FGSV-Nr. FGSV 002/100
Ort Karlsruhe
Datum 13.09.2011
Titel Pilotprojekt Privatisierung einer Straßenmeisterei – Ein Rückblick
Autoren Prof. Dr.-Ing. Axel Norkauer, BDir. Dr.-Ing. Volker Mattheß
Kategorien Straßenbetrieb, Winterdienst
Einleitung

Von Oktober 2007 bis September 2010 wurden in einem Pilotversuch in Hessen Kosten und Qualität bei einer Komplettvergabe aller Aufgaben des Straßenbetriebsdienstes untersucht. In diesem Pilotversuch wurden die Leistungen und Ergebnisse zweier „verwaltungseigener“ Straßenmeistereien den Leistungen und Ergebnissen einer „privatisierten“ Meisterei gegenübergestellt. Das Ergebnis zeigt, dass bei konsequenter Anwendung der vorhandenen Werkzeuge einer betriebswirtschaftlichen Steuerung der Straßenbetriebsdienst der öffentlichen Verwaltung den Vergleich mit Privaten nicht zu scheuen braucht.

 

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1 Einleitung

Der Straßenbetriebsdienst im klassifizierten Straßennetz muss neben rechtlichen und volkswirtschaftlichen Aspekten die möglichst kostengünstige Leistungserbringung zum Ziel haben. Um dieses in den Auftragsverwaltungen bei vergleichbaren Quantitäten und Qualitäten bundesweit zu erreichen, haben das Bundesverkehrsministerium und der Länderfachausschuss Straßenbetrieb seit den 1970er Jahren den „Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des Straßenbetriebsdienstes“ aufgestellt und immer wieder fortgeschrieben. Erste Ansätze und Grundelemente einer Aufgabenkritik sowie Hinweise auf den organisatorischen Rahmen enthält das Arbeitspapier „Meisterei 2000“ [1]. Darin werden auch Überlegungen zu Eigen-, Regie- und Fremdleistung angestellt. Es wurde allerdings nie verbindlich eingeführt.

Der Straßenbetriebsdienst der Länder ist geprägt davon, dass er einerseits in eigener Zuständigkeit für die Landes- bzw. Staatsstraßen, andererseits im Rahmen der grundgesetzlichen Auftragsverwaltung der Bundesfernstraßen tätig wird. Darüber hinaus existieren Verwaltungsvereinbarungen mit kommunalen, öffentlich-rechtlichen sowie privaten Straßenbaulastträgern. Lange Zeit wurden diese Auftragsverhältnisse aber nur grob umrissen. 1999 wurden erstmals die Leistungen des Straßenbetriebsdienstes in einem „Leistungsheft“ definiert, eine wesentliche Voraussetzung für eine Steuerung wie auch für ergebnisorientierte betriebswirtschaftliche Vergleiche. Derzeit wird es in der 2005 eingeführten Fassung vom Dezember 2004 angewandt [2] –  in Hessen mit geringfügigen Abwandlungen [3]. Ein weiteres Element der Betriebswirtschaftlichen Steuerung des Betriebsdienstes bildet die Erhebung des Anlagenbestandes, der im Hinblick auf die Erbringung der Betriebsdienst-Leistungen relevant ist [4]. Der gleichfalls 2006 neugefasste Teil 1 des Maßnahmenkataloges stellt schließlich den Zusammenhang zwischen Anlagenbestand, Leistungen gemäß Leistungsheft und output-orientierter Steuerung dar [5].

Während so die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Erbringung der Leistungen des Straßenbetriebsdienstes stetig weiterentwickelt wurden, steht die (möglichst) optimale Organisationsform noch immer in der Diskussion. Klassische Verwaltungen und Landesbetriebe, mit den verschiedensten internen Organisationsstrukturen prägen hier gegenwärtig das Bild. Das Bild 1 zeigt den Verwaltungsaufbau der hessischen Straßenbauverwaltung zum Zeitpunkt des Pilotprojektes. Aber auch (Teil-)Privatisierungen sind anzutreffen. Am weitesten ging dabei 1996 Thüringen mit der Ausgliederung seiner Straßenmeistereien als landeseigene Thüringer Straßenwartungs- und Instandhaltungsgesellschaft und deren Privatisierung im Jahr 2002.

