FGSV-Nr. FGSV 001/21
Ort Karlsruhe
Datum 11.10.2006
Titel Innovation in der Lichtsignalsteuerung – Die Neufassung der Richtlinien für Lichtsignalanlagen (RiLSA)
Autoren Prof. Dr.-Ing. Manfred Boltze, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Bernhard Friedrich
Kategorien Kongress
Einleitung

Die “Richtlinien für Lichtsignalanlagen“ (RiLSA) in der aktuellen Fassung von 1992 mit Teilfortschreibung 2003 haben eine hohe Bedeutung für die praktische Anwendung sowie für Verkehrssicherheit und Qualität des Verkehrsflusses. Die Neufassung dieser bewährten und inzwischen in verschiedene Sprachen übersetzten Richtlinien hat zum Ziel, das Regelwerk zu modernisieren, ohne dabei die bewährten Bestandteile aufzugeben. Der Modernisierungsbedarf betrifft vor allem die Berücksichtigung neuer Forschungserkenntnisse und des technischen Fortschritts im Bereich der Steuerungsverfahren, die integrierte Berücksichtigung aller Verkehrsteilnehmergruppen und die Ergänzung ausführlicher Hinweise zum Qualitätsmanagement für Lichtsignalanlagen. Der Beitrag fasst wesentliche neue Forschungserkenntnisse zur Lichtsignalsteuerung zusammen und beschreibt den Aufbau der RiLSA-Neufassung (Entwurfsstand 25.9.2006).

 

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1  Geschichte der RiLSA

Nachdem im Jahr 1963 eine dreiköpfige Redaktionsgruppe (Leitung: Prof. Retzko, Darmstadt) gebildet worden war, wurden 1964 die ersten deutschen „Richtlinien für Entwurf, Bau und Betrieb von Lichtsignalanlagen im Straßenverkehr“ von der damaligen Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen herausgegeben. Dieses Werk im Format DIN A 5 umfasste 39 Seiten und enthielt die Abschnitte Allgemeines, Begriffe, Entwurf, Ausführung, Betrieb und Wartung. 1966 folgte eine zweite, verbesserte Auflage hierzu.

1972 wurden mit dem „Merkblatt für Lichtsignalanlagen an Landstraßen“ Defizite von lichtsignaltechnischen Aspekten an Außerortsstraßen beseitigt. Im gleichen Jahr erschien das „Merkblatt Detektoren für den Straßenverkehr“.

Seit 1968 wurden wiederum unter der Leitung von Prof. Retzko die völlig neu konzipierten „Richtlinien für Lichtsignalanlagen – RiLSA“ in mehreren Bearbeitergruppen erstellt, die dann 1977 als Regelwerk, Handbuch und Lehrbuch der Lichtsignaltechnik veröffentlicht wurden. Diese Richtlinien dokumentierten den gesamten Stand der damaligen Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Lichtsignaltechnik (DIN A4, 104 Seiten). 1981 folgte eine Neuausgabe, in der nur einige Abweichungen von den geltenden Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrs-Ordnung beseitigt und wenige weitere Stellen geändert wurden.

1985 wurden die „Aktuelle Themen der Lichtsignalsteuerung“ herausgegeben. Sie enthielten unter anderem Hinweise zur speziellen Berücksichtigung von öffentlichen Verkehrsmitteln, Radfahrern und Fußgängern, zu transportablen Lichtsignalanlagen an Knotenpunkten und an Engstellen, einen Kompromissvorschlag zum nächtlichen Abschalten von Lichtsignalanlagen sowie erste Aussagen zu Zusatzeinrichtungen für Sehbehinderte.

1992 wurden schließlich die unter der Leitung von Prof. Hoffmann, Berlin entstandenen und bis heute gültigen „Richtlinien für Lichtsignalanlagen“ (RiLSA), Ausgabe 1992, eingeführt (DIN A 4, 146 Seiten). Diese wurden im Jahr 2003 mit einer Teilfortschreibung an aktuelle Entwicklungen angepasst.

Im Jahr 2003 konnte dank finanzieller Unterstützung von Industrie und Beratungsbüros eine englische Übersetzung der RiLSA veröffentlicht werden. 2006 folgte die Übersetzung ins Chinesische durch Prof. Keping Li, Tongji-Universität, Shanghai, China.

