FGSV-Nr. FGSV 002/109
Ort Bergisch Gladbach
Datum 04.03.2015
Titel Vertikale Moosfilter durch Sedimentationsbepflanzung effektiver zur Reduktion der Feinstaub- und Stickstoffoxidbelastung nutzen
Autoren Victor Splittgerber, Peter Sänger
Kategorien Luftqualität
Einleitung

Blätter und andere Pflanzenteile wirken als physischer Widerstand und entschleunigen Partikel, sodass sich diese durch Sedimentation an den Pflanzenteilen ablagern (GORBACHEVSKAYA, O. 2007; KAPPIS, C. 2007). Trotzdem können Blütenpflanzen Partikel nicht dauerhaft fixieren. Denn diese gelangen durch Aufwirbelung wieder zurück in die Luft. Zusätzlich hängt das Feinstaubfilterungspotenzial von zahlreichen physiologischen und chemischen Eigenschaften der eingesetzten Pflanzen und der Komposition von Einzelgehölzen ab (RO-LOFF, A. 2013). Zudem bildet dichter Bewuchs in manchen Fällen Durchlüftungsbarrieren und verstärkt die Konzentration an PM (THÖNNESSEN, M. 2006). Außerdem erleidet innerstädtische Vegetation Vitalverluste durch erhöhten Krankheitsbefall, Schadstoffbelastung (nicht industriefeste Gehölze) und klimatische Veränderungen, die sich negativ auf die Feinstaubbindungskraft auswirken.

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1. Luftbelastung durch Pflanzen reduzieren

Blätter und andere Pflanzenteile wirken als physischer Widerstand und entschleunigen Partikel, sodass sich diese durch Sedimentation an den Pflanzenteilen ablagern (GORBACHEVSKAYA, O. 2007; KAPPIS, C. 2007). Trotzdem können Blütenpflanzen Partikel nicht dauerhaft fixieren. Denn diese gelangen durch Aufwirbelung wieder zurück in die Luft. Zusätzlich hängt das Feinstaubfilterungspotenzial von zahlreichen physiologischen und chemischen Eigenschaften der eingesetzten Pflanzen und der Komposition von Einzelgehölzen ab (RO-LOFF, A. 2013). Zudem bildet dichter Bewuchs in manchen Fällen Durchlüftungsbarrieren und verstärkt die Konzentration an PM (THÖNNESSEN, M. 2006). Außerdem erleidet innerstädtische Vegetation Vitalverluste durch erhöhten Krankheitsbefall, Schadstoffbelastung (nicht industriefeste Gehölze) und klimatische Veränderungen, die sich negativ auf die Feinstaubbindungskraft auswirken.

Laborversuche an der Universität Bonn haben ergeben, dass Moose ausgezeichnet Schadstoffe fixieren können (Frahm, J.P. 2007). Moose sind durch spezielle physiologische Eigenschaften strikt von Gefäßpflanzen zu unterscheiden. Sie besitzen kein ausgeprägtes inneres Leitsystem und sind damit nicht in der Lage, Wasser und Nährstoffe aus dem Boden aufzunehmen. Daher sind Moose so genannte natürliche Kationen-austauscher und haben die Fähigkeit, ihre Oberfläche elektrostatisch aufzuladen, um Nährstoffe aus der Luft zu sammeln. Da Feinstaub und NOx-Verbindungen positiv und die Moosoberfläche negativ geladen sind, entstehen Anziehungs- und Bindungskräfte, die das Moos befähigen die genannten Stoffe nachhaltig zu akkumulieren und in Phytomasse umzuwandeln. Laut FRAHM (2007) verfügen Moose über einen Bakterienfilm auf der Oberfläche, der anorganische Verbindungen, die das Moos nicht verzehren kann, aufnimmt und in organisches Material umbaut. Dieser zweistufige Prozess hat in praktischen Laborversuchen eine Feinstaubbindungsrate von 20 g Feinstaub/m²/Jahr bemooste Fläche ergeben. Pflanzen senken den Gehalt an Stickstoffoxidverbindungen in der Luft ab, da sie durch natürliche Stoffwechselvorgänge Stickstoffoxide aus der Umgebungsluft aufnehmen. Je besser deren Vitalität, desto höher ist also deren Aufnahmefähigkeit (KLIPPEL, N., JAZBEK, R. 2009).

