FGSV-Nr. FGSV 002/100
Ort Karlsruhe
Datum 13.09.2011
Titel Erfahrungen mit einem eingeschränkten Not-Winterdienst bei einer Landesstraßenbauverwaltung
Autoren Ltd. RBDir. Dipl.-Ing. Jürgen Porwollik
Kategorien Straßenbetrieb, Winterdienst
Einleitung

Der harte Winter 2010/2011 hat den Landesbetrieb Straßen NRW, wie auch viele andere Straßenbauverwaltungen, nicht unvorbereitet getroffen. So hat der bereits sehr intensive Winter 2009/2010 gezeigt, dass bei nicht ausreichender Lagerhaltung und nicht genügenden Nachlieferungen, in Verbindung mit großen Bedarfsmengen, die Tausalzbestände sehr schnell verbraucht sind.

Der Winter 2009/2010 war in NRW im Vergleich zum langjährigen Mittel um 1,8 °C zu kalt. Dabei war er vor allem durch extreme Witterungssituationen, wie sehr niedrige Frosttemperaturen und lang anhaltende Schneefälle, gekennzeichnet. Seitens der Salzindustrie konnte der nachgefragte Tausalzbedarf aus der laufenden Produktion nicht mehr abgedeckt werden. Daher wurden die Lieferungen an Straßen NRW bereits Anfang Januar 2010 zentral vom Betriebssitz in Gelsenkirchen, entsprechend dem nötigsten Bedarf, den Meistereien zugeteilt.

Aufgrund des lang andauernden Winters wurde die vertraglich vereinbarte Liefermenge deutlich überschritten, so dass die Lieferungen für den dringenden Mehrbedarf der noch laufenden Winterperiode über eine Zusatzvereinbarung geregelt werden musste. Ein weiteres Problem zeigte sich darin, dass auch eine besonders große Nachfrage von den Kreisen, Städten und Gemeinden in NRW ausgelöst wurde. Hier waren wegen der in den letzen Jahren betriebenen Reduzierung der Streustofflagerkapazitäten die Nachfrage und damit die Lieferabhängigkeiten am größten.

Aufgrund der beschränkten Streustoffversorgung wurde der Umfang des Streudienstes in den jeweiligen Meistereibezirken nach Verkehrsfunktion der Straßen und Gefahrenstellen (z. B. Steigungs- und Gefällestrecken) festgelegt. In einigen Regionen, vor allem in den Mittelgebirgen, musste der Streudienst im Zuge von Landesstraßen reduziert werden. Der Räumdienst wurde aber weiter umfassend durchgeführt.

Die Erfahrungen aus dem Winter 2009/2010 haben bei Straßen NRW zur Umsetzung von Konsequenzen geführt. Nach Abschluss der Wintersaison wurde die gesamte Winterdienstorganisation einer kritischen Überprüfung unterzogen, mit dem Ziel, die Versorgungssituation mit Streustoffen zu optimieren. Grundlage der Überprüfung war das Strategiepapier der Länderfachgruppe Straßenbetrieb zur Optimierung der Salzversorgung bei extremer Winterwitterung.

Ein unmittelbarer Handlungsbedarf ergab sich für folgende Sachverhalte:

–    Ausschöpfung der verfügbaren Lagerkapazitäten und

–    Einführen einer konsequenten Bestandsführung der Salzlager.

Straßen NRW startete mit vollen Lagern (135.000 t Tausalz) in die Wintersaison 2010/2011. Mit der eingeführten Bestandsführung der Salzlager sollte sicher gestellt werden, dass ein Mindestlagerbestand von fünf Volleinsatztagen während des gesamten Winterzeitraumes nicht unterschritten wird.

