FGSV-Nr. FGSV 001/24
Ort Leipzig
Datum 16.10.2012
Titel Finanzierung des Stadtverkehrs
Autoren Univ.-Prof. Dr.-Ing. Gerd-Axel Ahrens
Kategorien Kongress
Einleitung

Kenndaten zur Finanzierung und zum Finanzbedarf des Verkehrs sowie zur heutigen Praxis der Verkehrsfinanzierung auf Ebene des Bundes, der Länder und der kommunalen Gebietskörperschaften werden vorgestellt. Grundsätzliche Defizite der Verteilung von Steuermitteln für verkehrsbezogene Ausgaben in Deutschland, Abhängigkeiten der kommunalen Selbstverwaltung von staatlichen Zuwendungen und mangelnde politische Möglichkeiten, kommunale Abgaben und Gebühren für eine Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur zu erheben, verschärfen das Problem, die notwendigen Finanzmittel für Planung, Bau, Betrieb und vor allem Substanzerhaltung sowie Wiederherstellung der Substanz (Erneuerung) auskömmlich und stetig bereit zu stellen. – Die Föderalismusreform hat mit dem  Entflechtungsgesetz bezogen auf die Verkehrsfinanzierung versagt. Das Prinzip, den kommunalen Verkehr als Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen zu verstehen, wurde aufgegeben. Der Bund versucht, sich nun schrittweise aus dieser Verantwortung zu lösen. Nach wie vor bleiben die Gemeinden aber Quelle und Ziel oder auch Durchgangsbereiche der Fern- und Regionalverkehre, für die Bund und Länder primär zuständig sind. Auf kommunaler Ebene steigt die allgemeine Verunsicherung durch das Auslaufen der Mittel nach dem Entflechtungsgesetz (früher Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz-GVFG) bis 2019, die Revision des Regionalisierungsgesetzes und durch einen überproportionalen Anstieg des Mittelbedarfes für andere kommunale Pflichtaufgaben im sozialen Bereich. Perspektivische Lösungen waren lange nicht in Sicht! Ganzheitliche Lösungsvorschläge werden von den Empfehlungen der Daehre-Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ im Dezember 2012 erwartet.Vor dem Hintergrund der direkten verkehrsbezogenen staatlichen Einnahmen durch Energie- und Kfz-Steuer, die den Finanzierungsbedarf auf allen Planungsebenen mehr als ausreichend abdecken könnten, sehen viele Bürger nicht ein, dass eine Unterfinanzierung und Mangelbewirtschaftung der Verkehrsinfrastruktur wegen des verfassungsrechtlichen „Nonaffektationsgebotes“ (Steuern sind nicht zweckgebunden) zu akzeptieren ist. Auf den Bürger wirken Energie- und Kfz-Steuer wie eine Verkehrsgebühr, die auch Verkehr finanzieren sollte. Der Beitrag gibt Denkanstöße und Hinweise, wie auf kommunaler Ebene Erschließungsund Ausbaubeiträge sowie entsprechende Abgaben für eine ÖPNV-Erschließung „verstetigt“ erhoben werden könnten und wie durch eine finanzverfassungsrechtliche Reform der deutschen Verkehrsfinanzierung eine leistungs- und sachgerechte Verteilung von Steuern und Nutzerabgaben auf allen Planungs- und Aufgabenebenen geleistet werden könnte. In Anlehnung an andere Infrastrukturbereiche (Elektrizität, Wasser/Abwasser, Telekommunikation, etc.) plädiert der Verfasser für eine weitergehende Nutzerfinanzierung des Verkehrs. Dabei sollte vom Grundsatz her die Verantwortung des Staates für die Bereitstellung der Infrastruktur für Verbindungsstrecken und -anlagen durch Steuern erhalten bleiben, die Kosten für Unterhaltung und Betrieb aber über Nutzer direkt erhoben werden. Die bestehenden Regelungen für Erstellung und Erhalt der Erschließungsanlagen haben sich grundsätzlich bewährt. Sie sind um die ÖPNV-Erschließung zu erweitern und bezüglich der Einnahmen für den Straßenausbau zu verstetigen. Beispielhaft skizziert der Autor einige Lösungselemente und Untersuchungserfordernisse für eine ganzheitliche Finanzierungsreform des Verkehrs in Deutschland.

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1 Ausgangssituation

1.1 Kommunale Verkehrsnetze

Die Hauptaufgabe kommunaler Straßen ist nach dem Baugesetzbuch die verkehrliche Erschließung von Baugebieten und Grundstücken über in der Regel zum Anbau bestimmter Straßen und Wege sowie über Straßen, die zwar nicht zum Anbau bestimmt sind, die aber zur äußeren Erschließung der Baugebiete notwendig sind. Diese Erschließungsstraßen werden zum großen Teil direkt über Beiträge der Anlieger finanziert. Das gilt für den Bau neuer Straßen, landesgesetzlich geregelt zum Teil auch für den Ausbau bereits bestehender Anlagen, nicht aber für die laufende Unterhaltung und Instandsetzung. Dabei ist die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen in den Bundesländern nicht einheitlich geregelt und mit erheblichen Akzeptanz- und Umsetzungsproblemen verbunden.

Gleichermaßen sinnvolle Abgaben für Erschließungsleistungen des ÖPNV hat das Baugesetzbuch nicht vorgesehen bzw. vergessen. Das Erschließungsrecht wurde in den 1920er Jahren des vergangenen Jahrhunderts vor dem Hintergrund der damals anderen Randbedingungen entwickelt.

