FGSV-Nr. FGSV 002/109
Ort Bergisch Gladbach
Datum 04.03.2015
Titel Innovationen für die quantitative Charakterisierung von verkehrsbedingten Partikeln: von Reifen/Straßenabrieb bis hin zu Rußpartikeln
Autoren Dr. Juanita Rausch, Mario Meier, Thomas Zünd
Kategorien Luftqualität
Einleitung

Reifen/Straßenabrieb- und Rußpartikel sind allgegenwärtig in der Umgebung von Straßen. Diese verkehrsbedingten Partikel sind leider schwer vermeidbar und stellen somit eine Belastung für die Umwelt und die menschliche Gesundheit dar. Verfahren zur Ermittlung der Massen- und Anzahlkonzentration von Partikeln in der Luft sind weit entwickelt. Obwohl diese Informationen in den vergangenen Jahrzehnten einen wertvollen Einblick für die Überwachung der Luftqualität geliefert haben, geben sie alleine keine oder wenig Hinweise auf die Zusammensetzung, die Toxizität der einzelnen Partikel und deren Quellen. Modernste Methoden, wie Rasterelektronenmikroskopie gekoppelt mit energiedispersiver Röntgenspektroskopie (REM/EDS) und Fraktalanalyse (FA) ermöglichen heutzutage die automatische Charakterisierung einzelner Partikel und auch deren Herkunft. Aufgrund der ähnlichen elementaren Zusammensetzung von verkehrsbedingten Partikeln (z. Bsp. Reifenabrieb und Russ) und von biologischen Partikeln (z. Bsp. Pollen und Sporen), ist eine quantitative Unterscheidung auf rein chemischer Basis mittels REM/EDS schwierig und aufwendig. Nichtsdestotrotz haben unsere neusten Studien gezeigt, dass die Kombination von REM/EDS und FA eine Unterscheidung chemisch ähnlicher Partikel ermöglicht und somit die Quellen solcher Partikel ermittelt werden können.

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1. Einleitung

Reifen/Straßenabrieb- und Rußpartikel sind allgegenwärtig in der Umgebung von Straßen. Diese verkehrsbedingten Partikel sind leider schwer vermeidbar und stellen somit eine Belastung für die Umwelt und die menschliche Gesundheit dar. Verfahren zur Ermittlung der Massen- und Anzahlkonzentration von Partikeln in der Luft sind weit entwickelt. Obwohl diese Informationen in den vergangenen Jahrzehnten einen wertvollen Einblick für die Überwachung der Luftqualität geliefert haben, geben sie alleine keine oder wenig Hinweise auf die Zusammensetzung, die Toxizität der einzelnen Partikel und deren Quellen. Modernste Methoden, wie Rasterelektronenmikroskopie gekoppelt mit energiedispersiver Röntgenspektroskopie (REM/EDS) und Fraktalanalyse (FA) ermöglichen heutzutage die automatische Charakterisierung einzelner Partikel und auch deren Herkunft. Aufgrund der ähnlichen elementaren Zusammensetzung von verkehrsbedingten Partikeln (z. Bsp. Reifenabrieb und Russ) und von biologischen Partikeln (z. Bsp. Pollen und Sporen), ist eine quantitative Unterscheidung auf rein chemischer Basis mittels REM/EDS schwierig und aufwendig. Nichtsdestotrotz haben unsere neusten Studien gezeigt, dass die Kombination von REM/EDS und FA eine Unterscheidung chemisch ähnlicher Partikel ermöglicht und somit die Quellen solcher Partikel ermittelt werden können.

2. Moderne methodologische Möglichkeiten

2.1 Rasterelektronenmikroskopie/Energiedispersiver Röntgenspektroskopie (REM/EDS)

Die automatisierte Einzelpartikelanalyse mittels REM/EDS ermöglicht die chemische Charakterisierung von hunderten bis tausenden von Partikeln in wenigen Stunden (Willis et al., 2003; Lorenzo et al., 2007) (Abbildung 1). Die Herausforderung besteht in der Detektion von kohlenstoffhaltigen Partikeln, weil herkömmliche Substrate hauptsächlich aus Kohlenstoff bestehen, was eine quantitative Bestimmung von Kohlenstoff unmöglich macht. Um dieses Problem zu umgehen, kamen für diese Studie Goldsubstrate zum Einsatz. Unsere Analysen haben gezeigt, dass damit auch kohlenstoffhaltige Partikel quantitativ ermittelt werden können.

