FGSV-Nr. FGSV 001/24
Ort Leipzig
Datum 16.10.2012
Titel Straßen und Baukultur
Autoren Dr.-Ing. Harald Heinz
Kategorien Kongress
Einleitung

Der Vortrag nähert sich zunächst einigen komplexen Begriffen: Baukultur, Schönheit, qualitätsvolle Gestaltung. Baukultur ist mehr als schönes Bauen, sie umfasst alle Anforderungen an ein Bauwerk. Auch der Prozess, in dem ein Bauwerk entsteht, ist Teil der Baukultur. Die baukulturellen Ansprüche betreffen Straßen in gleichem Maß wie für Gebäude. Straßenbauingenieure sind daher genauso in der Pflicht wie alle anderen an der Gestaltung unserer Umwelt Beteiligten. Von den vielen Gründen, die für Baukultur sprechen, werden sechs etwas genauer beleuchtet: 1. Baukultur stärkt die Identifikation der Bürgerschaft mit „Ihrer“ Kommune, 2. Baukultur macht Bauten nachhaltig und spart daher auf lange Sicht Kosten, 3. Baukultur spart Zeit, 4. Baukultur macht glücklich, 5. Baukultur ist Standortfaktor und fördert Investitionen und 6. Baukultur fördert regionale Identität. Die Ausführungen zum Prozess stellen dar, dass Straßen nur in einem interdisziplinären Prozess qualitätsvoll gestaltet werden können: wichtig sind die frühzeitige Beteiligung der Zivilgesellschaft bei der Formulierung der Ziele und das Arbeiten der Disziplinen nicht nacheinander, sondern kontinuierlich miteinander. Den Abschluss des Vortrags bildet ein Ausblick auf das in Arbeit befindliche „Handbuch für die Bewertung von Straßengestaltung“ (HGS).

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Was ist Baukultur?

Baukultur ist mehr als schönes Bauen, sie umfasst alle Anforderungen an ein Bauwerk. Auch der Prozess, in dem ein Bauwerk entsteht, ist Teil der Baukultur. Die baukulturellen Ansprüche betreffen Straßen in gleichem Maß wie Gebäude. Straßenbauingenieure sind daher genauso in der Pflicht wie alle anderen an der Gestaltung unserer Umwelt Beteiligten. Straßen sind die Lebensadern unseres Landes, und ohne ein funktionstüchtiges Verkehrssystem würde unsere Zivilisation in kurzer Zeit zusammenbrechen. Straßen- und Verkehrsingenieure sorgen dafür, dass wir uns mit den unterschiedlichsten Verkehrsmitteln bewegen können. Was für uns alle so wichtig ist, kann zugleich aber auch belastend sein: ein großer Teil unserer Bevölkerung leidet unter Verkehrslärm, viele Straßen sind nicht so einladend, dass ihre Nutzer von „ihrer“ Straße sprechen. Manche Straßen sind so lebensfeindlich, dass sich niemand in ihnen aufhalten möchte. Dabei gibt es viele Beispiele, die uns zeigen, dass selbst Straßen mit viel Autoverkehr, etwa die Boulevards von Paris, eine hohe Aufenthaltsqualität bieten und wunderbare Räume sein können (hierzu werden derzeit im Ausschuss Straßenraumgestaltung „Hinweise zur Integration von Hochleistungsstraßen“ erarbeitet).

Baukultur bedeutet auf Straßen bezogen also weit mehr als Schönheit, sie ist die Verpflichtung für alle, die sich mit der Gestaltung dieser wichtigen öffentlichen Räume beschäftigen, angenehme Lebensräume zu schaffen. Zur Baukultur gehört daher beispielsweise auch barrierefreies Bauen oder ein städtebaulich verträglicher Lärmschutz.
Baukultur entsteht durch:
1. weitsichtig Planen,
2. gut Bauen,
3. miteinander Reden – Beispiel: Faltposter „Straße und Baukultur“ der BSVI.

