FGSV-Nr. FGSV 002/120
Ort Karlsruhe
Datum 19.09.2017
Titel Pilotversuch FS 50 in Rheinland-Pfalz
Autoren Dipl.-Ing. (FH) Mike Fensterseifer
Kategorien Straßenbetrieb, Winterdienst
Einleitung

Die Glättebekämpfung mittels Feuchtsalzstreuung FS 30 ist bundesweit sowohl auf Außerortsstraßen als auch im kommunalen Bereich etabliert. In den letzten Jahren hat sich die reine Flüssigstreuung (FS 100) für den präventiven Winterdienst sowie für die Beseitigung von sehr dünnen Glätteschichten bei Temperaturen nahe unterhalb von Null Grad als optimale Lösung erwiesen und wird inzwischen in zunehmendem Maße in der Praxis eingesetzt. Für den Winter 2016/2017 wurde der Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz vom Bund (BMVI) beauftragt, im Bereich der Bundesstraßen die Feuchtsalzstreuung FS 50 in Form eines Pilotversuchs zu testen. Diese Art der Feuchtsalzstreuung wird in Österreich seit einiger Zeit bezogen auf das österreichische Anforderungsniveau erfolgreich angewendet. Es sollte im Pilotversuch überprüft werden, ob FS 50 auch in Deutschland, insbesondere im nachgeordneten Netz, eine technisch und wirtschaftlich sinnvolle Alternative zu den gängigen Streutechniken FS 30 und FS 100 darstellt.

PDF
Volltext

Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Allgemeines und Auftrag des Bundes

Nachdem die Streumethoden FS 50 und FS 70 in Österreich bereits unter Begleitung der TU Wien getestet wurden und sich schon im praktischen Einsatz auf österreichischen Straßen bewährt haben, sollte diese Streumethode ebenfalls in Deutschland getestet werden. Im Rahmen der Bund-Länder-Dienstbesprechung vom 12.1. 2016 wurde das Land Rheinland-Pfalz gebeten, FS 50 im Rahmen eines Pilotversuchs im nachgeordneten Netz im präventiven und kurativen Winterdiensteinsatz zu testen.

In dem Pilotversuch sollten neben der technischen Praxistauglichkeit im Winterdiensteinsatz, auch schwerpunktmäßig die Wirtschaftlichkeit untersucht werden. Hierzu zählt u. a. eine Ermittlung und wirtschaftliche Beurteilung von Umrüstkosten für bestehende und die Investitionskosten für neue Streuautomaten. Zudem sollen allgemeine Aussagen zur technischen Umsetzbarkeit getroffen werden und welche Streustoffmengen unter bestimmten Umständen für 2-Achser und 3-Achser mitgeführt werden können.

Durchgeführt wird der Pilotversuch im Zuständigkeitsbereich des LBM Diez bei den Straßenmeistereien Montabaur, Bad Ems und Rennerod. In diesen Straßenmeistereien bestehen unterschiedliche topografische und netzstrukturelle Rahmenbedingungen. Bad Ems ist relativ tiefgelegen und mit einem hohen Anteil an 2-bahnigen Bundesstraßen ausgestattet, hingegen ist die SM Rennerod die schneereichste Straßenmeisterei in Rheinland-Pfalz. Die SM Montabaur ist ebenfalls verkehrsbedeutend und gleichzeitig etwas höher gelegen als die SM Bad Ems. Es konnte somit mit diesen Straßenmeistereien eine hohe Bandbreite an unterschiedlichen Anforderungen abgebildet werden. 

2 Fahrzeug-/Geräteausstattung und Datenerfassung

2.1 Fahrzeug- und Geräteausstattung

Insgesamt wurden 5 Winterdienstfahrzeuge mit der neuen Streutechnik FS 50 ausgestattet. 3 Systeme wurden neu angeschafft und bei 2 Systemen wurden bestehende FS 30-Streuautomaten auf die neue FS 50-Technik umgerüstet.

Die einzelnen Winterdienstfahrzeuge können der folgenden Tabelle 1 entnommen werden.

Tabelle 1: FS 50-Streueinheiten

Je nach zur Verfügung stehendem Trägerfahrzeug und ob ein Wechselsystem eingesetzt werden kann, lassen sich verschiedene Zuladungen an Streustoffen für den Winterdiensteinsatz realisieren. In folgendem Diagramm sind die einzelnen Zuladungen je nach Systemart als Durchschnittswert dargestellt. Diese Durchschnittswerte sind als Anhaltswerte zu verstehen, da die tatsächlich zu realisierende Zuladung nochmals bezüglich des eingesetzten Lkw-Typs und des eingesetzten Wechselsystems variieren kann.

