FGSV-Nr. FGSV 002/126
Ort Karlsruhe
Datum 17.09.2019
Titel Straßen-Wetter-Information - Aktuelle Herausforderungen und praktische Umsetzung im Winterdienst
Autoren BOR Dipl. Ing. Harald Claußen
Kategorien Straßenbetrieb, Winterdienst
Einleitung

Die Straßenwetterstationen bilden einen wichtigen Baustein in der Winterdienststeuerung. Daher kommt der Qualitätssicherung der Messdaten der SWS ein hoher Stellenwert zu. Diese kann erreicht werden, indem bereits bei der Planung, dem Bau und Betrieb der Anlagen die FGSV „Hinweise für Planung, Einrichtung und Betrieb von Straßenzustands- und Wetterinformationssystemen“ (H PEB SWIS) unter Berücksichtigung der örtlichen Zwangspunkte wie Stromanschluss oder Netzabdeckung beachtet werden. Zudem sollte ein besonderes Augenmerk auf die Anlagenwartung gelegt werden. Durch eine entsprechende Schulung können bereits viele Wartungsleistungen (Reinigung der Sensorik; Sichtkontrolle auf Beschädigungen) durch betriebseigenes Personal durchgeführt werden, sodass in Abstimmung mit der turnusmäßigen Wartung durch die Fachfirmen eine fehlerfreie Messung der Sensoren gewährleistet werden kann. Fehlmessungen sollten darüber hinaus durch die Plausibilisierungsregeln gemäß dem „Hinweispapier Plausibilitätskontrolle von SWS-Meldungen“ erkannt und vor der Datenweitergabe an Dritte mit einem Fehlerflag versehen werden. Hierdurch wird es Drittnutzern ermöglicht, die Qualität der Messdaten zu interpretieren. Alle Maßnahmen zusammen garantieren eine hohe Datenqualität; Basis einer daran anschließenden Wetterprognose, die aufbauend auf aktuellen Forschungsprojekten zum Thema autonomes Fahren künftig sicherlich um Massendaten aus den Fahrzeugen ergänzt werden wird. Auch die Entwicklung der Sensoren geht weiter. Die Nutzung von berührungslosen Sensoren als Alternative zu den eigebauten Fahrbahnsensoren bietet sicherlich Kostenvorteile über deren Lebenszyklus, da Fahrbahnsanierungen nicht mehr den Totalverlust der Sensorik bedeuten. Ihr Messverfahren könnte zudem zu einer Qualitätssteigerung der Messdaten beitragen, da negative Einflussfaktoren wie fehlerhafter Einbau und Beschädigungen durch Fahrzeuge entfallen. Hierzu sind jedoch noch Grundlagen im Rahmen der Normung zu erarbeiten. Durch die neuen Sensoren und die Notwendigkeit detailliertes Wissen über die Entstehung der Messdaten von Einzelkomponenten vor deren Verwendung in einem SWS-Netz im „Mischbetrieb“ zu besitzen, sollten die Normung und hier auf nationaler Ebene im speziellen die „Technischen Lieferbedingungen für Streckenstationen“ (TLS) fortgeschrieben werden. Für die Erstellung der Vorhersagen von Glätteereignissen für einzelne Streckenabschnitte innerhalb des zu betreuenden Straßennetzes wurden bisher einmalige Thermalkartierungskampagnen zu definierten Witterungsbedingungen durchgeführt. Hier zeigt die aktuelle Forschung, das künftig wetterklassierte Temperaturprofile, welche statistisch aus einer Vielzahl von mobilen Stichproben abgeleitet werden, erforderlich sind. Ob die Verschneidung dieser Temperaturprofile künftig mit den Punktprognosen an den Standorten der SWS oder mit den Flächenprognosedaten (COSMO-Prognosedaten) des Deutschen Wetterdienstes erfolgen wird, muss in weiteren Forschungsprojekten ermittelt werden. 

