FGSV-Nr. FGSV 002/100
Ort Karlsruhe
Datum 13.09.2011
Titel Wirtschaftliche Optimierung des staatlichen Betriebsdienstes – Erfahrungen aus Rheinland-Pfalz
Autoren Dr.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Heinz Rethage
Kategorien Straßenbetrieb, Winterdienst
Einleitung

Der Landesbetrieb Mobilität in Rheinland-Pfalz (LBM) beschäftigt im Straßenbetriebsdienst ca. 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Gesamtkosten hierfür betragen ca. 120 Mio. € im Jahr. Das sind ca. 23 % der jährlichen Kosten beim LBM und somit einer der bedeutendsten Kostenblöcke in der Gewinn- und Verlustrechnung. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und die Straßenbauverwaltungen/-betriebe der Länder verfolgen das Ziel, die Kosten im Betriebsdienst durch eine ergebnisorientierte Steuerung zu senken. Dieses Vorhaben ist beim LBM jetzt möglich, da der Aufbau der Erfassungssysteme für die Betriebs- und Bestandsdaten und die Kosten-Leistungsrechnung (KLR) an einem Punkt angekommen sind, an dem alle erforderlichen Auswertungen möglich sind. Diese werden jetzt zur ergebnisorientierten Steuerung genutzt. Für jede Meisterei werden über die Verknüpfung der Leistungskennwerte, der Häufigkeiten, der KLR und des Anlagenbestandes, die meistereispezifischen Leistungskataloge erstellt. Diese sind Grundlage der Ressourcenplanung. Im Rahmen der Ergebnisbetrachtung wird das „IST“ zum vorgegebenen „SOLL“ ins Verhältnis gesetzt. Der Quotient verdeutlicht, ob die Meisterei die vorgegebenen Anforderungen erfüllt.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

Vorbemerkungen

Die Straßeninfrastruktur, ihr Zustand und die damit verbundene Kostenbelastung für die Öffentliche Hand wurden in den vergangenen Jahren mehrfach und mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen dokumentiert.

Die Wirtschaftlichkeit der Leistungsprozesse im Straßenbetriebsdienst wurde bisher kaum übergreifend betrachtet. Somit herrscht Unklarheit darüber, inwieweit sich der Zustand der Straßeninfrastruktur durch optimierte Leistungsprozesse günstiger finanzieren lässt.

Die aktuellen Überlegungen, Straßenunterhalt und -betriebsdienst in ÖPP-Modelle oder in kommunale Trägerschaft zu überführen helfen nur begrenzt. Denn wie häufig bei Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen im öffentlichen Sektor fehlt eine Bestandsaufnahme aufgrund der heterogenen Datenlage und der nicht standardisierten Strukturierung von Informationen.

Das Hauptproblem dabei ist nicht, überhaupt Finanzinformationen zu erhalten. Das Problem liegt darin, dass sich die Informationen aus verschiedenen Organisationen kaum vergleichen lassen, weil keine Informationen über die konkreten Leistungen vorliegen, die vom Personal erbracht wurden. Der wichtigste Schritt der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, nämlich Kosten mit Leistungen zu verknüpfen, kann damit nicht belastbar vorgenommen werden.

Aus diesen Gründen hat der LBM eine eigene Datenbasis aus Finanz- und Leistungsdaten ermittelt und daraus ein Betriebsdienstcontrolling entwickelt, das nachfolgend kurz vorgestellt wird.

1 Personal- und Geräteausstattung im Betriebsdienst

Die Hauptaufgaben im Straßenbetriebsdienst sind:

  • bauliche Unterhaltung,
  • Grünpflege,
  • Reinigung,
  • Winterdienst,
  • sonstige verkehrstechnische und streckenbezogene Dienste.

Die Leistungen im Betriebsdienst innerhalb des LBM werden durch insgesamt 57 Straßenmeistereien (SM) erbracht – davon sind jeweils 3 SM zu einer Master-Meisterei zusammengefasst – 13 Autobahnmeistereien (AM) und einer Fernmeldemeisterei. Den Bildern 1 und 2 sind die Personal- und Geräteausstattung einer SM zu entnehmen.

Bild 1: Personalbesetzung Betriebsdienst (Personal (Standardbesetzung): ∑ 24,5 – 25,5 Beschäftigte)

Bild 2: Fahrzeuge und Geräte Betriebsdienst (Fahrzeuge und Geräte: ca. 11-12 Fahrzeuge/Geräte (bei Bedarf bis zu 14, z. B. Hubsteiger))

Die Personal- und Geräteausstattung ist bisher noch standardisiert und über alle SM gleichermaßen dimensioniert, und dies, obwohl der Leistungsumfang in den einzelnen SM teilweise stark differiert. Auch wenn die betreuende Streckenlänge nicht 100 %ig mit dem Leistungsumfang korrespondiert, zeigt sie doch sehr anschaulich den in den SM unterschiedlich zu erbringenden Leistungsumfang (Bild 3).

