FGSV-Nr. FGSV 002/94
Ort Karlsruhe
Datum 15.09.2009
Titel Die Streutechnik der Zukunft – Wirkungsoptimierung und Qualitätssicherung
Autoren
Kategorien Straßenbetrieb, Winterdienst
Einleitung

Die Streutechnik hat sich seit dem Beginn der planmäßigen Salzstreuung in den 1950er Jahren wesentlich weiterentwickelt. Meilensteine waren die Entwicklung des Streutellers, die wegeabhängige Streuung und die Feuchtsalz-Streuung, alles heute selbstverständlich und unverzichtbar im Winterdienst.

Allerdings haben sich die Anforderungen an die Streutechnik im Laufe der letzten Jahre weiter deutlich gesteigert und werden auch in Zukunft noch verschärft werden. Die zielgerichtete und genaue Ausbringung und Verteilung sehr geringer Mengen auch mit hohen Streugeschwindigkeiten stellen hohe Anforderungen an die Ausbringungstechnik und das verwendete Material. Die heutige Ausbringungstechnik ist zwar bereits auf einem hohen Stand, wird aber den künftigen Anforderungen noch nicht in allen Punkten gerecht. Durch die Weiterentwicklung der Feuchtsalz-Streuung und die Anwendung reiner Lösungs-Ausbringung mit einer weiteren Verbesserung der Streubilder auch bei höheren Geschwindigkeiten wird die Ausbringungstechnik weiter optimiert werden. Gleichzeitig müssen die Möglichkeiten zur Automatisierung des Streuens wie Thermographie, Adaption an Fahrbahnzustände sowie automatisierte Streubreiten-Anpassung künftig noch besser genutzt werden.

Wesentliche Elemente einer Qualitätssicherung sind aber auch die laufende Überprüfung und gegebenenfalls Justierung der Geräte, eine gleichbleibend hohe Qualität der Streustoffe sowie eine laufende und gute Schulung des Einsatzpersonals.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1   Einführung

Aufgabe des Winterdienstes ist es, Schnee und Eis auf den Straßen zu bekämpfen und so für einen sicheren und flüssigen Verkehrsablauf auch an Wintertagen zu sorgen. Wichtigstes Mittel gegen Glätte ist dabei seit den 1960er Jahren das Streuen von Salz als auftauendes Mittel. Mit der stetigen Weiterentwicklung der Streutechnik ist es im Laufe der Jahre gelungen, immer geringere Mengen gezielt auszubringen.

Infolge der gestiegenen Ansprüche der Verkehrsteilnehmer, insbesondere auf den Autobahnen, nach jederzeit eisfreien Straßen, sind aber auch die Anforderungen an die Streutechnik gestiegen: Das Streuen muss heute zunehmend nicht nur kurativ, das heißt bei vorhandener Glätte, erfolgen, sondern es ist das Ziel, zu erwartende Glätte so weit wie möglich durch präventives Streuen von vornherein zu verhindern.

Die Entwicklung der Streutechnik hat allerdings in den letzten Jahren mit diesen Ansprüchen nicht in allen Punkten mithalten können, wohl auch weil die präventive Streuung jahrelang verteufelt wurde. Sowohl zu den Anforderungen an die präventive Streuung (Zeitpunkt, Mengen) als auch zur notwendigen Technik gab es wenig Kenntnisse und Erfahrungen. Im Zuge aktueller Forschungen und Entwicklungen wird derzeit diese Lücke geschlossen und eine optimierte Streutechnik in der Praxis umfassend getestet.

Über die Weiterentwicklung der Streutechnik selbst hinaus sind aber auch elektronische Hilfsmittel für das Streuen in der Zukunft und für dessen Qualitätssicherung zunehmend von Bedeutung.

2  Rückblick: Die Streutechnik im Wandel der Zeit

Mit der zunehmenden Motorisierung und der Notwendigkeit der Bekämpfung der Winterglätte auf den Straßen hat sich auch die Streutechnik im Winterdienst entwickelt, Deutschland war und ist hierbei immer wieder der Vorreiter gewesen.

