FGSV-Nr. FGSV 002/118
Ort Veitshöchheim
Datum 18.05.2017
Titel Anforderungen an einen Fachbeitrag zur Wasserrahmenrichtlinie für Straßenbauvorhaben
Autoren Dipl.-Ing. Stephan Köhler
Kategorien Landschaftstagung
Einleitung

Durch das Urteil des EuGH vom 1. 7. 2015 (C-461/13) zur Weservertiefung sind zusätzliche Anforderungen an die Zulassung von Straßenbauvorhaben gestellt worden. Es ist darzulegen, ob ein Vorhaben dazu führen kann, den Zustand eines betroffenen Wasserkörpers zu verschlechtern oder ob verhindert wird, zukünftig einen guten Zustand zu erreichen. Bei der Versickerung von Straßenoberflächenwasser, die dem Stand der Technik entspricht, sind in dieser Hinsicht relativ geringe Probleme zu erwarten. Bei der Einleitung gesammelter Straßenwässer können der Tausalzeintrag sowie der mögliche Eintrag einiger straßenspezifischer Schadstoffe relevant sein. Derzeit ist noch nicht geklärt, ob und in welchen Fällen sich über den in den Regelwerken definierten Stand der Technik hinaus weitere Anforderungen ergeben. Es wird empfohlen, in einem eigenen Fachbeitrag darzulegen, ob es zu Verschlechterungen der betroffenen Wasserkörper kommen kann. Innerhalb der FGSV nimmt sich der Arbeitskreis „Bewertung von Straßenbaumaßnahmen in Bezug auf die Wasserrahmenrichtlinie“ diesen Themen an, mit dem Ziel, ein entsprechendes Regelwerk/Wissensdokument zu erstellen.

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1 Rechtsgrundlagen

Die Europäische Union verfolgt mit der Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EG) ein ganzheitliches Schutz- und Nutzungskonzept für die europäischen Gewässer. Die Bundesländer erstellen Bewirtschaftungspläne, in denen Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerqualität festgelegt werden. Ziel ist die Herstellung des guten oder sehr guten ökologischen Zustands natürlicher Fließgewässer. Das Grundwasser ist gemäß § 47 Abs. 1 WHG so zu bewirtschaften, dass eine Verschlechterung seines mengenmäßigen und chemischen Zustandes vermieden wird. 

1.1 Verschlechterungsverbot

Das Urteil des EuGH vom 1. 7. 2015 (C-461/13) hat klargestellt, dass die wasserrechtlichen Bewirtschaftungsziele des Art. 4 Abs. 1 WRRL nicht nur Vorgaben für die Abwägung im Rahmen der Maßnahmen- und Bewirtschaftungsplanung enthalten, sondern das Verbesserungsgebot und das Verschlechterungsverbot bei der Genehmigung von Vorhaben zwingend zu berücksichtigen sind. Der betreffende Mitgliedsstaat ist verpflichtet, die Genehmigung eines Vorhabens zu versagen, wenn es geeignet ist, den Zustand des fraglichen Wasserkörpers zu verschlechtern oder die Erreichung eines guten Zustands der Oberflächenwasserkörper zu gefährden (Rn. 49 und 50).

Eine Verschlechterung liegt vor, wenn sich die Zustandsklasse mindestens einer Qualitätskomponente im Sinne des Anhanges 5 der WRRL um eine Klasse verschlechtert, auch wenn dies nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des Zustands des Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt. Maßgeblich für die Zustandseinstufung sind vorwiegend die biologischen Qualitätskomponenten, weil die übrigen Komponenten nur „unterstützend“ herangezogen werden (vgl. Anhang 5 Ziff. 1.1 der WRRL). Wenn sich eine der Qualitätskomponenten bereits in der niedrigsten Klasse befindet, stellt jede weitere negative Veränderung dieser Komponente eine Verschlechterung im Sinne des Art. 4 I lit. a) Ziff. i WRRL dar. Negative Veränderungen einer hydromorphologischen oder einer allgemeinen physikalisch-chemischen Qualitätskomponente bleiben außer Betracht, solange sie nicht zu einer Verschlechterung der Zustandsklasse einer biologischen Qualitätskomponente führen. Eine Verschlechterung liegt bei Oberflächenwasserkörpern auch vor, wenn infolge eines Vorhabens eine Umweltqualitätsnorm für einen flussgebietsspezifischen Schadstoff (Anlage 6 OGewV) überschritten wird oder eine Verschlechterung des chemischen Zustands bei Überschreitungen für einen Stoff nach Anlage 8 Tabelle 1 und 2 OGewV zu einer Verschlechterung des ökologischen Zustands führen. Das Bild 1 gibt einen Überblick über diese Wirkungszusammenhänge.