Bild 3: Streckenlänge je Betriebsdienstpersonal

2 Grundzüge des Betriebsdienstcontrollings

Die Kosten für den Straßenbetriebsdienst insgesamt betrugen im Jahr 2010 ca. 134 Mio. € [2]. Das sind ca. 25 % der Gesamtkosten beim LBM (Bild 4).

Bild 4: Übersicht der wichtigsten Kosten im Betriebsdienst

Allein daraus ergibt sich die unbedingte Notwendigkeit, die bisher Input-orientierte Steuerung in eine Output-orientierte Steuerung durch das Betriebsdienstcontrolling zu ersetzen (Bild 5).

Das bedeutet:

  • Schaffung einer vollständigen Kosten- und Leistungstransparenz
  • kontinuierliche Verbesserung der Wirtschaftlichkeit,
  • Förderung des unternehmerischen Denkens und Handelns. 

3 Methodik

Bild 5: Output-orientierte Steuerung durch das Betriebsdienstcontrolling [3]

Die Vorgehensweise ist wie folgt:

1)    Detaillierte Definition der Aufgaben

  • Erstellung eines Produktkataloges

2)    Ermittlung der Kosten je Leistungseinheit aus dem Produktkatalog

  • welche Personal- und Fahrzeug/Gerätekosten entstehen bei der Leistungserbringung?

3)    Ermittlung der Turnusse – Leistungsmengenstandards

  • welche Aufgaben sind in welcher Häufigkeit zu erbringen?

4)    Permanente Verbesserung durch Dialog mit den SM

  • Best Practise 

4 Erstellung des Produktplanes

Die Basis des Produktplanes ist der BDE-Katalog [4] mit seinen insgesamt 141 streckenbezogenen Tätigkeiten. Diese Tätigkeiten wurden analysiert und nach Anzahl der „benötigten“ Personen-Stunden geordnet (Bild 6). 

5 Produktkatalog

  • 141 streckenbezogene BDE-Positionen                è 54 Produkte
  • BDE-Positionen mit hohem Stundenanteil             è Einzelprodukt
  • BDE-Positionen mit niedrigem Stundenanteil        è Sammelprodukt

Bild 6: BDE-Positionen, Platz 1 – 4

Im Ergebnis wurden die Kernaufgaben zu 54 Produkten zusammengefasst. Dabei wurden die BDE-Positionen mit einem hohen Stundenanteil als Einzelprodukt definiert, während die Positionen mit einem geringen Stundenanteil zu Sammelprodukten zusammengefasst wurden. Der gesamte Produktplan wurde so in 7 Produktgruppen eingeteilt (Bild 7).

Bild 7: Produktkatalog des LBM

Insgesamt wurden im LBM im Jahr 2010 ca. 2,4 Mio. Personalstunden im Betriebsdienst erbracht. Die Stunden werden nach Produkten, Projekten und sonstigen Stunden geclustert. Unter sonstigen Stunden werden die Zeiten für Werkstatt, Gehöft, Verwaltung, Urlaub, Fortbildung und Krankheit mit Lohnfortzahlung zusammengefasst. Der Anteil der Produktstunden belief sich im Jahr 2010 auf ca. 58 % oder ca. 1,4 Mio. Stunden. Diese verteilen sich hauptsächlich auf die Produktgruppen Winterdienst, bauliche Unterhaltung, Streckenwartung und Grünpflege (Bild 8).

Bild 8: Prozentuale Verteilung der Stunden beim LBM 2010

Die Produktmatrix unterteilt die Mengen- und Stundenprodukte in planbare und nicht planbare Produkte (Bild 9)

Bild 9: Produktmatrix 

6 Grundzüge der Planwert-Kalkulation

Die Grundformel lautet: Plankosten = Bestand x Turnus x Plantarif 

7 Bestand

Jedem Produkt ist ein Bestandsobjekt [5] zugeordnet (Bild 10).

Bild 10: Grundlagen der Planwert-Kalkulation 

8 Turnus

  • Unter Turnus versteht man die Häufigkeit einer Produktleistung pro Jahr und bezogen auf eine Bestandseinheit,
  • Die Planturnusse werden auf Basis des Medianwertes ermittelt und variieren teilweise über die Baulastträger,
  • Die Planturnusse für kaum beeinflussbare Produkte wurden aus dem langjährigen Mittel hergeleitet (z. B. Winterdienstprodukte).