Bereits 1938 wurde von der Firma Weisser in Bräunlingen der Streuteller entwickelt, mit dessen Hilfe das Streugut gleichmäßig und auf eine größere Streubreite dosiert und verteilt werden konnte. Allerdings wurden die ersten Streuteller noch vom fahrenden Fahrzeug aus per Hand befüllt (Bild 1).

Bild 1: Historischer Streuteller

Eine wesentliche Weiterentwicklung waren dann die sogenannten „Streuautomaten“, bei denen der Streuteller während der Fahrt automatisch mit Streustoffen versorgt wurde (Bild 2).

Bild 2: Einer der ersten Streuautomaten (1951)

Konnten die ersten Streugeräte nur mit einer konstanten Geschwindigkeit gefahren werden, wurde ab 1960 das sogenannte „wegeabhängige Streuen“ eingeführt, bei dem das Streugerät automatisch geschwindigkeitsabhängig dosierte.

Einen weiteren besonderen Meilenstein stellte die Entwicklung der Feuchtsalz-Technik dar, die seit 1976 in Deutschland erprobt und eingeführt wurde. Hierbei wird das Salz nicht mehr trocken ausgebracht, sondern mit Salzlösung befeuchtet. Die Fahrzeuge müssen das trockene Salz und die Salzlösung getrennt befördern, gemischt wird dies erst unmittelbar vor der Ausbringung auf dem Streuteller. Das Bild 3 zeigt ein Feuchtsalz-Streugerät heutiger Bauart.

Bild 3: Modernes Feuchtsalz-Streugerät

Weniger Salzverluste sowie eine deutlich schnellere und bessere Tauwirkung machen diese Technik sowohl verkehrlich und wirtschaftlich als auch ökologisch dem Trockensalz überlegen, so dass diese Technik heute Standard ist, und dies nicht nur in Deutschland.

Die Feuchtsalz-Technik wurde in den letzten Jahren auch stetig weiterentwickelt, so dass heute ein sehr gutes Streubild, das heißt eine optimale Längs- und Querverteilung des Streustoffes möglich ist. Die neueste europäische Norm für Streugeräte (DIN EN 15597 aus 2009) setzt dies nun auch europäisch zum Standard.

Zur Optimierung der vorbeugenden Streuung ist nun ein weiterer Schritt in der Entwicklung der Streutechnik erforderlich, da die Feuchtsalz-Technik hierfür zwar geeignet, aber noch nicht optimal ist.

3  Vorbeugendes Streuen – wichtiger denn je

Das Klima in Deutschland ist im Winter oft durch Temperaturen um den Gefrierpunkt geprägt, häufige Frost-Tau-Wechsel sind die Folge. Dementsprechend sind Eisglätte („überfrierende Nässe“) und Reifglätte sehr häufige Formen der Winterglätte.

Studien zur Verkehrssicherheit im Winter zeigen gleichzeitig, dass diese Formen der Glätte besonders gefährlich sind, da sie oft unerwartet und nur punktuell auftreten und von den Verkehrsteilnehmern nicht leicht erkannt werden können. Demzufolge ist das Unfallrisiko an solchen Glättestellen um ein vielfaches höher als bei flächendeckender Winterglätte wie z. B. nach einem Schneefall.

Leider muss man auch feststellen, dass die Verkehrsteilnehmer heute – zumindest auf den Autobahnen – jederzeit fest mit gestreuten Fahrbahnen rechnen, denn selbst bei entsprechenden Wetterlagen und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt wird in der Regel mit unverminderter Geschwindigkeit gefahren. Treffen solche Fahrer auf glatte Fahrbahnstellen, sind schwere Unfälle die Folge.

Dementsprechend muss es das Ziel des Winterdienstes sein, Reif- und Eisglätte möglichst wirksam zu bekämpfen. Das bedeutet, am besten diese Glätteformen von vornherein zu vermeiden.