Etwa 20 Prozent des Straßennetzes einer Stadt, in der Regel die Verkehrs- und Hauptverkehrsstraßen, dienen dem innerörtlichen Verbindungsverkehr und damit auch dem Regional- und dem Fernverkehr. Diese sind aus dem städtischen Haushalt, bislang mit Zuschüssen von Bund und Ländern, zu finanzieren. Städte mit mehr als 80.000 Einwohnern tragen auch die Baulast für die klassifizierten Landes- und Bundesstraßen in ihrem Stadtgebiet.

Im Unterschied zu Außerortsstraßen, die primär Verkehrs- und Verbindungsfunktionen erfüllen, dienen Innerortsstraßen mit Erschließungs- und Aufenthaltsfunktionen weiteren Funktionen mit anderen ökonomischen, sozialen und organisatorischen Anforderungen.

Die öffentlichen Nahverkehre werden als Schienenpersonennahverkehr (SPNV) auf vom Straßenraum unabhängigen Schienennetzen (einschließlich S-Bahnverkehre) oder als straßengebundener Personennahverkehr (ÖSPV) mit Straßen-/Stadtbahnen, Stadt- und Regionalbussen abgewickelt. Aufgabenträger für den SPNV sind die Länder (z. T. Zweckverbände oder Landesgesellschaften, an die die Länder die Aufgabenträgerschaft übertragen haben) und für den straßengebunden Personennahverkehr die Landkreise und kreisfreien Städte mit unterschiedlichen Formen der Kooperation von Gebietskörperschaften. Finanzierung und Koordination der kommunalen öffentlichen Verkehre sind nicht einheitlich geregelt.

1.2 Einbindung kommunaler Netze in übergeordnete Verkehrsnetze

Die klassifizierten und unterschiedlichen Trägern zugeordneten Verkehrsnetze für Fern-, Regional- und Ortsverkehr greifen sowohl bei den Schienennetzen als auch bei den Straßennetzen ineinander und überlagern sich. Das Verhältnis der jeweiligen Verkehrsarten variiert auf den jeweiligen Netzteilen je nach Lage, Siedlungsdichte oder -nähe, vorherrschenden Fahrten-zwecken, Jahreszeit und Wochentagen.

Jeder Fernverkehr beginnt und endet als Ortsverkehr. Damit sind die kommunalen Verkehrsanlagen regelmäßig Ausgangs- und Zielpunkte von Transporten und Personenfahrten, vielfach auch Verknüpfungspunkte und Knoten von mono- und/oder intermodalen Transporten und Wegeketten.

So unterscheiden die einschlägigen „Richtlinien für integrierte Netzgestaltung“ (RIN) (FGSV, 2008) oder für die „Anlage von Stadtstraßen“ (RASt 06) (FGSV, 2007) unabhängig von der Klassifizierung nach den Ebenen der Verwaltungszuständigkeiten gestufte hierarchisch strukturierte Straßennetze für die jeweiligen Planungsräume, die einer integrierten und ganzheitlichen Betrachtung bezüglich Planung und Betrieb bedürfen. Deshalb wurden die diesbezüglichen planerischen, betrieblichen und finanzierungstechnischen Aufgaben in der Praxis bislang in der Regel als Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen gehandhabt. Dies gilt entsprechend auch für städtische und regionale Schienennetze und deren Einbindung. Vor diesem Hintergrund waren die mit der Föderalismusreform verbundenen Entflechtungsabsichten für den Verkehrsbereich nicht sachgerecht. Die Reform hat auch versäumt, die Mittelverteilung nach Länderproporz (Gießkannenprinzip) abzulösen durch eine Finanzierung nach Leistungs- und Verkehrskriterien. Insofern bedürfen die Reformen aus fachlicher Sicht dringend einer Korrektur.

Das Bild 1 zeigt, dass – bezogen auf die Länge – das Gesamtstraßennetz der Bundesrepublik Deutschland zu mehr als 66 Prozent aus Gemeindestraßen und zu 34 Prozent aus überörtlichen Straßen (Autobahnen, Bundesstraßen, Landesstraßen, Kreisstraßen) besteht. Die Straßen der Gemeinden sind somit fast doppelt so lang wie die aller anderen Straßenbaulastträger.

Bild 1: Straßenverkehrsnetze in Deutschland

Bezüglich der auf den Teilnetzen erbrachten Verkehrsleistung ist für den werktäglichen Personenverkehr festzustellen, dass etwa jeweils ein Drittel der Fahrleistung auf Autobahnen sowie auf Außerorts- und auf Innerortsstraßen erbracht wird (Bild 2). Wäre der Straßenverkehr ähnlich wie andere Infrastrukturbereiche (Telefon, Stromversorgung,  Wasser/Abwasser) über leistungsabhängige Nutzergebühren zu finanzieren, würde das für die Gemeindestraßen bedeuten, dass mehr als ein Drittel der verbrauchsabhängigen Einnahmen von Pkw den Gemeinden zufließen müssten. Beim Lkw-Verkehr sehen die Relationen allerdings anders aus.

Das Bild 3 verdeutlicht, in welchem Umfang allein die Einnahmen aus der Energie- und KfzSteuer seit 1995 die Ausgaben für den Straßenverkehr überdecken. Die Autofahrer empfinden diese Abgaben wie eine Gebühr, mit der die Kosten für den Verkehr durch den Staat auch tatsächlich gedeckt werden sollten.