 

2  Bearbeitung der Neufassung

Nachdem der wichtigste Regelungsbedarf durch die Veröffentlichung der Teilfortschreibung 2003 geleistet worden war, stand der zeitliche Freiraum zur Verfügung, sich einer grundlegenden Neufassung der RiLSA zu widmen. Entsprechend beschloss der verantwortliche Arbeitsausschuss 'Verkehrsbeeinflussung innerorts' im März 2003 die Einrichtung des Arbeitskreises „Neufassung RiLSA“. Als Mitarbeiter hierfür konnten 20 Fachleute aus Verwaltung, Planungsbüros, Industrieunternehmen, Verbänden und Hochschulinstituten gewonnen werden, die das gesamte Spektrum der mit der Lichtsignalsteuerung verbundenen Aufgaben abdecken. Der größte Teil der Mitglieder des Arbeitskreises ist dabei auch Mitglied im Arbeitsausschuss. Wichtige Beiträge zur Neufassung kamen in dieser Zeit auch vom Arbeitskreis „Verkehrsabhängige Steuerung“.

Mit der konstituierenden Sitzung des Arbeitskreises „Neufassung RiLSA“ im Juni 2003 begann die Arbeit. Zunächst wurden die Ziele und Grundsätze für die Neufassung diskutiert und festgelegt und daraus eine neue Gliederung entwickelt. Im Sinne effizienter Arbeitsstrukturen wurde die Bearbeitung der einzelnen Kapitel kleinen Redaktionsteams unter der Leitung einer verantwortlichen Person übertragen. In vierteljährlichen zweitägigen Treffen des Arbeitskreises wurden die jeweiligen Entwurfsfassungen der von den Redaktionsteams formulierten Texte ausführlich diskutiert und abgeglichen. Jedes Kapitel durchlief auf diese Weise insgesamt fünf Iterationen, um in allen Belangen den Anforderungen der Fachleute im Arbeitskreis und im Arbeitsausschuss zu genügen.

Nach einer etwas mehr als dreijährigen Dauer, zwölf Arbeitskreistreffen und sieben Arbeitsausschusstreffen liegt nun als Synthese des Bearbeitungsprozesses eine Neufassung der RiLSA vor, die im Herbst 2006 in den weiteren Beratungsablauf gegeben werden kann.

 

3  Gliederung der Neufassung

Der nun vorliegende Entwurf der RiLSA-Neufassung ist in acht Kapitel zu den verschiednen Aspekten von Lichtsignalanlagen gegliedert, ein neuntes Kapitel enthält Hinweise auf relevante Vorschriften und Technische Regelwerke.

Die Inhalte der RiLSA-Teilfortschreibung (FGSV, 2003) wurden in die Neufassung integriert. Themen, die bislang in elf Anhängen gesondert dargestellt waren, wurden in den Hauptteil eingegliedert. Die Inhalte der bisher sektoral geprägten drei Kapitel zur besonderen Berücksichtigung des öffentlichen Verkehrs, der Fußgänger und der Radfahrer werden nun in den Abschnitten aufgeführt, die den jeweiligen Planungs- bzw. Projektierungsschritt behandeln, also in den Kapiteln „Entwurf des Signalprogramms“, „Wechselwirkungen zwischen Lichtsignalsteuerung und Entwurf der Verkehrsanlagen“ sowie „Steuerungsverfahren“. Auch die Inhalte des bisherigen Kapitels zu Grünen Wellen wurden in das Kapitel „Steuerungsverfahren“ eingeordnet.

Die zurzeit ebenfalls laufende Überarbeitung des Handbuchs für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen (HBS 2001) bot eine gute Gelegenheit, die Inhalte von RiLSA und HBS aufeinander abzustimmen. Die Gleichungen zur Signalprogrammberechnung wurden in die Neufassung RiLSA wieder aufgenommen, um die verkehrstechnischen Aspekte vollständig darzustellen. In klarer Abgrenzung zum HBS enthalten die neuen RiLSA aber keine Qualitätsbetrachtungen.

Durch die verschiedenen Integrationsschritte ist es gelungen, die Gliederung besser begreifbar zu machen und Redundanzen zu vermeiden. Verbunden mit der Konzentration auf die wesentlichen Inhalte hat dies zu einer deutlichen Straffung und besseren Lesbarkeit der Richtlinien geführt, so dass die Neuausgabe der RiLSA voraussichtlich nur etwa 85 Seiten umfassen wird.

Einfache Beispiele und Abbildungen im Haupttext erläutern die Planungsschritte. Weitere Beispiele behandeln vielfältige Besonderheiten der Lichtsignalsteuerung und werden unabhängig vom Richtlinientext veröffentlicht.

Das Bild 1 zeigt die Gliederung der Neufassung der RiLSA im Entwurfsstand vom 22.2.2007.