Dies kann nur durch vorbeugende Streuungen erfolgen, indem bei entsprechenden Fahrbahn- und Witterungsverhältnissen die glättegefährdeten Stellen bereits vor der Bildung von Glätte gezielt abgestreut werden. Genaue Kenntnisse über die physikalisch-meteorologischen Zusammenhänge bei der Glättebildung, sehr detaillierte Wetterprognosen in Verbindung mit modernen Glättemeldeanlagen sowie genaue Kenntnisse des Netzes helfen heute dabei, den richtigen Zeitpunkt und Ort für solche Streuungen festzulegen. Eine Technik und ein Know-How, die erst in den letzten Jahren wesentlich entwickelt wurden.

Dies ist auch der Unterschied zu früheren Zeiten, in denen diese Hilfsmittel nicht zur Verfügung standen und die vorbeugende Streuung nicht immer planmäßig erfolgte und daher oft „verteufelt“ wurde. Wird die vorbeugende Streuung heute auf der Basis guter Daten und Kenntnisse gemacht, ist sie ein großer Beitrag zur Optimierung der Verkehrssicherheit und des Verkehrsflusses im Winter.

Gleichzeitig spart eine vorbeugende Streuung zum richtigen Zeitpunkt aber auch Salz ein, da zur Vermeidung von Glättebildung deutlich weniger Salz benötigt wird als zum Auftauen vorhandener Glätteschichten. Je nach Witterungslage und Temperatur braucht man zur vorbeugenden Streuung zwischen 30 und 70 % weniger Salz als zur Bekämpfung vorhandener Eisschichten.

Dies hat folgende Ursache: Das Salz benötigt zum Auftauen des Eises auf der Fahrbahn Zeit, je niedriger die Temperatur umso mehr. Diese Zeitdauer steht aber beim kurativen Streuen nicht zur Verfügung, da aus Gründen der Verkehrssicherheit und des Verkehrsflusses eine möglichst schnelle Tauwirkung erreicht werden muss. Demzufolge muss mehr Salz aufgebracht werden, als eigentlich zum Auftauen benötigt würde, wenn unendlich Zeit zur Verfügung stünde; zudem wird mit zunehmender Dauer des Tauvorgangs noch nicht in Lösung gegangenes Salz durch den Verkehr weggeschleudert und unwirksam. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die gestreute Menge Salz ausreichen muss, um in kurzer Zeit die erforderliche Tauwirkung zu erzielen.

Bild 4: Taugeschwindigkeit von NaCl in Abhängigkeit der Temperatur

Im Bild 4 sind die Tauleistungskurven von Natriumchlorid über die Zeit in Abhängigkeit der Temperatur aufgetragen. Setzt man als Ziel eine Tauwirkung innerhalb von 15 Minuten an, so erkennt man, dass innerhalb dieses Zeitraums das Salz je nach Temperatur nur etwa 70 % bis sogar weniger als 10 % seiner Taukapazität entwickelt hat. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass bei voller Nutzung der Taukapazität zwischen 30 und 70 % weniger Salz erforderlich wäre. Und dies ist beim vorbeugenden Streuen der Fall: Hier kommt es nämlich nicht auf die Taugeschwindigkeit an, sondern es befindet sich bereits eine Salzlösung auf der Fahrbahn, bei der lediglich ein Gefrieren dieser Lösung verhindert werden muss, wobei die volle Salzkapazität zum Tragen kommt. Das bedeutet: Selbst, wenn man keine Salzverluste durch den Verkehr unterstellt, benötigt man für die vorbeugende Streuung je nach Temperatur zwischen 30 und 90 % weniger Salz als zum Auftauen (Bild 5).

Insofern ist bei entsprechender Wetterlage eine vorbeugende Streuung nicht nur statthaft, sondern aus verkehrlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Gründen dringend geboten.

Die Rechtsprechung deutet im Übrigen ebenfalls in diese Richtung, wonach bei eindeutiger Glättegefahr sich aus der Streupflicht durchaus die Verpflichtung zur vorbeugenden Streuung ergibt.