Das nicht in Frage zu stellende Schöpfungsrecht des Staates von Steuern geht allerdings einher mit dem Non-Affektationsgebot, was verfassungsrechtlich bedeutet, dass Steuern in der Regel nicht zweckgebunden sind. Ursprünglich sah das Straßenbaufinanzierungsgesetz (StrFinG) vom 28. 3. 1960 im Artikel 1 eine Zweckbindung von 50 Prozent der Mittel durch Mineralölsteuer für Zwecke des Straßenwesens vor. Diese Zweckbindung wird allerdings schon seit Jahren immer wieder jährlich mit den Haushaltbeschlüssen aufgehoben.

Bild 2: Verteilung der Fahrleistung des werktäglichen Personenverkehrs auf Straßen

Bild 3: Einnahmen und Ausgaben im Bereich Straßenverkehr 1995 bis 2010

1.3 Finanzierung des kommunalen Verkehrs

Das Bild 4 verdeutlicht die Pfade zur Finanzierung des kommunalen Verkehrs. Für den Straßenbau erhalten die Kommunen unterschiedliche Steuerzuweisungen von Bund und Ländern (Schlüsselzuweisungen, Kommunaler Finanzausgleich oder Zweckzuweisungen von Bund und Ländern). Ferner erheben sie neben den Gemeindesteuern Erschließungsbeiträge und sie können in den meisten Ländern Straßenausbaubeiträge erheben. Des Weiteren erzielen sie in eher geringem Umfang Einnahmen über Parkgebühren, Verwarnungsgelder und gegebenenfalls Konzessionsabgaben. Die ÖPNV-Finanzierung erfolgt überaus kompliziert über unterschiedliche Stränge. Zum Teil fließen die Mittel vorbei am Aufgabenträger direkt an die Unternehmen.

Die Gemeinden in Deutschland verfügen über eine weitgehende „Finanzhoheit“ im Rahmen ihrer Finanzausstattung und Haushaltslage sowie der Zweckbindungen von Finanzzuweisungen. Der verfassungsrechtliche und gesetzliche Rahmen setzt allerdings enge Grenzen für die sachgerechte Bewältigung aller Verkehrsaufgaben. So können die Gemeinden zum Beispiel nur begrenzt auf Grundlage ihrer „Satzungshoheit“ Steuern erheben. Dies ist weitgehend einer „parlamentsgesetzlichen“ Ermächtigung vorbehalten. Dabei erlangt das jeweilige (Landes-)Kommunalabgabenrecht Rechtsgeltung innerhalb der durch die Finanzverfassung des Grundgesetzes festgelegten Grenzen. Zentral ist die Grundauffassung, dass die verschiedenen föderalen Ebenen ihren Aufgaben entsprechende finanzielle Ausstattungen erhalten (Zuordnung von Anteilen der Ertrags- und Verbrauchssteuern, Finanzausgleiche, Steuerheberecht …). Dabei sieht das Entflechtungsgesetz neuerdings vor, dass der Bund bis auf wenige Ausnahmen keine Mittel als Finanzzuwendungen direkt an die Gemeinden übertragen kann.

Bild 4: Finanzierung der kommunalen Straßen und des ÖPNV in Deutschland

Für Maßnahmen an Hauptverkehrs- und Verkehrsstraßen und für den U-Bahn-Bau bzw. den straßengebundenen ÖPNV (Stadtbahnen, Straßenbahnen) regelte das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) aus dem Jahre 1971 bis 2006 die finanzielle Unterstützung des Bundes über die Länder zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden. Es wurde im Rahmen der Föderalismusreform durch das Entflechtungsgesetz (EntflechtG) ersetzt, das dem Bund nur noch übergangsweise eine Mitfinanzierung von kommunalen Investitionen erlaubt. Die Zweckbindung dieser Mittel für den Verkehr in Gemeinden läuft 2014 aus und bleibt lediglich als Bindung für investive Zwecke der Länder bis 2019 erhalten. Dann laufen die Kompensationszahlungen nach EntflechtG aus und die Finanzierung von kommunalen Verkehrsinvestitionen liegt ganz bei den Kommunen, unterstützt durch ihre jeweiligen Länder. Es ist noch offen, wie zu diesem Zweck ab 2019 die Finanzausstattung der Länder und Kommunen verändert wird, ob andere Gesetze wie das Regionalisierungsgesetz erweitert werden oder ob z. B. stärker auf Elemente einer Nutzerfinanzierung zurückgegriffen werden muss.

Neben dem Regionalisierungsgesetz existieren weitere Finanzierungsstränge für den ÖPNV, u. a. durch direkte Ausgleichszahlungen an ÖPNV-Unternehmen für den Schüler- und Ausbildungsverkehr nach § 45a des Personenbeförderungsgesetzes bzw. für die Beförderung schwerbehinderter Menschen nach dem Sozialgesetzbuch (§145 SGB IX). Ferner gibt es Landesregelungen zur Finanzierung des ÖPNV auf Basis der ÖPNV-Gesetze der Länder. Der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) profitiert von Ausbauvorhaben nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz (BSchwAG) sowie von Ersatzinvestitionen nach der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) zwischen Bund und DB AG.

Die Finanzierung des ÖPNV hat sich mit den Jahren zu der heutigen unübersichtlichen Komponentenfinanzierung aus unterschiedlichen Quellen entwickelt, die nur in Teilen von den Aufgabenträgern des ÖPNV verteilt werden können (Bild 4). Eine koordinierte Steuerung und Optimierung der unterschiedlichen Zweige des ÖPNV ist deshalb für die Aufgabenträger schwierig bis unmöglich.

