Auch für Fragen der Bestandsentwicklung können solche Daten von Nutzen sein, wie entwickelt sich eine Baumreihe an unterschiedlich exponierten Standorten, sind gewisse Bereiche tendenziell gefährdend oder wie verhalten/entwickeln sich unterschiedliche Baumarten je nach Verwendung.

3  Technischer Aufbau

Das zukünftige NRW-Baumkataster ist so konzipiert, dass der Kontrolleur vor Ort ständig auf eine Version der NW Straßeninformationsbank zurückgreifen kann. Sein Arbeitsplatzrechner ist ein Notebook, das über eine Dockingstation an das interne Netz angeschlossen ist und auf die NWSiB-online zugreifen kann. Eine Fachschale dieser Datenbank beinhaltet die Bestandsdaten, zu denen auch Straßenbäume gehören. Daher soll auch dort das Baumkataster integriert werden. Die Dockingstation ermöglicht zudem ein komfortables Arbeiten mit dem Notebook, da hier ebenfalls ein großer Bildschirm sowie eine externe Tastatur und Computer-Mouse angeschlossen sind.

Wenn der Kontrolleur outdoor arbeitet, nimmt er mittels Notebook eine tagesaktuelle „Standalone-Applikation“ (sogenannte „Virtuelle Maschine“) der Datenbank mit und kann vor Ort darauf zurückgreifen. Dadurch wird eine Online-Datenverbindung und damit das Risiko eines Fremdzugriffs (Viren) vermieden. Nach Beendigung der Arbeiten und Rückkehr ins Büro wird das Gerät wie gehabt an die Dockingstation angeklickt und steht wieder als komfortabler Arbeitsplatzrechner zur Verfügung. Über die LAN-Verbindung fließen die gesammelten Daten als automatisches Update ins Datenbanksystem.

Bild 1: Darstellung des Technischen Aufbaus eines digitalen Baumkataster

4  Hardware

Die notwendige Hardware ist im Rahmen des Piloten ebenfalls einem Feldtest unterworfen worden. Nicht jedes Produkt hat sich als geeignet erwiesen. An Kriterien wie Schmutz und Feuchtigkeitsempfindlichkeit, Bedienerfreundlichkeit in unwegsamen Gelände oder Bildschirmlesbarkeit bei Sonnenlicht sind einige Produkte gescheitert. Favorisiert wird ein Gerät, das sich problemlos vom Arbeitsplatzrechner (wie beschrieben) in ein Notebook und von diesem durch Umklappen des Bildschirms zu einem Tablett-PC mit aktivem Bildschirm und Tragegurt umwandeln lässt. Mit einem beigefügten Stift können direkt Eintragungen in die entsprechenden Unterlagen vollzogen werden. Ein GPS-Empfänger ist integriert.

5  GPS-Verortung

Das Arbeiten vor Ort wird durch einen GPS-Empfänger unterstützt. Die Aktivierung und Verknüpfung mit der NWSiB („Stand-alone-Applikation“) erzeugt den Kartenausschnitt des Straßenabschnittes, auf dem der Baumkontrolleur sich aktuell befindet. Ein evtl. langwieriges Suchen/Scrollen nach der benötigten Kartenunterlage entfällt. Die Position wird graphisch dargestellt. Ein konventioneller GPS-Empfänger hat allerdings nur eine Genauigkeit von ca. + 5 m. Zudem sind größere Ungenauigkeiten möglich (durch belaubte Baumkronen, Bebauung, etc.). Der Standort des Baumes muss sich daher manuell korrigieren lassen. Dies geschieht durch eine grafisch interaktive Feinjustierung oder alternativ mittels Abschnittskilometrierung oder Netzknoten.

Bild 2: Darstellung der GPS-Verortung

6   Erfassung der Objektdaten

Zum Start des Programms identifiziert sich der Nutzer mit seiner Kennung und seinem Passwort. Im ersten Eingabeformular ist eine Objektauswahl zu treffen (Einzelbaum, Baumreihe, oder flächiger Bestand). Davon abhängig, folgen im späteren Verlauf der Bearbeitung unterschiedliche Eingabemenüs. Auffällige Anliegerbäume werden vermerkt, (Erinnerungsfunktion) jedoch nicht kontrolliert sondern lediglich erfasst, damit der Eigentümer später über ein eventuelles Risiko, welches von seinem Eigentum ausgeht, informiert werden kann. Im folgenden Erfassungsmenü wird das Objekt verortet (wie vorab bereits beschrieben) und dessen Stammdaten eingetragen:

Bild 3: Darstellung einer Eingabemaske zur Erfassung von Einzelbäumen

Zu den weiteren Stammdaten eines Baumes gehören neben seiner Art auch Angaben über das Alter, die Größe und seinen Standort (im nächsten Menü). Zusätzlich zu den Angaben in den Auswahlmenüs können in jedem Fenster Freitextangaben hinterlegt werden. Über die jeweiligen Reiter lassen sich analog zum Ablauf einer Kontrolle die spezifischen Symptomlisten für Krone, Stamm und Wurzelbereich aufrufen und bearbeiten (Bild 4). Symptome, die nicht ausgewählt werden, lassen sich deaktivieren. Dadurch reduziert sich das Fenster auf die maßgeblichen Eintragungen und bleibt übersichtlich. Unter dem Reiter „Sonstiges“ verbirgt sich unter anderen die Vitalitätsbeurteilung und die davon abhängige Festlegung des nächsten Kontrollintervalls. Des Weiteren lassen sich hier Bilder des Objektes einfügen. Abschließend wird das weitere Vorgehen festgelegt, z. B. die Durchführung notwendiger Maßnahmen der Baumpflege (in Abstimmung mit der jeweiligen Meisterei) oder weitergehende Untersuchungen durch Gutachter.

Das Ergebnis des Feldversuches ist aus fachlicher Sicht insgesamt positiv zu bewerten. Die durch die Menüs vorgegebene Handlungsweise sorgt für ein einheitliches Vorgehen am Objekt und verschafft dem Baumkontrolleur eine gewisse Sicherheit. Die Kombination mit der Nordrhein-Westfälischen Straßeninformationsbank ist komfortabel und hilfreich.

Bild 4: Darstellung zur Erfassung des weiteren Vorgehens