Beurteilungsmaßstab für die Bewirtschaftungsziele nach WRRL ist (örtlich) der gesamte Wasserkörper sowie (zeitlich) der Bewirtschaftungsplanzyklus, da gemäß WRRL turnusmäßig alle sechs Jahre die Überprüfung des Zustands der einzelnen Wasserkörper erfolgt. Dementsprechend ist auch die Frage, ob ein Vorhaben zur Verschlechterung des Zustands eines Wasserkörpers führt, daran zu messen, ob sich diese mögliche Zustandsveränderung bei der folgenden Zustandsbewertung (im Rahmen der turnusmäßigen Überprüfung des Bewirtschaftungsplans) manifestiert. Kleinräumig Wirkungen als solche sind irrelevant, sie müssen in ihrer Konsequenz auf den gesamten Wasserkörper prognostisch eingeschätzt und bewertet werden. 

Bild 1: Qualitätskomponenten des ökologischen Zustandes, verändert nach: www.wsa-b.de/aktuelles/pdf_newsletter/methodik_makroozobenthos.pdf 

1.2 Abgrenzung der Oberflächenwasserkörper

Auch wenn das Verschlechterungsverbot gemäß § 27 Abs. 1 und 2 WHG grundsätzlich für alle Gewässer gilt, wurde als Bezugspunkt der Verschlechterungsprüfung sowohl in der Wasserrahmenrichtlinie als auch vom EuGH die sogenannten „berichtspflichtigen Gewässer“ definiert. Nach der Rechtsprechung des EuGH gilt das Verschlechterungsverbot für jeden Typ eines Oberflächenwasserkörpers, für den ein Bewirtschaftungsplan erlassen wurde oder hätte erlassen werden müssen (EuGH, Urteil vom 4. Mai 2016 C-346/14, Rn.50). In der konkreten Abgrenzung der Wasserkörper haben die Mitgliedstaaten einen Ermessungsspielraum, wie sie die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie in Bezug auf kleine Gewässer erreichen wollen. Nach der „Gemeinsamen Umsetzungsstrategie für die Wasserrahmenrichtlinie“ (CIS-2003, S.12) ergeben sich drei Möglichkeiten, mit kleineren Gewässern administrativ umzugehen:

kleine Gewässer können als Bestandteil größerer Gewässer derselben Kategorie und desselben Typs geschützt werden, indem die Zuflüsse zusammen mit dem Hautgewässer als ein Wasserkörper ausgewiesen werden,

kleine Gewässer können entsprechend ihrer Bedeutung zu einem eigenen Wasserkörper zusammengefasst werden,

zulaufende Gewässer können so geschützt werden, wie die zum Schutz des ausgewiesenen Oberflächenwasserkörpers erforderlich ist.

Im Rahmen der turnusmäßigen Überprüfung des Zustandes der Wasserkörper kann auch deren Abgrenzung angepasst werden. Als kleinsten Oberflächenwasserkörpertyp für Fließgewässer sieht Anlage 1 Nr. 2.1 Buchstabe a der OGewV Gewässer mit einem Einzugsgebiet ab 10 km² vor. Einwirkungen auf Gewässer, die selbst nicht als Wasserkörper eingestuft sind, sind nur dann relevant, wenn sie zu einer Verschlechterung mit in dem in Verbindung stehenden Wasserkörper führen. Diese Vorgehensweise wurde vom BVerwG in seiner Entscheidung zum Elbtunnel der A 20 nicht beanstandet (BVerwG, Az.: 9 A 18.15, Urteil vom 10. 11. 2016, Rn 106).