Bild 5: Salzeinsparung bei vorbeugender Streuung in Abhängigkeit der Temperatur

Beispielhaft sei die Rechtslage an folgenden zwei Urteilen verdeutlicht:

„Ein „vorbeugendes Streuen“ ist an gefährlichen Straßenstellen jedenfalls dann geboten, wenn unter den gegebenen Umständen Anlass besteht, gegen eine an solcher Stelle konkret zu befürchtende Glatteisgefahr Vorsorgemaßnahmen zu treffen (z. B. … Gefahr des Wiederabsinkens der Tagestemperaturen unter den Gefrierpunkt)“ [BGH 20.12.1984]

„Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Streupflicht auch eine vorbeugende Streuung von gefährlichen Straßenstellen umfassen kann, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Glatteisbildung z. B. aufgrund des Wiedergefrierens vorhandener Nässe …. bestehen“ [OLG Hamm 20. 1. 2006].

Mit der Verbesserung der Straßen-Wetter-Informationen und der Prognosen ergibt sich damit immer häufiger auch aus rechtlicher Sicht eine vorbeugende Streupflicht, da nun die Anhaltspunkte für die bevorstehende Glättebildung wesentlich eindeutiger als früher und auch dokumentiert sind.

Ein weiterer Vorteil der vorbeugenden Streuung ist der, dass die Streufahrzeuge auf trockener oder nasser Fahrbahn sicherer und schneller fahren können als auf winterglatter, so dass auch die Sicherheit des eigenen Personals und die Kosten (Zeitbedarf für die Streuung) optimiert werden können. Bei der kurativen Streuung müssen die Streufahrzeuge nicht nur deutlich langsamer fahren, sondern stehen eventuell selbst im glättebedingten Stau.

Bei drohender Reif- und Eisglätte spricht also alles für eine vorbeugende Streuung. Das Problem hierbei ist nur, dass die Streutechnik und das Know-How hierfür noch nicht optimiert sind, da der vorbeugenden Streuung in den letzten Jahren nicht so große Aufmerksamkeit in der Weiterentwicklung geschenkt wurde.

4   Optimierungsbedarf in der Streutechnik

Wo bestehen denn nun die Probleme der heutigen Streutechnik beim vorbeugenden Streuen? Es sind dies drei Punkte:

Erstens gibt es bei größeren Streugeschwindigkeiten Probleme: Bis zu 40 km/h liefert die Feuchtsalz-Streuung ein sehr gutes Streubild, doch darüber bringen Fahrtwind und Turbulenzen zunehmend Probleme, so dass das Streubild immer ungleichmäßiger wird und Wehverluste beim Salz auftreten. Kurative Einsätze auf glatter Fahrbahn werden naturgemäß nicht mit hohen Geschwindigkeiten durchgeführt, bei vorbeugenden könnte man jedoch insbesondere auf Autobahnen – deutlich schneller fahren, wenn dies die Streutechnik erlauben würde. Dies wäre im Übrigen auch für die Einsatzfahrzeuge einfacher, da sie dann besser im Verkehr „mitschwimmen“ können und weniger gefährdet wären.

Das zweite Problem ist, dass die Feuchtsalz-Technik bei Streudichten von 5 g/m² deutlich an ihre Grenzen stößt. Diese extrem geringe Menge („Apothekermenge“) bei voller Fahrt auch noch gleichmäßig auf die Fahrbahn zu verteilen, ist nur sehr schwer möglich. Für die vorbeugende Bekämpfung leichter Eis- und Reifglätte sind jedoch solche Streudichten ausreichend, gegebenenfalls sogar noch geringer möglich.

Das dritte Problem liegt in der Liegedauer des Salzes. Wenn auch das Feuchtsalz wesentlich besser auf der Fahrbahn haftet als reines Trockensalz, so wird es dann doch im Laufe der Zeit durch den Verkehr von der Fahrbahn oder zumindest aus den Reifenspuren weggeschleudert, wenn es nicht in Lösung gegangen ist, insbesondere auf Autobahnen mit starkem Verkehr.