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Volltext

Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Einleitung

Wie sich der Winterdienst im Zuge des Klimawandels künftig auf den Betriebsdienst auswirken wird, wurde durch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) bereits 2013 in dem Forschungsprojekt „Analyse der Auswirkungen des Klimawandels auf den Straßenbetriebsdienst (KliBet)“ analysiert. Die Klimaprojektionen zeigen dabei bis 2030 nur geringe Änderungen der Lufttemperatur. Erst in den weiteren Perioden ist mit einem deutlichen Anstieg zu rechnen, im Winter nehmen die Temperaturen bis 2080 um ca. 3°K zu. Die Niederschläge werden in allen Zeitperioden im Winter zu- und im Sommer abnehmen. Regionale Unterschiede dieser Entwicklungen sind nur schwach ausgeprägt. Allerdings führt die Zunahme der Niederschläge im Winter bis 2030 in den Regionen mit niedrigeren Lufttemperaturen (Mittelgebirgslage, Voralpengebiet etc.) zu mehr Schneefall als in den milderen Regionen. Die im Forschungsprojekt durchgeführten Klimaprojektionen zeigen auch für die Zukunft, dass der Umfang des Winterdienstes von Jahr zu Jahr sehr starken Schwankungen unterliegt. Somit kann es auch bei einer langfristigen durchschnittlichen Abnahme durchaus extreme Witterungsverläufe wie 2010 geben. Wie wahr diese Aussage des Forschungsnehmers ist, zeigte der vergangene Winter 2018/19 sehr eindrucksvoll. Extreme Schneefälle in Staulagen brachten den Verkehr zum Erliegen. Ortschaften wurden von der Außenwelt abgeschnitten. Dächer drohten aufgrund der Schneelast einzustürzen.

2 Aktuelle Herausforderungen

2.1 Anforderungen an die Standortauswahl

In den letzten 10 Jahren wurden in Bayern entlang von Bundes-, Staats- und Kreisstraßen über 300 Straßenwetterstationen (SWS) errichtet. Damit verfügt Bayern zusammen mit den SWS entlang der Bundesautobahnen über ein flächendeckendes Netz von Messsensoren, die die Meistereien mit regionalen Wetterdaten versorgen. Die einzelnen Anlagenstandorte wurden durch die Meistereien aufgrund besonderer Strecken-Charakteristika im Winter ermittelt. Sofern erforderlich, wurden unterstützend Thermalkartierungen durchgeführt.

Bild 1: Beispiele für eine „schlechte“ Standortwahl aufgrund örtlicher Zwangspunkte

Laut H PEB SWIS sollten SWS entweder an Stellen installiert werden, an denen sie eine Einschätzung einer Ist-Situation für größere Straßenabschnitte im Netz zulassen oder an exponierten Stellen errichtet werden, an denen deutlich früher als zum sonstigen Netz mit Glätte zu rechnen ist. Auch wird empfohlen, dass, für die gleiche Bewertung aller Messdaten an verschiedenen Messstellen, die Sensoren für die verschiedenen Parameter immer die gleiche Lage in bzw. an der Fahrbahn haben (Bild 2). Sie sollen auch möglichst die kritischste aber trotzdem repräsentativste Situation am Standort messen. Sicherlich ein Wunsch, der sich in der Realität entlang von Staats- und Bundesstraßen nur schwer umsetzen lässt. Trotz der aktuellen Diskussion über die Nutzung des 5G-Netzes stellt sich in vielen Regionen in Bayern nach wie vor die Frage, ob und wenn wie stabil an dem geplanten Standort der SWS eine Datenverbindung zu einem Netzbetreiber vorhanden ist, die es ermöglicht, die gemessenen Daten an eine zentrale Auswertesoftware weiterzugeben. Vielfach müssen hier bereits Kompromisse an den Standort eingegangen werden. Als weiteres Kriterium muss die Stromanbindung eingestuft werden. Auch hier muss in einer Kosten-Nutzen Abwägung entschieden werden, ob eine längere Stromzuführung wirtschaftlich vertretbar ist. Eine autonome Stromversorgung der SWS mittels Solarpanels und Windräder hat sich aufgrund des hohen Energiebedarfs der Anlagen, insbesondere bei der Installation von nachtsichtfähigen Webcams nicht bewährt. Auch von der Nutzung von Brennstoffzellen zur Energieversorgung wird aufgrund der gewonnenen Erfahrungen abgeraten, da die Langlebigkeit der Systeme noch nicht gegeben ist.