1.3 Emissionsprinzip/Immissionen

Grundsätzlich gilt bei der Entwässerung von Straßen das sogenannte „Emissionsprinzip“. Das von Niederschlägen aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen gesammelt abfließende Wasser (Niederschlagswasser) ist gemäß § 54 (2) WHG Abwasser. Damit gilt die in § 57 (1) WHG für Einleitung von Abwasser geforderte Reduzierung der Menge und der Schädlichkeit nach dem Stand der Technik. Die Begrenzung der aus Abwasserbehandlungsanlagen ausgetragenen Frachten muss gem. § 60 WHG den allgemein anerkannten Regeln der Technik genügen. Folgende Regelwerke stellen derzeit die Grundlage für die Planung und Berechnung der Entwässerungsanlagen dar:

RAS-Ew – Richtlinien für die Anlage von Straßen, Teil: Entwässerung (Ausgabe 2005),

Merkblatt DWA-M 178, Empfehlungen für Planung, Bau und Betrieb von Retentionsbodenfilter zur weitergehenden Regenwasserbehandlung im Misch- und Trennsystem, Ausgabe Oktober 2005 [wird durch DWA-A 178 ersetzt],

Merkblatt DWA-M 153, Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Regenwasser, Ausgabe August 2007 [wird durch DWA-A 102/BWK-A3 ersetzt, das im Gelbdruck vorliegt],

Arbeitsblatt DWA-A 117 – Bemessung von Regenrückhalteräumen (Ausgabe 2006),

Arbeitsblatt DWA-A 138 – Planung, Bau und Betrieb von Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser (Ausgabe 2005).

Derzeit ist nicht endgültig geklärt, ob auf Grundlage der OGewV und in Abhängigkeit von den Eigenschaften des Gewässers, in das eingeleitete werden soll, in Einzelfällen noch weitergehende immissionsorientierte Anforderungen an die Regenwasserbehandlung gestellt werden.

Hinsichtlich der Versickerung von Straßenoberflächenwässern stellt eine der RAS-Ew entsprechende Versickerung in aller Regel weder eine Verschlechterung noch eine Gefährdung der Erfüllung des Verbesserungsgebots in Bezug auf den betroffenen Grundwasserkörper dar (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 22. 4. 2015, Az.: 7 Ks 27/15 Rdnr. 458). 

1.4 Ausnahmeprüfung

Die Ausnahmevoraussetzungen sind in § 31 II 1 WHG definiert:

Die für das Vorhaben sprechenden öffentlichen Belange überwiegen die Belange des Gewässerschutzes.

Es bestehen keine weniger beeinträchtigenden zumutbaren Alternativen und alle technisch durchführbaren sowie zumutbaren Minimierungsmaßnahmen sind ergriffen worden.

Die Verwirklichung der Bewirtschaftungsziele in anderen Gewässern derselben Flussgebietseinheit darf nicht dauerhaft ausgeschlossen oder gefährdet sein.

Ausgleichsmaßnahmen (auch an anderer Stelle des Wasserkörpers) können in die Beurteilung hinsichtlich einer zu erwartenden Verschlechterung des Wasserkörpers bilanzierend einbezogen werden. Die Interessenabwägung und die Alternativenprüfung stellen anders als dies im Naturschutzrecht bei § 34 III und § 45 VII BNatSchG der Fall ist, eine planerische Bewirtschaftungsentscheidung dar, die gerichtlich nur eingeschränkt nach den Maßstäben der Abwägungskontrolle überprüfbar ist. Die materielle Beweislast liegt nicht beim Vorhabenträger, eine Verschlechterung darf nur nicht hinreichend wahrscheinlich sein (vgl. Füßer & Kollegen 2016, S. 14).