Bild 1: Mitführbare Streustoffe je Trägerfahrzeug

Aus vorangestelltem Bild 1 kann entnommen werden, dass mit einem 2-Achser ohne Wechselsystem rund 8,0 t FS 50 mitgeführt werden können. Bei einer angenommenen Streudichte von 15 g/m² (überfrierender Feuchte) und einer mittleren Streubreite von 6 m könnten mit einem solchen Winterdienstfahrzeug knapp 90 km Streustrecke ohne ein planmäßiges Nachladen bedient werden. Im Gegensatz hierzu können mit einem 3-Achser mit Wechselsystem bei identischer Streudichte rund 150 km Netz ohne ein planmäßiges Nachladen bedient werden. Je nachdem, welche Streuroute bedient werden soll (lange oder kurze Route), ist dies bei der Planung und Beschaffung des Winterdienstfahrzeugs zu berücksichtigen.

2.2 Datenerfassung

Alle 5 Winterdienstfahrzeuge, die im Rahmen des Pilotversuchs eingesetzt wurden, sind mit einer Datenerfassung der Fa. MOBIWORX ausgestattet.

Hiermit können u. a. folgende Daten erfasst werden:

eingestellte Streudichte,

gefahrene Strecke,

Einsatzart,

Fahrbahntemperatur etc.

Zusätzlich wurden 2 Einheiten mit Marvis-Sensoren ausgestattet, die zusätzlich den jeweiligen Fahrbahnzustand erfassen sollen. 

3 Streudichteprüfung und Liegedauerversuche

3.1 Prüfung der Dosiergenauigkeit und Streustoffverteilung

Die FS 50-Winterdienstfahrzeuge sollen im regulären Winterdienst im Bereich des LBM Diez eingesetzt werden. Da es sich bei den FS 50-Streuautomaten um Prototypen handelt, wurde im ersten Schritt die Dosiergenauigkeit nach DIN EN 15597-1, Anhang A und die Streustoffverteilung in Anlehnung an die prEN 15597-2 (Ausgabe 2016-06) im Auftrag der BASt durch das Ingenieurbüro WINDIP überprüft. Für die Prüfungsdurchführung der Streustoffverteilung wurden folgende Prüfpunkte festgelegt, die den geplanten Praxiseinsatz realistisch widerspiegeln.

Tabelle 2: Prüfpunkte Streustoffverteilung

Die Überprüfung der Dosiergenauigkeit wurde von allen getesteten Produkten erfolgreich bestanden. Im Rahmen der Überprüfung der Streustoffverteilung wurde Prüfpunkt 1 bei zwei von drei geprüften Produkten erfolgreich bestanden. Prüfpunkt 2, bei dem über eine große Streubreite und gleichzeitig hoher Fahrgeschwindigkeit die asynchrone Streustoffverteilung überprüft werden sollte, wurde von einem der drei geprüften Streuautomaten erfolgreich bestanden. Kein Produkt hat jedoch beide Prüfpunkte bestanden. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass der 2. Prüfpunkt bei der standardisierten FS 30-Prüfung grundsätzlich mit einer Streudichte von 15 g/m², einer Streubreite von 8,0 m und mit 40 km/h Fahrgeschwindigkeit absolviert wird. Wir sprechen also bei der aktuell praktizierten FS 50-Prüfung von leicht verschärften Bedingungen, da die Streudichte und die Fahrgeschwindigkeit etwas höher sind.

Bild 2: Exemplarische Streustoffverteilung des Prüfpunkts 2

Problematisch waren bei der Streustoffverteilung des 2. Prüfpunkts generell die Randbereiche. In dem vorangestellten Fall (Bild 2) wurde der Prüfpunkt nicht bestanden, da die geforderte Mindestmenge auf dem ersten Streifen rechts nicht erreicht wurde. Hier wurden im Mittel 36,2 % Salz der Soll-Menge aufgenommen und somit der Mindestwert von 40 % leicht unterschritten. Anstatt 20 g/m² Streusalz lagen in diesem Streifen im Mittel 7 bis 8 g/m².

Da alle Streuautomaten die Prüfung im ersten Durchgang nicht bestanden haben, wurden diese im Regelbetrieb des Winterdienstes im LBM Diez nicht eingesetzt. Die Prüfung wird aktuell mit einem modifizierten 2. Prüfpunkt (8 m Streubreite, 15 g/m² Streudichte, 40 km/h Fahrgeschwindigkeit) für alle Modelle wiederholt.

Grundsätzlich gilt es an dieser Stelle zu überdenken, ob das hier angewendete Prüfverfahren zur Beurteilung der Eignung zur Präventivstreuung optimal ist. Aus den Erfahrungen der Liegedauerversuche im Zuge der FS 30- und FS 100-Technik ist bekannt, dass für die Langzeitwirkung (hoher Restsalzgehalt nach diversen Überfahrungen) vor allem der Anteil Sole und dessen korrekte Verteilung über die Fahrbahnfläche maßgebend ist. Mit dem hier praktizierten Prüfverfahren kann messtechnisch nur die Gesamtsalzverteilung des Feuchtsalzes nachgewiesen werden und nicht die Verteilung der einzelnen Komponenten, Trockensalz und Sole.