In den Kommunen wird die Restfinanzierung nicht gedeckter ÖPNV-Kosten ortsspezifisch unterschiedlich entsprechend über die Jahre gewachsener Strukturen geleistet. Vereinzelt werden den kommunalen Verkehrsunternehmen über den städtischen Haushalt direkt „Einnahmen“ für den Verlustausgleich zugeführt. Häufig wird der Hauptteil der kommunalen Finanzierung im so genannten Querverbund geleistet. Die Verluste des ÖPNV-Betriebes werden mit den Gewinnen aus anderen wirtschaftlichen Aktivitäten kommunaler Unternehmen verrechnet. Es entsteht der positive Nebeneffekt, dass diese Unternehmen geringere Gewinne zu versteuern haben.

Die Föderalismusreform verfolgte u. a. das Ziel, die schematisch verfestigte Bund-LänderFinanzierung bestimmter kommunaler Maßnahmen, wie sie sich in den letzten Jahren entwickelt haben, künftig zu vermeiden. Mitfinanzierungen bzw. Finanzmittelbereitstellungen sollen demnach in Zukunft zwischen benachbarten föderalen Ebenen, das heißt zwischen Bund und Ländern sowie zwischen Ländern und Kommunen, erfolgen. Dabei sollten künftig primär Zielerreichungen und nicht bestimmte Maßnahmen gefördert werden, um innovative und womöglich effektivere alternative Handlungsoptionen zuzulassen.

Mit dem absehbaren Verlust einer wichtigen Zuwendungsquelle für Verkehrsmaßnahmen werden die Kommunen die an sie gestellten Aufgaben vor dem Hintergrund wachsender Unterhaltungs- und Nachholbedarfe (s. u.) ohne eine durchgreifende Neuregelung der Finanzierung allerdings nicht adäquat lösen können. Die Kommunen haben nur begrenzte Möglichkeiten, ihre verkehrsbezogenen Einnahmen zu steigern (Entgelte, Gebühren, Beiträge) und damit ihre Probleme aus eigener Kraft zu lösen. Fragen zur Änderung der Finanzverfassung und einer sachgerechten Verteilung (des verkehrsbezogenen Steueraufkommens des Bundes) sind deshalb gemeinsam mit der Ausgestaltung von Einsparungs- und Effektivierungsmöglichkeiten von zentraler Bedeutung für alle Planungsebenen.

Die grundgesetzlich und insbesondere durch das Raumordnungsgesetz des Bundes (ROG) gesicherte bzw. angestrebte Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in den Teilräumen der Bundesrepublik erfordert neben einer teilräumlichen Mindestausstattung mit Einrichtungen sozialer Infrastrukturen (u. a. Kindergärten, Schulen) insbesondere auch eine Sicherung der Erreichbarkeit von Arbeitsplätzen, Ausbildungsplätzen, Versorgungseinrichtungen und Einrichtungen der sozialen Infrastrukturen.

1.4 Finanzlage der Kommunen

Die Einnahmen der Kommunen sind in den letzten Jahren deutlich geringer angewachsen, als die Ausgaben, vor allem im Sozialbereich. Folgen sind wachsende Schulden und ein dramatischer Anstieg von Kassenkrediten (Bild 5).

Damit einher ging ein stetiger Rückgang der Gemeindeinvestitionen für bauliche Anlagen und Gebäude. Dennoch beteiligen sich die Kommunen mit immerhin noch mehr als 40 Prozent an den Gesamtausgaben für den Straßenbau in Deutschland. Bei noch geringeren Ausgaben würden der bereits absehbare Substanzverfall und der damit verbundene Wertverzehr durch mangelnde Instandhaltung weiter steigen.

Vor dem Hintergrund wachsender kommunaler Pflichtaufgaben, vor allem im Sozialbereich, wird das für den Verkehr verfügbare Mittelvolumen geringer, obwohl der Bedarf angesichts einer in die Jahre gekommenen Infrastruktur eher exponentiell steigt. Eine Lösung der Problematik ist auf der Grundlage der heutigen Förder- und Finanzierungsstränge kaum möglich.

Die steigende Zahl von Städten und Gemeinden mit Haushaltssicherung ist ein weiterer Indikator für die aktuelle Finanzlage der Kommunen. Die Mittel für Instandhaltung und Erneuerung von kommunalen Verkehrsanlagen werden auf technisch nicht mehr zu vertretende Mindestausgaben begrenzt. Wo aber Instandhaltung und Pflege der Substanz nicht adäquat als Pflichtaufgabe im Rahmen der Baulastträgerschaft und Verkehrssicherungspflicht gehandhabt werden kann, drohen die damit verbundenen Minderausgaben einen deutlich höheren Substanzverzehr und Wertverlust zu verursachen.

Bild 5: Entwicklung von Kreditmarktschulden und Kassenkrediten bei Kommunen

Die FGSV geht von einem jährlichen Finanzbedarf für die Straßenunterhaltung in Höhe von 1,5 Prozent des Wiederbeschaffungszeitwertes aus und ermittelte im Jahre 2004 als jährlichen Mindestbetrag für den Unterhalt kommunaler Straßen im Mittel ca. 1,30 Euro pro Quadratmeter (FGSV 2004). Faktisch setzen die Kommunen aber nur 20 bis 50 Prozent dieser Mittel ein.

