FGSV-Nr. FGSV 001/26
Ort Bremen
Datum 28.09.2016
Titel Aktuelle Entwicklungen bei der Gestaltung von Radverkehrsanlagen
Autoren Dipl.-Ing. Jörg Ortlepp
Kategorien Kongress
Einleitung

Der Anteil des Radverkehrs auf deutschen Straßen steigt seit Jahren kontinuierlich an. Ins besondere innerorts gehört das Fahrrad bereits heute in vielen Kommunen zum dominieren den Straßenbild. Die vorhandene Infrastruktur ist jedoch vielfach nicht auf diese hohe Anzahl Radfahrer ausgelegt, sie ist veraltet, unterdimensioniert und teilweise weder sicher noch kom fortabel nutzbar. Die Regelwerke der Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswe sen (FGSV) enthalten bereits eine Vielzahl wichtiger Hinweise zur adäquaten Gestaltung und Dimensionierung notwendiger Radverkehrsanlagen bzw. von Straßen, die möglichst sicher mit dem Rad befahren werden können. Neue Elemente der Radverkehrsführung wie Radschnellwege, Fahrradstraßen oder Radfahrstreifen in Mittellage, aber auch neue Fahrradtechnik wie Pedelecs werden inzwischen intensiv erforscht und werden bei der Überarbeitung der FGSV Regelwerke berücksichtigt.

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1 Bedeutung des Radverkehrs

Radverkehr gehört in Deutschland inzwischen zur Alltagsmobilität. In allen Städten wird Rad gefahren, zur Schule, zur Ausbildung, zur Arbeit, in der Freizeit. Und der Anteil des Radverkehrs wird immer größer, nicht nur in den Städten, die Radverkehr aktiv fördern. Mit dem Fahrrad zu fahren ist preiswert, oftmals schneller als alle anderen Alternativen, hält fit und ist extrem flexibel. Neue Fahrradtechnik ermöglicht inzwischen deutlich höhere Geschwindigkeiten als noch vor 20 Jahren, die Durchschnittsgeschwindigkeit frei fahrender Radfahrer beträgt rund 19 km/h (UDV 1/2015). Bei Nutzern von Pedelecs steigt diese Geschwindigkeit auf etwa 22 km/h an (UDV 2014). Nicht zuletzt durch die elektrische Tretunterstützung nutzen immer mehr ältere Verkehrsteilnehmer das Rad in Alltag und Freizeit und ermöglicht ihnen damit eine gesunde Art der Fortbewegung. Diese im Grunde positiven Entwicklungen können aber auch negative Folgen für die Verkehrssicherheit haben. Der demographische Wandel, der steigende Radverkehrsanteil und die zunehmende Anzahl elektrisch unterstützter Fahrräder werden zukünftig zu noch mehr Radverkehr, mehr Senioren als Fahrradfahrer und zu höheren Fahrradgeschwindigkeiten führen. Eine Zunahme der Anzahl und der Schwere der Radverkehrsunfälle werden die Folge sein. Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit des Radverkehrs sind daher unumgänglich, um zu vermeiden, dass die politisch gewünschte Förderung des Radverkehrs von einer steigenden Anzahl Verletzter und Getöteter begleitet wird.

Bild 1: Mehr Radverkehr ­ aber sicher!

2 Sicherheit des Radverkehrs

Im Jahr 2015 starben auf deutschen Straßen 383 Radfahrer, 14.224 wurden schwer und 65.535 leicht verletzt (DESTATIS). Seit nunmehr 8 Jahren ist damit die Anzahl der getöteten Radfahrer nahezu unverändert hoch, die Anzahl der Schwerverletzten hat sich gar seit 2001 kaum mehr verändert und auch die Anzahl der Leichtverletzten ist seit etwa 2003 nahezu konstant.

