FGSV-Nr. FGSV 002/107
Ort Karlsruhe
Datum 17.09.2013
Titel Neue Methode zur Dimensionierung von Streustofflagern für den Winterdienst
Autoren Prof. Dr.-Ing. Christian Holldorb, M. Eng. Markus Streich
Kategorien Straßenbetrieb, Winterdienst
Einleitung

Während der lang anhaltenden, winterlichen Witterungsperiode im Winter 2009/2010 sowie im Dezember 2010 kam es in weiten Teilen Deutschlands zu erheblichen Engpässen in der Salzversorgung. Um in Zukunft einem Streustoffmangel vorzubeugen, wurden unter anderem neue Lagerkapazitäten als Notreserve in Pufferlagern geschaffen sowie in einzelnen Bundesländern die Lagerkapazitäten auf Autobahn- und Straßenmeistereien ausgebaut. Es fehlten jedoch Richtlinien für eine anforderungsgerechte und differenzierte Bemessung der Salzlagerkapazitäten. In einem Forschungs- und Entwicklungsvorhaben wurde daher ein neues Konzept für die Dimensionierung der Salzlagerkapazitäten entwickelt, das eine anforderungsgerechte und wirtschaftliche Lagerung der Streustoffe zum Ziel hat. Grundlage der angewandten Methodik zur Ermittlung des Streustoffbedarfs ist die Anforderung, dass für alle Meistereien eine möglichst gleiche Versorgungssicherheit erreicht wird. Für die erforderlichen Streustofflagerkapazitäten sind drei unterschiedliche Konzepte, wann, in welchem Umfang Streustoffe von den Lieferanten bezogen werden, betrachtet worden. Diese Konzepte weisen alle eine höchstmögliche Versorgungssicherheit auf, unterscheiden sich jedoch in ihrer Wirtschaftlichkeit und den erforderlichen Investitionen. Da in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Voraussetzungen aber auch unterschiedliche Lagerbedarfe bestehen, können die umzusetzenden Konzepte in den Bundesländern somit differieren. Mit dem Bemessungsmodell für die Ermittlung des Streustoffbedarfs und der erforderlichen Streustofflagerkapazität steht ein Berechnungsansatz zur Verfügung, der eine sehr hohe, bundesweit einheitliche Versorgungssicherheit für die Streustoffe gewährleistet, der aufgrund der differenzierten Berücksichtigung der klimatischen Verhältnisse diese jedoch zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten ermöglicht.

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1 Einleitung

Ein leistungsfähiger Winterdienst auf dem bundesdeutschen Straßennetz ist Voraussetzung dafür, dass die Straßen auch bei winterlichen Fahrbahnzuständen sicher befahren werden können und dass das Straßennetz als wesentlicher Infrastrukturträger ausreichend leistungsfähig ist. Neben leistungsfähigem Personal, Fahrzeugen und Geräten sind ausreichende Streustoffe zur Glättebeseitigung und -vermeidung erforderlich.

In Deutschland stehen für die Streustofflagerung im Winterdienst im Wesentlichen Streustoffhallen und -silos zur Verfügung. Die Auswahl und vor allem die Dimensionierung der Streustofflager haben sich in der Vergangenheit stark an Erfahrungswerten, verfügbaren Finanzmitteln und pauschalen Richtwerten orientiert. Differenzierte Vorgaben und Empfehlungen für die Standortfestlegung und die Dimensionierung existieren bisher nicht. Langanhaltende und vor allem auch überregional auftretende winterliche Witterungsperioden haben in der Vergangenheit jedoch immer wieder dazu geführt, dass die Lieferung mit Streustoffen nicht mehr bedarfsgerecht erfolgte und es somit zu Engpässen in der Salzversorgung kam. Insbesondere im Winter 2009/2010 sowie im Dezember 2010 führte die langanhaltende winterliche Witterungsperiode in weiten Teilen Deutschlands zu massiven Engpässen in der Salzversorgung.