Abbildung 1: REM/EDS-Methodologie. 

2.2 Fraktalanalyse (FA)

Die Fraktalanalyse (FA) ist eine leistungsstarke Methode für die quantitative morphologische Charakterisierung komplexer Objekte (Mandelbrot, 1967; Kindratenko et al., 1994; Rausch et al., in press). In unserer Studie wurde diese Methode auf hochaufgelöste REM-Bilder angewandt. Partikel, die ein fraktales Verhalten aufweisen, zeigen ein lineares Segment - oder oft zwei Segmente bei

„pseudofraktalen“ Partikeln - im sogenannten „Richardson Plot“ (d.h. Log Perimeter vs. Log Durchmesser Diagramm, siehe Abbildung 2). Aus den linearen Segmenten können die fraktalen Dimensionen (D1: texturelle fraktale Dimension, D2: morphologische fraktale Dimension), die charakteristisch für jedes einzelne Partikel sind, hergeleitet werden. Die fraktalen Dimensionen werden wie folgt berechnet: D = 1-Steigung des linearen Segmentes. Anhand der fraktalen Dimensionen (D1 und D2) erfolgt eine objektive Gegenüberstellung von Partikeln unbekannter Quellen mit Referenz-Partikeln. Diese Methode hat sich im Falle von verkehrsbedingten Partikeln als besonders hilfreich für die Quellenidentifikation von chemisch ähnlichen Partikeln an Straßen erwiesen.

Abbildung 2: Schritte zur Fraktalanalyse. 

3. Probenahme

Mit Sigma-2 Passivsammlern wurde an drei starkbefahrenen Standorten (Abbildung 3) mit verschiedenen Geschwindigkeitsbegrenzungen jeweils eine zweiwöchige Probe genommen (Tabelle 1).

Abbildung 3: Bilder und Karte mit der Lage der Standorte (FAAB01, 03, 04). Rote Kreisel zeigen die Sigma-2 Passivsammler.

Tabelle 1: Beschreibung der Messstandorte

Bei dieser Probenahme können Partikel zwischen 2.5 und 80 µm Durchmesser quantitativ durch das Sedimentationsprinzip gesammelt werden (VDI, 2013). Alle drei Proben wurden zwischen 2.5 und 8 m zum Straßenrand auf einer Höhe von 2-2.5 m relativ zu dem Straßenniveau mit vergoldeten Alu-REM Trägern erhoben.

4. Ergebnisse und Diskussion

4.1 Elementare Zusammensetzung von verkehrsbedingten Partikeln

Die automatisierten REM/EDS Analysen haben gezeigt, dass die drei Proben aus den oben beschriebenen Standorten hauptsächlich aus kohlenstoffdominierten Partikeln bestehen. Bei den weiteren erkannten Partikelklassen handelt es sich um Quarz, Kalzit, Gemischte Silikate, eisendominierte Partikel, Kalzium-Silikate, schwefelhaltige Partikel und Gips (Tabelle 2 und Abbildung 4). Ein wichtiges Unterscheidungskriterium zwischen Abriebpartikeln und anderen kohlenstoffdominierten Partikeln ist, dass Abriebpartikel immer einen gewissen Anteil an Silizium (> 2 Gew. %) und oft an Kalzium enthalten.

Silizium wird bei der Reifenproduktion dem Gummi beigemischt, um die Reifen zu stabilisieren. Der Anteil an Kalzium kommt höchstwahrscheinlich vom Abrieb des Straßenbetons und ist somit ein Indikator für den Grad der Reifen-Straßenabrieb Vermischung.

Abbildung 4: Kuchendiagramme, die den Anteil (Konzentration) an den verschiedenen Partikelklassen in den analysierten Proben zeigen.

Tabelle 2: Massenkonzentrationen der verschiedenen Partikelklassen in den drei analysierten Proben (FAAB01, 03, 04)

