FGSV-Nr. FGSV 002/118
Ort Veitshöchheim
Datum 18.05.2017
Titel Förderung der gestalterischen Qualität von Verkehrsprojekten und deren Integration in die Landschaft
Autoren MDirig. Dipl.-Ing. Karl Wiebel
Kategorien Landschaftstagung
Einleitung

Der Beitrag gibt einen Überblick über den Planungsprozess von Straßenbauprojekten und die Nutzung von Gestaltungsspielräumen im Rahmen des technischen Regelwerkes. Möglichkeiten, im Planungsprozess auch baukulturelle Aspekte einzubringen, werden am Beispiel des Planungsdialogs A 8 Ost sowie der Projektwerkstatt für Ortsumgehung von Cadolzburg erläutert. Die Bayerische Straßenbauverwaltung setzt auf einen Dialog mit den Bürgern und dabei auch auf eine stärkere Berücksichtigung landschaftsplanerischer Belange, um die Akzeptanz von Baumaßnahmen entscheidend zu erhöhen.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Planungsbegleitender Arbeitskreis Landschaftsgestaltung

Die Bayerische Straßenbauverwaltung betreut ein Straßennetz von rund 25.500 km Länge bestehend aus über 2.500 km Autobahnen, fast 6.000 km Bundesstraßen, rund 14.000 km Staatsstraßen und über 3.000 km Kreisstraßen.

Bei der Planung von Straßenbauprojekten stehen vor allem Belange der Verkehrssicherheit, der Wirtschaftlichkeit, des Naturschutzes und des Umweltschutzes im Vordergrund, während die gestalterischen und baukulturellen Belange häufig nachrangig beachtet werden. Das technische Regelwerk gibt dabei einen klaren Rahmen beispielsweise hinsichtlich der Fahrbahnbreiten, Kurvenradien, Kuppen- und Wannenausrundungen und dem Immissionsschutz vor. Spezielle Anforderungen ergeben sich auch durch konstruktive Rahmenbedingungen bei der Planung von Talbrücken, Einhausungen und Lärmschutzeinrichtungen.

Die Bayerische Staatsbauverwaltung hat sich zum Ziel gesetzt, die Themen „Baukultur“ und

„Infrastruktur in der Landschaft“ mit Leben zu erfüllen, denn aufgrund ihrer Vorbildfunktion kommt ihr hierfür eine besondere Verantwortung zu. Dazu wurde ein planungsbegleitender Arbeitskreis Landschaftsgestaltung für Verkehrsprojekte (AK LG) eingerichtet (Bild 1). Hauptziel dieser Initiative ist die Förderung der gestalterischen Qualität von Verkehrsprojekten hinsichtlich ihrer Integration in die Landschaft durch Beratung der Staatsbauverwaltung. Daneben kann auch die Partizipation am Planungsprozess und die Transparenz bei der Bearbeitung von Verkehrsprojekten erhöht werden. Der AK LG sollte an ausgewählten Projekten, denen eine besondere landschaftliche Bedeutung zukommt, erprobt werden.

Nach dieser Erprobungsphase kommen zur fachlichen Beratung durch einen AK LG insbesondere Verkehrsprojekte in Betracht,

die von überörtlich erheblicher Bedeutung sind,

die erhebliche Auswirkungen auf überörtlich bedeutsame Landschaftsbilder bzw. bedeutsame Kulturlandschaften (z. B. aus „Bedeutsame Kulturlandschaften in Bayern – Entwurf einer Raumauswahl“ (Hochschule Weihenstephan-Triesdorf-ILA & Technische Universität München-SMLE, 2012) erwarten lassen oder

bei denen Wettbewerbe vorgesehen sind (in der Phase der Wettbewerbsvorbereitung, jedoch nicht für Planungen und Vorhaben, für die bereits ein Wettbewerbsverfahren durchgeführt wurde).

Die Staatsbauverwaltung kann den AK LG bei ihren Verkehrsprojekten einsetzen. Er soll mit seiner Arbeit in einem möglichst frühen Planungsstadium beginnen, damit bei Verkehrsprojekten naturschutzfachliche und landschaftsgestalterische Aspekte bereits bei der grundsätzlichen Projektkonzeption eingebracht werden können. Die Empfehlungen des AK LG sind in den weiteren Verfahrensschritten zu würdigen. Ein direktes Anrufungsrecht für Dritte und ein Selbstbefassungsrecht des AK LG bestehen nicht.