Als Reaktion auf die Engpässe in der Salzversorgung wurden durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) sowie die Straßenbauverwaltungen der Länder zahlreiche Maßnahmen ergriffen, die vorhandenen Salzlagerkapazitäten kurzfristig zu erweitern. Hierzu zählt die Lagerung von Streustoffen als Notreserve des Bundes in Pufferlagern, die vor allem für die Bundesautobahnen genutzt werden sollen. Weiterhin haben mehrere Länder ebenfalls Pufferlager für ihre Zuständigkeitsbereiche angelegt sowie die Lagerkapazitäten in den Autobahn- und Straßenmeistereien ausgebaut. Diese Maßnahmen wurden begleitet durch eine umfassende Länderabfrage Anfang 2011 zu den zu betreuenden Streckennetzen, den vorhandenen Lagerkapazitäten und den vorgesehenen Maßnahmen zur Kapazitätserweiterung. Durch die Länderfachgruppe Straßenbetrieb wurde ein Strategiepapier zur Optimierung der Salzversorgung bei extremer Winterwitterung erarbeitet [1].

Im Rahmen eines Forschungsprojektes wurde durch die Autoren eine neue Methode zur Dimensionierung von Streustofflagern für den Winterdienst entwickelt [2]. Ziel der entwickelten Konzeption ist eine bedarfsgerechte und wirtschaftliche Bevorratung der Streustoffe, so dass auch bei extremen winterlichen Witterungsverläufen keine Engpässe bei der Streustoffversorgung auftreten und gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit der Lagerhaltung gewährleistet bleibt.

Dieser Beitrag basiert auf den Ergebnissen des FE-Vorhabens 4.0243/2011/LRB, das durch die Autoren im Auftrag des BMVBS, vertreten durch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) durchgeführt wurde. Die Verantwortung für den Inhalt liegt allein bei den Autoren.

2 Vorhandene Streustofflagerkapazitäten

Zur umfassenden Darstellung der Ist-Situation bezüglich der Streustofflagerkapazitäten wurden die im Rahmen der Länderabfrage durch die Straßenbauverwaltungen der Länder zur Verfügung gestellten Daten ausgewertet und bei Bedarf ergänzt. Hierdurch stehen für alle Bundesländer umfassende Informationen

  • zum betreuten Streckennetz
  • zur Konzeption der Streustofflieferung
  • zu den vorhandenen Salzlagerkapazitäten

zur Verfügung. Die Informationen zur Konzeption der Streustofflieferung wurden in neun Bundesländern durch Interviews, in den anderen Bundesländern durch eine schriftliche Abfrage erhoben.

Bild 1: Mittlere relative Lagerkapazität je Autobahn- und Straßenmeisterei

Bundesweit liegen weitgehend vollständige Angaben zu den derzeit vorhandenen Streustofflagern je Meisterei vor. Unter Berücksichtigung der je Meisterei zu betreuenden Streuflächen lassen sich hieraus sogenannte relative Lagerkapazitäten je Meisterei ermitteln. Die absoluten Lagerkapazitäten variieren zwischen den Bundesländern, aber auch innerhalb der Bundesländer erheblich. Im bundesweiten Durchschnitt beträgt die Lagerkapazität einer Autobahnmeisterei ca. 2.000 t, was im Mittel bezogen auf die Straßenfläche 1.259 g/m² entspricht. Je Straßenmeisterei werden durchschnittlich 1.700 t bzw. 826 g/m² gelagert (s. Bild 1). Hinzu kommen erhebliche Lagerkapazitäten in Zwischenlagern, die als Pufferlager bei Lieferengpässen oder – wie in Bayern – als Zentrallager für den gesamten, während eines Winters erforderlichen Streustoffbedarf dienen. Insgesamt sind für die durch die Straßenbauverwaltungen der Länder betreuten Autobahnen und Landstraßen derzeit ca. 1,86 Mio. t Lagerkapazität verfügbar. Hiervon entfallen 1/3 auf Bayern, in weiteren 5 Flächenstaaten sind je über 100.000 t verfügbar (s. Bild 2).