In Niedersachsen wurden zwischen Oktober 2004 und September 2007 mehrere Organisationsmodelle in einem Pilotversuch verglichen: Der Schwerpunkt lag hierbei auf den Modellen „kleine Meisterei“ mit hohem Vergabeanteil und „privatisierte Meisterei“ mit weitestgehender Vergabe der Leistungen an Dritte (jeweils zwei Meistereien). Bei dieser weitestgehenden Ver gabe wurden die Betriebsdienstleistungen jeweils einzeln durch die Meistereileitung bzw. die Streckenkontrolle abgerufen und nach vertraglich vereinbarten Einheitspreisen abgerechnet.

Bild 1: Dreistufiger Aufbau der Straßen- und Verkehrsverwaltung in Hessen

Die Hessische Straßen- und Verkehrsverwaltung (HSVV) setzt seit den 1990er-Jahren auf einen stetigen Reformprozess im Straßenbetriebsdienst; wesentliche Schritte waren:

Tabelle in PDF

Mit diesem Prozess einher ging eine stetige Effizienzsteigerung, die sich unter anderem in einem stetigen Abbau des Personals im Straßenbetriebsdienst um ca. 35 % in den vergangenen 15 Jahren zeigt.

Seit 1997 steht die HSVV bei den Kreisstraßen in Konkurrenz mit privaten Anbietern. Bei 20 der 21 Landkreise werden Straßenbetrieb und Straßenverwaltung durch die HSVV wahrgenommen, bei einem Landkreis ist die HSVV nur mit Teilaufgaben beauftragt. 

2 Veranlassung für den Pilotversuch

Im Bestreben, durch eine umfassende Aufgabenkritik die hessische Landesverwaltung auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren, war im CDU Regierungsprogramm 2003 bis 2008 der klare Auftrag formuliert: „Soweit private Anbieter Leistungen kostengünstiger und auf gleichem oder besserem Niveau erbringen können, sind die betreffenden Aufgaben zu privatisieren“ [6].

Daraufhin wurde 2004 im Rahmen einer ressortübergreifenden Arbeitsgruppe analysiert, ob im Straßenbetriebsdienst der HSVV die Empfehlungen aus der Aufgabenkritik umgesetzt wurden und ob die Vergabeanteile bei einzelnen Leistungen noch sinnvoll erhöht werden könnten. In ihrem Schlussbericht [7] empfiehlt die Arbeitsgruppe, den Straßenbetriebsdienst zu budgetieren, damit sich im internen Wettbewerb der Meistereien der jeweils optimale Vergabeanteil unter den spezifischen Randbedingungen der Meisterei einstellt. Dieses Ergebnis wurde vom Kabinettsausschuss Verwaltungsreform und Verwaltungsinformatik der hessischen Landesregierung als nicht ausreichend angesehen und neben einem Ländervergleich ein Pilotversuch – temporäre Privatisierung einer oder mehrerer Meistereien – gefordert. 

3 Auftrag und Rahmenbedingungen

Aufgrund des Auftrags des Kabinettsausschusses Verwaltungsreform und Verwaltungsinformatik vom 25. 5. 2005 sollte im Rahmen des dreijährigen Pilotversuchs geklärt werden, wie der Straßenbetriebsdienst auf Bundes-, Landes- und Kreisstraßen in Hessen kostengünstiger und qualitativ besser durchgeführt werden kann. In diesem Pilotversuch wurden eine nach europaweiter Ausschreibung privatwirtschaftlich betriebene Pilotmeisterei und zwei verwaltungseigene Referenzmeistereien gegenübergestellt (vgl. Bild 2). Die Auswahl der Meistereien ist im Beitrag von Moritz (2007) näher beschrieben [8].