2 Anforderungen an einen Fachbeitrag

2.1 Berührungspunkte zwischen Wasserrecht und Straßenbau

Folgende Berührungspunkte zwischen Wasserrecht und Straßenbau ergeben sich regelmäßig und sind bei der Vorhabenzulassung abzuprüfen:

Einleitung von Straßenoberflächenwässer,

Versickerung von Straßenoberflächenwasser (Gewässerbenutzung nach § 9 Absatz 1 Nr. 4 WHG),

Straßen in Wasserschutzgebieten,

Gewässerquerungen (Anlage im Sinne des § 36 WHG),

– Gewässerausbauten oder -verlegungen nach § 67 II 1 WHG,

Baumaßnahmen in Gewässer, Grundwasserabsenkungen (Bauphase). 

2.2 Formelle Inhalte und Arbeitsschritte

Folgende Punkte sind generell abzuhandeln. Dabei kann offen bleiben, ob dafür ein gesonderter Fachbeitrag erstellt wird oder die Aussagen in den Entwässerungsbeitrag integriert werden.

Identifizierung der durch das Vorhaben betroffenen Oberflächenwasserkörper und Grundwasserkörper.

Beschreibung des Zustandes der Wasserkörper und Benennung der Bewirtschaftungsziele aus dem Maßnahmenprogramm (Wasserkörperdatenblatt), Überprüfung der Aktualität der Daten (Gewässerkundlicher Landesdienst, in Nds.: NLWKN).

Beschreibung und Bewertung der Auswirkungen des Vorhabens auf die Qualitätskomponenten (u. a. Flächenversieglung u. Emissionen Straßenverkehr, Tausalz, baubedingte Wasserbeeinträchtigungen, Straßen in Wasserschutzgebieten, Gewässerquerungen, notwendige Gewässerverlegungen).

Prüfung, ob das Vorhaben zu einer Verschlechterung der betroffenen Wasserkörper führt bzw. ob ein ökologisch guter Zustand weiterhin erreicht werden kann.

gegebenenfalls Prüfung von Ausnahmen von den Bewirtschaftungszielen nach § 31 II 1 WHG Verschlechterungsverbot.

Da die Aussagen einen Teil der UVP-Unterlagen darstellen, ist eine Auslegung des Fachbeitrages zur WRRL erforderlich (vgl. BVerwG 9 A 9.15 vom 28. 4. 2016). Herzstück eines Fachbeitrages sollte eine Relevanzeinschätzung der potenziellen Beeinträchtigungen sein. Nur die für das Vorhaben als relevant erkannten Wirkungen sollten vertieft betrachtet werden.

2.3 Fachliche Inhalte

Die fachliche Betrachtung legt dar, ob die Realisierung des Vorhabens den Anforderungen der WRRL bzw. den Bewirtschaftungszielen nach §§ 27 und 47 WHG gerecht wird. Dabei erfolgt eine Bewertung der Auswirkungen des Vorhabens hinsichtlich einer möglichen Verschlechterung des chemischen Zustands oder des ökologischen Zustands des betroffenen Oberflächenwasserkörpers sowie des chemischen und mengenmäßigen Zustands des Grundwasserkörpers (Verschlechterungsverbot).

Darüber hinaus wird geprüft, ob das Vorhaben im Widerspruch zu den Bewirtschaftungszielen für die betroffenen Wasserkörper steht und der gute chemische und ökologische Zustand des Oberflächengewässers bzw. der gute chemische und mengenmäßige Zustand des Grundwassers erreichbar bleiben (Verbesserungsgebot).

Maßgeblich für die Prüfung, ob eine Verschlechterung zu erwarten ist, ist grundsätzlich der Zustand des Wasserkörpers, wie er in dem zum Zeitpunkt der Prüfung geltenden Bewirtschaftungsplan dokumentiert ist. Soweit jedoch neuere Erkenntnisse vorliegen, insbesondere aktuelle Monitoringdaten, sind diese heranzuziehen.