Im Projekt „Kommunale Kompetenz Baukultur“, das soeben abgeschlossen wurde, wird ein „Werkzeugkasten“ mit 28 Instrumenten vorgestellt, mit deren Hilfe Baukultur in der kommunalen Praxis erreicht werden kann. Für das Thema „Straßen und Baukultur“ sind insbesondere die folgenden Instrumente von Bedeutung:
– Kommunales Leitbild,
– Fachkonzepte (z. B. Stadtgestalterische Beiträge) und kommunale Regelwerke,
– Stadtbildplanung,
– Ämterkooperation,
– Einfluss auf andere Planungsträger,
– Wettbewerbe,
– Gestaltungsfibeln und -ratgeber,
– Beteiligung der Öffentlichkeit und öffentliche Vermittlung,
– Fortbildungen für Politik und Verwaltung,
– Auszeichnungen und Preise,
– Kampagnen zur Baukultur.

Bild 1: Werkzeugkasten zur kommunalen Baukultur

Während für Straßen innerorts im Arbeitsausschuss „Straßenraumgestaltung“ seit nunmehr 25 Jahren Empfehlungen erarbeitet werden (zuletzt die „Empfehlungen zur Straßenraumgestaltung in bebauten Gebieten – ESG im Jahr 2011), gerieten die Gestaltungsansätze für Straßen in der Landschaft, die in den 1920er-Jahren des vorigen Jahrhunderts entwickelt worden waren, in der Zeit nach 1945 in Vergessenheit. Im Vordergrund standen zunächst fast ausschließlich Leistungsfähigkeit, dann zunehmend Verkehrssicherheit und Ökologie. Nun rückt durch die Aufgabe „Lärmschutz“ die Integration von Autobahnen und Hochleistungsstraßen in Siedlungsnähe die Integration derartiger Straßen in Landschaft und Stadt(rand) zunehmend ins Blickfeld.

2 Was ist Schönheit?

Seit jeher beschäftigen sich Bauwesen und Philosophie mit der Frage, was schönes Bauen sei. Zahllose Theorien wurden entwickelt, von Vitruv über Leon Battista Alberti bis hin zu Le Corbusier. In diesen Theorien gibt es viele Übereinstimmungen, aber auch wesentliche Unterschiede. Immer wird Schönheit aber nicht allein auf ästhetische Kategorien reduziert, immer gehören funktionale Ziele wie Brauchbarkeit, Sicherheit und Haltbarkeit dazu. Die Erfahrung zeigt, dass sich die meisten Menschen verhältnismäßig einig sind, was schön ist (auch wenn sie das vielleicht selbst nicht so sagen würden). Schönheit scheint somit eine „intersubjektive Kategorie“ zu sein: objektiv nicht eindeutig und abschließend zu definieren, trotzdem Grundlage für viele übereinstimmende Bewertungen.

Zwei Beispiele aus Natur und Technik: die Form eines Seeigels vereint höchste Funktionalität mit vollkommener Form; der Plattenspieler entspricht in allen seinen Elementen den funktionalen Anforderungen an ihn. Beide werden die meisten von uns wohl auch als „schön“ bezeichnen, bei beiden zeigt sich aber auch die Übereinstimmung von Form und Funktion.

Da Straßen wichtige Teile unserer gebauten Umwelt sind, die uns täglich umgeben und unser Verhalten wesentlich beeinflussen, darf auch an sie durchaus die Forderung gestellt werden, dass sie „schön“ und funktionstüchtig sind. Für Straßen gelten somit baukulturelle Ansprüche in gleichem Maß wie für Gebäude.

Straßenbauingenieure sind daher genauso in der Pflicht, Baukultur zu schaffen, wie alle anderen an der Gestaltung unserer Umwelt Beteiligte.

Bild 2: Intersubjektiv schön empfunden: Seeigel und Plattenspieler

3 Straßenraumgestaltung ist Städtebau

Die neuen „Empfehlungen zur Straßenraumgestaltung“ zeigen mit viel Hintergrundinformation und an Hand zahlreicher positiver Beispiele Möglichkeiten auf, wie Baukultur in lebenswerten Straßen und in einem Verkehrssystem geschaffen werden können, dessen Teile verträglich in unsere Siedlungsräume integriert sind. Das Faltposter „Straße und Baukultur“ hat daher zentrale Aussagen der neuen ESG aufgegriffen und einem breiten Fachpublikum näher gebracht. Der 2010 von der BSVI ins Leben gerufene Initiativkreis „Straße und Baukultur“ fördert das Zusammenwirken von Städtebau und Straßenbau. Der Initiativkreis der BSVI arbeitet zusammen mit der FGSV und der Stiftung Baukultur daran, Straßen zu einem Teil unserer Baukultur zu machen. Alle Disziplinen, die sich mit der Gestaltung unserer Straßen beschäftigen, sind in der Verantwortung für die Qualität dieser für uns alle wichtigen Lebensräume.