Bild 2: Karte des Landes Hessen, Zuständigkeitsbereiche der Straßen- (SM) bzw. Straßen- und Autobahnmeistereien (SAM), hervorgehoben die Pilotmeisterei Groß-Umstadt und die Referenzmeistereien Hofheim und Friedberg

Der Pilotversuch wurde durch externe Gutachter – Universität Karlsruhe, Institut für Straßen- und Eisenbahnwesen (ISE) und Ingenieurbüro Durth Roos Consulting GmbH (DRC) – begleitet. Außerdem wurde durch die Wirtschaftsprüfergesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) die ordnungsgemäße Datenerhebung und -ableitung aus den Büchern der HSVV und des privaten Auftragnehmers testiert.

Als weitere Rahmenbedingungen für den Versuch waren festgelegt:

  • Komplettvergabe der Leistungen des Straßenbetriebsdienstes an einen Auftragnehmer, einschließlich der Streckenkontrolle, der Verkehrssicherungspflicht sowie der Beseitigung von Unfallschäden,
  • ausgenommen von der Vergabe bleiben bestehende Verträge für Spezialaufgaben (z. B. Lichtsignalanlagen),
  • funktionale Leistungsbeschreibung,
  • Pauschalpreis für 3 Jahre.

Somit verblieben bei der Pilotmeisterei als Eigenleistung der Verwaltung eine Streckenkontrolle zur Leistungsüberwachung (vor allem hinsichtlich Verkehrssicherheit, aber ohne eigene Schadensbehebung), die Vertragsabwicklung sowie die Wahrnehmung von Eigentümeraufgaben (z. B. Sondernutzungen).

Die verwaltungseigenen Referenzmeistereien sollten sich sowohl organisatorisch als auch hinsichtlich ihrer Ressourcen entsprechend einem Zielszenario der HSVV optimieren. Dies erfolgte z. B. durch:

  • Personalstärke, orientiert an Ganzjahresauslastung,
  • optimierten Fuhrpark,
  • besondere Arbeitszeitmodelle, z. B. für Mäharbeiten („Schichtarbeit zur Ausnutzung der Tageshelligkeit”),
  • optimierte Vergabeanteile, besonders bei personalintensiven oder Spezialaufgaben,
  • verbesserte Arbeitsplanung und -vorbereitung („Disponent“),
  • klare Aufgabenabgrenzung Amt – Meisterei. 

4 Ausschreibung und Vergabe

Die Ausschreibung bestand im Wesentlichen aus einem Betreuungsvertrag, einer funktionalen Ausführungsbeschreibung sowie einem Pachtvertrag für Meistereigehöft und Stützpunkt.

Der Betreuungsvertrag beinhaltete die Vertragsgrundlagen, eine allgemeine Beschreibung der Aufgaben, inklusive der Verkehrssicherungspflicht, Abrechnungs- und Haftungsregelungen, Sicherheiten und mögliche Sanktionen.

Die Funktionale Ausführungsbeschreibung beruhte auf dem Leistungsheft des Bundes und war gegliedert nach den Leistungsheft-Positionen sowie den Baulastträgern Bund, Land, Kreis. Die Beschreibung der Leistung umfasste jeweils folgende Angaben (siehe auch [8]):

  • Zweck und Ziel der Leistung,
  • Ort der Leistung,
  • Beschreibung der Aufgabe, Umfang und funktionale Anforderung,
  • Mindestumfang bzw. Häufigkeit der Ausführung,
  • Abstimmungsbedarf, Besonderheiten und mögliche Behinderungen,
  • zu beschaffende Materialien und/oder Verwertung von Abfällen sowie die
  • zu bearbeitende Bestandsmenge.