 

4  Neue Forschungserkenntnisse und Inhalte der RiLSA

4.1  Vorbemerkungen

Die Neufassung der RiLSA wurde wesentlich durch die Förderung des Forschungsvorhabens „Analyse und Bewertung neuer Forschungserkenntnisse zur Lichtsignalsteuerung“ (FA 3.361) durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung unterstützt (Boltze, Friedrich et al., 2006).

Ziele dieses Forschungsvorhabens waren die Erfassung, die strukturierte und anschauliche Darstellung sowie die kritische Analyse der Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Lichtsignalsteuerung in Deutschland, im benachbarten europäischen Ausland, in den USA und in Japan seit 1990. Die Forschungsergebnisse wurden detailliert hinsichtlich ihrer Validität, Relevanz und Aussagekraft bewertet, um die Erkenntnisse für die Neufassung der RiLSA verfügbar zu machen.

Im ersten Arbeitsschritt wurde in ausgewählten Fachliteratur-Datenbanken und -Verzeichnissen systematisch nach möglicherweise relevanten Veröffentlichungen ab 1990 recherchiert. Die so ermittelten Artikel wurden beschafft und einzelnen Themengebieten zugeordnet. Die Themengebiete wurden aus der zu Projektbeginn im Wesentlichen bereits bekannten Gliederung der neuen RiLSA abgeleitet. Das Material wurde gesichtet und einer ersten Bewertung der Relevanz der einzelnen Literaturfundstellen unterzogen. Die so ausgewählten ca. 400 Artikel wurden in einer Datenbank erfasst und vorbewertet. Ergänzend wurden zur Erschließung der relevanten Erkenntnisse und praktischen Erfahrungen in Japan vor Ort Gespräche mit Experten in der Verkehrstechnik geführt sowie Besichtigungen und eigene Beobachtungen durchgeführt (Boltze, Kittler, Nakamura, 2006).

Die positiv bewerteten Quellen wurden eingehend analysiert und die Ergebnisse im Einzelnen anschaulich aufbereitet. Die Recherche- und Analyseerkenntnisse wurden inhaltlich geordnet zusammengestellt. Zu einer ersten Version dieser Synopse wurden Stellungnahmen von zuständigen Fachverwaltungen, einschlägigen Lehrstühlen der Universitäten, Anlagen- und Systemherstellern sowie Ingenieurbüros erbeten. Die Ergebnisse der Rückmeldungen wurden dann weiter auf einem Workshop (Darmstadt, Dezember 2005) mit über fünfzig Experten aus den genannten Bereichen erörtert.

Im Folgenden werden geordnet nach den Kapiteln der Neufassung RiLSA einige wesentliche Ergebnisse zu den einzelnen Themenfeldern zusammengefasst.

  1. Einleitung
    1.1  Allgemeines
    1.2  Lichtsignale und Signalfolgen
    1.3  Kriterien für den Einsatz von Lichtsignalanlagen und erzielbare Wirkungen
  2. Entwurf des Signalprogramms
    2.1  Begriffe
    2.2  Unterlagen und Voruntersuchungen
    2.3  Signalprogrammstruktur
    2.4  Übergangszeiten
    2.5  Zwischenzeiten
    2.6  Umlaufzeit
    2.7  Freigabezeiten und Sperrzeiten
    2.8  Signalzeitenplan
  3. Wechselwirkungen zwischen Lichtsignalsteuerung und Entwurf der Straßenverkehrsanlagen
    3.1  Allgemeines
    3.2  Fahrstreifen (inkl. Wendefahrbahnen)
    3.3  Fahrbahnteiler und Mittelstreifen
    3.4  Furten
    3.5  Haltestellen
    3.6  Ausstattungselemente
  4. Steuerungsverfahren
    4.1  Übersicht über die Steuerungsverfahren
    4.2  Kenngrößen zur Steuerung
    4.3  Einsatzhinweise zu den Steuerungsverfahren
    4.4  Koordinierung
    4.5  Projektierung der Steuerung
  5. Sonderformen der Signalisierung
    5.1  Engstellensignalisierung
    5.2  Fahrstreifensignalisierung
    5.3  Rampenzuflusssteuerung
    5.4  Nicht vollständige Signalisierung
  6. Technische Ausführung
    6.1  Steuergerät
    6.2  Signalleuchten
    6.3  Anzahl und Anordnung der Signalgeber
  7. Abnahme und Betrieb
    7.1  Abnahme
    7.2  Betrieb
    7.3  Ersatzmaßnahmen bei Betriebsunterbrechung
  8. Qualitätsmanagement
    8.1  Begriff
    8.2  Ziele des Qualitätsmanagements
    8.3  Voraussetzungen
    8.4  Qualitätsmanagement bei der verkehrstechnischen Projektierung
    8.5  Qualitätsmanagement bei der Implementierung
    8.6  Qualitätsmanagement im laufenden Betrieb
           8.6.1  Netzbezogene Gesamtbetrachtung
           8.6.2  Qualitätsanalyse an Einzelknotenpunkten
           8.6.3  Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung
  9. Vorschriften und Technische Regelwerke