Bild 2: Seit Jahren konstant hohes Niveau verletzter Radfahrer

Entgegen den Zielen, die im nationalen Verkehrssicherheitsprogramm des Bundes niedergelegt sind, scheint sich hinsichtlich der Reduzierung der Anzahl getöteter und verletzter Radfahrer kein Erfolg einzustellen. Jeder neunte Getötete und jeder fünfte Verletzte auf Deutschlands Straßen ist ein Radfahrer, jeder zweite getötete Radfahrer ist 65 Jahre oder älter. Besonderer Schwerpunkt der Radverkehrsunfälle ist der innerstädtische Bereich, hier geschehen 91 % aller Radunfälle mit Personenschaden. Besonders auffällig sind die innerörtlichen Kreuzungen, Einmündungen und Zufahrten. Fast zwei Drittel aller in Deutschland verunglückten Radfahrer sind an diesen Stellen zu verzeichnen. Die polizeiliche Statistik weist dabei jedoch nur einen kleinen Anteil des realen Unfallgeschehens aus. Von den in Krankenhäusern behandelten Personen, die sich bei Fahrradunfällen verletzten, ist der Polizei nur etwa ein Drittel bekannt. Die Dunkelziffer von Stürzen, die ohne oder nur mit leichten Verletzungen einhergehen und von Unfällen bei denen keine Kraftfahrzeuge beteiligt sind, dürfte weit höher liegen (JUHRA). Radverkehrsunfälle sind meist auf ein Fehlverhalten der Verkehrsteilnehmer zurückzuführen. Eine mangelhafte Infrastruktur spielt jedoch häufig eine wesentliche Rolle beim Unfallhergang. Neben Maßnahmen zur Verbesserung des Verkehrsverhaltens und der aktiven und passiven Fahrzeugsicherheit muss sich daher die Infrastruktur auf die neuen Herausforderungen durch einen starken Radverkehr einstellen.

3 Risikobereich Kreuzung

Die meisten Radverkehrsunfälle mit Personenschaden ereignen sich an Kreuzungen, Einmündungen und Zufahrten. Häufig handelt es sich dabei um Unfälle zwischen einbiegenden oder kreuzenden Kraftfahrern, die einen bevorrechtigten Radfahrer übersehen oder um Unfälle beim Abbiegen von Kraftfahrern, die einen entgegenkommenden oder einen parallel in die gleiche Richtung fahrenden Radfahrer übersehen.

Bild 3: Typisches Unfallgeschehen an einer innerörtlichen Kreuzung. Alle Unfälle mit Personenschaden innerhalb von drei Jahren. Grüne Dreiecke bezeichnen Unfälle mit Beteiligung des Radverkehrs

Ein wichtiger Aspekt zur Verbesserung der Sicherheit an Kreuzungen, Einmündungen und Zufahrten ist die Gewährleistung und Sicherstellung guter Sichtbeziehungen zwischen Radverkehr und ein- oder abbiegenden bzw. kreuzenden Fahrzeugen. Die aktuellen Regelwerke der FGSV liefern dazu die wesentlichen Grundlagen (RiLSA, RASt, ERA). Dazu gehören z. B. vorgezogene Haltlinien, aufgeweitete Radaufstellstreifen oder gut erkennbar gestaltete Radwegeüberfahrten und Radfurten. Die Ordnungsbehörden vor Ort sind dafür zuständig, dass Sichtbeziehungen nicht durch falsch parkende Fahrzeuge oder das Aufstellen von Werbeelementen oder Grünpflanzungen eingeschränkt werden. An ampelgeregelten Einmündungen und Kreuzungen ist der Verzicht auf ,,bedingt verträgliche Verkehrsströme" eine der wirksamsten Maßnahmen gegen Radunfälle beim Abbiegen.

Bild 4: Separate Abbiegephasen erhöhen Sicherheit

Abbiegende Verkehrsströme sollten daher möglichst ein eigenes Ampelsignal (Linksabbieger aber auch Rechtsabbieger) erhalten, um damit Radfahrer (und auch Fußgänger) vor abbiegenden Fahrzeugen zu schützen. Auch ein Radfahrstreifen in Mittellage (zwischen Rechtsabbiegestreifen und Geradausfahrstreifen) dient der Konfliktreduzierung im Kreuzungsbereich. Hierzu läuft derzeit eine Forschung an der TU Berlin im Rahmen des Nationalen Radverkehrsplans.