Bild 2: Vorhandene Gesamtlagerkapazitäten je Bundesland (Stand Ende 2012)

3 Ermittlung des Streustoffbedarfs

Grundlage der angewandten Methodik zur Ermittlung des Streustoffbedarfs ist die Anforderung, dass für alle Meistereien eine möglichst gleiche Versorgungssicherheit erreicht wird. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass das Restrisiko, dass die vorhandene Streustofflagerkapazität nicht ausreicht, in allen Meistereien gleich ist, unabhängig von der Eintrittswahrscheinlichkeit bestimmter Witterungsszenarien. Somit kann in Abhängigkeit eines akzeptablen Restrisikos die erforderliche Lagerkapazität bestimmt werden. Dieser Ansatz ermöglicht es, die regional unterschiedlichen winterlichen Witterungsverläufe in Deutschland zu berücksichtigen, gleichzeitig aber für alle Meistereien eine gleiche Versorgungssicherheit zu erzielen. Dieser gewählte Ansatz entspricht den gängigen Berechnungsverfahren im Bereich der Entwässerung bzw. des Hochwasserschutzes, bei denen für eine definierte Region eine Regenspende festgelegt wird, die mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird.

Für die Ermittlung meistereispezifischer Streustoffbedarfe wird ein von (Badelt [3]) entwickeltes Modell für alle verfügbaren Klimastationen des DWD angewandt, mit dem auf Grundlage unterschiedlicher Streuszenarien der Streustoffbedarf je Einsatztag in Abhängigkeit realer Witterungsdaten abgeschätzt werden kann. Zur Berechnung des täglichen Streustoffbedarfs der einzelnen Klimastationen wird jedoch abweichend von (Badelt [3]) Feuchtsalz FS 30 als Streustoff angenommen. Somit ergeben sich für die verschiedenen von (Badelt [3]) angesetzten Streuszenarien folgende Streustoffmengen im Trockenstoff:

  • Schneeglätte (Bedingung: Schneefall):
    vorbeugend 15,2 g/m², alle 2 cm Neuschnee: 15,2 g/m², maximal 121,6 g/m² pro Tag
  • Glatteis oder Eisglätte (Bedingungen: minimale Lufttemperatur < 0 °C & Niederschlagshöhe > 0 mm & kein Schneefall):
    pauschal 2 x 15,2 g/m² je Tag
  • Reifglätte (Bedingungen: minimale Lufttemperatur < 0 °C & kein Niederschlag & relative Luftfeuchte > 90 %):
    1 x 7,6 g/m² je Tag.

Diese Streustoffbedarfe gelten für den Bereich der Bundesautobahnen, die 24 h betreut werden. Für das nachgeordnete Netz wird wie durch Badelt [3] ein Streustoffbedarf von 67 % angesetzt.

Um auf Grundlage dieser Streuszenarien den Streustoffbedarf pro Tag zu ermitteln, sind die folgenden fünf Klimaparameter erforderlich, die an Klimastationen des Deutschen Wetterdienstes für lange Zeitreihen zur Verfügung stehen:

  • Relative Luftfeuchte [%], als arithmetisches Mittel aus Stundenwerten
  • Minimale Lufttemperatur [°C]
  • Niederschlagshöhe [mm]
  • Niederschlagsform, unterschieden in sieben Kategorien, u. a. Schneefall
  • Schneehöhe [cm], einmal täglich gemessen.