Bild 1: Gliederung der Neufassung RiLSA (Entwurfsstand Februar 2007

4.2     Einleitung (Kapitel 1)

Beim Themenfeld Lichtsignale und Signalfolgen wurde in den Forschungsarbeiten vor allem die Anzeige des Freigabezeitendes für die verschiedenen Verkehrsteilnehmergruppen thematisiert. Von Seiten der Praxis wird für eine Anzeige des Freigabezeitendes für Kraftfahrzeuge oder Radfahrer kein Bedarf gesehen. Für Fußgänger ist die Beurteilung jedoch unterschiedlich. Forschungsbedarf besteht bei der Signalisierung von Räumzeiten für Fußgänger hinsichtlich der Auswirkung auf die Verkehrssicherheit, die Einflüsse auf Verkehrsabhängigkeit, und die Qualität des Verkehrsablaufs aller Verkehrsteilnehmergruppen. Änderungsbedarf für die RiLSA wird derzeit nicht gesehen.

Im Bereich der Einsatzkriterien von Lichtsignalanlagen werden in der Literatur im Wesentlichen die Punkte Verkehrsablauf und Verkehrssicherheit behandelt. Offene Forschungsfragen bestehen insbesondere hinsichtlich der Wirksamkeit der Lichtsignalsteuerung in Bezug auf die Steuerung des Verkehrs in Straßennetzen und hinsichtlich der langfristigen Wirkung von Pförtneranlagen, z. B. einer möglichen Verlagerung des Verkehrs auf andere Netzbereiche. Aus dem derzeitigen Stand ist für die RiLSA kein Änderungsbedarf hierzu abzuleiten. Die Möglichkeit, mit Hilfe der Lichtsignalsteuerung zur Reduzierung und besseren räumlichen Verteilung von Emissionen beizutragen, wird in der Neufassung der RiLSA erstmals angesprochen.

4.3     Entwurf des Signalprogramms (Kapitel 2)

Das Rechtsabbiegen mit Grünpfeil-Schild war bereits in die Teilfortschreibung 2003 aufgenommen worden. Weitergehend wird empfohlen, die Verkehrssicherheit langfristig zu untersuchen. In die Betrachtung einbezogen werden sollten sowohl Knotenpunkte, an denen sich die Grünpfeil-Regelung bewährt hat, als auch solche, an denen sie nicht mehr eingesetzt wird. Aus der Analyse und Clusterung der Randbedingungen sollten sich weiter abgesicherte Ergebnisse zu zweckmäßigen Einsatzbereichen ableiten lassen.

Bei der Signalisierung von Linksabbiegern wurde vor allem die Vorgabezeit diskutiert, die in der Praxis unterschiedlich beurteilt wird. Die positiven Erfahrungen in anderen Ländern mit der nur zeitweiligen bzw. nicht gesicherten Führung der Linksabbieger sowie mit den verschiedenen Möglichkeiten der zeitweiligen Sicherung (Vorlauf, Nachlauf) zeigen auf diesem Gebiet ein großes Untersuchungspotenzial. Zu den Wirkungen der unterschiedlichen Formen der Signalisierung von Linksabbiegern wurde inzwischen ein Forschungsvorhaben angeregt.

Für die Fußgängersignalisierung an gesonderten Bahnkörpern wurde in die RiLSA-Neufassung ein Hinweis auf die Notwendigkeit einer Signalisierung für Blinde und Sehbehinderte aufgenommen. Weiter gehend erscheint es sinnvoll, eine Beispielsammlung mit verschiedenen Lösungsvarianten zusammenzustellen, diese Beispiele zu klassifizieren und dann repräsentative Stellvertreter dieser Klassen einer makroskopischen und mikroskopischen Analyse der Verkehrssicherheit zu unterziehen. Hieraus können weiter fundierte Empfehlungen für die optimale Signalisierung von Stadtbahnüberwegen entwickelt werden. In diese Betrachtungen einzubeziehen sind auch Erkenntnisse zur Signalisierung von Stadtbahnüberwegen für Blinde und Sehbehinderte.