Die Witterungsbedingungen im Dezember 2010 fielen allerdings so außergewöhnlich winterlich aus, dass sogar die Werte des Vorwinters bezüglich Intensität und Dauer der Schneefälle noch deutlich übertroffen wurden. Die im Strategiepapier getroffenen Maßnahmen und Festlegungen haben sich dabei weitgehend bestätigt. Allerdings zeigte sich auch, dass die empfohlenen Mindestlagerkapazitäten für Streustoffe noch nicht ausreichen. So konnten die extrem hohen Tausalzverbrauche im Dezember 2010 aus der laufenden Tausalzproduktion bei weitem nicht gedeckt werden. Bereits Mitte Dezember 2010 führten die deutlich eingeschränkten Liefermengen Tausalz dazu, dass Straßen NRW im Rahmen eines Not-Winterdienstes die Tausalzzuteilung zentral vom Betriebssitz in Gelsenkirchen vornehmen musste. Die Meistereien wurden aufgefordert, die verfügten Maßnahmen bei Tausalzmangel zu ergreifen. Der Verbrauch von Streusalz konnte auf BAB-Strecken durch den Verzicht der Bedienung der dritten Fahrsteifen von Richtungsfahrbahnen gesenkt werden. Zudem wurde bei anhaltendem Schneefall die Streumenge bei Wiederholungsstreuungen reduziert. Ergänzend dazu wurde verstärkt mechanisch geräumt.

Im nachgeordneten Straßennetz wurden Präventiveinsätze zur Vermeidung von Glätte vermehrt nur noch an Gefahrenstellen durchgeführt. Streueinsätze zur Glättebeseitigung erfolgten priorisiert in Abhängigkeit der Verkehrsbedeutung. So musste im Landesstraßennetz der Streudienst zum Teil auf Bereiche mit Streupflicht beschränkt werden. Die knappen Tausalzbestände führten insgesamt dazu, dass der Streudienst mit sehr sparsamer Streustoffdosierung gearbeitet hat.

In der zweiten Dezemberhälfte hatten ergiebige Schneefälle zur Folge, dass erstmalig in NRW witterungsbedingt temporäre Fahrverbote für Lkw über 7,5 t auf den Autobahnen angeordnet wurden. Damit sollte sichergestellt werden, dass die Fahrbahnen vom Winterdienst geräumt und gestreut werden konnten. Diese Maßnahme ist nicht unproblematisch und kann daher nur sehr restriktiv bei außergewöhnlichen Witterungsbedingungen in Betracht kommen.

Da sich bis zum Jahreswechsel 2010/2011 weder eine Änderung der Wettersituation noch der Versorgungslage mit Taustoffen abzeichnete, beauftragte Straßen NRW Ende Dezember im Rahmen eines Notkaufs ein Logistik-Unternehmen mit der Beschaffung von 50.000 t südamerikanischem Tausalz. Damit sollte der dringendste Bedarf an Taustoffen abdeckt werden. Nach Auslieferung des Tausalzes zeigte sich allerdings, dass das Material entgegen der vorgelegten Zertifizierung einen deutlich höheren Anteil an Körnung > 8 mm aufwies, so dass das gelieferte Material zunächst noch aufbereitet werden musste.

Aufgrund der gewonnenen Erfahrungen mit eingeschränkten Not-Winterdiensten ist den Verantwortlichen der Winterdienstorganisationen dringend zu empfehlen, die Empfehlungen des Strategiepapiers kurzfristig umzusetzen. Ergänzend dazu sollte eine Streusalzreserve für Notsituationen eingerichtet werden, sofern die Bemessungskapazitäten für den regionalen Bedarf nicht gegeben sind.

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Vorwort

Die Erfahrungen der Winterperioden 2009/2010 und 2010/2011 haben gezeigt, dass die Versorgung der Winterdienste mit Taustoffen bei extremen Witterungsbedingungen nicht sichergestellt ist. Dieses hat zu großen Problemen bei der Sicherstellung bzw. Wiederherstellung der Verkehrssicherheit auf Straßen geführt. Langanhaltende und großräumige winterliche Witterungsbedingungen haben gezeigt, dass die Lagerbestände der Winterdienste und die laufende Tausalzproduktion der Salzindustrie für den daraus resultierenden Nachfragebedarf nicht ausreichend bemessen sind. Diese Erfahrungen geben neben weiteren Maßnahmen Anlass, die Tausalzversorgung und Lagerhaltung kritisch zu überprüfen und unter neuen Gesichtspunkten zu optimieren.