Die Bekanntmachung der europaweiten Ausschreibung erfolgte Ende November 2006. Zum Eröffnungstermin im Januar 2007 lagen Angebote von Bietern und Bietergemeinschaften aus unterschiedlichen Branchen vor. Aufgrund einer Entscheidung der Vergabekammer Darmstadt mussten die Unterlagen insbesondere um Erfahrungswerte des Aufwands bei den Leistungen ergänzt werden. Außerdem wurden die Ergebnisse einer aktuellen Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) mit begleitender Videoerfassung beigefügt. Der Versand der neuen Unterlagen erfolgte im Juni 2007, die Angebotseröffnung am 4. Juli 2007. Bei fast gleichem Angebotspreis der beiden günstigsten Bieter wurde der Zuschlag an die Thüringer Straßenwartungs- und Instandhaltungsgesellschaft mbH (TSI) erteilt, die das bessere technische Konzept vorgelegt hatte. 

5 Einführung eines Qualitätscontrollings

Die Vertragsabwicklung stellte für den Bereich der Pilotmeisterei erhöhte Anforderungen an die Zustandsdokumentation. Parallel dazu wurde überlegt, ob in den verwaltungseigenen Meistereien Abläufe und Ressourceneinsatz durch eine Neuausrichtung der Streckenkontrolle und -wartung optimiert werden könnten. Als Ergebnis entstand daraus ein als Qualitätscontrolling bezeichnetes Instrumentarium [9]. Es enthielt für jede Leistung eine Definition der Anforderungen und Indikatoren für die Qualitätsbeurteilung, orientiert an der funktionalen Ausführungsbeschreibung (Bild 3). Zur einfacheren Anwendung wurden diese zusätzlich mit Beispielen veranschaulicht.

Bild 3: Anforderungen und Indikatoren für die Qualitätsbeurteilung

Für die Dokumentation der kontrollierten Streckenanschnitte und für etwaige Mängelanzeigen wurden Formblätter entwickelt (Bild 4).

Bild 4: Formblätter für die Streckenkontrolle 

6 Vertragsabwicklung, Qualität der Aufgabenerfüllung

Die vertragliche Abwicklung des Projektes gestaltete sich insgesamt weitgehend unproblematisch. Dazu trug auch wesentlich das konstruktive Verhalten des Auftragnehmers TSI bei der Abarbeitung von Mängeln während der Anlaufphase bei. Insbesondere während des ersten Halbjahres zeigte es sich, dass – insbesondere im Sinne der Vertragserfüllung und der Verkehrssicherungspflicht – eine intensive Vertrags- und Leistungskontrolle für die zeitnahe Erfassung von Defiziten sowie eine stringente Vertragsabwicklung mit dem Einsatz entsprechender Personalressourcen von Seiten der Straßenbauverwaltung notwendig ist.

Hinsichtlich der Qualität der Leistung ist festzustellen, dass diese bei dem privaten Betreiber TSI zuletzt mit der der Referenzmeistereien vergleichbar, insgesamt aber im Mittel etwas schlechter und von deutlich stärkeren Schwankungen geprägt war. Dabei bestanden anfangs vor allem Unterschiede in der Reaktionsgeschwindigkeit, das heißt Schäden und Mängel und die damit einhergehenden Verkehrsgefährdungen blieben im Bereich der Pilotmeisterei Groß-Umstadt im Mittel länger bestehen als bei den beiden Referenzmeistereien. Außerdem wurden von der TSI wiederholt Arbeitsstellen kürzerer Dauer nicht regelkonform abgesichert. Gegen Ende des Projektes machten sich im Bereich der Pilotmeisterei zunehmend Mängel im Bereich der „Sofortmaßnahmen am Straßenkörper“ bemerkbar. Darüber hinaus zeigte sich über die gesamte Laufzeit des Vertrages ein Zusammenhang zwischen der Intensität der Kontrollen durch das Amt für Straßen- und Verkehrswesen (ASV) Darmstadt und der Qualität der Leistung des Auftragnehmers [10].