Da in der Praxis vorwiegend bei länger anhaltenden Winterereignissen Probleme bei der Streustoffversorgung und -nachlieferung auftraten, wird entgegen der bisher üblichen Praxis die benötigte Streustoffmenge nicht anhand der Volleinsatztage, sondern auf Basis längerer Zeiträume ermittelt. Auf Basis von Variationsrechnungen werden 30 Tage als maßgebender Zeitraum zugrunde gelegt. Hierfür werden die täglich benötigten Streustoffmengen mittels gleitender Teilsummen addiert und hieraus die einzelnen Maximalwerte der Teilsummen ermittelt. Da diese Teilsummen für längere zurückliegende Zeiträume von in der Regel mindestens 50 Jahren gebildet werden, lassen sich für den zurückliegenden Zeitraum die Maximalwerte der Teilsummen und ihre Eintrittswahrscheinlichkeiten bestimmen. Das Bild 3 zeigt exemplarisch für die Station Dillenburg (Hessen) den Verlauf der 30-Tage- und der 180-Tage-Teilsumme. Mit der Festlegung dieser beschriebenen Eintrittswahrscheinlichkeiten kann für alle Klimastationen und somit für alle Meistereien die gewünschte Versorgungssicherheit bundesweit gleich festgelegt werden.

In Abhängigkeit der lokalen Witterungsbedingungen sowie den topografischen Bedingungen ergeben sich unterschiedliche spezifische Streustoffbedarfe, die jedoch für die jeweilige Klimaregion die geforderte Versorgungssicherheit widerspiegeln. Unter Berücksichtigung der aktuell zu betreuenden Verkehrsflächen können mit Hilfe der spezifischen Kennwerte die absoluten Streustoffbedarfe je Meisterei und ihre Eintrittswahrscheinlichkeit berechnet werden.

Auf Basis der Daten von 149 Klimastationen sowie der Informationen zu den SWIS-Klimagebieten, der Höhenlage und der Topographie wurden bundesweit insgesamt 39 Klimaregionen gebildet, für die 13 verschiedene Bemessungswerte zum spezifischen Streustoffbedarf vorliegen. Der spezifische Streustoffbedarf für eine 30-tägige winterliche Witterungsperiode variiert zwischen ca. 800 g/m² im Nordwesten Deutschlands und maximal 2.000 g/m² im Voralpengebiet (s. Bild 4). Für eine gesamte Winterperiode variieren die Werte zwischen 2.000 g/m² im Nordwesten und 5.000 g/m² im Schwarzwald.

Bild 3: Verlauf der 30-Tage-(q30) und der 180-Tage-(q180) Teilsumme am Beispiel der Station Dillenburg (Hessen)

Bild 4: Klimaregionen zur Ermittlung der Streustofflagerkapazitäten und Zuordnung des Bemessungswertes q30;max

4 Ermittlung der erforderlichen Streustofflagerkapazitäten

Da die Streustofflagerkapazitäten nicht nur vom Streustoffbedarf, das heißt dem Lagerabgang, abhängen, sondern auch wesentlich durch die Nachlieferung, das heißt den Lagerzugang, beeinflusst werden, sind unterschiedliche Konzepte zu betrachten. Dabei muss berücksichtigt werden, wann, in welchem Umfang Streustoffe von den Lieferanten bezogen werden können. Auf Grundlage der derzeit in den Bundesländern angewandten Konzepte wurden drei Lager- und Logistikkonzepte entwickelt (s. Bild 5):

  1. ausschließlich dezentrale Lagerung auf den Meistereien mit Nachlieferungen während des Winters,
  2. dezentrale Lagerung auf den Meistereien mit Nachlieferungen während des Winters sowie zentrale Pufferlager, die ausschließlich bei extremen Witterungsverläufen genutzt werden,
  3. dezentrale Lagerung auf den Meistereien sowie Zentrallager, die zur Nachlieferung während des Winters genutzt werden.