Bei der Beurteilung der Frage, ob z. B. eine Bauphase, die mit kurzzeitigen nachteiligen Veränderungen verbunden ist, eine Verschlechterung darstellt, sind grundsätzlich das gesamte Vorhaben und dessen Auswirkungen nach der Vollendung zu betrachten. Solche nachteiligen Veränderungen, die nach Fertigstellung wieder beseitigt sind (oder bei denen sogar eine Verbesserung eingetreten ist), stellen keine Verschlechterung dar (vgl. LAWA 2017, S. 13). Dies gilt grundsätzlich auch für kleinräumige Gewässerverlegungen, die mit einer naturnahen Gestaltung einhergehen, wenn diese die Grundsätze zur Maßnahmenplanung der WRRL (Verbesserung der Hydromorphologie) berücksichtigen. Dies kann zweckmäßigerweise im Maßnahmenblatt des landschaftspflegerischen Begleitplans dargelegt werden. Ähnliches gilt für Gewässerquerungen, wenn sie den Anforderungen des M AQ (2008) entsprechen.

Als straßenspezifische Auswirkung ist der Chlorid-Eintrag in Gewässer zu nennen (Winterdienst). Der Parameter Chlorid gehört zu den allgemeinen physikalisch-chemischen Qualitätskomponenten. Derzeit besteht keine Möglichkeit, die Chlorid-Konzentration mit vertretbarem Aufwand im Straßenoberflächenwasser maßgeblich zu verringern. Eine Verdünnung ist durch die Wahl eines entsprechenden Entwässerungssystems in gewissem Umfang möglich. Die letzte Änderung der Oberflächengewässerverordnung trat am 21. 6. 2016 in Kraft (BGBl. I Nr. 28, S. 1373ff.). Für Chlorid wurde als Orientierungswert 200 mg/l im Jahresdurchschnitt für den guten Gewässerzustand festgelegt. Auswirkungen auf die biologischen Qualitätskomponenten sind, da es sich bei Neubauvorhaben um Planzustände handelt, deren Auswirkungen zum Zeitpunkt der Planfeststellung nur prognostiziert werden können, nicht messbar sondern zu prognostizieren. Eine indirekte Bewertung über die unterstützenden Qualitätskomponenten ist notwendig. Danach ist der in der OGewV genannte Wert grundsätzlich einzuhalten, damit ein guter ökologischer Zustand des Gewässers weiterhin erreicht werden kann. In jüngerer Zeit wurde zur Abschätzung der Relevanz dieser Einträge eine Tausalzberechnung durchgeführt. Dabei wird häufig zunächst von einem Worst Case ausgegangen und erst bei so ermittelten zu erwarten Überschreitungen des Jahresmittelwertes an einem repräsentativen Punkt des Oberflächenwasserkörpers (ausreichende Durchmischung Zufluss/Oberflächenwasserkörper) genauere Untersuchungen angestellt. Für die Abschätzung werden folgende Angaben benötigt:

Tausalzverbrauch/Verluste,

Straßenfläche unter Winterdienst,

Entwässerungssystem (Einleitung in das Grundwasser bzw. Oberflächengewässer),

Einzugsgebiet Oberflächenwasserkörper,

Abflussdaten Oberflächengewässer,

Ausgangsbelastung Cl im Gewässer.

Bei Ermittlung der Spitzenbelastung, die in der Regel dann erfolgt, wenn sich die biologischen Qualitätskomponenten in einem schlechten Zustand befinden oder es sich um ein FFH-Gebiet handelt, werden folgende Angaben zusätzlich benötigt:

maximale Streudichte pro Streufahrt

Anzahl der Streufahrten

Niederschlagssumme, die Tausalz abspült.