Basierend auf den Erkenntnissen von über 50 Studien und Forschungsberichten sollten Bedingungen für ein System entwickelt werden, die sowohl alle Fraktionen als auch alle Emittenten von PM adressieren. Insbesondere wurden Studien des Lancester Einvironment Center, der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (HTW Dresden), der Fachvereinigung Bauwerksbegrünung e.V. (FBB), der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL) und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit berücksichtigt. Diese empfehlen vertikale Begrünung als eine Maßnahme zur Luftreinhaltung. Das Lancester Einvironment Center ermittelte anhand von Modellen eine Feinstaubminderung von bis zu 30% in Straßenschluchten. Professor Schröder (Professor für innovative Anbauverfahren, Gemüsebau und Gewächshausmanagement an der HTW Dresden) hat die Bindewirkung von Efeu (Hedera helix) in Leipzig und Dresden anhand von Freiversuchen validiert (SCHRÖDER, F.G, et al. 2011), (Pugh, et al., 2012).

2. Vertikale Moosfilter mit Sedimentationsbepflanzung

Aufbauend auf den vorangegangenen Untersuchungen wurde in Zusammenarbeit mit der Professur für innovative Anbauverfahren, Gemüsebau und Gewächshausmanagement der HTW Dresden, dem Institut für Agrarsystemtechnik und dem Institut für Gebäudelehre der TU Dresden ein freistehendes, fassadenungebundenes Begrünungssystem entwickelt.

Der sogenannte CityTree weist eine für Luft semipermeable (halbdurchlässige), strömungsoptimierte Struktur auf. Er kann flexibel und schnell an unterschiedlichen Standorten aufgestellt werden, da eine Verankerung im Boden nicht notwendig ist. Mittels solarer Energiegewinnung und –speicherung und der Nutzung von Regenwasser ist der CityTree unabhängig von Wasser- und Stromanschlüssen. Dies ermöglicht eine Implementierung von CityTree‘s an Orten mit hoher Luftschadstoffkonzentration. Abhängig von Hauptwindrichtung, Exposition zu Schadstoffemittenten und Sonne wird der CityTree anhand einer algorithmischen Datenanalyse für eine optimale Effektivität ausgerichtet und bepflanzt.

Denn mittels einer intelligenten Auswahl und Positionierung des Pflanzenmaterials und des so erstellten Bepflanzungskonzepts aus verschiedenartig strukturierten Pflanzen mit glatten und rauen Oberflächen, Nadeln und Haaren, großen und kleinen Blättern, winter- und immergrünen Pflanzenteilen lässt sich der NO2-Gehalt um 10 - 15%, der PM 10-Gehalt um 20-25% senken (GORBACHEVSKAYA. 2007).

Weiterhin wird eine Mischung aus verschiedenen Moosarten als Substrat eingesetzt, in dem die Blütenpflanzen gedeihen, sodass Synergieeffekte nutzbar gemacht werden. Die ausgewählten Strukturen der Gefäßpflanzen reduzieren die Windgeschwindigkeiten und scheiden vor allem PM 10-Partikel ab. Die Partikel der Fraktionen PM 2,5 und PM 0,1 in der entschleunigten Luft werden vom lebendigen Moos angezogen, gebunden und in Phytomasse umgewandelt. Das Resultat ist eine Feinstaubfixierung aller Fraktionen, die nicht zurück in die Luft gelangen können. Durch die im System erzielte verbesserte Qualität und Vitalität der lebenden Bestandteile, werden Stickstoffoxidverbindungen optimal gebunden. Damit können diese Systeme wesentlich dazu beitragen, intelligente und nachhaltige Städte zu schaffen. Dafür wurde das Projekt als das beste deutsche Umwelttechnik-Startup von Climate-KIC vom European Institute of Innovation & Technology ausgezeichnet.

3. Literaturverzeichnis

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