2 Finanzbedarf für kommunale Verkehrsinfrastrukturen

Nach Erhebungen der Daehre-Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ (2012) ist von einer „permanenten Unterfinanzierung Straße, Schiene, Wasserstraße in Höhe von jährlich mindestens 7,2 Mrd. Euro (Stand 2012) bei den Baulastträgern Bund, Länder und Kommunen“ auszugehen. Als auskömmliche Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland wurden zusätzlich für Erhalt und Betrieb des Bestandsnetzes ermittelt:

a) Verkehrsträger Straße: 4,7 Mrd. Euro/a (einschließlich Kommunalstraßen),

b) Verkehrsträger Schiene: 2,0 Mrd. Euro/a (einschließlich NE-Bahnen, SPV, ÖSPV),

c) Verkehrsträger Wasserstraße: 0,5 Mrd. Euro/a.

Für den kommunalen Bereich hat das Deutsche Institut für Urbanistik im Jahre 2008 eine belastbare Schätzung des mittelfristigen kommunalen Infrastrukturbedarfes für den Zeitraum 2006 bis 2020 sowie den darin enthaltenden Nachholbedarf ermittelt (Tabelle 1). Dabei ergab sich über 14 Jahre ein Gesamtbedarf von 704 Mrd. Euro für Trinkwasser (4,1 Prozent), Abwasser (8,3 Prozent), Verwaltungsgebäude (2,8 Prozent), Krankenhäuser (4,4 Prozent), Schulen (10,4 Prozent), Sportstät-ten (5 Prozent), Städtebau (1,4 Prozent), Erwerb von Grundvermögen (5,6 Prozent) und sonstige Bereiche (29,6 Prozent). Der Anteil für Straßen liegt mit 161,6 Mrd. Euro (23 Prozent) recht hoch, der des ÖPNV mit 38,4 Mrd. Euro bei 5,5 Prozent.

Tabelle 1: Kommunaler Finanzbedarf in Mrd. Euro

Der Nachholbedarf (Investitionsrückstände) ist nach einer gesonderten Erhebung des Difu insgesamt mit 74,7 Mrd. Euro, bei den Straßen mit 23 Mrd. Euro, beim ÖPNV mit 385 Mio. Euro anzusetzen.

Der jährliche Finanzbedarf für Straßen, inklusive Einrichtungen für den Fuß- und Fahrradverkehr, Parkierungsanlagen, Lärmschutzeinrichtungen, Verkehrsinformation und Steuerung, wird insgesamt mit 11 Mrd. beziffert. Zurzeit stehen nur 8 Mrd. bereit, so dass der Anteil des kommunalen Straßenverkehrs an der Unterdeckung mit ca. 3 Mrd. Euro pro Jahr anzusetzen ist.

Im Bereich des ÖPNV werden ca. 1,4 Mrd. Euro pro Jahr für Infrastruktur und Strecken, sowie 1,3 Mrd. Euro für Fahrzeuge benötigt. Der VDV schätzte 2009 für den Zeitraum bis 2015 nominal einen jährlichen Finanzierungsbedarf für den ÖPNV (ohne Investitionen in Bundesschienenwege und in NE-Bahnen) in Höhe von 1,65 bis 1,93 Mrd. Euro, für 2016 bis 2025 von 1,7 bis 203 Mrd. Für den Zeitraum 2006 bis 2020 bedeutet dies 25 bis 29,4 Mrd. Euro ohne Fahrzeuge. Der Wert liegt damit 25 bis 47 Prozent über dem Schätzwert des Difu.

Es wird deutlich, dass die Verkehrsfinanzierungsreform nicht nur ein Problem für Bund und Länder ist. Zur Zielerreichung sind auch die auskömmlichen Finanzierungsgrundlagen für die kommunalen Aufgabenträger in einem nach klaren Leistungskriterien (z. B. Fahrleistung und Basisumfang von Netzen und Verkehrsanlagen) zu verteilen.

Vor allem sind die Nachholbedarfe abzudecken und die laufende Finanzierung von Betrieb und Instandhaltung ist zu sichern. Die zu deckenden Kosten sind zu ermitteln, unterschiedliche Ergebnisse weiter anzugleichen und für alle Planungsebenen im vernetzten Gesamtverkehrssystem konsensual zu bestimmen.

3 Leitsätze für eine Verkehrsfinanzierungsreform

Der Handlungsbedarf zur Sicherung der Verkehrsinfrastruktur ist offensichtlich und unstrittig. Die Ziele für eine Verkehrsfinanzierungsreform liegen auf der Hand:

1. Beseitigung der Investitionsrückstände (Sofortprogramm Nachholbedarf).

2. Herstellung von Planungssicherheit durch Verstetigung der Mittel und Auflösung des kameralistischen Jährlichkeitsprinzips.

3. Ganzheitliche, vernetzte Reform der Verkehrsfinanzierung für alle Verkehrsträger auf allen Planungsebenen

a) durch Effizienzverbesserungen sowie eine stetige Bereitstellung von Steuermitteln und/oder

b) durch die verstärkte Heranziehung von Nutzern und Nutznießern des Verkehrs sowie der Verursacher verkehrsbedingter Belastungen zur Verkehrsfinanzierung.