Bild 5: Untersuchte Lager- und Logistikkonzepte

Bei den ersten beiden Konzepten sind Nachlieferungen durch den Streustofflieferanten während des Winters erforderlich, wohingegen im Konzept 3 das Salz ausschließlich im Sommerbezug vom Hersteller bezogen wird und der gesamte Streustoffbedarf in Lagern der Straßenbauverwaltung gelagert wird. Maßgebend bei Konzept 1 und 2 ist der Streustoffbedarf, der während einer 30-tägigen extremen winterlichen Witterungsperiode niemals überschritten wird. Bei Konzept 1 wird dieser gesamte Bedarf auf der Meisterei vorgehalten. Bei Konzept 2 wird hingegen hiervon der Teil des Streustoffbedarfs dezentral auf den Meistereien vorgehalten, der durchschnittlich alle 5 Jahre überschritten wird, der Rest der Lagerkapazität wird zentral in Pufferlagern vorgehalten. Bei Konzept 3 wird der gesamte während eines Winters notwendige Streustoffbedarf vorgehalten, wobei sich die dezentrale Lagerkapazität auf den Meistereien an den vorhandenen Lagerkapazitäten orientiert. Der weitere Bedarf wird zentral gelagert. Je nach Konzept sind unterschiedliche Bemessungswerte zur Ermittlung des Streustoffbedarfs maßgebend (s. Tabelle 1):

q30;0,2 Streustoffbedarf für 30 Tage, der alle 5 Jahre überschritten wird
Dieser Wert ist maßgebend für die Dimensionierung der Streustofflagerkapazitäten, die im Lager- und Logistikkonzept 2 auf dem Meistereigelände verfügbar sein sollten.

q30;max Streustoffbedarf für 30 Tage, der bisher nicht überschritten wurde
Dieser Wert ist maßgebend für die Dimensionierung der Streustofflagerkapazitäten, die in den Lager- und Logistikkonzepten 1 und 2 insgesamt verfügbar sein sollten, um auch bei extremen Witterungsverhältnissen ausreichende Streustoffe verfügbar zu haben. Bei Berücksichtigung dieses Kennwertes ist ein Logistikkonzept erforderlich, das ausreichende Nachlieferungen durch die Lieferanten auch während des Winters vorsieht.

q180;max Streustoffbedarf für 180 Tage, der bisher nicht überschritten wurde
Dieser Wert ist maßgebend für die Dimensionierung der Streustofflagerkapazitäten, die insgesamt verfügbar sein sollten, um auch bei extremen Witterungsverhältnissen ausreichende Streustoffe über den gesamten Winter verfügbar zu haben. Dieser Kennwert ist für das Lager- und Logistikkonzept 3 maßgebend.

Tabelle 1: Zusammenstellung der Bemessungswerte und Berechnungsansätze der Lager- und Logistikkonzepte

Neben dem abzudeckenden Streustoffbedarf für einen bestimmen Zeitraum ist die Versorgungssicherheit bei den Lager- und Logistikkonzepten 1 und 2 auch stark von der Möglichkeit der Nachlieferung von Streustoffen abhängig. Durch regelmäßige Nachlieferungen kann die Versorgungssicherheit gegebenenfalls über das bei der Ermittlung des Streustoffbedarfs berücksichtigte Sicherheitsniveau angehoben werden. Umgekehrt ist bei der Ermittlung der Streustofflagerkapazitäten zu berücksichtigen, dass in einigen Klimaregionen winterliche Extremwetterereignisse auch über die berücksichtigte Anzahl an Tagen hinausgehen, so dass höhere Lagerkapazitäten erforderlich sind.

Somit ist es erforderlich, die Streustofflagerkapazitäten bei den Lager- und Logistikkonzepten 1 und 2 so festzulegen, dass unter Berücksichtigung festgelegter Eingangsgrößen für die Nachlieferung eine völlige Entleerung der Lager auch über den 30-tägigen Betrachtungszeitraum hinaus ausgeschlossen ist. Die Streustofflagerkapazitäten werden somit so definiert, dass einerseits der 30-tägige Streustoffbedarf bei extremen Witterungsereignissen und darüber hinaus auch weitergehende Streustoffbedarfe berücksichtigt werden.