Der AK LG wird auf das jeweilige Verkehrsprojekt bezogen zusammengesetzt. Dem AK LG gehört immer mindestens ein Mitglied aus dem Bereich Landschaftsarchitektur an, das in der Regel den Vorsitz übernehmen soll. Weitere Mitglieder kommen insbesondere aus den Fachbereichen Städtebau, Landwirtschaft, Naturschutz und Denkmalpflege/Heimatpflege in Betracht. Daneben können Mitglieder aus dem kommunalen und dem politischen Bereich dem AK LG angehören. Der AK LG sollte in der Regel höchstens bis zu fünf Mitglieder haben. Die Geschäftsführung wird von der zuständigen Baubehörde wahrgenommen.

Die Sitzungen sind nicht öffentlich. Die Beratungsergebnisse sollen beschlussmäßig festgelegt und begründet werden. Der AK LG äußert sich zuerst gegenüber der zuständigen Baubehörde. Über eine anschließende öffentliche Äußerung entscheidet er selbst. 

Bild 1: Arbeitskreis Landschaftsgestaltung

2 Planungsdialog A 8 Ost

Im Fall des sechsstreifigen Ausbaus der A 8 Ost (Bild 2) zwischen Rosenheim und der Bundesgrenze bei Salzburg war dem AK LG ein umfangreicher Planungsdialog vorausgegangen. Ziele waren eine verstärkte Mitsprache mit bestmöglicher Berücksichtigung berechtigter Forderungen der Anlieger, eine Optimierung der Planungen, insbesondere hinsichtlich Immissionsschutz und orts- und landschaftsgerechter Einbindung der Autobahn, sowie eine Verbesserung der Akzeptanz der Planungen. Aber auch einheitliche und tragfähige Entscheidungen auf allen Verwaltungsebenen, eine effiziente Abwicklung von Genehmigungsverfahren und das Sicherstellen gleicher Maßstäbe in allen Planungsabschnitten wurden angestrebt.

Am Planungsdialog waren rund 80 Personen beteiligt, die an der Auftaktveranstaltung, den 27 Arbeitsgruppensitzungen oder an einer der fünf Lenkungsgruppensitzungen teilgenommen haben. Der Aufwand für die Bayerische Straßenbauverwaltung belief sich dabei auf rund sechs Mannjahre. Die Vergabeleistungen an Ingenieurbüros belaufen sich auf rund 1,2 Mio. €. Im Rahmen des Planungsdialogs wurden 35 Planordner präsentiert und diskutiert (Bild 3).

Die verschiedenen Varianten beim Autobahnausbau wurden nach den folgenden Hauptbewertungskriterien ausgewertet:

Immissionsschutz (Lärm und Luft),

Kosten bzw. Wirtschaftlichkeit,

Städtebau/Lebens- und Wirtschaftsraum,

Naturschutz und Landschaftsschutz,

– Gewässerschutz,

Landwirtschaft und Forsten,

bautechnische Gesichtspunkte,

baubetriebliche und betriebliche Gesichtspunkte,

Sonstiges.

Beim Planungsdialog A 8 Ost zeigte sich, dass mit der Beteiligung am Planungsprozess meist eine sehr hohe Erwartungshaltung, z. B. in Bezug auf Tunnellösungen, verbunden ist. Dies bedeutet aber gleichzeitig eine geringe Akzeptanz und wenig Verständnis gegenüber Kostenargumenten und dem Gleichbehandlungsgrundsatz vergleichbarer Sachverhalte an Bundesfernstraßen. Dies führte trotz erheblicher Verbesserungen gegenüber herkömmlichen Planungsmaßstäben auch zu Enttäuschungen. Um zu verhindern, dass Dialogverfahren als Farce empfunden werden, müssen die gesetzlichen Vorgaben und deren Gestaltungsspielräume frühzeitig kommuniziert werden.

Die Beiträge der Arbeitsgruppenmitglieder waren zum Teil sehr ideologisch und interessengeprägt. Im Ergebnis wurde der Planungsdialog aber dennoch für die gute und umfangreiche Information, die intensive Auseinandersetzung mit den Ideen der Bürger sowie das gute und offene Diskussionsklima gelobt. Auch eine Fortsetzung des Dialogs in den weiteren Planungsverfahren wurde gewünscht. 