Bild 3: Faltposter „Straße und Baukultur“ der BSVI

4 Baukultur lohnt sich – sechs gute Gründe für Baukultur

Von den vielen Gründen, die für Baukultur sprechen, werden sechs etwas genauer beleuchtet:

4.1 Baukultur stärkt die Identifikation der Bürgerschaft mit „ihrer“ gebauten Umwelt

Die Auseinandersetzung mit Baukultur führt in der Bürgerschaft zu einer öffentlichen Anerkennung des Werts von historischem Erbe und zeitgenössischem, qualitätvollem Planen und Bauen. Baukultur wird als essenzielle Qualität des Gemeinwesens erkannt. Dies stärkt den Bürgersinn, löst Diskussionen aus und bringt Menschen miteinander ins Gespräch. Baukultur schafft somit auch „Alltagskultur“, öffentliche Anerkennung und Verantwortungsbewusstsein.

4.2 Baukultur macht Bauwerke nachhaltig und spart daher auf lange Sicht Kosten

Baukultur lohnt sich, sie schafft eine nachhaltige Nutzbarkeit von Projekten, langfristige Werthaltigkeit und stadträumliche Bedeutung. Dass Qualität keine Mehrkosten verursacht, heißt natürlich nicht, dass sie umsonst zu haben ist.

4.3 Baukultur spart Zeit

Ein hohes Bewusstsein für die Qualitäten des eigenen Ortes bei Verwaltung, Politik und Bürgerschaft, gepaart mit einer Kultur des Austauschs und interdisziplinärer Zusammenarbeit führt zu eingeübten und breit abgesicherten Verfahren des Planens und Bauens. Es bilden sich klare Qualitätsstandards heraus, die bei zukünftigen Projekten nicht aufs Neue diskutiert werden müssen und damit wertvolle Zeit sparen.

4.4 Baukultur macht glücklich

Baukultur erfreut uns, schöne Gestaltung oder angenehme Funktionen sind überzeugende Argumente – und wer ist nicht stolz auf die Schönheit eines Platzes oder die Attraktivität einer wichtigen Straße? Und wenn die Menschen dann auch noch das Gefühl haben können, dass sie selbst es waren, die an diesem Ergebnis mitgewirkt haben, führt dies zu nachhaltiger Identifikation – sie werden sich um ihre Umwelt kümmern.

4.5 Baukultur ist Standortfaktor und fördert Investitionen

Baukultur steigert das Image der Stadt. Welche Kommune schaut nicht auf ihr Ansehen oder das Abschneiden beim nächsten Städteranking. Die Stadt attraktiv für Menschen, Firmen und Investoren zu machen, ist daher eine Strategie zur Standortförderung. Baukultur wird zunehmend zu einem wichtigen Standortfaktor; Baukultur ist auch Wirtschaftsförderung.

4.6 Baukultur fördert regionale Identität

Qualitätsvolle Bauten und öffentliche Räume schaffen eine regionale Identität innerhalb der globalen Wirklichkeit. Örtliche Traditionen, die den Raum prägen, werden aufgegriffen und weiterentwickelt. Das handwerkliche Potenzial der Region kann genutzt werden, Herausforderungen führen zur Bewahrung und Weiterentwicklung der vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten.

5 Zeitbezug von Baukultur

Baukultur ist ein zeitbezogener Begriff. Was in den 1960er-Jahren des vorigen Jahrhunderts als gelungene Straße bezeichnet wurde, hätten wir heute häufig gern weg. In der letzten Zeit mehren sich Projekte, in denen Verkehrsinfrastrukturen rückgebaut, abgebrochen oder umgenutzt werden: die S-Bahnstrecke in Manhattan, die zum Park über der Stadt umgebaut ist; der Straßentunnel an der Gedächtniskirche in Berlin, der zugeschüttet wurde; der „Tausendfüßler in Düsseldorf, der trotz Denkmalschutz für eine städtebaulich wichtige Verbindung zwischen Stadtzentrum und Park abgebrochen wird; die Hochstraße in Ludwigshafen, für die zurzeit verschiedene Rückbauvarianten diskutiert werden.