Es gibt verschiedene Wege zur Zielerreichung. Dabei sind – das wurde einführend deutlich – isolierte Einzellösungen (u. a. City Maut, Wiedereinführung GVFG, Pkw-Maut auf BAB, …) allein nicht zielführend. Aus integrierter und wissenschaftlicher Sicht sind v. a. folgende Grundsätze für die Planung und Umsetzung einer Verkehrsfinanzierungsreform in Deutschland von Bedeutung:

– Sicherung der Verkehrsinfrastruktur bleibt Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen.

– Gesamtlösung statt Insellösungen (alle Straßen, alle Verkehrsträger, alle Planungsebenen).

– Leistungsgerechte Verteilung verkehrsbezogener Einnahmen, z. B. nach Verkehrsleistung, Beanspruchung und Umfang der Verkehrsanlagen.

– Kostentransparente Ausgestaltung der Reform, ohne sozial unvertretbare Preissprünge und möglichst haushaltsneutral für die öffentliche Hand. Dabei sind Kostensteigerungen bei konsequenter Anwendung des von Wissenschaftlern und der EU empfohlenen Prinzips „user and polluter pays“ unvermeidbar.

– Das Verkehrssystem ist multimodal weiterzuentwickeln – „Verkehr finanziert Verkehr“ (Transfers zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern sind zulässig, wenn sie gegenseitige Entlastungen bedeuten oder als Beitrag zur Reduktion von Belastungen dienen).

– Verkehrsfinanzierung auf allen Ebenen braucht eine verlässliche und dauerhafte Basis um Handlungs- und Planungssicherheit zu schaffen (mehrjährige Finanzkreisläufe, Ineinandergreifen von Planung, Qualitätsmanagement (Kosteneffizienz) und Finanzplanung).

– Eine verstetigte mehrjährige Mittelbereitstellung ist möglich über

a) Zweckbindung von Steuern,

b) Speisung von Verkehrsfinanzierungsfonds (Schweizer Modell) und

c) ergänzende Nutzerfinanzierungen.

In die kommunale Verkehrsinfrastrukturfinanzierung sind einzubeziehen:

– Erschließungs-, Anlieger- und Sammelstraßen (mit Nebenanlagen),

– Verkehrs- und Hauptverkehrsstraßen (mit Nebenanlagen),

– Anlagen des nichtmotorisierten Verkehrs (Hauptnetze),

– Öffentliche Stellplatzanlagen,

– Anlagen der Verkehrsleittechnik, möglichst multi- und intermodal,

– Anlagen des schienengebundenen Stadt- und Regionalverkehrs,

– Anlagen des Busverkehrs (inklusive Busbahnhöfe, Betriebshöfe),

– Fahrzeuge und Betrieb des SPNV und ÖPNV,

– Anlagen und Betrieb neuer Mobilitätsangebote und -dienstleistungen (u. a. Car-Sharing, Mitnahmesysteme, öffentliche Leihfahrzeuge, Mobilitätsmanagement).

4 Steuer- oder Nutzerfinanzierung

Die Ausführungen des Abschnittes 1 machen deutlich, dass zurzeit die Finanzierung des Verkehrs zu großen Teilen über Steuern aber ebenso durch Beförderungsentgelte, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, Park- und sonstige Gebühren sowie vor allem die Lkw-Maut bereits zu großen Teilen nutzerfinanziert erfolgt.

Dabei besteht ein politisches Dilemma dadurch, dass Energie- und Kfz-Steuern den Verkehrsfinanzierungsbedarf weit überdecken, aber zum großen Teil für andere staatliche Aufgaben verwendet werden (Bild 3). Die ursprünglich im Straßenbaufinanzierungsgesetz vorgesehene Regelung, dass mindestens die Hälfte der Einnahmen durch die Energiesteuer für den Verkehr vorzusehen ist, wird regelmäßig mit Beschluss der Haushaltsgesetze aufgehoben. Hinzu kommt, dass ein Vertrauen in die Nutzerfinanzierung nicht besteht, wenn durch Erhöhung ihrer Anteile die Haushaltsfinanzierung zurückgenommen wird.

Dabei wird der Versuch, die Verkehrsunterfinanzierung in Deutschland durch eine Revision des Entflechtungsgesetzes, des Regionalisierungsgesetzes und anderer staatlicher Finanzierungsquellen neu zu regeln, um dadurch eine Umverteilung von Steuern bzw. Steuermehreinnahmen auszulösen, als eine politisch nicht zu bewältigende Aufgabe und damit als nicht zielführend eingeschätzt. Einhergehen mit einer solchen Reform müsste die verstärkte Zweckbindung verkehrsbezogener Steuereinnahmen. Vor allem aber würden die fehlenden Mittel in Höhe von mindestens 7,2 Mrd. Euro Haushaltslöcher an anderer Stelle reißen oder zu Steuererhöhungen führen.

Vor diesem Hintergrund bietet sich zur Sicherung der bestehenden Verkehrsanlagen und der damit verbundenen Vermeidung eines noch kostenintensiveren Wertverzehrs mit erhöhten Sanierungs- und Wiederherstellungskosten nur die Einführung ergänzender Nutzerfinanzierungen an. Diese sollte allerdings ganzheitlich und nach klar strukturierten transparenten Regeln und Grundsätzen erfolgen.