Jüngste Forschungsergebnisse zur Liegedauer von Tausalzen [Hausmann 2009] zeigen, dass die Menge des vorbeugend ausgebrachten Salzes auf der Fahrbahn im Laufe der Zeit deutlich reduziert wird. Ein Speichereffekt über eine längere Zeitdauer als zwei Stunden ist nur minimal gegeben. Die Zeitdauer zwischen Ausbringung und erwarteter Glätte muss also möglichst gering sein, ansonsten müssten die Streumengen unnötig hoch sein oder die Streuung wäre wirkungslos. Beides gilt es zu vermeiden.

5   Neue Entwicklungen: Ausbringung reiner Salzlösung

Die verstärkte Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit vorbeugender Streuung mit extrem geringen Salzmengen bei hohen Streugeschwindigkeiten in Verbindung mit den oben genannten Problemen hat die Winterdienst-Forschung in Deutschland veranlasst, über eine Weiterentwicklung der Streutechnik für diesen Anwendungsfall intensiv nachzudenken. Dies erfolgte in enger Abstimmung zwischen den Anwendern und den Streugeräte-Herstellern bei intensiver Begleitung des Fachausschusses Winterdienst.

Ergebnis sind Versuche, bei der vorbeugenden Streuung ganz auf die Trockensalzmasse zu verzichten und stattdessen reine Salzlösung auszubringen. Die Ausbringung von Salzlösungen wurde zwar auch schon in der Vergangenheit punktuell praktiziert, aber nicht mit der jetzt entwickelten Präzision und Gerätetechnik.

Ziel ist es dabei, bei hoher Fahrtgeschwindigkeit die Salzlösung in geringsten Konzentrationen (Minimum 20 ml/m², das entspricht etwa 4 g/m² Salz) so gleichmäßig auf die Fahrbahn zu verteilen, dass diese durchgehend mit der Lösung benetzt ist. Hierfür mussten die Geräte speziell entwickelt werden.

Im Winter 2008/09 wurden erste Versuche in Brandenburg gefahren, die so ermutigend waren, dass im jetzigen Winter mit weiter entwickelten Geräten auf breiterer Basis Versuche gefahren werden, in verschiedenen Bundesländern (Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg). Dabei werden verschiedene Gerätetypen und verschiedene Streutechniken und Salzlösungen getestet, eine wissenschaftliche Begleitung und vergleichende Auswertung ist über das Bundesverkehrsministerium und die Bundesanstalt für Straßenwesen sichergestellt [vgl. auch Niebrügge 2009].

Die Bilder 6 und 7 zeigen neu entwickelte Geräte zur reinen Lösungsausbringung (Bild 7) bzw. mit der Möglichkeiten der kombinierten Anwendung für Lösung und Feuchtsalz (Bild 6) sowie deren Streubilder in den Pilotversuchen.

Bild 6: Kombinations-Streugerät für Feuchtsalz und für reine Lösungsausbringung (unten im Einsatz beim Sprühen)

Die ersten Ergebnisse dieser Versuche zeigen, dass die Ausbringung reiner Salzlösungen für die vorbeugende Streuung möglich ist und eine wesentlich verbesserte Lösung bietet. Die neu entwickelten Geräte gewährleisten eine gute und gleichmäßige Benetzung der Fahrbahn auch bei hohen Geschwindigkeiten (60 km/h und höher) und extrem geringen Streudichten (20 ml/m², teilweise sogar 10 ml/m²).

Bild 7: Streugeräte verschiedener Hersteller für reine Lösungsausbringung, unten im Sprüheinsatz

Kontrollmessungen zeigen des Weiteren, dass diese geringen Streudichten für die vorbeugende Bekämpfung leichter Reif- und Eisglätte ausreichen und dass die Salzlösung wesentlich länger auf der Fahrbahn haften bleibt als Feuchtsalz; auch nach deutlich über 2 Stunden mit starkem Verkehr.

Die Versuche müssen zwar noch auf breiterer Basis durchgeführt und dabei die ersten Ergebnisse umfassend bestätigt werden, doch ist aufgrund der jetzigen Erfahrungen davon auszugehen, dass die Streutechnik im Winterdienst durch die reine Lösungsausbringung für vorbeugende Streuungen sinnvoll ergänzt werden kann und damit der Winterdienst einen weiteren Meilenstein der Entwicklung nehmen wird.