Um zu gewährleisten, dass die Streustofflager niemals vollständig entleert sind, wird für die repräsentative Klimastation jeder Klimaregion auf Grundlage spezifischer Streustoffbedarfe und Nachliefermengen der spezifische Lagerbestand pro Tag über den gesamten Betrachtungszeitraum berechnet. Bei dieser Überprüfung wurden auf Grundlage der derzeit in Deutschland vorherrschenden Praxis folgende Eingangsparameter angesetzt:

  • Bestellauslösung: Füllgrad des Lagers, bei dem eine Nachbestellung ausgelöst wird; Ansatz: 80 %
  • Lieferzeit: Zeitraum zwischen Bestellauslösung und Lieferung; Ansatz: 3 werden die Streustoffe geliefert
  • Kalkulatorische Liefermenge: Spezifische Liefermenge im landesweiten Durchschnitt; Ansatz: 15 g/m² pro Tag

Streustoffbedarf und erforderliche Streustofflagerkapazität werden für jede Autobahn- und Straßenmeisterei ermittelt, wobei die vorhandenen Lagerkapazitäten auf den Meistereien berücksichtigt werden. Meistereispezifische Einflüsse können hierbei nicht vollständig berücksichtigt werden, so dass die berechneten Kenngrößen auf Meistereiebene gegebenenfalls in der Praxis anzupassen sind, auf Ebene eines Bundeslandes jedoch hinreichend genau sind. Für jede Meisterei wurde in Abhängigkeit des zugrunde liegenden Lager- und Logistikkonzeptes überprüft, dass der Lagerbestand während des Betrachtungszeitraums niemals negativ wird. Gegebenenfalls wurde die Lagerkapazität erhöht oder es wurden höhere Liefermengen zugrunde gelegt, die durch geringere Liefermengen in anderen Meistereien des betrachteten Bundeslandes kompensiert wurden.

Für das Lager- und Logistikkonzept 1 liegt der Bedarf bundesweit bei insgesamt 1,09 Mio. t. Dies sind ca. 0,15 Mio. t weniger als derzeit an Lagerkapazitäten auf Meistereiebene bereits bestehen (1,24 Mio. t). Aufgrund ungleichmäßiger Verteilung der Lagerkapazitäten, die zu Überkapazitäten von insgesamt 0,3 Mio. t führen, sind jedoch ca. 0,15 Mio. t zusätzliche Lagerkapazitäten erforderlich. Da davon auszugehen ist, dass Überkapazitäten vorerst bestehen bleiben, würde die Gesamtlagerkapazität bei Umsetzung 1,39 Mio. t betragen. Den größten Bedarf an zusätzlichen Lagerkapazitäten haben Niedersachsen, Hessen, Baden-Württemberg und Sachsen.

Beim Lager- und Logistikkonzept 2 sind bundesweit für ca. 44.000 t zusätzliche zentrale Pufferlager und ca. 40.000 t zusätzliche Lagerkapazitäten auf den Meistereien erforderlich. Der Bedarf an Pufferlagern wird in vielen Bundesländern durch die bereits angemieteten Lager abgedeckt, vielfach ist eine deutliche Reduktion möglich. Die Gesamtlagerkapazität würde sich ebenfalls auf 1,39 Mio. t belaufen, wovon auf Meistereiebene ca. 1,28 Mio. t und 0,11 Mio. t in den zentralen Pufferlagern verfügbar wären.

Um das Lager- und Logistikkonzept 3 zu realisieren, sind bundesweit ca. 2,63 Mio. t Lagerkapazität vorzuhalten. Auch für dieses Konzept existieren vereinzelt Überkapazitäten auf den Meistereien in einem Umfang von insgesamt ca. 0,02 Mio. t, so dass bei den derzeit vorhandenen, anrechenbaren Kapazitäten von 1,22 Mio. t auf den Meistereien ca. 1,41 Mio. t als Zentrallager notwendig sind. Außer in Bayern, das dieses Lager- und Logistikkonzept weitgehend umgesetzt hat, sind in allen Bundesländern neue zentrale Lagerkapazitäten notwendig.