1 Winterdienstorganisation bei Straßen NRW

Der Betriebsdienst des Landesbetriebes Straßen NRW ist für ein ca. 19.000 km umfassendes überörtliches Straßennetz zuständig. Zu diesem Netz zählen ca. 2.200 km Bundesautobahnen,

4.400 km Bundesstraßen, über 11.000 km Landesstraßen und etwa 1.000 km Kreisstraßen. Die Organisation des Landesbetriebes gliedert sich eine Zentrale, 10 Niederlassungen und 84 Meistereien.

Die mit der Organisation des Winterdienstes verbundenen Aufgaben beinhalten den Einkauf von Streustoffen, die Bevorratung und Bewirtschaftung (Lagerlogistik) des Materials sowie die Vorbereitung und Durchführung der Winterdiensteinsätze (Einsatz- und Streupläne, Streustofflogistik). Die Auslösung und Koordinierung des Winterdienstes auf den Autobahnen erfolgt durch die Winterdienstzentralen in Hamm und Krefeld. Während der Winterdienst auf den Autobahnen weitgehend mit eigenen Ressourcen durchgeführt wird, sind im Bereich der Straßenmeistereien weitere 163 Fremdunternehmer in die Durchführung des Winterdienstes eingebunden. Seitens des Landesbetriebes stehen 524 Winterdienstfahrzeuge mit Geräten und 60 Spezialgeräte (Schneefräsen und -schleudern) zur Verfügung. Die Taustoffe sind in 210 Streuguthallen mit einer Gesamtlagerkapazität von 150.000 t eingelagert.

Aufgrund seiner topographischen Gegebenheiten gliedert sich Nordrhein-Westfalen in unterschiedliche Klimazonen, die Winterdiensteinsatztage in der Spannweite von 30 Tagen im Flachland bis zu 110 Tagen im Bergland bedingen. Entsprechend der Winterlichkeit ist der Umfang des Streusalzeinsatzes bei Straßen NRW daher differenziert zu betrachten. An einem Wintertag, der in Nordrhein-Westfalen flächendeckend einen präventiven Streueinsatz erfordert, fällt beim Landesbetrieb ein Streustoffverbrauch von ca. 2.000 t an. An einem Wintertag mit flächendeckendem, ergiebigem Schneefall erhöht sich der tägliche Bedarf auf ca. 7.000 t. Die zu Winterbeginn vorhandene Lagerkapazität ist bei einem Befüllungsgrad von 80 % (ca. 120.000 t) auf eine Versorgungssituation ausgerichtet, dass mindestens 15 Winterdiensttage bei ungünstigsten Witterungsbedingungen und ohne Nachlieferung von Streusalz abgedeckt werden können.

Der Streusalzbedarf wird bei Straßen NRW seit Jahren europaweit ausgeschrieben. Auf Basis dieser Ausschreibung wurde im Herbst 2009 ein Zwei-Jahresvertrag zur Lieferung von Tausalz für die Wintersaison 2009/2010 und 2010/2011abgeschlossen. Der Vertag beinhaltet auch, dass 110 Kreisverwaltungen und Kommunen in Nordrhein-Westfalen ihren Tausalzbedarf hieraus beziehen (Kooperationsangebot). Zudem wurde erstmalig mit dem Vertragsabschluss 2009 auch die Tausalzbeschaffung für den Landesbetrieb Bau Sachsen-Anhalt abgedeckt. Auf Grund der großen Bestellmenge konnten somit günstige Einkaufskonditionen für alle Beteiligten erzielt werden.

Bezüglich der Lagerlogistik der Streusalzbevorratung sieht der Vertrag vor, dass für den Zeitraum der Winterperiode die Lieferung (Einlagerung in Salzhalle) innerhalb von maximal 48 Stunden nach Abruf zu erfolgen hat. Schwankungen im jährlichen Verbrauch werden durch vertragliche Festlegungen hinsichtlich der Abnahme von Mehr- oder Mindermengen berücksichtigt. So ist eine maximale Liefermenge von 160 % der ausgeschriebenen Bedarfsmenge vereinbart und eine Mindestabnahme von 60 % von der ausgeschriebenen Bedarfsmenge vorgesehen.