Eine vorbeugende Streuung mit dieser Technik wird die Verkehrssicherheit im Winter weiter erhöhen, gleichzeitig aber auch durch minimale Salzmengen der Wirtschaftlichkeit und dem Umweltschutz noch besser Rechnung tragen.

Das Feuchtsalz-Verfahren wird allerdings auch weiterhin seinen Stellenwert behalten, da es für kurative Streuungen, für größere Streumengen sowie für sehr niedrige Temperaturen ohne Alternative ist, weil die Ausbringung reiner Lösung in diesen Fällen nicht zielführend ist. Und dies ist und bleibt der größte Teil der Anwendungsfälle.

Ob man künftig für die verschiedenen Anwendungsfälle unterschiedliche Streugeräte vorhalten muss oder ob im Sinne eines wirtschaftlichen Einsatzes Kombinationsgeräte zum Einsatz kommen, die beide Techniken der Streuung beherrschen, bleibt der weiteren Entwicklung vorbehalten.

6   Automatisierung des Streuens

Neben der Weiterentwicklung der Streutechnik selbst geht die Entwicklung beim Streuen in Richtung einer zunehmenden Automatisierung. Diese wird durch die verstärkte Nutzung der Elektronik und der Datenverarbeitung möglich und hat das Ziel genaueren Streuens bei gleichzeitiger Entlastung des Fahrpersonals.

Schon seit einigen Jahren im Einsatz und in der Praxis bewährt hat sich die „Thermographie“, bei der vom fahrenden Streufahrzeug aus die Fahrbahntemperatur mittels einer Infrarotkamera gemessen und dann vollautomatisch die Streudichte der Temperatur angepasst wird. Dieses System bietet den Vorteil, dass die Streudichte wesentlich besser der Temperatur angepasst werden kann als dies manuell überhaupt möglich ist und damit weder zu viel noch zu wenig gestreut wird. Die Salzeinsparungen amortisieren die Beschaffungskosten des Systems. Außerdem wird der Fahrer wesentlich entlastet und die Rechtssicherheit der Streuung gesteigert.

Allerdings müssen auch bei diesen Systemen besondere Situationen beachtet und gegebenenfalls manuell eingegriffen werden: Zum einen, wenn die Streubreite über die Fahrspur hinaus geht und bei den mit abgestreuten Flächen andere Belagstemperaturen zu erwarten sind. Zum anderen vor allem bei vorbeugender Streuung oder Streuungen am Abend, wenn eine deutliche Abkühlung zu erwarten ist, denn das System dosiert nur entsprechend der aktuellen Temperatur.

Die automatische Streudatenerfassung entlastet auch wesentlich das Fahrpersonal und trägt zur besseren Dokumentation des Winterdienstes bei, insbesondere wenn diese mit automatisierter Positionierung mittels GPS verbunden ist.

Die Nutzung solcher Systeme eröffnet zusätzlich die Möglichkeit, eine automatisierte Routenführung beim Streueinsatz anzubieten. Wenn die Räum- und Streupläne im System elektronisch erfasst sind, kann über das Bordgerät im Fahrzeug der Fahrer wie bei einem heute in Pkws üblichen Navigationssystem auf der Route sicher geführt werden, wobei auch Hinweise zum Räum- und Streuvorgang (Streuer ein/aus, Hinweise zu Fahrspur, Streubreite, Räumschild, besondere Streckenpunkte, Warnungen) möglich sind. Dies unterstützt den Fahrer sehr stark, so dass er sich voll auf das Räumen und Streuen konzentrieren kann. Außerdem erleichtern solche Systeme sehr stark den Wechsel von Fahrern und die Einarbeitung neuer Fahrer bzw. die Umstellung von Fahrtrouten. Allerdings müssen die Streupläne immer absolut aktuell gehalten werden, und Abweichungen von der Route (Baustellen, Staus, besondere Einsätze) müssen nach wie vor klassisch bewältigt werden.