Die Plan-Turnusse wurden wie folgt kalkuliert:

Zunächst wurden die Leistungsmengen aus dem Vorjahr für jedes Produkt und je Baulastträger pro SM ermittelt. Durch Division mit dem Bestand erhält man für jede SM den Ist-Turnus je Produkt und Baulastträger. Diese Werte werden mit den „Praktikern“ besprochen und gegebenenfalls angepasst. Die so ermittelten Turnus-Werte werden dann als Planwerte für die Kalkulation des nächsten Jahres herangezogen. Der Vorteil des Median-Wertes gegenüber dem Mittelwert liegt in der Eliminierung der „Ausreißer“ (Bild 11).

Bild 11: Plan-Turnusse

Einige Beispiele für die so ermittelten Turnusse für Produkte mit Mengenerfassung sind dem Bild 12 zu entnehmen.

Bild 12: Beispiele für Turnusse bei Produkten mit Mengenerfassung

Der Personal und der Fahrzeug- und Gerätesatz (FuG) wird mittels Gesamtkostenverfah ren ermittelt. Hierbei werden alle auf eine Personalgruppe (z. B. Vorarbeiter, Straßenwärter, Streckenwart) oder FuG-Gruppe (z. B. Lkw, Unimog, Radlader) entfallenden Gesamtkosten durch den Soll-Bestand bzw. der Anzahl der Köpfe je Personalgruppe (multipliziert mit der maximalen Einsatzzeit) dividiert.

Die Plan-Tarife für FuG werden ebenfalls nach dem Medianverfahren ermittelt. Hierzu werden alle individuellen Personal- und FuG-Tarife je Produkt und SM aus dem Vorjahr ermittelt. Die jeweiligen Medianwerte werden dann als Planwerte für das Folgejahr angesetzt (Bilder 13 und 14)

Bild 13: Plan-Tarif

Bild 14: Beispielhafte Produktbudgetierung – Mäharbeiten Intensivbereich 

9 Berichtswesen

Das Berichtswesen wird beim LBM an drei Ebenen adressiert.

Für die Geschäftsführung werden aggregierte Werte dargestellt, z. B. Gesamtstundenverteilung, Gesamtkosten, Erfüllungsgrade usw. (Bild 15).

Bild 15: Vergleich Ist-Leistungen zu Plan-Leistungen (Erfüllungsgrad) der einzelnen Dienststellen 1 bis 9

Für die Dienststellen (Bild 16) und die Meistereien werden die Berichte auf die Produktebene herunter gebrochen. Durch eine optische Ampelfunktion können Dienststellenleiter, Fachgruppenleiter und SM-Leiter auf einen Blick erkennen, wo sie sich noch unterhalb der Vorgaben bewegen bzw. wo sie die Vorgaben übertreffen (Bild 16). In Klausurtagungen werden die Abweichungen dann besprochen. In den meisten Fällen gibt es plausible Erklärungen für die Abweichungen von den Kalkulationen. In den anderen Fällen werden Verbesserungen in den Arbeitsprozessen diskutiert.

Bild 16: Bericht Dienststellen

10 Fazit

In der Organisationslehre [6] herrscht eine große Übereinstimmung darüber, dass die Leistungsfähigkeit einer Organisation (eines Unternehmens, einer Behörde) i. W. von der Organisation ihrer Abläufe abhängt. Abläufe sind dabei die logische Verkettung von Einzelaktivitäten, die auf eine Leistungserbringung ausgerichtet sind. Die Optimierung dieser Ablaufketten in den Arbeitsprozessen im Betriebsdienst wird am wirkungsvollsten mit „Best-Practise“ – Verfahren erreicht. Verbindet man die optimierten Arbeitsprozesse betriebswirtschaftlich mit den Parametern „Turnus“ und „Leistungskennwerten“ und begleitet man die Arbeiten durch ein entsprechendes Controlling, führt dies zu einer deutlich größeren Wirtschaftlichkeit im Straßenbetriebsdienst. 

Literaturverzeichnis

  1. Organisationsverfügung für den Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz 2007
  2. Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2010 des Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz
  3. Controlling, Begriffe, Elemente, Methoden und Schnittstellen - Mathias Graumann 2011
  4. Betriebsdatenerfassungs-Positionskatalog (BDE) des Landesbetrieb Mobilität in Anlehnung an das Leistungsheft für den Straßenbetriebsdienst auf Bundesstraßen 2004
  5. Richtlinie zur Erhebung des Anlagenbestandes der Bundesfernstraßen
  6. Kostenrechnung und Kostenmanagement – Mathias Graumann 2008