5 Vorschlag einer Lösungsstrategie

In unserem Rechtssystem hat die öffentliche Hand die Verantwortung für die Bereitstellung der Verkehrsnetze und die Daseinsvorsorge im Bereich von Mobilität und Verkehr. Dies zu ändern, wäre politisch schwierig. Aber auch aus grundsätzlichen Erwägungen sollte der Staat nicht durch eine vollständige Substitution der Steuer durch eine Nutzerfinanzierung aus dieser Verantwortung entlassen werden. Deshalb sollte der Grundsatz, die Bereitstellung von Netzen für Verbindungsverkehre weiterhin aus Steuern zu finanzieren (Neubau, Grunderneuerung und Ausbau), Bestand haben.

Nutzerfinanziert sollten Betrieb und Unterhaltung auf Verbindungsstraßen und der Betrieb von SPNV/ÖPNV, von öffentlichen Personenfernverkehren sowie des Güterverkehrs auf der Schiene werden.

Weiterhin nutzerfinanziert werden entsprechend Baugesetzbuch Neubau und Grunderneuerung von Anlieger-, Erschließungs- und Sammelstraßen. Dabei ist auf eine Integration des ÖPNV zu drängen, so dass auch hierfür Erschließungsbeiträge oder anders definierte Nutznießergebühren erhoben werden.

Eine direkte Nutzerfinanzierung von Radverkehrsanlagen und der Binnenschifffahrt erscheint nicht sinnvoll. Wegen Vermeidungs- und Entlastungswirkungen sind indirekte Nutzerabgaben vor allem des Straßenverkehrs an den öffentlichen Verkehr begründbar und verkehrsplanerisch sinnvoll.

Für die haushalt- und -nutzerfinanzierte Mittelbereitstellung der Verbindungsverkehre müssen Teile des Energie- und Kfz-Steueraufkommens sowie die Mauteinnahmen für verkehrliche Verwendungszwecke, z. B. nach Fahrleistung und Netzumfang verteilt werden auf

– Bundesautobahnen/Bundesstraßen, Schienenverkehrswege, Bundeswasserstraßen,

– Landesstraßen, regionale Schienenverkehrswege, Landeswasserstraßen,

– Kreisstraßen und kommunale Hauptverkehrs-/Verkehrsstraßen, kommunale Schienenwege, sonstige ÖPNV-Anlagen.

Für die Verteilung der Mittel bietet sich eine Fondlösung mit einem Bundesfond und einem für Länder und Gemeinden an. Für die Bewirtschaftung und Verteilung der Mittel sind parlamentarisch kontrollierte Organisationsmodelle auf der Basis von Kosten- und Leistungskontrollen zu entwickeln, die auch in regionale Finanzierungsgesellschaften (Regionalfonds) münden können.

Die nutzerfinanzierte Schöpfungsgrundlage für die Betriebskosten auf Verbindungsstraßen wäre eine Straßenbenutzungsgebühr (Maut). Anzustreben wäre hier eine fahrleistungsbezogene Erhebung auf allen Straßen und für alle Kfz, nicht zuletzt auch, um sinnvolle Lenkungseffekte zu erzielen. Technisch ist ein solches System jedoch nicht kurzfristig und ohne vertretbare Transaktionskosten zu realisieren. Deshalb sind zur Finanzierung der Deckungslücken von mindestens 7,2 Mrd. Euro pro Jahr Übergangslösungen zu entwickeln.

Zunächst bietet sich eine Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Lkw und Busse und alle Netzelemente an, weil fast ausschließlich die Straßennutzung der Lkw die erheblichen Unterhaltungs- und Sanierungskosten verursachen (Spurrillen, Brückenbeanspruchungen und -sanierungen etc.).

Kurzfristig lassen sich Nutzergebühren für Pkw nur über Vignetten oder den Einzug einer Gebühr mit Verkauf von Diesel und Benzin realisieren. Wegen fehlender Lenkungseffekte ist die Vignettenlösung nicht ratsam. Als Übergangslösung günstiger erscheint der ergänzende Gebühreneinzug über den Verkauf von Diesel und Benzin.

Mit diesen Verbesserungen der Einnahmenseite und einer leistungsgerechten Mittelverteilung sind weitere Ansätze zur Effizienzverbesserung im Verkehrsbereich, zum Qualitätsmanagement und zur Kostenkontrolle und für effektive Organisationsstrukturen mitzuentwickeln (Finanzierungs- und Leistungsvereinbarungen, Kontrollsystem (QM), Verzahnung von Planung und Finanzierung, Berichtswesen vor allem auch zum Zustand der Infrastruktur), um die erforderliche Effizienzklammer zwischen Einnahmen und Ausgaben zu konkretisieren und auszugestalten.

Das Baugesetzbuch sollte Erschließungsanlagen nicht nur auf Straßen beziehen. Eine Erweiterung auf Anlagen des ÖPNV ist wünschenswert und sachgerecht. Auch die Einführung einer Nutznießerabgabe ÖPNV wäre denkbar und sinnvoll. Sie würde insbesondere Unternehmen und Grundstückseigentümer einbeziehen, um den Mehrwert von Grundstücken und die Erreichbarkeit von Arbeitsplätzen, Einkaufsgelegenheiten abzuschöpfen. Diese könnte mit der Grundsteuer oder entsprechend dem Ansatz in Frankreich (Versement Transport) über die Lohnabgaben der Beschäftigten erhoben werden.

Das kommunale Straßenausbaubeitragsrecht sollte insbesondere zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen der Standortgunst von Kommunen bundeseinheitlich gestaltet werden. Zu empfehlen ist die jährliche Einbeziehung der Ausbaubeiträge bezogen auf Stadtbezirke nach dem in Rheinland Pfalz entwickeltem Muster.