Der Festlegung der Zwischenzeiten wird von Seiten der Praxis wegen der Sicherheitsrelevanz eine hohe Bedeutung zugesprochen. Eine situationsabhängige Verlängerung der Zwischenzeit kommt in Deutschland bereits an einigen Stellen zur Anwendung. Eine Verkürzung wird im Bereich von Bahnübergängen oder Anlagen mit ÖPNV-Beschleunigung eingesetzt. Verkehrsabhängige Zwischenzeiten werden im Ausland in unterschiedlichen Formen angewendet, sind in Deutschland jedoch noch nicht weit verbreitet. Die Neufassung der RiLSA wird diese Möglichkeit nur im Zusammenhang mit der Engstellensignalisierung mit angemessenen Sicherheitshinweisen erstmals darstellen. Hinsichtlich der Verkehrssicherheit und einer weiteren Anwendung wird Forschungsbedarf gesehen.

Bei den Übergangszeiten wird von Seiten der Praxis die Schaltung von 5 s Gelbzeit außerorts sicherheitskritisch gesehen: Häufig werden 4 s angewendet. Auch bei Haltestellen mit Zeitinsel hat sich die Übergangszeit von 5 s als zu lang erwiesen. Die Neufassung der RiLSA wird für eine zulässige Geschwindigkeit von 70 km/h ergänzend auch eine Gelbzeit von 4 s zulassen und bei dynamischer Haltestellensicherung 3 s Gelbzeit als Sollwert festlegen.

Forschungsbedarf besteht zu den Auswirkungen von hohen Dichten im Fußgängerverkehr auf die Zwischenzeitberechnung und die notwendigen Freigabezeiten. Um diese Zusammenhänge zuverlässig und für die Verhältnisse in Deutschland zutreffend zu beschreiben, sind empirische Untersuchungen notwendig, die das Zusammenspiel zwischen dem verspäteten Betreten der Fahrbahn und den langsameren Gehgeschwindigkeiten dokumentieren.

4.4     Wechselwirkungen zwischen Lichtsignalsteuerung und Entwurf der Verkehrsanlagen (Kapitel 3)

Zu den Themenfeldern in diesem Kapitel wurden nur wenige Forschungsergebnisse veröffentlicht. Änderungen der RiLSA haben sich vor allem aus der Integration der bisher separaten Kapitel zu öffentlichen Verkehrsmitteln, Fußgängern und Radfahrern ergeben.

Arbeiten, die dem Themenfeld Fahrstreifen und Wendefahrbahnen zugeordnet wurden, beschäftigten sich vor allem mit Knotenpunktformen, die primär kein Thema der RiLSA sind. Weiterer Forschungsbedarf wird nicht gesehen.

Zum Themenfeld Inseln und Furten liegt mit den „Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen“ (FGSV, 2002) ein aktuelles Regelwerk vor. Weiterer Forschungsbedarf zu Lichtsignalanlagen wird in diesem Zusammenhang nicht gesehen. Kritisches Thema für den Radverkehr ist vor allem das Absetzen von Furten. In die RiLSA-Neufassung wurde deshalb der Hinweis aufgenommen, dass auf Rad-Hauptrouten die Furten nicht abgesetzt werden sollten.

Bei der Signalisierung von ÖPNV-Haltestellen bestehen in Deutschland verschiedene Formen in der praktischen Umsetzung. Forschungsbedarf oder Änderungsbedarf bei der Neufassung der RiLSA besteht jedoch nicht.

4.5  Steuerungsverfahren (Kapitel 4)

Zu diesem Kapitel wurden im Themenfeld Grundlagen, Übersicht, Einsatzhinweise diverse Arbeiten zu verschiedensten Steuerungsverfahren veröffentlicht. Verbleibender Forschungsbedarf besteht lediglich in einer vergleichenden Bewertung der unterschiedlichen Umsetzung der Steuerungsverfahren. Für die Neufassung der RiLSA ergibt sich kein wesentlicher Handlungsbedarf.

Von den Veröffentlichungen, die sich mit den Kenngrößen für die Steuerung beschäftigten, haben sich die meisten auf die notwendige Anzahl und die ideale Lage der Anforderungseinrichtungen für die Berücksichtigung des Kraftfahrzeugverkehrs in der regelbasierten Steuerung konzentriert. Einige Arbeiten sind darüber hinaus auf weitere Kenngrößen eingegangen, die für die modellbasierte Steuerung notwendig sind. Die Neufassung der RiLSA wird erstmals auf die Einbeziehung von Kenngrößen zur Umweltsituation bei der Steuerung hinweisen. Weitreichender verbleibender Forschungsbedarf besteht einerseits in der Detektion der verschiedenen Abbiegebeziehungen. Diese sind eine wichtige Information für die Abbildung des Verkehrs in Netzen, welche für den optimalen Betrieb modellbasierter Steuerungsverfahren benötigt wird. Andererseits besteht Forschungsbedarf, welche weiteren Kenngrößen auch für die Steuerung von Lichtsignalanlagen genutzt werden können und wie dies erfolgen kann. Denkbar wäre zum Beispiel, auch Informationen über Reisezeiten einzubinden oder Floating Car Data zu nutzen. Bisher nicht behandelt wurde zudem die Frage, ob auch die automatische Detektion von Fußgängern und Radfahrern sinnvoll ist und welche veränderten Möglichkeiten der Kenngrößenbetrachtung sich daraus ergeben.