Bild 2: Anordnung der Sensoren für eine Straßenwetterstation gemäß H PEB SWIS

2.2 Anforderungen an die Mess-Sensorik

Aufgrund der Vielzahl der auf dem Markt befindlichen Messsensoren muss sich der Nutzer mit der Planung zum Bau und Betrieb einer SWS die Frage stellen, welche Informationen für seine Organisation des Winterdienstes primär erforderlich sind und welche qualitative Aussage mit den entsprechenden Messsensoren erreicht werden können. Messparameter wie zum Beispiel die Fahrbahnoberflächentemperatur erreichen unter Laborbedingungen hochgenaue und wiederholbare Temperaturverifizierungen. Außerhalb des Labors entlang der Strecke zeigen die Messsensoren dagegen meist eine „natürliche Unschärfe“, die darauf zurück zu führen sind, dass sich der Straßenbelag in der Realität anders verhält als im Labor abbildbar (z. B. durch mangelhaften Einbau der Bodensonde; Fahrbahnquerneigung, Spurrinnen; Einfluss des Verkehrs). Daher wird von den anbietenden Firmen empfohlen, eine „Mischkomponenten Kultur“ unterschiedlicher Anbieter zu vermeiden. Im Rahmen der Vergabeverordnung sind die öffentlichen Auftraggeber jedoch gehalten, auch den Bau von SWS dem Wettbewerb zu unterstellen. Dies wurde bei dem Bau des bayerischen SWS-Netzes konsequent umgesetzt. Standardmäßig verfügen die Straßenwetterstationen in Bayern über Messsensoren zur Ermittlung atmosphärischer Parameter sowie Parameter der Fahrbahn. Im Detail sind dies:

Tabelle 1

Vielfach werden von den Herstellern Kombisonden angeboten, die über die Grundparameter zusätzlichen Parameter ermitteln und den Nutzern zur Verfügung stellen, wie der Parameter für die Gefriertemperatur, Salzmenge oder Taustoffkonzentration. Diese Parameter werden zur Plausibilisierung der Standardmesswerte verwendet, finden jedoch aufgrund ihrer „Unschärfe“ außerhalb des Labors keine Berücksichtigung in der Entscheidungsfindung bei den Winterdiensteinsatzleitern.

Durch die konsequente Anwendung der „Mischkomponenten-Kultur“ sind im bayerischen SWS-Netz nicht nur Sensoren unterschiedlicher Hersteller; sondern auch weiterentwickelte Sensoren gleicher Hersteller aufgrund der langen Bauphase anzutreffen (Bild 3). Für die Interpretation der Messdaten ist es daher seitens der Hersteller zwingend erforderlich, die Messsystematik der Einzelkomponenten offen zu legen. Dies sollte nicht nur gegenüber „interessierten Nutzern“ erfolgen, die diese Forderung in die Ausschreibung implementieren, sondern sollte im Rahmen der Fortschreibung der Technischen Lieferbedingungen für Streckenstationen (TLS) erfolgen.

2.3 Welche Daten der SWS werden benötigt

In der TLS wurden für die SWS eine Vielzahl an Sensorwerten definiert, die es sowohl den Streckenstationen ermöglichen sollen, den Verkehr mithilfe der erfassten Daten zu steuern als auch Informationen für die Steuerung des Winterdienstes bereit zu stellen. Die Datenbereitstellung (Visualisierung) der SWS-Daten erfolgt in der Regel in Straßenwetter- und Informationssystemen. Vielfach werden diese Systeme von den Herstellern der SWS angeboten. Auch hier sollte der Anwender der Systeme vor deren Nutzung eine Auswahl der Daten treffen, die für die Bewältigung seiner Aufgabe erforderlich sind. Leiten lassen sollte sich der Anwender von der Frage, welche der vielen Glätteereignisse durch die SWS mit großer Sicherheit und reproduzierend vorhersagen lassen und welche Daten dafür benötigt werden. Aufgrund er bisherigen Erfahrungen aus bayerischen Testfeldern sowie dem Testfeld der BASt sind in der Regel sind dies die Messwerte für:

  • Fahrbahnoberflächentemperatur,
  • Lufttemperatur und
  • Luftfeuchte.