Bild 2: A 8 Ost Ausbau Rosenheim – Chiemsee 

Bild 3: Diskussionspunkte für künftige Planungsdialoge

3 Arbeitskreis Landschaftsgestaltung

Im Anschluss an den Planungsdialog wurde die Planung zum sechsstreifigen Ausbau der A 8 Ost zwischen Rosenheim und dem Chiemsee durch den Arbeitskreis Landschaftsgestaltung begleitet. Er hat sich innerhalb der Empfehlungen des vorangegangenen Planungsdialogs in Form eines Gestaltungsaudits bewegt. Eine grundsätzliche Variantenwahl und die Ausbauart standen nicht mehr zur Diskussion.

Das Gestaltungskonzept zum Bau der Salzburger Autobahn in den 1930er Jahren sah nicht zuletzt aus ideologischen Gründen eine Inszenierung der Landschaft vor. Dieser stark im Vordergrund stehende Gestaltungswille führte zu einer Linienführung mit einem harmonischen Zusammenspiel unterschiedlicher Abschnitte in verschiedenen Landschaften, der bis heute noch wahrnehmbar ist. Die Autobahntrassierung ist gekennzeichnet durch eine geradlinige Führung im Bereich der Münchner Schotterebene, große und weite Schwünge im Bereich des Moränen-Hügellandes, die Irschenberg-Passage als landschaftlichem „Höhepunkt“, die Betonung morphologischer Schwellen und Naturraumgrenzen mit den damit verbundenen Ausblicken wie einen Talabstieg ins Chiemseebecken bei Bernau und die Passage unmittelbar entlang des Südufers mit Blick auf den Chiemsee (Bild 4). Auch die Trassenführung nahe an Ortschaften und landwirtschaftlichen Anwesen war erwünscht und diente dem Landschaftserleben.

Die möglichst weitgehende Bewahrung dieses Gestaltungskonzeptes als baukulturelles Erbe der „Salzburger Autobahn“ stand neben aktuellen landschafts- und freiraumplanerischen Belangen, Zielen und Chancen bei der Ortsentwicklung oder den denkmalpflegerischen Belangen im Blickpunkt des abschnittsübergreifenden Planungsansatzes des Arbeitskreises. 

Bild 4: Abstieg zum Chiemsee bei Bernau

Zur zukunftsfähigen Gestaltung der Autobahn sind heute natürlich völlig andere Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Maßgeblich sind insbesondere die hohe Verkehrsdichte, die Sicherheitsanforderungen und der Schutz vor Verkehrslärm und Abgasen. Die Wahrnehmbarkeit der umgebenden Landschaft ist dabei von geringerer Bedeutung und die Autobahn überprägt die landschaftliche Gestalt, Vegetation und Topographie häufig. In diesem Spannungsfeld agierte der Arbeitskreis Landschaftsgestaltung.

Dazu wurden zahlreiche Gestaltungsleitlinien entwickelt (Bild 5).

Die beim Ausbau anfallenden Erdmassenüberschüsse sollen zur flächenhaften Geländemodellierung in Anlehnung an die umgebende Hügellandschaft verwendet werden. Eine Verstärkung des Röhreneffekts durch übliche, streng geometrisch geformte Lärmschutzwälle soll nicht stattfinden. Obwohl die Geländemodellierungen wieder landwirtschaftlich nutzbar wären, stößt dieser Vorschlag bei den Grundbetroffenen auf erhebliche Bedenken. Deshalb ist er nur auf freiwilliger Basis im Einvernehmen mit den Betroffenen realisierbar.

Lärmschutzbauwerke sollen durch geschwungene und zusammenhängende Elemente ohne Höhensprünge optisch ansprechend gestaltet werden. Angestrebt ist eine geländeangepasste Ausbildung und eine harmonische Eingrünung. Durch den Einsatz von Glaselementen sollen attraktive Blickbeziehungen erhalten bleiben.

Der Mittelstreifen und die Bankette sollen mittels einer kräuterbetonten Ansaatmischung bepflanzt werden. Dadurch ergeben sich Vorteile sowohl hinsichtlich des optischen Eindrucks als auch hinsichtlich des Pflegeaufwands. Die nur niedrig wachsende Begrünung trägt auch etwas zum Blendschutz bei.

Eine gestaffelte Anordnung der Richtungsfahrbahnen wird zwar aus baulichen und betrieblichen Aspekten als kritisch gesehen. Die verbesserte Anpassung an das Gelände mindert aber die Wahrnehmbarkeit der sechsstreifigen Autobahn, reduziert Blendeffekte auf der Gegenfahrbahn und verstärkt die positive Wirkung eines begrünten Mittelstreifens. 