Wo die Neuregelungen zu sozialen Unvertretbarkeiten führen, muss gegebenenfalls durch Individualförderungen (Subjektfinanzierung) ein Ausgleich geschaffen werden.

Die Details der vorgeschlagenen Umsetzungsstrategie sind durch gezielte Untersuchungen auf der Basis eines akzeptierten Mengengerüstes zu entwickeln. Die Umsetzung sollte schrittweise und modular erfolgen. Die Veränderungen sind mittelfristig anzukündigen und zu kommunizieren, so dass sich alle Verkehrsteilnehmer über kostengünstigere Verhaltensweisen, Verkehrsmittel- und Fahrzeugwahl auf die veränderten Randbedingungen auch im Sinne der angestrebten Minderung des CO2-Ausstoßes und anderer Nachhaltigkeitsziele im Verkehrsbereich einstellen können.

6 Ausblick und Schlussbemerkung

Die Situation der Verkehrsfinanzierung in Deutschland ist kritisch. Mit den heutigen Ansätzen kann Substanzerhaltung, Erneuerung und Weiterentwicklung der Infrastruktur auf allen Ebenen nicht mehr gewährleistet werden. Die chronische Unterfinanzierung ist auf kommunaler Ebene am ausgeprägtesten. Vorprogrammiert werden zurzeit für den Steuerzahler Kostenlawinen durch Substanz- und Wertverluste wegen unzureichender Unterhaltung der Infrastruktur und enorm angestiegenen sonstigen Nachholbedarfen.

Unverzichtbar erscheint deshalb ein Sofortprogramm zur Verkehrsinfrastrukturfinanzierung für Bund, Länder und kommunale Gebietskörperschaften. Es sollte die erforderlichen Mittel bereitstellen für

1.) Beseitigung der Investitionsrückstände bei Ersatzbaumaßnahmen, Um-, Aus- und Neubau bei Kommunen, Ländern und den Bund,

2.) Erledigung unterlassener Instandhaltungen, Erneuerungen und Unterhaltungsaufgaben.

Erst wenn der Nachholbedarf bewältigt ist, kann ein kontinuierlich wirkendes Programm zur Verkehrsfinanzierung dimensioniert und umgesetzt werden.

Als Grundlage der Verkehrsfinanzierung in Deutschland wurde vorgeschlagen, bei Netzen für Verbindungsverkehre die Bereitstellung der Infrastruktur weiterhin aus Steuern zu finanzieren und die Kosten für Unterhaltung und Betrieb nutzerfinanziert durchzuführen.

Für die örtlichen Erschließungsstraßen ist die Regelung nach BauGB bewährt und eingespielt. Sie sollte für ÖPNV-Erschließungen ergänzt werden. Die Straßenausbaubeiträge sollten nicht mehr einzelfallbezogen, sondern in Jahresscheiben für zusammenhängende Bereiche abgerufen werden.

Die jeweiligen Entgelte sind auf der Basis akzeptierter Mengengerüste und Kostenermittlungen zu bestimmen. Fernziel für die Mauterhebung sollte eine fahrleistungsabhängige Gebühr auf allen Straßen sein, sofern die Transaktionskosten für dieses Modell sich nicht als zu hoch herausstellen. Nur so können die fachlich sinnvollen Lenkungseffekte erzielt werden.

Da dieses System kurzfristig nicht zur Verfügung steht, wird für die Übergangszeit empfohlen, die Straßenbenutzungsgebühr mit dem Verkauf von Diesel und Benzin gleichzeitig mit der dann noch verbleibenden Energiesteuer zu erheben. Gegenüber einer Vignettenlösung hat diese Regelung den Vorteil, dass sie verbrauchs- und damit fahrleistungsabhängig ist.

Zur Verwaltung und Verteilung der Einnahmen sowohl aus Steuern als auch aus Gebühren werden von den Parlamenten kontrollierte Fonds für Bund und Länder vorgeschlagen, mit denen das Mehrjährigkeitsprinzip für stetige und kalkulierbare Finanzierungen auch im Verkehrsbereich für alle Verkehrs- und Aufgabenträger eingeführt wird.

Die Fonds werden aus Steuern und den Gebühreneinnahmen der Nutzer gespeist. Damit wird eine Verteilung der Mittel nach strategischen, Leistungs- und Aufwandskriterien möglich.

Auch die Daehre-Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ wird im Dezember 2012 Empfehlungen für geeignete Maßnahmen veröffentlichen, die in Teilen mit den hier vorgestellten Ansätzen kompatibel sein werden (vgl. Daehre, K.-H. et al. 2012).

Der Wissenschaftliche Beirat des BMVBS, in dem der Verfasser mitarbeitet, vertritt ähnliche Positionen, die im Laufe des Jahres 2013 vorgelegt werden sollen. Hinzu kommen Vorschläge von den kommunalen Spitzenverbänden, von den Verkehrsträgern und den Bedarfsträgern des Verkehrs.

Die Zeit vor der Bundestagswahl im Herbst 2013 sollte für einen breiten Stakeholderabgleich über alle Planungsebenen, für die Vergabe von Gutachten zur Ermittlung der Grunddaten und zur Durchführung von Modellrechnungen genutzt werden.

Die Fragen der Verkehrsfinanzierung sind so drängend, dass spätestens mit Beginn der neuen Legislaturperiode Lösungswege entschieden und umgesetzt werden müssen.

7 Literaturverzeichnis

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