Noch weitergehend sind Systeme, wie sie derzeit in Dänemark eingesetzt werden. Hier werden dem Fahrer nicht mehr die Hinweise zur Steuerung des Streuers gegeben, sondern der Streuer wird auf der Basis der Positionierung und vorher eingespeicherter Vorgaben voll automatisch gesteuert (Streuer an/aus, Streubreite, Streurichtung, gegebenenfalls Veränderungen der Streudichte, soweit nicht per Thermographie gesteuert).

Ausgangsgedanke solcher Systeme ist, dass während der Einsatzfahrt eine Vielzahl von Einstellungen am Streugerät erforderlich ist, insbesondere im städtischen Bereich. So muss der Streuer nicht nur mehrfach aus und wieder eingeschaltet werden (Leer- und Wendefahrten auf der Route), sondern vor allem die Streubreite und egebenenfalls die Streurichtung laufend der Fahrbahnbreite und den abzustreuenden Nebenflächen angepasst werden. Zum Beispiel sollten Abbiegefahrspuren, erweiterte Knotenpunktbereiche und Bushaltestellen immer mit abgestreut werden, wofür eine größere Streubreite erforderlich ist; andererseits würde unnötig viel Salz und dies unerwünscht auf Seitenflächen (insbesondere Grünflächen) gestreut, wenn die Streubreite nicht anschließend wieder reduziert bzw. die Streurichtung wieder angepasst wird.

Das Bild 8 zeigt dies schematisch am Beispiel der Streufahrt über einen einfachen Knotenpunkt, bei der innerhalb einer Fahrzeit von wenigen Sekunden zwei mal die Streubreite und drei mal die Streurichtung (Symmetrie) verändert werden müsste, wenn exakt gestreut würde. Eine typische Streuroute erfordert dementsprechend zwischen 200 und bis zu 700 Einstellungen in zwei Stunden. Dies kann das Fahrpersonal keinesfalls leisten (abgesehen davon dass dies ohnehin nur bei hervorragender Ortskenntnis überhaupt möglich wäre), und in der Praxis werden deutlich weniger Einstellungen vorgenommen. Mit der Folge, dass teilweise Nebenflächen ungestreut bleiben oder zu viel Salz gestreut wird.

Bild 8: Notwendige Anpassung des Streuers in Streubreite und Streurichtung (Asymmetrie) bei Fahrt über einen Knotenpunkt

Die automatisierte Streuung kann dies dagegen problemlos und sicher leisten. Dafür wird die im Gerät gespeicherte Fahrtroute vor Winterbeginn im Trockenkurs langsam abgefahren und dabei die erforderlichen Streugeräte-Einstellungen vorgenommen und im System abgespeichert. Während des Einsatzes werden sie dann nur noch aus dem Speicher in Abhängigkeit der Position abgerufen.

Der große Vorteil dieses Systems liegt auf der Hand: ein absolut richtiges und sicheres Streuen aller erforderlichen Flächen (und nur dieser) mit deutlicher Entlastung des Fahrers. Nachteile sind ähnlich wie bei der automatisierten Routenführung aber verstärkt der Aufwand und der tagesaktuelle Änderungsdienst bei den Routen, bei besonderen Einsätzen, Abweichungen von der Route oder sonstigen Besonderheiten muss das System abgeschaltet und manuell eingegriffen werden. Hierbei besteht natürlich die Gefahr, dass die Fahrer, die nur noch voll automatisiert streuen, keinerlei Kenntnisse und Erfahrungen mehr haben, wenn sie den Streuer im Bedarfsfall manuell steuern müssen.

Insofern wird abzuwarten sein, inwieweit sich solche Systeme in Zukunft durchsetzen werden. In der Abwägung der Vor- und Nachteile eignen sie sich besonders in städtischen Bereichen, wo in der Regel die Routen wesentlich komplexer sind als im Bereich der Außerortsstraßen und Autobahnen. Insbesondere in großen Städten mit großen Netzen und vielen Räum- und Streurouten, die der einzelne nicht mehr alle kennen kann, ergeben sich Vorteile.