2 Analyse der letzten Winter

Die Größe der Vorhaltung von Lagerkapazitäten sowie Höhe der vertraglich einzuplanenden Bestellmengen an Tausalz werden beim Landesbetrieb auf der Grundlage langjähriger Erfahrungswerte ermittelt. Die Statistik zeigt hierzu (Bild 1), dass bei Straßen NRW bis zur Wintersaison 2008/2009 ein durchschnittlicher Streusalzverbrauch in Höhe von etwa 120.000 t pro Winterperiode festzustellen ist.

Bild 1: Streusalzverbrauch bei Straßen NRW im langjährigen Vergleich

Der geringste Verbrauch in dieser Zeitspanne trat mit ca. 38.000 t in der Wintersaison 2006/2007 auf und das Maximum mit 200.000 t, zwei Jahre später, in der Wintersaison 2008/2009. Die beiden letzten Winter haben mit 283.000 t und 240.000 t Streusalzverbrauch allerdings neue Rekordmarken gesetzt.

3 Winterdienst unter eingeschränkten Bedingungen

Durch den anhaltend strengen Winter 2009/2010, der ab Mitte Dezember 2009 einsetzte und sich flächendeckend und mit z. T. ergiebigen Schneefällen und Dauerfrost in Mitteleuropa festsetzte, ging ein kontinuierlich hoher Verbrauch an Streustoffen einher. Dieser Winter war in Nordrhein-Westfalen im Vergleich zum langjährigen Mittel um 1,8 °C zu kalt. Dabei war er vor allem durch extreme Witterungssituationen, wie sehr niedrige Frosttemperaturen und lang anhaltende Schneefälle, gekennzeichnet. Seitens der Salzindustrie konnte der nachgefragte Tausalzbedarf aus der laufenden Produktion nicht mehr abgedeckt werden. Daher wurden die Lieferungen an Straßen NRW bereits Anfang Januar 2010 zentral vom Betriebssitz in Gelsenkirchen, entsprechend dem nötigsten Bedarf, den Meistereien zugeteilt. Die Versorgung erfolgte von Anfang Januar bis Anfang März priorisiert mit Tagesmengen, die unterhalb der Bedarfsnachfrage lagen.

Aufgrund des lang andauernden Winters wurde die Liefermenge von 160 % der Bedarfsmenge weit überschritten. Dieses erforderte, dass Lieferungen für den dringenden Mehrbedarf der noch laufenden Winterperiode über eine Zusatzvereinbarung geregelt werden musste.

Ein weiteres Problem zeigte sich darin, dass auch eine besonders große Nachfrage von den Kreisverwaltungen, Städten und Gemeinden ausgelöst wurde. Hier waren wegen der in den letzen Jahren betriebenen Reduzierung der Streustofflagerkapazitäten die Nachfrage und damit die Lieferabhängigkeiten am größten. Darüber hinaus ist auch zu vermuten, dass ein gewisser Anteil der Folgen der Streusalzknappheit auf einen starken Abbau der Lagerkapazitäten der Salzproduzenten bzw. -lieferanten zurückzuführen ist.

Aufgrund der beschränkten Streustoffversorgung wurde der Umfang des Streudienstes in den jeweiligen Meistereibezirken nach Verkehrsfunktion der Straßen und Gefahrenstellen (z. B. Steigungs- und Gefällestrecken) festgelegt. In einigen Regionen, vor allem in den Mittelgebirgen, musste der Streudienst im Zuge von Landesstraßen reduziert werden. Der Räumdienst wurde aber weiter umfassend durchgeführt.

Die Erfahrungen aus dem Winter 2009/10 haben bei Straßen NRW zur Umsetzung von Konsequenzen geführt. Nach Abschluss der Wintersaison wurde die gesamte Winterdienstorganisation einer kritischen Überprüfung unterzogen, mit dem Ziel, die Versorgungssituation mit Streustoffen zu optimieren. Grundlage der Überprüfung war das Strategiepapier der Länderfachgruppe Straßenbetrieb zur Optimierung der Salzversorgung bei extremer Winterwitterung.