Mit diesen 3 Messwerten kann eine zuverlässige Prognose erstellt werden, wann mit der Bildung von Reifglätte zu rechnen ist. Berücksichtigt man nun noch die Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt zur Liegedauer von Tausalzen auf Autobahnen bzw. auf Landstraßen, so kann ein Winterdiensteinsatzleiter eine recht gute Entscheidung über die Notwendigkeit eines Präventiveinsatzes treffen. Hierbei ist dem präventiven Einsatz immer der Vorrang vor einem kurativen Einsatz zu geben, da die Beseitigung der Glätte nach der Aufbringung mit Tausalz mehrere Stunden benötigt und ein Vielfaches an Taumittel wie bei einer Präventivstreuung benötigt. Ob auf der Fahrbahn noch Restsalzmengen vorhanden sind, kann über das Wissen

Bild 3: Vergleich Fahrbahntemperatur sowie Taupunkttemperatur unterschiedlicher Sensor-Hersteller

zum letzten Einsatz (Zeitpunkt und Ausbringmenge) und zu meteorologischen Ereignissen (Niederschlag) abgeleitet werden. Die Glättebekämpfung von Schnee muss zwingend über dessen Räumung erfolgen. Daher ist die Kenntnis über Art und Menge des Niederschlages an der SWS notwendig, um rechtzeitig mit der Bekämpfung des Ereignisses beginnen zu können. Hier ist der Zugriff auf ein dichtes SWS-Messfeld wünschenswert, um die Zugbahn des Wetterereignisses verfolgen zu können. Eine Verifizierung der Messdaten über die Bilder der Webcam haben sich dabei als sehr hilfreich erwiesen. Hierüber kann auch der Erfolg der Winterdiensteinsätze schnell und einfach überprüft werden. Die Kenntnis über den Fahrbahnzustand (trocken, feucht nass) in Verbindung mit der Fahrbahnoberflächentemperatur indiziert, ob mit überfrierender Nässe zurechnen ist. Die Aufstellung verdeutlicht, dass bereits mit wenigen, aber validen Messdaten einer SWS die meisten Winterdienstereignisse zuverlässig erkannt werden können. Weitere Messdaten der SWS können zur Plausibilisierung der genannten Daten beitragen bzw. werden für Sonderthemen (z. B. Sichtweitensensor in Gebieten mit hohem Nebelaufkommen) benötigt.

2.4 Anforderungen an die Wartung der SWS

Für den sicheren Betrieb der Straßenwetterstationen ist die regelmäßige Wartung eine wichtige Voraussetzung (Beispiel im Bild 4). Die Wartung aller Anlagen sollte mindestens vor jedem Winter vorgenommen werden. Dies bedingt eine leichte Zugänglichkeit der SWS. Hier hat sich die Verwendung von Kippmasten bewährt, die eine Wartung der Sensoren ohne Anstellen einer Leiter (Arbeitssicherheit) ermöglicht. Zugleich sollte die Mess- und Regeltechnik getrennt von der Energieversorgung in einem separaten Schaltschrank installiert werden. Hierdurch wird gewährleistet, dass vor der Durchführung der Wartungsarbeiten durch Betätigen des FI-Schalters im ansonsten verschlossenen Energieversorgerschrank die Anlage „stromlos“ geschaltet werden kann.

Bild 4: Reinigungsarbeiten am Kompaktsensor

Neben der Reinigung der Sensorik und Überprüfung auf Schadstellen (z.B. Spannungsrisse) sollte die Wartung auch die Überprüfung der Schaltschränke auf Schädlingsbefall beinhalten (Bild 5).

Bild 5: Schädlingsbefall mit Kabelfraß im Schaltschrank einer SWS

Die Bodensensoren sollten auf Beschädigungen am Gehäuse untersucht werden, da hier die Gefahr von Undichtigkeiten und damit Wassereintrag in die Sensorik besteht (Bild 6).