Bild 5: Radfahrstreifen in Mittellage reduzieren die Konflikte im Kreuzungsbereich

Durch die vor allem in ostdeutschen Städten noch weit verbreitete Grünpfeil-Regelung kommt es insbesondere für Fußgänger und Radfahrer zu Komforteinbußen und zu Konflikten mit abbiegenden Kraftfahrzeugen. Die Anordnung eines Grünpfeils sollte daher nur dort erfolgen, wo dadurch keine Radfahrer oder Fußgänger gefährdet oder behindert werden (UDV 2/2015). Fahrradverbände und auch Teile der Politik fordern zurzeit eine spezielle Art der ,,Grünpfeil"Regelung nur für den Radverkehr. Vorbild hierfür sind die USA, Frankreich oder Belgien. In Bern läuft dazu ein Forschungsprojekt, was Ende 2016 abgeschlossen wird. Die Gremien der FGSV (namentlich die Ausschüsse 2.5, 3.3 und 3.4) lehnen derzeit eine solche Lösung jedoch ab. Hauptgegenargumente sind, dass sich die Ergebnisse der bislang vorliegenden Studien aus dem Ausland auf Stellen mit sehr geringen Radverkehrsstärken beziehen, es eine Vielzahl StVO-konformer Möglichkeiten gibt, Radfahrer auch bei Rot gesichert abbiegen lassen zu können und eine für die allgemeine Verkehrssicherheit an Lichtsignalanlagen wichtige separate Phase für Linksabbieger nicht mehr realisiert werden könnte.

Bild 6: Rechtsabbiegen bei Rot legalisieren?

4 Gestaltung von Radverkehrsanlagen

Besonders ausgeprägt ist der hohe Anteil schwerer Unfälle an Ampelkreuzungen und Einmündungen, an Fahrbahnquerungen aber auch auf zu schmalen Radwegen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich immer mehr Autos und immer mehr Radfahrer eine veraltete und knapp dimensionierte Infrastruktur teilen müssen. Der verkehrssicheren Führung des wachsenden Radverkehrsaufkommens kommt daher eine herausragende Bedeutung zu. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein Fahrrad nicht mehr dem herkömmlichen Aussehen entsprechen muss. Kinder- und Lastenanhänger, zweispurige Lastenräder und dreirädrige Liege- oder Seniorenräder gehören mittlerweile zum Alltag und benötigen den entsprechenden Platz.

Bild 7: Moderne Fahrräder brauchen mehr Platz

Die „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen" (ERA) der Forschungsgesellschaft für Straßenund Verkehrswesen beschreiben, wie sichere Radverkehrsanlagen geplant, ausgeführt und betrieben werden können. Sie legen dabei besonderen Wert auf eine angemessene Dimensionierung der Radverkehrsanlagen, auf die Erkennbarkeit der Radverkehrsführung und auf die Sichtbeziehungen zwischen Radfahrern und anderen Verkehrsteilnehmern. Bislang sind die ERA zwar nur in wenigen Ländern offiziell eingeführt. Aber auch ohne offizielle Einführung sollte sich jede Kommune, die Radwege plant und baut, möglichst an den ERA orientieren. Zu beachten ist, dass die in den ERA angegebenen Maße für die Dimensionierung der Radverkehrsinfrastruktur immer nur als Mindestmaße angesehen werden sollten. Die örtlichen Randbedingungen, z. B. sehr hohes Radverkehrsaufkommen, erfordern eventuell darüber hinausgehende Breiten. Andere Regelwerke der FGSV wie die „Richtlinien für Lichtsignalanlagen" (RiLSA), „Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen" (RASt) oder „Richtlinien für die Anlage von Landstraßen" (RAL) sind zwar höherrangig als die ERA und vom Bund und den meisten Ländern eingeführt. Sie enthalten jedoch nur wenige Aussagen zur Radverkehrsführung. Eine bundesweite verpflichtende Einführung der ERA durch die zuständigen Länderministerien wäre daher wünschenswert.