7  Fazit

Die Streutechnik hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant entwickelt. Nunmehr wird mit der Praxisentwicklung der reinen Lösungsausbringung ein weiterer wesentlicher Meilenstein der Entwicklung erreicht. Diese Technik wird insbesondere für vorbeugende Streuungen eine wichtige und gute Ergänzung der Feuchtsalztechnik sein und kann dabei wesentlich zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und Wirtschaftlichkeit im Winter beitragen. Allerdings wird dies immer nur eine Ergänzung zum Feuchtsalz sein, das nach wie vor für die meisten Anwendungsfälle die beste Lösung bleibt.

Mit dem Einzug der Elektronik und der Datenverarbeitung in die Winterdienst-Technik gibt es in zunehmendem Maße Möglichkeiten der Automatisierung des Streuens. Dies kann eine deutlich verbesserte Genauigkeit des Streuens und eine wesentliche Entlastung des Fahrpersonals bringen. Die Anwendung solcher Systeme sollte jedoch mit Augenmaß individuell angepasst an das jeweilige örtliche System erfolgen, Standardlösungen für jeden Fall gleich gibt es hier nicht.

Allerdings ist bei der Anwendung der besten und modernsten Technik immer wieder darauf hinzuweisen, dass die beste Technik nichts nützt ohne eine begleitende Qualitätssicherung. Dies heißt im vorliegenden Fall insbesondere:

  • Beschaffung leistungsfähiger und präzise arbeitender Streugeräte auf der Grundlage der neuen Europäischen Norm (15597-1 und -2 aus 2009 und 2010),
  • Regelmäßige Überprüfung und Justierung der Streugeräte hinsichtlich ihrer Dosiergenauigkeit,
  • Verwendung hochwertigster Salze auf der Basis der „Technischen Lieferbedingungen und Richtlinien für Streustoffe des Straßenwinterdienstes“, regelmäßige Prüfung der Lieferungen,
  • Regelmäßige und intensive Schulung des Personals hinsichtlich Glättebildung, Wetterbeobachtung, Salzanwendung, Streu- und Räumtechnik sowie der neuen Fahrzeug- und Gerätetechnik.

Literaturverzeichnis

  1. DIN EN 15597: Winterdienst – Streumaschinen Teil 1: Generelle Anforderungen und Definitionen (2009), Teil 2: Anforderungen und Testverfahren für das Streubild (Entwurf 2009)
  2. Durth, W.; Hanke, H.: Handbuch für den Straßenwinterdienst, Kirschbaum-Verlag, Bonn 2004
  3. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Lieferbedingungen und Richtlinien für Streustoffe des Straßenwinterdienstes (TL-Streu), Köln 2003, FGSV 379
  4. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Praktische Hinweise für die Einsatzleitung im Winterdienst, Köln 2009, FGSV 416 E
  5. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Praktische Hinweise zum Räumen und Streuen für das Fahrpersonal im Winterdienst, Köln 2009, FGSV 416 F
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  8. Hanke, H.: Aktuelle Entwicklungen im Bereich von Streustoffen und Streutechnik für den Winterdienst, In: Straße und Autobahn, Heft 8/2007
  9. Hanke, H.: Winterdienst auf hohem technischen Niveau in Europa – eine Bestandsaufnahme, In: Straße und Autobahn, Heft 8/2008
  10. Hanke, H.: Standardisation and Operation of Spreaders in Winter Maintenance, In: Winter Service Strategies for increased European Road Safety, Report COST 353 Final Conference, Bad Schandau (D) 2008
  11. Hanke, H.: Neue Europäische Normen für den Winterdienst und Betriebsdienst, Vortrag 7. ASTRAD-Symposium, Wels (A) 2009
  12. Hausmann, G.: Verteilung von Tausalzen auf der Fahrbahn, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft V 180, Bergisch Gladbach 2009
  13. Knudsen, F.; Sommer, B.: Future Developments in Winter Maintenance Management, In: Winter Service Strategies for increased European Road Safety Report COST 353 Final Conference, Bad Schandau (D) 2008
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  15. Wehner, B.: Streugeräte für den Straßenwinterdienst In: Straße und Autobahn, Heft 4/1953