Aus der optischen Betrachtung heraus konnte festgestellt werden, dass insbesondere die Sole nicht hinreichend an die Streuränder transportiert werden konnte. Daher sind zur Beurteilung der „Präventivfähigkeit“ der FS 50-Technik diverse Liegedauerversuche durchzuführen.

3.2 Liegedauerversuche

Da überprüft werden soll, ob die FS 50-Streutechnik für den Präventiveinsatz geeignet ist, sind diverse Liegedauerversuche durchzuführen. Es wurden zwei Liegedauerversuche durchgeführt, bei denen aber leider feucht-nasse Fahrbahnverhältnisse vorlagen. Da zur Beurteilung der Eignung zur Präventivstreuung trockene bzw. leicht feuchte Fahrbahnverhältnisse vorliegen sollten, kann auf Basis der Liegedauerversuche keine belastbare Aussage getroffen werden und das Thema wird an dieser Stelle nicht weiter vertieft. 

4 Generelle Überlegungen zur FS 50-Streutechnik (Empfohlene Streudichten im Praxistest, Wirtschaftlichkeit)

4.1 Empfohlene Streudichten im Pilotversuch

Basierend auf den Erfahrungen Österreichs und über Modellrechnungen wurden für den Pilotversuch folgende Annahmen hinsichtlich der zu erwartenden Wehverluste übernommen.

Tabelle 3: Angenommene mittlere Wehverluste für den Pilotversuch

Anschließend wurden diese Wehverluste in eine Modellrechnung übernommen, in der neben dem gewählten Streuverfahren, die angenommenen Wehverluste auch die aufzulösende Wassermenge (bei Reifglätte, überfrierende Feuchte, etc.) eingeflossen sind. Hieraus hat sich für den Praxistest die Vorgabe abgeleitet, dass bei Reifglätte und überfrierender Feuchte bei der FS 50-Streuung die identischen Streudichten anzusetzen sind, wie bei der FS 30-Streuung. Bei überfrierender Nässe und bei Schneefall sind die Streudichten der FS 30-Technik um 5 g/m² zu erhöhen.

4.2 Einsparpotenzial Streustoffe

Auf Basis der rheinland-pfälzischen Einsatzcharakteristik im Winterdienst wurde berechnet, welches Potenzial an Streustoffeinsparungen pro Fahrzeug und Jahr zu realisieren ist, wenn die Systematik auf FS 50 umgestellt würde. Hierbei wurde von einem 2-Achser mit Wechselsystem ausgegangen, der 10 t Streustoffe zuladen kann und dementsprechend rund 500.000 m² an WD-Strecke abdeckt.

Tabelle 4: Berechnete Streustoffeinsparungen pro Saison

Es kann beim rheinland-pfälzischen Einsatzprofil davon ausgegangen werden, dass rund 44 t Streusalz bzw. rund 3.300 Euro Streustoffkosten pro Jahr pro Fahrzeug eingespart werden können. Es hat sich im Pilotversuch herausgestellt, dass Umrüstkosten bestehender FS 30-Streuautoamten unverhältnismäßig teuer sind. Je nach Typ sind mit Umrüstkosten in Höhe von rund 20.000 Euro zu rechnen. Das bedeutet, dass diese Umrüstkosten erst in 6 bis 7 Jahren Nutzungsdauer zu amortisieren sind. Daher kann geschlussfolgert werden, dass eine Umrüstung von Streuautomaten, die älter als 3 Jahre sind, nicht wirtschaftlich sein wird. 

5 Fazit und weiteres Vorgehen

Das Land-Rheinland-Pfalz beabsichtigt in der kommenden Saison die FS 50-Streutechnik intensiv in der Praxis zu testen, nachdem die Streuautomaten nach DIN EN 15597 geprüft und zugelassen wurden. Im kurativen Einsatz lässt sich eine Wirtschaftlichkeit erkennen, sofern sich die angenommenen Wehverluste durch Liegedauerversuche bestätigen lassen. Hierbei ist zu bedenken, dass bei der FS 50-Streutechnik im Räumfall und bei Einsätzen mit überfrierender Nässe kürzere Umläufe einkalkuliert werden müssen. Daher ist diese Technik in weniger schneereichen Regionen zu bevorzugen, da hier der Anteil der leichten Streueinsätze und daher der wirtschaftliche Vorteil überwiegen.

Eine Umrüstung von bestehenden Streuautomaten wird in den wenigsten Fällen wirtschaftlich sinnvoll sein, da sich bei der aktuellen Marktlage die Umrüstkosten frühestens nach 6 bis 7 Jahren amortisieren. Ob die FS 50-Streutechnik für den Präventiveinsatz im nachgeordneten Netz geeignet ist, kann zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht bestätigt werden.