Ein unmittelbarer Handlungsbedarf ergab sich für folgende Sachverhalte:

–    Ausschöpfung der verfügbaren Lagerkapazitäten und

–    Einführen einer konsequenten Bestandsführung der Salzlager.

Als Sofortmaßnahme hat der Landesbetrieb Straßen NRW für seine Meistereien ein Salzmonitoring festgelegt, dass in Anlehnung an die Empfehlungen des Strategiepapiers der Länderfachgruppe Straßenbetrieb „Optimierung der Salzversorgung bei extremer Winterwitterung – Empfehlungen für die Winterdienst-Praxis“ erarbeitet wurde. Die Festlegungen und Vorgaben wurden aufgrund eigener Erfahrungen modifiziert (Bild 2). Das Salzmonitoring beinhaltet, dass zu Winterbeginn die vorhandenen Salzlager zu mindestens 90 % gefüllt sein müssen. Nachlieferungen sind gemäß Liefervertrag im Winter innerhalb von 48 Stunden vorgesehen. Die Lieferfrist beginnt um 0:00 Uhr des Folgetages nach Abruf. Aufgrund der vereinbarten Lieferzeit von 48 Stunden (2 Volleinsatztage) für Nachlieferungen, ist zur Einhaltung der Mindestfüllmenge spätestens bei einem Lagerbestand von 7 bzw. 5 (Übergangszeitraum) Volleinsatztagen eine Lagerauffüllung durch Bestellung auszulösen. Der Übergangszeitraum ist von den Meistereien in eigener Zuständigkeit in Abhängigkeit der aktuellen Witterungssituation festzulegen. Der abnehmende Bedarf im Spätwinter ist durch die Absenkung des Mindestlagerbestandes nach einem variablen Übergangszeitraum auf 3 Volleinsatztage berücksichtigt.

Bild 2: Bestellzeitpunkte für Nachlieferungen

Den Meistereien wurden darüber hinaus geeignete Maßnahmen zur Umsetzung bei nicht ausreichender Tausalzversorgung (Salznotstand) vorgegeben. Zielsetzung der Maßnahmen ist die Reduktion des Tausalzverbrauchs.

Straßen NRW startete mit vollen Lagern (135.000 t Tausalz) in die Wintersaison 2010/2011. Mit der eingeführten Bestandsführung der Salzlager sollte sichergestellt werden, dass ein Mindestlagerbestand von fünf Volleinsatztagen während des gesamten Winterzeitraumes nicht unterschritten wird. Die Witterungsbedingungen im Dezember 2010 fielen allerdings so außergewöhnlich winterlich aus, dass sogar die Werte des Vorwinters bezüglich Intensität und Dauer der Schneefälle noch deutlich übertroffen wurden. Die im Strategiepapier getroffenen Maßnahmen und Festlegungen haben sich dabei weitgehend bestätigt. Allerdings zeigte sich auch, dass die empfohlenen Mindestlagerkapazitäten für Streustoffe noch nicht ausreichen. So konnten die extrem hohen Tausalzverbrauche im Dezember 2010 aus der laufenden Tausalzproduktion bei weitem nicht gedeckt werden. Bereits Mitte Dezember 2010 führten die deutlich eingeschränkten Liefermengen Tausalz dazu, dass Straßen NRW im Rahmen eines Not-Winterdienstes die Tausalzzuteilung zentral vom Betriebssitz in Gelsenkirchen vornehmen musste. Die Meistereien wurden aufgefordert, die verfügten Maßnahmen bei Tausalzmangel zu ergreifen. Der Verbrauch von Streusalz konnte auf BAB-Strecken durch den Verzicht der Bedienung der dritten Fahrsteifen von Richtungsfahrbahnen gesenkt werden. Zudem wurde bei anhaltendem Schneefall die Streumenge bei Wiederholungsstreuungen reduziert. Ergänzend dazu wurde verstärkt mechanisch geräumt.