Bild 6: Wassereintrag in Bodensonde

Auch eine Kontrolle der Anlage nach Unwettern ist zwingend erforderlich (Bild 7). Durch eine entsprechende Schulung können bereits viele Wartungsleistungen (Reinigung der Sensorik; Sichtkontrolle auf Beschädigungen) durch betriebseigenes Personal durchgeführt werden, sodass in Abstimmung mit der turnusmäßigen Wartung durch die Fachfirmen eine fehlerfreie Messung durch die Sensoren gewährleistet werden kann. Ein temporär schaltbarer Fernwartungszugang spart zudem Kosten bei der Beseitigung von Softwareprogrammen oder der Installation von Firmware Updates. Vor deren Installation sollte jedoch generell eine Freigabe durch den Auftraggeber erfolgen. Basis der Freigabe bildet die Beschreibung des Software Updates und dessen Auswirkungen auf die übertragenen Messdaten.

Bild 7: Hochwasserschaden an einer SWS; Schaltschrank wurde unterspült

2.5  Anforderungen an die Messwerte und deren Plausibilisierung

Für die Beurteilung von Messwerten der Straßenwetterstationen (SWS) und deren Verwendung in verschiedenen Datenbanken und Vorhersageberechnungen ist es zwingend erforderlich, ein Mindestmaß an Vertrauen in die Qualität dieser Daten zu haben. Die Arbeitsgruppe SWIS.Net; eine Unterarbeitsgruppe der Länderfachgruppe Straßenbetrieb hat daher das „Hinweispapier Plausibilitätskontrolle von SWS-Meldungen“ 2018 fortgeschrieben. Die Ergebnisse fließen in die Fortschreibung der FGSV „Hinweise für Planung, Einrichtung und Betrieb von Straßenzustands- und Wetterinformationssysteme (H PEB SWIS)“, deren Veröffentlichung in 2019 vorgesehen ist, ein. Die definierten Prüfkriterien umfassen die Bereiche:

1. Ausfallsicherheit

Ist ein Messwert nicht ermittelbar oder wird innerhalb einer bestimmten Zeit nicht übertragen, so wird er als „Ausgefallen“ gekennzeichnet.

2. Wertebereichsüberwachung

Hier wird unterschieden zwischen:

a. Messwertkontrolle gemäß DIN EN 15518-3/TLS

b. Klimagrenz-Wertebereichs-Kontrolle

Überwacht wird jeder einzelne Sensor der Messstelle. Hierbei werden aufgrund der Erfahrungen aus dem SWS-Prüffeld der BASt folgende Grenzwerte empfohlen:

Tabelle 2

Die Betrachtung der Grenzwerte gemäß Richtlinie bietet jedoch nur eine sehr grobe Fehleranalyse. Daher sollten für ausgewählte Messwerte aufgrund durchgeführter Langzeitanalysen engere Grenzwerte in Abhängigkeit der Jahreszeit definiert werden (Bild 8). Bei der Klimagrenzwertebereichskontrolle werden Messreihen täglicher Maximal- bzw. Minimalwerte der Fahrbahnoberflächentemperatur, der Lufttemperatur sowie der Taupunkttemperatur in Abhängigkeit der Jahreszeit ermittelt und daraus Grenzwerte nach Datensichtung iterativ ermittelt (Bild 9).

Bild 8: Exemplarische Grenzwert-Darstellung der klimatologischen Analyse der Fahrbahnoberflächentemperatur in Abhängigkeit der Jahreszeit (Quelle: DWD)

Bild 9: Minima und Maxima der Belagstemperatur pro Tageszeit und Monatberechnet für den Zeitraum zwischen 01.01.2015 und 01.01.2017für Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz (Quelle: DWD)

3. Differenzialkontrolle

Eine weitere Fehleranalyse kann über die Differenzialkontrolle durchgeführt werden. Hierbei wird das Verhalten der Messwerte über einen bestimmten Zeitraum bzw. auf fehlerhafte Wertesprünge überprüft, da Messwerte natürlicher Größe in der Regel nur über einen bestimmten Zeitraum konstant sind. Wird dieser Zeitraum überschritten, dann handelt es sich wahrscheinlich um einen Fehler. Neben der Messwertkontrolle auf Konstanz sollten die Messwerte auch auf nicht plausible Fehlersprünge innerhalb eines definierten Zeitraums (Änderungen pro Minuten) überprüft werden.