5 Wirtschaftlichkeitsbetrachtung

Im Rahmen einer Kosten- und Wirtschaftlichkeitsbetrachtung werden die drei Lager- und Logistikkonzepte hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit und des erforderlichen Investitionsbedarfs verglichen. Aussagen, welches der Konzepte aus wirtschaftlichen Gründen zu empfehlen ist, können auf Grundlage von Jahreskosten getroffen werden, die bei durchschnittlichem Streustoffbedarf anfallen. Unabhängig von der Wirtschaftlichkeit ist der Investitionsbedarf zu sehen, der jedoch für die Gesamtbewertung der Konzepte ebenfalls zu berücksichtigen ist, da ein hoher Investitionsbedarf Haushaltmittel in einem stärkeren Maße beansprucht.

Es werden nur die entscheidungsrelevanten Kosten betrachtet, entscheidungsunabhängige Kosten, wie z. B. die Kosten für die Streustoffe insgesamt, gehen nicht in die Jahreskosten ein. Somit sind die Jahreskosten nicht auf Basis einer Vollkostenrechnung, sondern als Teilkosten für Lagerung und Logistik zu betrachten.

Folgende Kostenarten werden berücksichtigt:

  • Vorhaltekosten Streustofflager (Meistereien & Puffer- und Zentrallager): Abschreibungs- und Kapitalkosten sowie Instandhaltungskosten, für Puffer- und Zentrallager werden alternativ Mietkosten berücksichtigt
  • Kosten der Ein- und Auslagerung in den Puffer- und Zentrallagern
  • Differenzkosten Sommerbezug – Winterbezug
  • Kapitalkosten für gelagerte und nicht genutzte Streustoffe,
  • Transportkosten für Lkw-Anlieferung, bei Puffer- und Zentrallagern wird alternativ auch die Anlieferung mit Schiff oder Bahn betrachtet.

Jahres- und Investitionskosten werden je Bundesland berechnet, wobei die erforderlichen Lagerkapazitäten je Meisterei zugrunde gelegt werden. Zur Ermittlung der mittleren Jahreskosten wird ein durchschnittlicher Streustoffbedarf pro Jahr herangezogen. Dieser wird mit dem gleichen Bemessungsansatz berechnet, der auch für die Ermittlung des maximalen Streustoffbedarfs verwendet wird.

Für das Lager- und Logistikkonzept 1 betragen die Jahreskosten bundesweit ca. 98 Mio. EUR. Geringere Jahreskosten weist in allen Bundesländern das Lager- und Logistikkonzept 2 auf, die Einsparungen gegenüber dem Konzept 1 liegen bundesweit bei ca. 6 Mio. EUR pro Jahr. Konzept 3 hat hingegen in allen Bundesländern höhere Jahreskosten als die beiden anderen Konzepte; gegenüber Konzept 1 betragen die Mehrkosten ca. 11 Mio. EUR pro Jahr. Wesentliche Kostenarten sind die Vorhaltekosten für die Lager sowie die Transportkosten.

In mehreren Szenarienbetrachtungen wurden die Ansätze für diese und weitere Kostenarten, deren Berechnungsansätze aus der nur schwer prognostizierbaren Wettbewerbssituation resultieren, variiert. Die Kostendifferenzen für die drei Lager- und Logistikkonzepte variieren je nach Berechnungsansatz, jedoch sind die Jahreskosten bei Lager- und Logistikkonzept 2 immer geringer als bei Konzept 1. Für Konzept 3 sind bei fast allen Szenarien die höchsten Jahreskosten ermittelt worden.