Im nachgeordneten Straßennetz wurden Präventiveinsätze zur Vermeidung von Glätte vermehrt nur noch an Gefahrenstellen durchgeführt. Streueinsätze zur Glättebeseitigung erfolgten priorisiert in Abhängigkeit der Verkehrsbedeutung. So musste im Landesstraßennetz der Streudienst zum Teil auf Bereiche mit Streupflicht beschränkt werden. Die knappen Tausalzbestände führten insgesamt dazu, dass der Streudienst mit sehr sparsamer Streustoffdosierung gearbeitet hat. In der zweiten Dezemberhälfte 2010 hatten ergiebige Schneefälle zu Folge, dass erstmalig in Nordrhein-Westfalen witterungsbedingt temporäre Fahrverbote für Lkw über 7,5 t zul. Gesamtgewicht auf den Autobahnen angeordnet wurden. Damit sollte sichergestellt werden, dass die Fahrbahnen vom Winterdienst geräumt und gestreut werden konnten.

Bild 3: Streusalzlagerbestand Straßen NRW im Winter 2010/2011

Diese Maßnahme ist allerdings nicht unproblematisch und kann daher nur sehr restriktiv bei außergewöhnlichen Witterungsbedingungen in Betracht kommen.

Aufgrund des hohen Streusalzverbrauchs und der ausbleibenden Nachlieferungen war der Gesamtstreusalzbestand von Straßen NRW bis zum Jahresende auf den Tiefstand von etwa

10.000 t gefallen (Bild 3). Rein statistisch lagen zu diesem Zeitpunkt nur noch etwa 40 t Streusalz in jeder Salzhalle.

Da sich bis zum Jahreswechsel 2010/2011 weder eine Änderung der Wettersituation noch der Versorgungslage mit Taustoffen abzeichnete, beauftragte Straßen NRW Ende Dezember im Rahmen eines Notkaufs ein Logistik-Unternehmen mit der Beschaffung von 50.000 t südamerikanischem Tausalz. Damit sollte der dringendste Bedarf an Taustoffen abdeckt werden. Nach Auslieferung des Tausalzes zeigte sich allerdings, dass das Material entgegen der vorgelegten Zertifizierung einen deutlich höheren Anteil an Körnung > 8 mm aufwies, so dass das gelieferte Material zunächst noch aufbereitet werden musste (Bild 4).  

Bild 4: Streusalzlieferung aus Südamerika (Peru und Chile)

4 Konsequenzen und Maßnahmen

Der Landesbetrieb Straßen NRW hat auf der Grundlage der Erfahrungen aus den Wintern 2009/2010 und 2010/2011 Regelungen für die Lagerbestandsführung und Maßnahmen bei Tausalzmangel erarbeitet und für die Meistereien verbindlich eingeführt.

Maßnahmen und Regelungen bei Straßen NRW:

–   
Lagerbestand

Füllgrad der Salzlager zu Beginn des Winters > 90 % der Salzlagerkapazität.

–    Mindestvorrat

Einhaltung eines Mindestvorrats im Winterzeitraum von 5 Volleinsatztagen und von 3 Volleinsatztagen im auslaufenden Winter (März-April).

–    Bestellzeitpunkt für Nachlieferungen

Zur Sicherstellung des Mindestvorrats – unter Berücksichtigung einer Nachlieferung innerhalb von 48 Stunden – spätester Bestellzeitpunkt bei Unterschreitung der Salzlagerkapazität von 7 bzw. 5 Volleinsatztagen.

–    Maßnahmen bei Tausalzmangel

Bei Tausalzmangel sind alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, die unter Beachtung der Verkehrssicherungspflicht und in Abhängigkeit der Verkehrsbedeutung zur Reduktion des Tausalzverbrauchs möglich sind. Somit sind Streueinsätze, die über das Mindestmaß hinausgehen, einzuschränken. Punktstreuungen bei Reif- und Eisglätte sollten nur im absoluten Notfall erfolgen, da dies für den Verkehrsteilnehmer schwer zu beurteilen ist. Bei Schneefall ist eine intensive mechanische Räumung durchzuführen. Strecken- und Fahrstreifensperrungen sind bei Tausalzmangel ebenfalls geeignete Maßnahmen, wenn die Verkehrsbedeutung dieses zulässt oder der Tausalzmangel keine Wahl lässt.