Die Neufassung der RiLSA unterscheidet zwischen regelbasierter und modellbasierter Steuerung. Der in der Teilfortschreibung verwendete Begriff der messwertbasierten Steuerung wurde zu regelbasierter Steuerung geändert, um das Funktionsprinzip dieser Art der verkehrsabhängigen Steuerung noch besser wiederzugeben.

Die in den RiLSA 1992 enthaltene Tabelle mit einer Übersicht zu den Steuerungsverfahren wurde weiterentwickelt (Bild 2).

Das in den RiLSA 1992 eigenständige Kapitel zur Grünen Welle wurde in das Kapitel Steuerungsverfahren integriert und um die Aspekte der Koordinierung in Knotenpunkten und der Koordinierung im Verkehrsnetz erweitert. In diesem Zusammenhang werden nun auch die Belange der Fußgänger in Knotenpunkten sowie des ÖPNV und des Radverkehrs in Grünen Wellen angesprochen. Theoretische Betrachtungen zu den Hintergründen der Koordinierung in Straßennetzen wurden bisher nicht veröffentlicht, hierzu besteht noch erheblicher Forschungsbedarf. Relevant scheint dabei die Weiterentwicklung bestehender Verfahren der Offline- und Online-Optimierung. Weiterhin ist das Zusammenspiel der Koordinierung von Netzen und der linienhaften Optimierung des ÖPNV von besonderem Interesse.

Bild 2: Übersicht über die Steuerungsverfahren (RiLSA-Neufassung, Entwurfsstand Februar 2007)

4.6     Sonderformen der Signalisierung (Kapitel 5)

Hinweise zur nicht vollständigen Signalisierung von Knotenpunkten wurden auf Grundlage der Ergebnisse eines zurzeit laufenden Forschungsprojekts in der Neufassung der RiLSA aufgenommen.

Bei der Engstellensignalisierung wurde die Anwendung von verkehrsabhängigen Zwischenzeiten mit positivem Ergebnis untersucht. Weiterführende Erfahrungen aus der Praxis liegen jedoch nicht vor. Die Neufassung der RiLSA wird diese Möglichkeit bei der Engstellensignalisierung mit angemessenen Sicherheitshinweisen erstmals darstellen.

Zum Themenfeld der Fahrstreifensignalisierung liegen Untersuchungen zur 1+W+1-Führung mit unterschiedlichen Aussagen vor. Da die Wirtschaftlichkeit dieser Verkehrsführung jedoch grundsätzlich in Frage steht, wurde kein Forschungsbedarf und kein Änderungsbedarf für die RiLSA gesehen.

Signaltechnische Aspekte der Rampenzuflusssteuerung wurden wegen der wachsenden Bedeutung dieser Steuerungsform und der zunehmenden Anwendung auch in Deutschland neu in die RiLSA aufgenommen. Es liegen zahlreiche Veröffentlichungen zu Anwendungen in In- und Ausland vor. Es zeigt sich, dass weiterer Forschungsbedarf zu den Wirkungen von koordinierten und lokalen Steuerungen sowie zu rechtlichen Aspekten besteht. Eine Veröffentlichung umfassender Hinweise zur Rampenzuflusssteuerung wird zurzeit im FGSV-Arbeitsausschuss „Verkehrsbeeinflussung außerorts“ vorbereitet.

Hinweise zur nicht vollständigen Signalisierung von Knotenpunkten sollen auf Grundlage der Ergebnisse eines zurzeit laufenden Forschungsprojekts noch in die Neufassung der RiLSA aufgenommen werden.

4.7     Technische Ausführung (Kapitel 6)

Mit dem Themenfeld Steuergerät wird sich auch die Neufassung der RiLSA nur in grundsätzlicher Form befassen. Hier stehen vor allem die Aktivitäten im Rahmen der OCIT-Initiative im Vordergrund; darüber hinausgehender Forschungs- und Handlungsbedarf wird nicht gesehen.