Bild 5: Geländemodellierung als Gestaltungsleitlinie

Brücken und Einhausungen sind auffallende und prägende Elemente der Autobahn. Ihre Konstruktion soll Blickbeziehungen in die Landschaft möglichst wenig beeinträchtigen. Dies gelingt durch einen weitgehenden Verzicht auf Mittelpfeiler, freitragende Konstruktionen und eine geschwungene Gestaltung der Brückenköpfe.

Das bestimmende Element der Park- und Rastanlagen sind die Verkehrsflächen für den ruhenden Verkehr. Gleichwohl sind der Erholungswert und attraktive Aussichtspunkte in die umgebende Landschaft mit zu beachten. Bei Anordnung und Gestaltung der Parkplatzanlagen sind die Auswirkungen auf das Landschaftsbild besonders zu berücksichtigen.

Auch Regenrückhaltebecken lassen sich nach ökologischen Gesichtspunkten in die Landschaft integrieren, indem natürliche Formen der Umgebung aufgenommen, lange Uferlinien mit wechselnden Böschungsneigungen ausgebildet und Formen und Bepflanzung der Becken in Anlehnung an Sumpf- und Moorflächen der Umgebung gewählt werden (Bild 6).

Bei der Bepflanzung erfolgt eine Bezugnahme zur direkten landschaftlichen Umgebung. Elemente der Umgebung wie Alleen oder Streuobstwiesen werden aufgegriffen und fortgesetzt. Bei der Anordnung von Schilderbrücken gilt es durch entsprechende Positionierung wichtige Blickbeziehungen freizuhalten. 

Bild 6: Integration von Regenrückhaltebecken als Gestaltungsleitlinie

4 Projektwerkstatt Ortsumgehung Cadolzburg

Für den Bau einer Ortsumgehung von Cadolzburg hat die Bayerische Straßenbauverwaltung mit der Projektwerkstatt eine besondere Form der intensiven Bürgerbeteiligung gewählt (Bild 7). Dabei wurden die Grundlagen für eine Pro- oder Contra-Entscheidung zur Ortsumgehung gemeinsam erarbeitet. Der Projektwerkstatt oblag nur eine beratende Funktion. Sie leistete einen großen Beitrag zur Meinungsbildung vor Ort.

Der Arbeitskreis Landschaftsgestaltung wurde schon frühzeitig in die Planungen eingebunden. Er konnte sich damit bereits bei der Entwicklung von möglichen Lösungen einbringen. Zur Diskussion von Fragen und Zwischenergebnissen fanden Abstimmungen zwischen Projektwerkstatt, Arbeitskreis Landschaftsgestaltung und Fachplanern statt.

Ein wesentliches Ergebnis der Projektwerkstatt war die Gestaltung und Aufwertung der Nutzbarkeit des Ortsrandes zwischen der bestehenden Bebauung und der Umgehungsstraße als Flächen zur Naherholung und als Kleingärten. Als Alternative zur Ortsumgehung wurde auch die Verbesserung der bestehenden Ortsdurchfahrt diskutiert.

Den vorläufigen Abschluss stellt das Ratsbegehren vom 17. April 2016 mit einem klaren Votum gegen die Umgehung Cadolzburg dar. 

Bild 7: Projektwerkstatt Ortsumgehung Cadolzburg

5 Fazit

Straßenbauvorhaben prägen die Landschaft. Alle Bauwerke sollten in einem gestalterischen Gesamtkonzept gesehen werden. Durch eine frühzeitige Beteiligung der betroffenen Kommunen und eine intensive interdisziplinäre Bearbeitung sowie eine abschnittsübergreifende Planung kann die spätere funktionale und gestalterische Qualität der Maßnahmen gesichert werden.

Die vielfältigen Möglichkeiten der gestalterischen Einbindung einer Straße in die Landschaft sind jedoch durch zahlreiche andere Belange eingeschränkt. Insbesondere Aspekte der Verkehrssicherheit, der Wirtschaftlichkeit, Möglichkeiten des Grunderwerbs, Immissions- und Naturschutz sowie agrarstrukturelle Zielsetzungen sind mit zu beachten.

Optimale Lösungen sind in der Regel nur dann erreichbar, wenn es gelingt, alle Beteiligten zu überzeugen, dass bei der Abwägung der verschiedenen Belange auch diejenigen des Landschaftsschutzes und der Baukultur wichtig sind und dass hierfür auch entsprechende Mehraufwendungen vom Vorhabensträger akzeptiert werden und einzelne Betroffene zu Zugeständnissen bereit sind.