4.2 Quantitative morphologische Charakterisierung von verkehrsbedingten Partikeln (FA)

Unsere ersten Ergebnisse mit der FA an verkehrsdominierten Umweltproben zeigen, dass die morphologischen Unterschiede zwischen kohlenstoffdominierten Partikeln genügend groß sind, um sie mindestens in drei Gruppen differenzieren zu können, nämlich (1) Partikel biogener Quellen (d.h. Pollen und Sporen), (2) Straßen/Reifenabriebpartikel und (3) Rußpartikel. Zusätzlich deuten die Resultate darauf hin, dass auch der Agglomerationsgrad der Partikel damit bestimmt werden kann. Im Detail sind die Konturen von Pollenkörnern einheitlich durch sehr niedrige (einfache) sowohl texturelle (D1) als auch morphologische (D2) fraktale Dimensionen charakterisiert. Abriebpartikel weisen hingegen größere fraktale Dimensionen auf, wobei dies vor allem die morphologische Dimension betrifft. Darüber hinaus sind die Werte der Abriebpartikel viel breiter gestreut als jene von Pollenkörnern. Dies scheint auf den unterschiedlichen Grad der Agglomeration der einzelnen Komponenten (Reifen, Beton, Mineralien etc.) und der Resuspension (reworking) der abgelagerten Partikeln zurückzuführen zu sein. Straßenabrieb scheint oft eine gerundete Form zu haben, die durch die wiederholte Resuspension zustande kommt, während Reifenabrieb und gemischter Reifen/Straßenabrieb eine komplexere, irreguläre Form aufweisen (Abb. 5). Letztlich zeigen Rußpartikel die größten fraktalen Dimensionen, die auch einen Ausdruck der ausgeprägten Agglomeration von ca. 30 nm- großen sphärischen Partikeln ist (Abbildung 5).

5. Schlussfolgerung und Ausblick

Obwohl die Analysen auf den Goldsubstraten gezeigt haben, dass die elementare Zusammensetzung inklusiv Kohlenstoff von kohlenstoffdominierten Partikeln unproblematisch quantitativ ermittelt werden kann, besteht der Nachteil dieses Substrates in den resultierenden Bildern, die notwendig für die anschließende FA sind. Dieser äußert sich in einem Schatten, welcher durch den inversen Kontrast zustande kommt (d. h. dunkle Partikel auf hellem Hintergrund). Dies erschwert die automatische Bearbeitung der Bilder für die FA. Eine Alternative sind Borsubstrate. Diese sind zwar komplizierter herzustellen, weisen für Partikel aber einen Normalkontrast (helle Partikel auf dunklem Hintergrund) und somit keinen Schatten auf. Damit lässt sich die FA Methodologie in Zukunft mit weniger manuellem Aufwand anwenden. Aufgrund der guten Detektion von Kohlenstoff auf Bor mittels REM/EDS und zugleich des scharfen Kontrastes der Partikelbilder für die FA können die notwendigen Daten in einem Arbeitsgang erzeugt werden.

Abbildung 5: D1 (texturelle fraktale Dimension) versus D2 (morphologische fraktale Dimension) Diagramm mit typischen Bildern der drei kohlenstoffdominierten Partikelgruppen.

Diese Studie hat gezeigt, dass die Kombination der REM/EDS Einzelpartikelanalyse mit anschließender FA auf Gold- und Borsubstraten ein neues leistungsfähiges Instrumentarium für die morpho-chemische Charakterisierung von Partikeln entlang von Straßen und für die Quellenidentifikation darstellt. Darüber hinaus können Rückschlüsse über die Entstehungsprozesse, den Agglomerationsgrad und die Resuspension der einzelnen Partikel in Staubproben gezogen werden.

Referenzen

Kindratenko VV, Van Espen PJ, Treiger BA, Van Grieken RE (1994) Fractal dimensional classification of aerosol particles by computer-controlled scanning electron microscopy. Environmental Science & Technology 28 (12): 2197-2202

Lorenzo R, Kaegi R, Gehrig R, Grobéty B (2006) Particle emissions of a railway line determined by detailed single particle analysis. Atmospheric Environment 40: 7831–7841

Mandelbrot B (1967) How long is the coast of Britain? Statistical Self-Similarity and Fractional Dimension. Science 156 (3775): 636-638

Rausch J, Grobéty B, Vonlanthen P (in press) Eifel maars: Quantitative shape characterization of juvenile ash particles (Eifel Volcanic Field, Germany)

VDI (2013) VDI 2119:2013: Messen von Immissionen - Probenahme von atmosphärischen Partikeln > 2,5 μm auf einer Akzeptorfläche mit dem Passivsammler Sigma-2 - Lichtmikroskopische Charakterisierung sowie Berechnung der Anzahlsedimentationsrate und der Massenkonzentration

Willis RD, Conner TL (2003) Guidelines for the application of SEM/EDX analytical techniques for fine and coarse PM samples. U.S. Environmental Protection Agency, Washington, DC, EPA/600/R-02/070 (NTIS PB2004-100988)