4. Räumliche Kontrolle

Neben der Messwertkontrolle je SWS wird in dem Hinweispapier auch der Versuch unternommen, einen Messwertvergleich zu benachbarten Stationen durchzuführen (Bild 10). Diesen Vergleich valide durchzuführen ist jedoch wesentlich schwieriger als die bisher beschriebenen Messwert-Kontrollen. Hierbei können nur die Messwerte der Luft- und Fahrbahnoberflächentemperatur miteinander verglichen werden. Die seitens des Deutschen Wetterdienstes durchgeführte Analyse der Messreihen zeigt zudem, dass ein Vergleich benachbarter Stationen für die Fahrbahnoberflächentemperatur wegen starker strahlungsbedingter Differenzen nur zwischen November und Februar sinnvoll ist.

Bild 10: Temperatur-Vergleich von zwei benachbarten SWS

Die Plausibilitätskontrollen sollten bereits am Anfang der Messkette; vorzugsweise in einer SWS-Zentralsoftware und nicht in der SWS selber durchgeführt werden. Damit kann verhindert werden, dass offensichtlich fehlerhafte Messwerte zu falschen Vorhersagen führen. Bei Erkennung von Fehlwerten im Rahmen der beschriebenen Wertebereichsüberwachung sollte bei der Datenübermittlung an Dritte zu dem Originalwert ein „Fehlerflag“ gesetzt werden. Dies ermöglicht nachfolgenden Systemen eine Interpretation der durchgeführten Fehleranalyse. Fehlerwerte, die eindeutig auf technische Mängel zurückzuführen sind, sollten mit dem Fehlerflag „NULL“ anstelle mit dem Wert „0“°C belegt werden. Dies betrifft insbesondere den DE-Typ 65; der Gefrierpunkttemperatur, da bei der Gefrierpunkttemperatur (GT) 0°C ein reeller Wert sein kann und kein Fahler. Dies führt regelmäßig zu Fehlinterpretation.

3 Forschung und Entwicklungen

3.1 Berührungslose Sensoren

Durch die Industrie wurden berührungslose Infrarot-Messverfahren entwickelt, die als Alternative zu den eingebauten Bodensensoren angesehen werden können. Das Verfahren nutzt die Eigenschaft eines jeden Körpers, entsprechend seiner Temperatur unterschiedliche Strahlung im Infrarotbereich abzugeben. Der Sensor kann neben der Fahrbahn am Mast der SWS oder über der Fahrbahn (im Bereich von Schilderbrücken) angebracht werden (Bild 11). Bei der Installation ist darauf zu achten, dass Schattenwurf von Einbauten auf das Messfeld vermieden wird, da hierdurch die Messergebnisse verfälscht werden. Bei der Installation der Sensorik am SWS-Mast ist mit den Herstellerfirmen abzuklären, ob aufgrund der Entfernung des Mastes von der Fahrbahn eine ordnungsgemäße Messung noch durchgeführt werden kann. Auch sollte berücksichtigt werden, dass alle Arten der Fahrbahnbedeckung wie Schnee oder auch Fahrzeuge Einfluss auf die Messgenauigkeit nehmen. Grundsätzlich muss festgestellt werden, das Temperaturmessungen von berührungslosen Sensoren im direkten Vergleich von denen mit eingebauten Sensoren abweichen. Die Beurteilung, welche Messung hierbei die exaktere ist, bleibt einer Prüfung gemäß EN 15518-4 vorbehalten, die derzeit erarbeitet wird.

Bild 11: Regelquerschnitt Straße mit Installationsskizze berührungsloser Sensoren