Die Qualität wurde durch den externen Gutachter ISE aufgrund vorliegender Daten und monatlicher (unabhängiger) Vor-Ort-Erhebungen in den Bereichen Funktionale Anforderung, Bearbeitungsdauer, Winterdienst und turnusmäßige (Kontroll-)Tätigkeiten für alle drei Meistereien bewertet [11]. Die Einzelbewertungen wurden jeweils zu einer Qualitätskennzahl zusammengefasst (Bild 5), wobei „1“ die bestmögliche Bewertung war.

Während der Winterdienst der TSI im Winter 2007/2008 vor allem infolge von Fehleinschätzungen mit Mängeln behaftet war, wurde er in den beiden weiteren Wintern ordnungsgemäß durchgeführt. Dabei war im außergewöhnlich starken Winter 2009/2010 bei allen drei am Pilotprojekt beteiligten Meistereien die Qualität etwas schlechter als im Winter 2008/2009.

Aufgrund einer Häufung der vom Auftraggeber beanstandeten Mängel, insbesondere auch bei der Absicherung von Arbeitsstellen, wurden die von der TSI mit der Leitung der Meisterei Groß-Umstadt betrauten Projektleiter nach Aufforderung durch die HSVV im März 2008 und erneut im Juni/September 2009 ausgetauscht.

Bild 5: Zeitlicher Verlauf der Qualitätskennzahlen [10] 

7 Betriebswirtschaftlicher Vergleich

Für den betriebswirtschaftlichen Vergleich wurden die Aufwände aus den im Rahmen der funktionalen Ausschreibung vergebenen operativen Leistungen des Betriebsdienstes, die erzielten Erlöse sowie die Kosten der Vertragsabwicklung für die „privatisierte“ Pilotmeisterei Groß- Umstadt zusammengefasst und auf die Länge des jeweils betreuten Straßennetzes bezogen. Dabei zeigt sich, dass die Kosten je Netzkilometer und Monat bei der Pilotmeisterei um ca. 24 bis 34 % über denen der Referenzmeistereien Friedberg und Hofheim lagen (Bild 6) [10, 11].

Bei der Bewertung der Gesamtkosten ist zu berücksichtigen, dass die darin enthaltenen Kosten für die Vertragsabwicklung mit ca. 10 % nicht als vernachlässigbar bezeichnet werden können. Aufgrund der oben geschilderten Zusammenhänge war eine Reduzierung dieser Aufwände während des Pilotversuchs nicht realisier- bzw. verantwortbar.

Nicht im Kostenvergleich enthalten sind die internen und externen Kosten für Ausschreibung und Vergabe. Aufgrund der regelmäßigen Kontrollen während der Vertragslaufzeit konnte auf die vertraglich vorgesehene Zustandserfassung am Ende einvernehmlich verzichtet werden, so dass die hierfür zunächst veranschlagten Projektkosten eingespart wurden.

Diese Ergebnisse, die in ihrer Tendenz bereits im Zwischenbericht nach zwei Projektjahren erkennbar wurden, gaben den Ausschlag für die Entscheidung des Kabinettsausschusses Verwaltungsmodernisierung, das Pilotprojekt planmäßig auslaufen zu lassen und eine Privatisierung des Straßenbetriebsdienstes in Hessen nicht weiter zu verfolgen.

Bild 6: Relative Mittlere Kosten je Netz-Kilometer

Erhebungen, die begleitend zum Pilotversuch in den drei betroffenen Ämtern durchgeführt wurden, bestätigten auch die Annahme, dass durch eine Privatisierung der Leistungen des Straßenbetriebsdienstes Synergien verloren gehen. Am deutlichsten zeigten sich die Unterschiede dort, wo die Meistereien vor Ort hoheitliche oder Eigentümeraufgaben wahrnehmen oder unterstützen wie z. B. bei verkehrsbehördlichen oder straßenrechtlichen Angelegenheiten, Aufbruchgenehmigungen oder Bauanträgen [11]. 

8 Begleitende Prüfung des Hessischen Rechnungshofs

Der Hessische Rechnungshof (HRH) hat das Pilotprojekt Privatisierung einer Straßenmeisterei einer begleitenden Prüfung unterzogen [12]. Das Verfahren des Pilotprojekts – Vergleich einer Pilotmeisterei mit zwei Referenzmeistereien – wurde vom HRH als zielführend anerkannt.