Die durchschnittlichen Mengen an Tausalz, die jährlich bzw. täglich im Winter aufgebracht werden, unterscheiden sich entsprechend der Klimabedingungen. In Bayern wurde z. B. der Tausalzeintrag klimaregionsspezifisch ermittelt (vgl. Bild 2) in Niedersachsen (Norddeutsche Tiefebene) wurde aus den landesweiten Verbrauchsdaten eine durchschnittliche Menge von ca. 1 kg/ (m²*a) ermittelt und wird für entsprechende Ermittlungen zugrunde gelegt. Ansonsten werden in der Regel die untenstehenden Annahmen getroffen (vgl. Tabelle 1):

Tabelle 1: Grundannahmen für eine Tausalzberechnung 

Durch Einleitung von Straßenabwässern besteht neben der Chlorid-Problematik grundsätzlich die Gefahr des Eintrags von Schadstoffen. Zu den Schadstoffgruppen mit Straßen- und Verkehrsbezug, für die gemäß WRRL Umweltqualitätsnormen vorgegeben sind (OGewV), zählen Schwermetalle (Cu, Cr, Zn, Cd, Ni, Pb), PAK, PCB und Alkyphenole (Grotehusmann, D. 2017, mündlich).

Generell gilt, dass der Transport von Schwermetallen und PAK im Straßenabwasser im Wesentlichen an Partikeln erfolgt, an denen die Schadstoffe gebunden sind. Diese Schadstoffe können daher durch Sedimentation in Absetzbecken bzw. Filtration in Retentionsbodenfilter bzw. Versickerungsanlagen zurückgehalten werden. Dementsprechend erfolgt auch bei der Versickerung über die Straßenböschung eine Regenwasserbehandlung, weil die oben genannten Stoffe ebenfalls zurückgehalten werden. Letzteres stellt den häufigsten Fall bei der Straßenentwässerung dar.

Für stoffbezogene Zielgrößen sollen zukünftig die feinen (< 63 μm) abfiltrierbaren Stoffe (AFS 63) von der Wasserwirtschaft als Referenzparameter für die Beurteilung durch stoffliche Belastungen herangezogen werden (vgl. Entwurf DWA-A102/BWK-A 3). Damit werden die partikulär gebundenen Schadstoffe (Schwermetalle, PAK) ausreichend abgebildet. Retentionsbodenfilter sind geeignet ca. 95 % der mit dem Straßenabfluss transportierten AFS 63 zurückzuhalten. Die Begrenzung der aus Abwasserbehandlungsanlagen ausgetragenen Frachten muss dem allgemeinen Stand der Technik genügen. In der Regel erfolgt derzeit kein stofflicher Nachweis im Gewässer für die verbleibende Belastung nach den Behandlungsanlagen. 

Bild 2: Klimaregionsspezifischer Tausalzeintrag in Bayern

3 Datengrundlagen

Als Grundlage des Fachbeitrages werden in der Regel die von der zuständigen Behörde im Internet zur Verfügung gestellten Daten zugrunde gelegt. Sie dokumentieren den geltenden Bewirtschaftungsplan. Es sollte jedoch bei der zuständigen Behörde abgefragt werden, ob die öffentlich zugänglichen Wasserkörperdatenblätter den aktuellsten Stand wiedergeben. Soweit jedoch neuere Erkenntnisse vorliegen, insbesondere aktuelle Monitoringdaten, sind diese heranzuziehen.

Gibt es konkrete Anhaltspunkte für eine entscheidungserhebliche Verbesserung oder Verschlechterung des Zustands seit der Dokumentation im aktuellen Bewirtschaftungsplan, können eigene Untersuchungen des Vorhabenträgers erforderlich werden. Liegen keine Daten vor, sollte mit der zuständigen Behörde geklärt werden, welche Annahmen zu treffen sind. Häufig sind fehlende Daten damit zu begründen, dass es sich nicht um prioritäre Gewässer handelt und somit allgemeine Annahmen zugrunde gelegt werden können. 