3.2 Entwicklung von Streckenprognosen

Die genaue Vorhersage von Glätteereignissen für einzelne Streckenabschnitte innerhalb des zu betreuenden Straßennetzes stellt eine wesentliche Voraussetzung für die Durchführung eines effektiven Winterdienstes dar. Im Rahmen von Thermalkartierungskampagnen wurden in Bayern an ausgewählten Straßen- und Autobahnmeistereien die Straßen hinsichtlich der Fahrbahnoberflächentemperatur kartiert und anschließend mit den Sensordaten der vorhandenen Straßenwetterstationen in Bezug gesetzt. Hierzu wurden Infrarot-Messsensoren am Fahrzeug angebracht, die jede Sekunde 10 Temperaturmessungen der Fahrbahnoberfläche durchführen. Anschließend wurden die Messstrecken in 500 Meter Abschnitte aufgeteilt und der höchste Absolut-Wert aus den Einzeltemperaturmessungen dem jeweiligen Einzelabschnitt zugeordnet. Anschließend wurden die Ergebnisse der Befahrungen mit den Prognosedaten des Deutschen Wetterdienstes für die einzelnen Straßenwetterstationen verschnitten und dem Anwender graphisch im Winterdienst-Management-System Bayern zur Verfügung gestellt. Hierbei zeigte sich, das Streckenprognosen in einigen Regionen sehr gute Ergebnisse lieferten, andere Regionen aber große Abweichungen zwischen Prognose und tatsächlichen Witterungsereignissen aufwiesen. Gestützt durch das seitens der BASt beauftragte Forschungsprojekt „Streckenbezogene Glättevorhersage“ liegt die Vermutung nahe, das eine Streckenvorhersage der Temperatur, abgeleitet aus dem Temperaturprofil einer einmalig durchgeführten Befahrung der Strecke (Thermalkartierung) höhere Fehler ergibt, als wetterklassierte Temperaturprofile, welche statistisch aus einer Vielzahl von mobilen Stichproben abgeleitet werden (Bild 12).

Bild 12: Thermalkartierung entlang der BAB A9 im Rahmen des Forschungsprojektes „Streckenbezogene Glättevorhersage“

Für die Anheftung der Streckenprognose an eine SWS wurde vom Forschungsnehmer eine Streckenlänge von 10 bis 30 km empfohlen. Diese Netzdichte ist vielleicht entlang der Bundesautobahnen, nicht jedoch im nachgeordneten Netz realisierbar. Daher verfolgt Bayern derzeit den Ansatz zur Verschneidung der klassifizierten Thermalkartierungen mit den Flächenprognosedaten (COSMO-Prognosedaten) des Deutschen Wetterdienstes, die als Flächendaten hoch verfügbar mit einer künftigen Auflösung von 2,2 km x 2,2 km vorliegen (derzeit noch 2,8 km x 2,8 km). Unter klassifizierter Thermalkartierung ist die Einstufung der Thermalkartierungen in drei Temperaturbereiche (bis -5° C; zwischen -5° C und +5° C; Größer +5° C) und dem Bewölkungsgrad (bewölkt; klar). Die Thermalkartierungen erfolgen während der Winterdiensteinsätze mittels am Fahrzeug verbauter Thermometer. Die Auswertungen werden in den Winterperioden 2018/19 sowie 2919/20 durchgeführt, um über eine valide Datenbasis für die Datenklasterung zu verfügen.

3.3 Nutzung der SWS-Daten im Bereich autonomes Fahren

Die Automobilhersteller entwickeln seit Jahren Sensorik, die u. a. für Sicherheitshinweise (Frost, Glätte auf der Fahrbahn) genutzt werden. Auf dem Weg zum autonomen Fahren wurden und werden andererseits weitere Systeme zur raschen Erkennung von möglichen Gefahrenherden entwickelt, zu denen auch das Wetter und seine Auswirkungen gehören. Das Ziel ist zu erforschen, wie zukünftig Umweltdaten aus Sensoren von Millionen Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen genutzt sowie datenschutzkonform und in Echtzeit verteilt werden können, so dass diese die Wettervorhersagen und Warnungen des DWD verbessern können. Hierzu sollen die Straßenwetterstationen an Autobahnen, Bundes- und Staatsstraßen als Kalibrierungsmessstellen der im Fahrzeug verbauten Sensoriken genutzt werden. Die Massendaten könnten aber nicht nur für die Nutzung in der Automobilindustrie von Interesse sein, sondern auch den Betriebsdienst über aktivierte Fahrzeugsensoren (z. B. Scheibenwischer) über lokale Witterungsereignisse informieren. Auch die durch die Fahrzeuge erfassten Massendaten der Fahrbahntemperatur könnten zur Darstellung der aktuellen Wettersituation und zur Optimierung von Thermalkartierungen herangezogen werden (Bild 13).