Die Hochstraße B 44 in Ludwigshafen wurde zurzeit ihres Baus um 1965 als Element der modernsten Stadt Deutschlands gerühmt. Heute stellt sie ein unüberwindbares Hemmnis für die Stadtentwicklung dar. Ob die Umwandlung der Hochstraße in einen ebenerdigen niveaugleichen Boulevard gelingt, ist noch fraglich; aber allein schon die Möglichkeit, einen derartigen Umbau erwägen und ernsthaft prüfen zu können, zeigt, dass sich in der Bewertung und Planung von Verkehrsinfrastruktur ein deutlicher Paradigmenwechsel vollzieht.

Bild 4: Hochstraßen in Ludwigshafen: Zeitgemäße Verkehrsinfrastruktur oder Zeitzeugen einer überholten Verkehrspolitik?

6 Baukultur im Prozess und im Ergebnis

Baukultur äußert sich im Ergebnis und im Prozess. Auch im Straßenbau gilt daher der Grundsatz „Planungskultur ist (auch) Prozesskultur“, im Entwurf sind die Belange der Baukultur durch Qualitätssicherung, Beteiligung der Betroffenen und interdisziplinäre Zusammenarbeit angemessen zu berücksichtigen. Von besonderer Bedeutung ist die Beteiligung der Betroffenen schon zu Beginn der Planung, bei der Formulierung der Ziele und der Bewertung der Analysen zum Bestand. Eine Beteiligung zu Beginn des Planungsprozesses schafft die Voraussetzung für die Verbindung von ortsbezogenem Wissen und ortsunabhängigem Lösungspotenzial. Da Beteiligung manchmal ein längerer Prozess ist, muss sie Spaß machen. Bei einem Projekt zur Vorbereitung eines Wettbewerbs zur Gestaltung von Plätzen in einem innenstadtnahen Stadtviertel in Aachen wurde die Beteiligung zu einem Stadtteilfest mit Spielen, Vorlesern, einem gemeinsamen Essen an langen Tafeln und vielen Möglichkeiten, sich kennenzulernen und auszutauschen. „Nebenbei“ konnten auch wertvolle Informationen für den weiteren Planungsprozess gewonnen werden.

Straßen können nur in einem interdisziplinären Prozess qualitätvoll gestaltet werden: wichtig ist das Arbeiten der Disziplinen nicht nacheinander, sondern kontinuierlich miteinander. Wenn ich in der Post ein Schreiben einer Niederlassung der Straßenbauverwaltung finde, in dem ich gebeten werde, „einen Straßenraum zu gestalten“, und der beiliegende Plan ein fertiger Vorentwurf ist, bei dem an einer Aufweitung des Raums eine weiße Fläche mit dem Vermerk „Gestaltungsfläche“ zu sehen ist, zeigt dies ein Verständnis von Zusammenarbeit, die vermutlich kaum zu Baukultur führen wird.

Bild 5: Innovative Beteiligung der Öffentlichkeit

Baukultur entsteht im Straßenbau nur in interdisziplinärer Zusammenarbeit. Nur wenn alle beteiligten Disziplinen von Anfang an und kontinuierlich zusammenarbeiten, lassen sich Funktionalität, Sicherheit und Gestaltung gemeinsam erreichen. Die Zusammenarbeit muss sich auf alle Leistungsphasen erstrecken, – wobei in jeder Leistungsphase Schwerpunkt und Verantwortlichkeit anders sein werden. Anfänglich vorhandene Konflikte können gemeinsam gelöst werden, Ziele können durch gemeinsam erarbeitete Lösungen zusammen erreicht werden. Im „Würfel der Straßenraumgestaltung“ können wir gemeinsam den Punkt erreichen, wo eine Straße nicht nur funktioniert, nur sicher oder nur schön ist, sondern alles zusammen.

Damit dies gelingen kann, muss das gemeinsame Denken schon in den Hochschulen zum Standard werden. Solange dort noch die alten Vorurteile gepflegt werden, anstatt Lehrpläne zu erarbeiten, bei denen die Disziplinen Zusammenarbeit lernen, wird sich auch die Planungspraxis nur rudimentär ändern lassen. Wichtig ist umgekehrt aber auch eine entsprechende Nachfrage in Verwaltung und Wirtschaft nach Leuten, die interdisziplinär denken. Auch hier sind die Fachabteilungen strikt getrennt, häufig überwiegt das gegenseitige Belächeln der Anderen.