Für die zusätzlichen Lagerkapazitäten auf den Meistereien sind beim Lager- und Logistikkonzept 1 bundesweit ca. 114 Mio. EUR Investitionen notwendig; für das Lager- und Logistikkonzept 2 beträgt der Investitionsbedarf hingegen nur ca. 29 Mio. EUR auf den Meistereien. Dieser Bedarf steigt um 17 Mio. EUR, wenn die Pufferlager durch die Straßenbauverwaltungen errichtet werden und nicht von externen Dienstleistern angemietet werden. Für Konzept 3 sind auf den Meistereien keine Investitionen notwendig. Der Investitionsbedarf für die Zentrallager würde jedoch bundesweit über 200 Mio. EUR betragen, sofern nicht wie bisher vielfach üblich Lager angemietet werden.

6 Ausblick

Mit dem erarbeiteten Bemessungskonzept ist es möglich, bundesweit eine gleiche Versorgungssicherheit bei der Lagerung der Streustoffe umzusetzen, gleichzeitig aber den spezifischen Streustoffbedarf einer Meisterei aufgrund des zu betreuenden Streckennetzes und der winterlichen Witterungsverhältnisse zu berücksichtigen. Durch diese differenzierte Betrachtung ist es möglich, die einheitlich hohe Versorgungssicherheit mit wirtschaftlich vertretbaren Kosten zu realisieren.

Aufgrund der geringsten Jahreskosten und auch des geringeren Investitionsbedarfs erscheint derzeit das Lager- und Logistikkonzept 2 für viele Bundesländer als das vorteilhafteste Konzept. Auch ist der Bedarf an zusätzlichen Pufferlagern nur gering; dieser kann zu Teilen auch durch bereits angemietete Pufferlager abgedeckt werden.

Allerdings hängen Wirtschaftlichkeit und tatsächlicher Investitionsbedarf von zahlreichen Einflussgrößen ab, die im Rahmen des Forschungsvorhabens nicht detailliert untersucht werden konnten. Daher sollten im Rahmen landesspezifischer Umsetzungskonzepte auf Grundlage der ermittelten erforderlichen Lagerkapazitäten je Meisterei diese Einflussgrößen regional und standortspezifisch konkretisiert werden. Im Wesentlichen sind hierbei zu berücksichtigen:

  • der bauliche Zustand der vorhandenen Lagerkapazitäten
  • ein erhöhter Streustoffbedarf auf einzelnen Streckenabschnitten
  • die Verfügbarkeit von zentralen Lagermöglichkeiten zur Anmietung und hierfür notwendige Mieten
  • die regionale Verteilung der vorhandenen Lagerkapazitäten und gegebenenfalls meistereiübergreifende Nutzungsmöglichkeiten
  • länderspezifische Vertragsregelungen und die Marktsituation beim Streustoffbezug
  • eine regionale Differenzierung der möglichen Nachliefermengen aufgrund besonderer Wettbewerbssituationen.

In den Umsetzungskonzepten sind auch die betrieblich-organisatorischen Aspekte, die mit den verschiedenen Lager- und Logistikkonzepten verbunden sind, näher zu betrachten. Da alle drei entwickelten Lager- und Logistikkonzepte eine gleiche maximale Versorgungssicherheit gewährleisten, können die umzusetzenden Konzepte in den einzelnen Bundesländern differieren. Maßgebend sind die länderspezifischen Jahreskosten, Investitionen und betrieblich-organisatorischen Rahmenbedingungen.

Literaturverzeichnis

  1. Länderfachgruppe Straßenbetrieb: Strategiepapier – Optimierung der Salzversorgung bei extremer Winterwitterung – Anlage zum Maßnahmenkatalog Winterdienst, Ausgabe Juni 2011
  2. Holldorb, C.; Streich, M.: Kennzahlen im Betriebsdienst, Schlussbericht zum FE-Vorhaben 4.0243/2011/LRB im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (unveröffentlicht), Karlsruhe 2013
  3. Badelt, H.: Ein neues Modell für einen Winterindex zur Abschätzung und Bewertung des Salzverbrauchs; In: Kolloquium Straßenbetrieb 2011, Köln, FGSV 002/100