Bild 8: Bedarfsgerechte und komfortable Dimensionierung erforderlich

Bei der anstehenden Überarbeitung der ERA werden auch die Belange von Fahrrädern mit elektrischer Tretunterstützung (Pedelecs) berücksichtigt. Da durch Pedelecs vermehrt Überholungen auf Radwegen auftreten können und auch die Durchschnittsgeschwindigkeit im Radverkehr leicht ansteigt, sind die bisherigen Mindest- und Regelmaße nach ERA einer grundsätzlichen Prüfung zu unterziehen. Komfortabel und sicher nutzbare Radverkehrsanlagen, egal ob markiert oder baulich, müssen zukunftsfähig dimensioniert werden. Bauliche Radwege sollten möglichst nur in Ausnahmefällen in beiden Richtungen zur Benutzung freigegeben werden. Eine Studie der BASt (BAST V 261) hat gezeigt, dass die Nutzung von Radwegen entgegen der Fahrtrichtung deutlich gefährlicher ist als in Fahrtrichtung. Das gilt auch für Radwege, die in beiden Fahrtrichtungen zur Nutzung freigegeben sind. Sind Zweirichtungsradwege innerorts unumgänglich, so bedürfen sie einer besonderen Sicherung an den Einmündungen und Kreuzungen. Bauliche Radwege wurden in der Vergangenheit meist durch die entsprechenden Verkehrszeichen (237, 240, 241) als für den Radverkehr benutzungspflichtig ausgewiesen. Radfahrende durften hier nicht die Fahrbahn nutzen. Gemäß VwV-StVO sollten jedoch nur noch solche Radwege mit einer Benutzungspflicht ausgewiesen werden, die auch einen Mindeststandard erfüllen. Laut StVO kommt eine Einschränkung der Fahrbahnnutzung jedoch grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn eine besondere Situation, z. B. eine besondere Gefährdung, dies erfordert. Daher ist inzwischen vielerorts die Benutzungspflicht von baulichen Radwegen wieder aufgehoben worden. Radfahrer dürfen meist auch auf der Fahrbahn fahren, es sei denn eines der drei blauen Verkehrszeichen schreiben die Benutzung des Radwegs vor.

Bild 9: Zweirichtungsradwege Innerorts nur als Ausnahme

Für den Kraftfahrzeugverkehr bedeutet das, dass sich beim Abbiegen die mögliche Anzahl an Konflikten mit dem Radverkehr erhöht. Zu beobachten ist auch, dass mancherorts die nicht mehr benutzungspflichtigen Radwege anscheinend als „Radwege zweiter Klasse" angesehen werden und hier hinsichtlich Instandhaltung, Reinigung und Verkehrssicherung weniger Aufwand betrieben wird als auf benutzungspflichtigen Radwegen. Zudem sind viele der nicht benutzungspflichtigen Anlagen deutlich schmaler als für eine komfortable und sicher Nutzung erforderlich wäre. Nur in seltenen Fällen wird dann auch die Benutzung des Radwegs untersagt. Die Unfallforschung der Versicherer führt zurzeit eine Untersuchung durch, ob und wie sich die Aufhebung der Benutzungspflicht auf die Akzeptanz der Radverkehrsanlagen und die Verkehrssicherheit auswirkt.

Bild 10: Verbot der Benutzung eines nicht benutzbaren Radwegs

Grundlage sicherer Radverkehrsinfrastruktur ist eine bedarfsgerechte Netzplanung. Als Radverkehrsanlagen werden nicht nur bauliche Radwege bezeichnet. Vielmehr handelt es sich dabei um alle Formen der Führung des Radverkehrs. Zunehmend werden Radverkehrsführungen auf der Fahrbahn wie Schutzstreifen und Radfahrstreifen eingesetzt, die bei richtiger Planung sichere und preiswerte Führungsformen sein können. Jedoch kommt es auch hier auf eine bedarfsgerechte Dimensionierung an. Vor allem auf Straßen mit stärkerer Verkehrsbelastung oder Schwerverkehr sollten markierte Radverkehrsanlagen nicht unterdimensioniert werden, damit ein ausreichender Abstand zwischen Radfahrenden und vorbeifahrenden Kraftfahrzeugen gewährleistet werden kann. Erste Ergebnisse einer Studie dazu von der BASt (BAST V 257) werden in einer darauf aufsetzenden neuen Forschung weiter analysiert. Auch wenn sich markierte Radverkehrsanlagen vor allem im Bereich von Kreuzungen, Einmündungen und Zufahrten als durchaus sichere Alternative zu baulichen Radwegen erwiesen haben (UDV 1/2015) werden sie nicht von allen Radfahrern als sicher empfunden. Zudem kommt es durch auf den Markierungen haltende oder parkende Fahrzeuge zu Behinderungen und Konflikten. Eine neue Studie der Unfallforschung der Versicherer soll nun Aufschluss darüber geben, welche Probleme bei der Nutzung markierter Radverkehrsführungen auftreten und wie sich die auf die Sicherheit des Radverkehrs auswirken.