–    Lieferpriorisierung

Bei nicht ausreichender Tausalzbelieferung wird von der zuständigen Betriebsdienstabteilung im Betriebssitz eine gezielte Zuteilung der zur Verfügung stehenden Liefermengen in Abhängigkeit der Lagerbestände, Verkehrsbedeutung und erwarteter regionaler Wetterentwicklung tagesaktuell durchgeführt.

Zusätzlich ergriffene Maßnahmen in Nordrhein-Westfalen

Als Ergebnis eines Winterforums, dass im Januar 2011 vom Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen unter Beteiligung der Verkehrsträger Straße, Schiene und Luftverkehr in NRW organisiert wurde, wurden für den Bereich Straße folgende kurzfristig umzusetzende Maßnahmen festgelegt:

–    Zusätzliche Streusalzbevorratung (Streusalzreserve)

Zur Reduzierung der Versorgungsabhängigkeit durch Salzlieferanten bei hohen Taumitteldurchsätzen im laufenden Winterbetrieb werden in 2011 zusätzliche Reservelager angemietet und mit Streusalz befüllt.

–    Blaulicht- und Signalhornausstattung

Zur Erleichterung der Winterdienstdurchführung auf Bundesautobahnen ist für Meistereien mit Winterdienstschwerpunkten die Ausstattung von insgesamt 35 Winterdienstfahrzeugen mit Blaulicht- und Signalhorn vorgesehen.

–    Lkw-Fahrverbot

Um die Befahrbarkeit der Straßen insgesamt zu sichern, ist als „ultima ratio“ die Möglichkeit der witterungsbedingten Sperrung von Autobahnabschnitten für Lastkraftwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t vorgesehen. Die Anordnung der Fahrverbote erfolgt über die regional zuständigen Bezirksregierungen.

Darüber hinaus werden bei Straßen NRW weitere Aspekte vorrangig betrieben:

–    Umfassender Einsatz von „Flüssigstreuern“ zur Reduktion des Salzverbrauches auf BAB im Rahmen des präventiven Winterdienstes.

–    Verbesserung der Streutechnik und weitere Optimierung der Einsatzplanung sowie verbesserte Berücksichtigung aktueller Wetterdaten durch Weiterentwicklung der Sensortechnik (Thermomatsteuerung wird beim Landesbetrieb erprobt).

–    Optimierung der Be- und Entladevorgänge auf den Meistereien.

–    Erarbeitung von Konzepten zum Aufbau von Winterdienst-Management-Systemen, um alle verfügbaren und sinnvollen technischen Möglichkeiten im Winterdienst zu nutzen und zu vernetzen.

5 Fazit

Bei dauerhaft flächendeckend anstehendem Winterwetter mit sehr viel Schneefall besteht ein großer Taustoffbedarf. Ohne rechtzeitige Nachlieferungen werden die vorhandenen Bestände schnell aufgezehrt.

Damit Versorgungsengpässe überbrückt werden können, ist daher eine sorgfältige Bestandsführung, einhergehend mit einer rechtzeitigen Nachbestellung zur Wiederherstellung eines ausreichenden Lagerbestandes unabdingbar. Wird trotz der optimierten Bestandsführung und Lagerhaltung aufgrund nicht erfolgter oder verzögerter Nachlieferungen und entsprechender Wetterprognosen ein Tausalzmangel absehbar, so sind Maßnahmen zur Reduzierung des Tausalzbedarfs zu ergreifen. Diese Maßnahmen müssen vor dem Winter festgelegt und dokumentiert werden, damit ohne zusätzlichen Aufwand und Zeitverlust die erforderlichen Umstellungen in der Winterdienstdurchführung erfolgen können.