Mehrere Veröffentlichungen haben sich mit akustischen und taktilen Signalgebern für Blinde und Sehbehinderte befasst, aber auch mit der Erkennbarkeit der Signale sowie mit Kontrastblenden an Signalgebern. In der Praxis hat sich vor allem der Einsatz akustischer Signalgeber als kritisch erwiesen. Weiterer Forschungsbedarf im Bereich der Signalgeber für Blinde und Sehbehinderte wird nicht gesehen.

Forschungsbedarf besteht zur Schaltung unterschiedlicher Lichtstärken für LED bei Tag und bei Nacht. Änderungsbedarf für die RiLSA, der über die Aussagen in der RiLSA-Teilfortschreibung (FGSV, 2003) hinausgeht, besteht zurzeit nicht.

Die Anzahl und die Aufstellung der Signalgeber wurden in den erfassten Veröffentlichungen nicht als grundsätzliches Kernthema behandelt. Es hat sich gezeigt, dass in verschiedenen Fällen die Signalgeber für den Kraftfahrzeugverkehr hinter der Konfliktfläche aufgestellt werden. Gesicherte Erkenntnisse zu den Auswirkungen auf die Sicherheit liegen jedoch nicht vor. Es wird eine Untersuchung vorgeschlagen, die verschiedene Beispiele zusammenstellt. Dabei sind Sicherheitsbetrachtungen wie Unfalluntersuchungen und Verkehrssituationsanalysen durchzuführen. Des Weiteren sind auch Beispiele zu betrachten, bei denen die Signalgeber hinter der Konfliktfläche wieder entfernt wurden. Als Ergebnis aus dieser Untersuchung sollte ein Katalog mit sinnvollen Anwendungsbeispielen für die Positionierung der Signalgeber zusammengestellt werden, und es sollten Einsatzempfehlungen abgeleitet werden.

In Anlehnung an die aktuell veröffentlichten Hinweise zur Signalisierung des Radverkehrs (HSRa) (FGSV, 2005) wird in der RiLSA-Neufassung bei der gemeinsamen Signalisierung des Rad- und Fußgängerverkehrs der Einsatz von Signalgebern mit kombinierten Sinnbildern empfohlen.

Seit der Wiedervereinigung Deutschlands werden als Sinnbilder für Fußgängersignale neben den in den RiLSA 1992 vorgegebenen Sinnbildern vor allem in den neuen Bundes-ländern auch sogenannte „Ampelmännchen verbreitet verwendet. Wegen der guten Erkennbarkeit dieser Symbole und nicht zuletzt auch aus Gründen der Sympathie enthält die aktuelle Neufassung der RiLSA zusätzlich diese „Ampelmännchen“, allerdings mit dem Hinweis, dass sie nach StVO (bisher) nicht vorgesehen sind.

Die Literatur zu Detektoren hat sich im Wesentlichen mit der automatischen Detektion von Fußgängern beschäftigt. Aus der Praxis gibt es hierzu insgesamt eine positive Resonanz. Bereits umgesetzte Beispiele nutzen im Wesentlichen die Freigabezeitverlängerung für den besseren Schutz von Schülern auf der Furt. Verbleibender Forschungsbedarf zu Detektoren besteht vor allem Messgenauigkeit und Qualitätssicherung der einzelnen Systeme sowie weiter gehend zur automatischen Detektion von Fußgängern. Bisher nicht behandelt wurde zudem die Frage, ob auch die automatische Detektion von Radfahrern mittels anderer Systeme als Induktivschleifendetektoren sinnvoll ist. Grundlegender Änderungsbedarf für die RiLSA besteht nicht. Allerdings ist die Höhe der Anforderungstaster entsprechend der DIN 18024 anzupassen, auch wenn diese in der Praxis teilweise kritisch gesehen wird.

4.8     Abnahme und Betrieb (Kapitel 7)

Für die Themenfelder Abnahme und Ersatzmaßnahmen bei Betriebsunterbrechung gibt es keine neuen Erkenntnisse. Es besteht weder Forschungsbedarf noch Änderungsbedarf für die RiLSA. Der Regelbetrieb wurde in der Forschung ebenfalls kaum behandelt.

In der Praxis zeigen sich jedoch erhebliche Abweichungen zu den RiLSA-Vorgaben beim Ein- und Ausschalten, das in sehr unterschiedlicher Weise erfolgt, sowie bei der Nachtabschaltung, die entgegen den Aussagen der RiLSA gängige Praxis ist. Für die Zukunft sollten Forschungsarbeiten zur Nachtabschaltung die Sicherheitswirkungen vertieft untersuchen. Zum Ein- und Ausschalten sollten im ersten Schritt die angewendeten Verfahren und ihre Auswirkungen verglichen werden. Die Darstellung des Ein- und Ausschaltvorgangs in den RiLSA wurde angepasst.