Die funktionale Ausschreibung und die Begleitung des Projekts durch externe Berater wurden ebenfalls positiv gewürdigt. Dabei stellte der HRH fest, dass die Qualität der Ausschreibung sich u. a. darin zeigt, dass Zahl und Höhe der Nachträge sehr gering waren (ca. 3/1000 des Auftragsvolumens).

Es wird vom HRH darauf hingewiesen, dass die Verantwortung für die Verkehrssicherheit letztlich beim Land als Auftraggeber verbleibt, so dass dieser den Auftragnehmer kontrollieren müsse. Vor diesem Hintergrund empfahl der HRH die Kontrollen im praktizierten Umfang fortzuführen.

In einem Zwischenergebnis des Kosten- und Qualitätsvergleichs wurde vom HRH festgestellt, dass die Kosten je Monat und Netzkilometer des privaten Anbieters bei durchschnittlich schlechterer Qualität um mindestens 40 % über denen der Referenzmeistereien lagen und sich selbst ohne die Steuerungs- und Überwachungskosten kein Kostenvorteil für die privatisierte Meisterei ergab. Der verglichen mit den Schlussberichten des HLSV [10] und der Gutachter DRC/ISE [11] größere Kostenvorteil der Referenzmeistereien im Bericht des HRH beruhte zum Einen auf der Berücksichtigung der Ausschreibungs- und Vergabekosten, zum Anderen auf den weit überdurchschnittlichen Aufwänden im Winterdienst 2009/2010.

Als weitere Risiken, die bei der Entscheidung über eine vollständigen Vergabe zu berücksichtigen sind, nennt der HRH das Kostenrisiko einer möglichen Anrufung der Vergabekammer, die Gefährdung der Infrastruktursubstanz im Falle einer minimierten Leistung des Auftragnehmers, das Fehlen einer Eingriffsmöglichkeit bei mangelhafter Aufgabenerfüllung und zu befürchtende Synergieverluste bei den Bauherrnaufgaben. Schließlich wird auf die im Falle einer Privatisierung entstehenden Remanenzkostenrisiken bei Personal, Fahrzeugen, Geräten und baulichen Anlagen hingewiesen. Daher erscheint dem HRH eine Privatisierung der hessischen Meistereien nicht sinnvoll [12]. 

9 Reformprozess in der HSVV

Seit mehr als fünfzehn Jahren besteht im Straßenbetriebsdienst der HSVV ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess. Aus haushälterischen und personalrechtlichen Gründen mussten einige Veränderungen über mehrere Jahre gestreckt umgesetzt werden, z. B. die Einführung der Ein-Mann-Besetzung für Mäharbeiten, die eine Beschaffung geeigneter Geräteträger-Fahrzeuge voraussetzte, über rund acht Jahre.

In der HSVV wurde auch während der Laufzeit des Pilotversuchs dieser bereits begonnene Prozess der Effizienzsteigerung weiter fortgesetzt, nicht nur durch die in den beiden Referenzmeistereien gewonnenen Erkenntnisse. Als Beispiele sind hier der vermehrte Einsatz besonderer Arbeitszeitmodelle („Schichtarbeit“) für bestimmte Tätigkeiten, eine verbesserte Arbeitsplanung und Arbeitsvorbereitung oder der Aufbau eines meistereiübergreifenden Fuhrpark-Managements zu nennen. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen wird die Übertragung aller im Pilotprojekt gewonnenen Erkenntnisse, insbesondere aufgrund der finanziellen Restriktionen, auf die gesamte HSVV mehrere Jahre in Anspruch nehmen. 

10 Fazit

In der Gesamtbetrachtung der drei Jahre bestätigten sich bereits vorher erkennbare Tendenzen, dass die verwaltungseigenen Referenzmeistereien einen deutlichen Kostenvorteil pro Netzkilometer bei (leicht) besserer Qualität gegenüber der durch einen privaten Betreiber verantworteten Pilotmeisterei hatten.