Bild 6: Würfel der Straßenraumgestaltung

Bild 7: Nicht nacheinander, sondern miteinander arbeiten

7 Förderung von Baukultur im Straßenbau

Nur Projekte, die in einer ganzheitlichen Optimierung aller Aspekte den Zielen der Baukultur entsprechen, sind es wert, mit öffentlichen Mitteln unterstützt zu werden. Für die Zukunft ist daher zu wünschen, dass die baukulturelle Qualität eines Entwurfs zur Voraussetzung für Finanzierung und Förderung eines Projekts gemacht wird. Qualität führt nicht unbedingt zu höheren Herstellungskosten, und die Unterhaltungskosten können durch höhere Qualität sogar gesenkt werden. Die planerischen Leistungen, die zu derartiger Qualität führen, müssen allerdings entsprechend honoriert werden.

Zurzeit lässt das MBWSV NRW ein Gutachten zur Förderung der Integration von Stadt- und Verkehrsentwicklung erarbeiten. Es ist zu hoffen, dass die Politik des Landes NRW auf der Grundlage der Vorschläge dieses Gutachtens einen Weg einschlägt, bei dem die Verkehrsinfrastruktur in die Stadt besser integriert werden kann als bisher.

8 Bewertung der Gestaltung von Straßen (HGS)

Das „Handbuch für die Bewertung der Gestaltung von Straßen“ (HGS) kann – in einer Reihe mit dem HBS und dem HVS – den Aspekt Gestaltung gleichberechtigt mit Funktion und Sicherheit zur Geltung bringen.

Im HGS sollen Straßen in Stadt und Landschaft gemeinsam betrachtet werden. Die Ausgangssituation für die Arbeit in beiden Bereichen ist sehr unterschiedlich: während für Innerortsstraßen mit der Erarbeitung der ESG 87, der ESG 96 und der neuen ESG seit nunmehr 25 Jahren eine intensive Auseinandersetzung mit gestalterischen Fragen stattgefunden hat, haben sich in den letzten Jahrzehnten die Bemühungen zur Integration von Straßen in den Landschaftsraum überwiegend auf ökologische Aspekte konzentriert. Die interessanten Ansätze, die etwa in den 1920er-Jahren in Vorbereitung der ersten Autobahnprojekte zur Einpassung der Straße in die Landschaft entstanden, wurden später mehr und mehr auf Aspekte einer leicht erkennbaren, sicheren Linienführung reduziert. Aspekte wie Erlebnis der Landschaft aus dem Straßenraum, Orientierung im Raum oder Sequenzbildung gerieten weitgehend in Vergessenheit. Das Handbuch will an die früheren Ansätze anknüpfen und ästhetische Ziele auch in Straßenbauprojekte einbringen, die außerhalb bebauter Gebiete liegen. Die bisher erarbeiteten ESG können neben den derzeit in Arbeit befindlichen Forschungsprojekten der BASt und des BBSR zu Fragen der Integration von Infrastruktur und Lärmschutzanlagen in die Landschaft als Grundlage dienen.

Bild 8: Die künftige gemeinsame Bewertung von Straßen mit HBS, HVS und HGS

Die Bundesstiftung Baukultur unterstützt das Projekt und arbeitet im gebildeten Arbeitskreis 2.8.2 der FGSV mit. Für die Aspekte der Straßen in der Landschaft sind Freiraumplaner aus dem Arbeitsausschuss 2.9 beteiligt.

Zentrale Inhalte des Handbuchs werden – außer den bereits in den ESG enthaltenen
Aspekten – sein:

– Kriterien und Checklisten, mit deren Hilfe Gestaltung zu bewerten ist,

– Beispiele für gute Gestaltungsverfahren,

– Beispiele für gute Gestaltung.

Dabei wird es Teile geben, die innerorts und außerorts analog gültig sind, es wird aber auch Themen geben, bei denen die Unterschiede deutlich gemacht werden müssen.

Da innerorts starke gegenseitige Wechselwirkungen mit den RASt bestehen werden, ist geplant, die „Typischen Entwurfssituationen“ aufeinander abzustimmen. Dies und einige andere Fragen wie etwa die Frage, auf welche Weise die Bewertung nach HGS mit den Bewertungen nach HBS und HVS zusammengeführt werden sollen, sind noch ungeklärt und müssen in der weiteren Diskussion in den beteiligten Gremien erarbeitet werden.