4 Relevanzprüfung

Zur systematischen Betrachtung der potenziellen Wirkungen und deren möglicher Relevanz für mögliche Verschlechterungen von Wasserkörpern bietet es sich an, eine Relevanzprüfung durchzuführen. Unterschieden nach den in Umweltbeiträgen häufig zu findenden Gliederungspunkten Bauphase, Anlage und Betrieb wird dargestellt, ob der Sachverhalt relevant ist, wo nähere Abhandlungen zu finden sind und wie das Ergebnis der Prüfung ausgefallen ist. Dabei bietet es sich an, auf die übrigen Entwurfsunterlagen zu verweisen, insbesondere den landschaftspflegerischen Begleitplan (Gewässerverlegung, Gewässerrenaturierungen, Vorkehrungen zur Vermeidung) als auch auf die wassertechnische Untersuchung bzw. auf das Kapitel, in dem eine detaillierte Behandlung des Sachverhaltes erfolgt. Die Tabelle 2 stellt diese Relevanzprüfung auszugsweise am Beispiel der B 441 OU Wunstorf dar. Zu beachten ist, dass neben der Relevanz in Bezug auf die Wasserrahmenrichtlinie weiterhin auch die naturschutzrechtliche Relevanz, als Beeinträchtigungen und Vermeidung im Sinne der Eingriffsregelung abzuprüfen sind.

Tabelle 2: Auszüge aus einer Relevanzprüfung zum Fachbeitrag WRRL der B 441 OU Wunstorf

5 Ausblick

Im Arbeitsausschuss 5.2 „Entwässerung“ der FGSV hat sich ein neuer Arbeitskreis „Bewertung von Straßenbaumaßnahmen in Bezug auf die Wasserrahmenrichtlinie“ gebildet mit dem Ziel, ein neues Regelwerk/Wissensdokument zu erstellen. Schwerpunkte des Papiers werden in den Bereichen Rechtsfragen, stoffliche Belastungen, Tausalz und Auswirkungen durch Baumaßnahmen in und an Gewässern (Gewässermorphologie) liegen.

Ergänzend hat das Land Niedersachsen eine Expertise zu den in Bezug zur OGewV relevanten straßenspezifischen stofflichen Belastungen und deren Rückhaltemöglichkeiten durch Abwasserbehandlungsanlagen in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse werden im Sommer 2017 vorliegen.

Es wird ein dringender Klärungsbedarf gesehen, in welchen Fällen die Einhaltung des Standes der Technik ausreichend sicherstellt, dass es zu keinen Verschlechterungen der Wasserkörper kommt und in welchen Fällen gegebenenfalls darüber hinaus weitere Betrachtungen notwendig werden. 

Literaturverzeichnis

CIS-2003, Common implementation strategy for the water framework directive (2000/60/ec) Guidance Document No 2 „Identification of Water Bodies”; https://circabc.europa.eu/sd/a/655e3e31-3b5d-4053-be19-15bd22b15ba9/Guidance%20No%202%20-%20Identification%20of%20water%20bodies.pdf

DWA-A 102/BWK-A3, 2016 Grundsätze zur Bewirtschaftung und Behandlung von Regenwetterabflüssen zur Einleitung in Oberflächengewässer – Gelbdruck, Verlag DWA

F ü ß e r & Kollegen 2016: Rechtsgutachten zu den Implikationen des Urteils des EuGH vom 1. July 2015 (C-461/13) für die Straßenentwässerung, Gutachten im Auftrag der Nds. Landesbeörde für Straßenbau, unveröffentlicht

G r o t e h u s m a n n, D. 2017: Vorstellung der Zwischenergebnisse einer Literaturrecherche im Auftrag der Nds. Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, Stand: März 2017

LAWA, 2017: Handlungsempfehlungen Verschlechterungsverbot, Entwurf Stand 31. 1. 2017, Arbeitsgruppe Recht der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser, unveröffentlicht

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Merkblatt zur Anlage von Querungshilfen für Tiere und zur Vernetzung von Lebensräumen an Straßen (M AQ), Ausgabe 2008, Köln, FGSV 261