4.9     Qualitätsmanagement (Kapitel 8)

Das Qualitätsmanagement für Lichtsignalanlagen wurde bereits in der Teilfortschreibung 2003 der RiLSA als neues Thema aufgenommen. Aufbauend auf Forschungsarbeiten zu diversen Teilaspekten wurde ein zusammenfassendes Forschungsvorhaben als Grundlage für die Neufassung der RiLSA abgeschlossen (Boltze, Reusswig, 2005). Von Seiten der Praxis wird eine differenzierte Betrachtung des Themas gefordert, da Kostenprobleme bei der Umsetzung des Qualitätsmanagements befürchtet werden.

Zu verschiedenen Teilaspekten des Qualitätsmanagements, wie z. B. den erforderlichen Turnussen und der Wirksamkeit von Maßnahmen, besteht weiterer Forschungsbedarf. Ein Vorhaben hierzu wird derzeit an der Leibnitz Universität Hannover bearbeitet. Ein entsprechendes Kapitel in den RiLSA wurde auf Grundlage des oben genannten Forschungsvorhabens ergänzt.

 

5   Ausblick

Der Arbeitsausschuss „Verkehrsbeeinflussung innerorts“ hat am 20./21.9.2006 in Leipzig einen vollständigen Entwurf der Neufassung der RiLSA beraten und zur Weiterleitung an den Lenkungsausschuss der Arbeitsgruppe „Verkehrsführung und Verkehrssicherheit“ verabschiedet. Die anstehende weitere Beratung in den FGSV-Gremien wird gefolgt von der Abstimmung der Neufassung mit dem zuständigen Bund-Länder-Fachausschuss. Bei günstigem Verlauf aller weiteren Abstimmungen ist mit einer Veröffentlichung der Neufassung der „Richtlinien für Lichtsignalanlagen“ (RiLSA) etwa Ende 2007 zu rechnen.

Die Fallbeispiele werden zurzeit vorbereitet und sollen zeitgleich veröffentlicht werden.

Um den hohen Stand der Entwicklung in der Lichtsignaltechnik in Deutschland auch für das Ausland zu dokumentieren und den Austausch mit ausländischen Experten weiter zu fördern, strebt der Arbeitsausschuss „Verkehrsbeeinflussung innerorts“ mit Nachdruck an, auch die neue Ausgabe der „Richtlinien für Lichtsignalanlagen“ (RiLSA) ins Englische zu übersetzen.

 

Literaturverzeichnis

Boltze, M.; Reusswig, R.: Qualitätsmanagement für Lichtsignalanlagen. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen V 128. Bergisch Gladbach, 2005.

Boltze, M., Friedrich, B., et al.: Analyse und Bewertung neuer Forschungserkenntnisse zur Lichtsignalsteuerung. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen V 149, Bergisch Gladbach, 2006

Boltze, M.; Kittler, W.; Nakamura, H.: Lichtsignalsteuerung in Japan. Straßenverkehrstechnik (50), Heft 9, 2006, Seite 531–537.

Retzko, H.-G.: Richtlinien für Lichtsignalanlagen in Deutschland – ein Rückblick. Vortrag auf dem Deutsch-Chinesischen Symposium zur Lichtsignalsteuerung am 22. bis 24. Mai 2006 in Shanghai (China).

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen:

  • Richtlinien für Lichtsignalanlagen (RiLSA), Ausgabe 1992
  • Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen (HBS), Ausgabe 2001/Fassung 2005
  • Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen, Ausgabe 2002
  • Guidelines for Traffic Signals. English Version of Richtlinien fuer Lichtsignalanlagen RiLSA. Edition 1992 (with minor modifications), Translation 2003
  • Richtlinien für Lichtsignalanlagen (RiLSA), Teilfortschreibung 2003
  • Hinweise zur Signalisierung des Radverkehrs (HSRa), Ausgabe 2005

Umfassende Literaturhinweise zu den einzelnen Themenfeldern der Lichtsignalsteuerung sind dem Schlussbericht zum FA 3.361 „Analyse und Bewertung neuer Forschungserkenntnisse zur Lichtsignalsteuerung“ (Boltze, M.; Friedrich, B., et al., 2006) zu entnehmen, dessen Veröffentlichung in der Schriftenreihe V der Bundesanstalt für Straßenwesen zurzeit vorbereitet wird.