Somit war die planmäßige Beendigung des Pilotversuchs und die Wiedereingliederung der Straßenmeisterei Groß-Umstadt in die HSVV am 1. 10. 2010 folgerichtig und erfolgte in Übereinstimmung mit der Empfehlung des Hessischen Rechnungshofs.

Ebenso folgerichtig ist auch, dass sich die „neue“ SM Groß-Umstadt in Organisation und Ausstattung am Vorbild der Referenzmeistereien orientiert. Die Erfahrungen, Erkenntnisse und Ergebnisse aus dem Pilotversuch bilden darüber hinaus eine wesentliche Basis bzw. Zielgröße für die Weiterentwicklung des Straßenbetriebsdienstes in Hessen.

Über Hessen hinaus kann der Pilotversuch sicherlich zu einer Versachlichung der Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen einer Privatvergabe von Straßenbetriebsdienstleistungen beitragen. 

11 Literaturverzeichnis

  1. LFA Straßenunterhaltung und Betriebsdienst: Rationalisierung im Straßenbetriebsdienst, Meisterei 2000, München 1996 (unveröffentlicht)
  2. Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW): Leistungsheft für den Straßenbetriebsdienst auf Bundesfernstraßen – Version 1.1 –, Bonn 2005
  3. Hessisches Landesamt für Straßen- und Verkehrswesen (HLSV): Leistungsheft für den Straßenbetriebsdienst auf Bundesfernstraßen – Version 1.1, Fassung Hessen, Wiesbaden 2006
  4. Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS): Richtlinie zur Erhebung des Anlagenbestandes der Bundesfernstraßen, Bonn 2006
  5. Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS): Maßnahmenkatalog Straßenbetriebsdienst – Teil MK 1 Umsetzung der Steuerung des Betriebsdienstes in den Ländern – Steuerungskonzeption, Allgemeines Rundschreiben Straßenbau Nr. 30/2006, VkBl. S. 845
  6. Hessische Landesregierung: Verantwortung für heute – Visionen für Morgen – Unser Versprechen für Hessen, Regierungsprogramm 2003-2008, Wiesbaden 2003
  7. AG Privatisierung von Leistungen im Rahmen von Pflege und Wartung der Landesstraßen: Abschlussbericht zur Aufgabenstellung des politischen Steuerungspapiers vom 26. 2. 2004, Wiesbaden 2004 (unveröffentlicht)
  8. Morit z, A.: Pilotprojekt Privatisierung einer Straßenmeisterei in Hessen, in: Forschungsgesellschaft für Strassen- und Verkehrswesen: Betriebsdienstkolloquium 2007
  9. Hess, R.; Baumeister, S.; Hiller, U.; Heckmann, J.; Gabor, N.; Firmenich, J. (DRC): Entwicklung eines Qualitätscontrolling für den Straßenbetriebsdienst in Hessen, Karlsruhe 2007 (unveröffentlicht)
  10. Hessisches Landesamt für Straßen- und Verkehrswesen (HLSV): Schlussbericht Pilotprojekt Privatisierung einer Straßenmeisterei in Hessen (PPSM), Wiesbaden 2011 (unveröffentlicht)
  11. Roos, R.; Zimmermann, M.; Beeh, J.; Metzker, K.; Hess, R.; Gabor, N.; Heckmann, J.; Pfirmann, N.; Temme, L. (ISE/DRC): Begleitung eines Modellversuchs zur Erprobung der Externen Durchführung des Straßenbetriebsdienstes, Karlsruhe 2011 (unveröffentlicht)
  12. Hessischer Rechnungshof (HRH): Mitteilung an das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung über die begleitende Prüfung des Pilotprojektes Privatisierung einer Straßenmeisterei, Darmstadt 2009 (unveröffentlicht) 

Übersicht der Tagungsbände zum FGSV-Kolloquium „Straßenbetrieb“

Stand 22. September 2011

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