Bild 13: Schematische Darstellung, wie die von Fahrzeugen erhobenen meteorologischen Daten in den Prozess der Wettervorhersage einfließen können. Diese Daten sollen zudem dabei unterstützen, die durch das Niederschlagsradar gewonnenen Daten und Produkte zu kalibrieren (Quelle: AUDI AG)

4 Aussichten

Die Straßenwetterstationen bilden einen wichtigen Baustein in der Winterdienststeuerung. Daher kommt der Qualitätssicherung der Messdaten der SWS ein hoher Stellenwert zu. Diese kann erreicht werden, indem bereits beim Bau und Betrieb der Anlagen die FGSV „Hinweise für Planung, Einrichtung und Betrieb von Straßenzustands- und Wetterinformationssystemen“ (H PEB SWIS) beachtet werden. Zudem sollte ein besonderes Augenmerk auf die Anlagenwartung gelegt werden. Durch eine entsprechende Schulung können bereits viele Wartungsleistungen (Reinigung der Sensorik; Sichtkontrolle auf Beschädigungen) durch betriebseigenes Personal durchgeführt werden, sodass in Abstimmung mit der turnusmäßigen Wartung durch die Fachfirmen eine fehlerfreie Messung durch die Sensoren gewährleistet werden kann. Fehlmessungen sollte darüber hinaus durch die Plausibilisierungsregeln gemäß der „Hinweispapier Plausibilitätskontrolle von SWS-Meldungen“ erkannt und vor der Datenweitergabe an Dritte mit einem Fehlerflag versehen werden. Alle Maßnahmen zusammen garantieren eine hohe Datenqualität; Basis einer daran anschließenden Wetterprognose, die aufbauend auf aktuellen Forschungsprojekten zum Thema autonomes Fahren künftig sicherlich um Massendaten aus den Fahrzeugen ergänzt werden. Auch die Entwicklung der Sensoren geht weiter. Die Nutzung von berührungslosen Sensoren als Alternative zu den eigebauten Fahrbahnsensoren bieten sicherlich Kostenvorteile und könnten zu einer Qualitätssteigerung der Messdaten beitragen. Hierzu sind jedoch noch Grundlagen im Rahmen der Normung zu erarbeiten. Durch die neuen Sensoren und der Notwendigkeit detailliertes Wissen über die Entstehung der Messdaten von Einzelkomponenten vor deren Verwendung in einem SWS-Netz im „Mischbetrieb“ zu besitzen, sollte die Normung und hier auf nationaler Ebene im speziellen die „Technischen Lieferbedingungen für Streckenstationen“ (TLS) fortgeschrieben werden. Für die Erstellung der Vorhersagen von Glätteereignissen für einzelne Streckenabschnitte innerhalb des zu betreuenden Straßennetzes wurden bisher einmalige Thermalkartierungskampagnen zu definierten Witterungsbedingungen durchgeführt. Hier zeigt die aktuelle Forschung, das künftig wetterklassierte Temperaturprofile, welche statistisch aus einer Vielzahl von mobilen Stichproben abgeleitet werden, erforderlich sind. Ob die Verschneidung dieser Temperaturprofile künftig mit den Punktprognosen an den Standorten der SWS oder mit den Flächenprognosedaten (z.B. COSMO-Prognosedaten) des Deutschen Wetterdienstes erfolgen wird, muss in weiteren Forschungsprojekten ermittelt werden.

Literaturverzeichnis

Deutsches Institut für Normung e.V. (DIN) – DIN EN 15518-3 – Straßenzustands- und Wetterinformationssysteme, Teil 3, Anforderungen an gemessene Werte der stationären Anlagen, www.beuth.de, April 2011

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV): Hinweise für Planung, Einrichtung und Betrieb von Straßenzustands- und Wetterinformationssysteme, (H PEB SWIS), Köln (FGSV 38411) Veröffentlichung in 2019 vorgesehen

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung – Technische Lieferbedingungen für Streckenstationen (TLS), Ausgabe 2012, Bundesanstalt für Straßenwesen, www.bast.de

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur – Digitale Anwendungen im Wetter-, Umwelt- und Geobereich, Projekt Flotten-Wetter-Karte, www.bmvi.de