Bild 11: Auch markierte Radverkehrsführungen bedarfsgerecht dimensionieren

Fahrradstraßen haben sich grundsätzlich als sichere Führungsform des Radverkehrs bewährt. Eine aktuelle Studie (UDV 2016) zeigt jedoch, dass Fahrradstraßen häufig eher als schnell umzusetzendes Aushängeschild einer Radverkehrsförderung eingesetzt werden. Die allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur StVO sehen in einer Fahrradstraße eigentlich eine Straße, die dem Radverkehr vorbehalten ist. Kraftfahrzeugverkehr soll hier nur ausnahmsweise zugelassen werden. Die Praxis zeigt jedoch: in den meisten Fahrradstraßen ist Kraftfahrzeugverkehr gestattet. Weitere, oft auftretende Mängel von Fahrradstraßen sind die fehlende Bevorrechtigung an Einmündungen und Kreuzungen und unzureichende Breiten, was zu Unfällen an Kreuzungen, Unfällen mit parkenden Fahrzeugen und Unfällen beim Überholen beitragen kann.

Bild 12: Fahrradstraßen als attraktive Alternative

Einer Sonderform der Radverkehrsführung, dem Radschnellweg, kommt insbesondere als schnelle, komfortable und sichere überörtliche Verbindung in Zukunft eine große Bedeutung zu, möglicherweise aber auch als Stadtteilverbindung im innerörtlichen Bereich. Der Radschnellweg Ruhr ist derzeit mit ca. 100 km sicher die längste geplante Strecke. Die FGSV hat bereits 2014 das Arbeitspapier ,,Einsatz und Gestaltung von Radschnellverbindungen" erstellt. Darin sind die wesentlichen Einsatzkriterien und Gestaltungsmerkmale beschrieben. Das Arbeitspapier wird nun aktualisiert und es soll eine Forschung zu Radschnellwegen durchgeführt werden.

5 Regelwerke

In der FGSV befasst sich eine Vielzahl von Regelwerken mit dem Radverkehr. Das wesentliche Regelwerk für die Praxis sind sicher die ,,Empfehlungen für Radverkehrsanlagen" (ERA). Darüber hinaus gibt es aber sowohl höherrangige Regelwerke wie die „Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen" (RASt) oder auch nachrangige Regelwerke wie das „Arbeitspapier ­ Einsatz und Gestaltung von Radschnellverbindungen". Die in der Überarbeitung befindlichen ERA werden die aktuellsten Erkenntnisse aus bislang abgeschlossenen und derzeit noch laufenden Forschungen berücksichtigen. Für die zuständigen Planer bleibt es jedoch die Herausforderung, sich neben den vielen Regelwerken auch mit aktuellen Forschungen und Entwicklungstendenzen zu befassen. Nur so kann eine zeitgemäße und zukunftsfähige Radverkehrsinfrastruktur geschaffen und erhalten werden. Damit ist ein wesentlicher Baustein gelegt, dem wachsenden Verkehrsaufkommen dieser Verkehrsart adäquat Rechnung zu tragen und für so viel Sicherheit wie möglich zu sorgen.

Bild 13: Viele Gesetze und Regelwerke beinhalten Vorgaben für die Radverkehrsinfrastruktur

6 Verhalten und Fahrzeugtechnik

Der Ausbau der Verkehrswege für Radfahrer alleine wird aber nur zu einem Teil dazu beitragen, die Unfallgefahren zu verringern. Langfristig muss zudem das Verkehrsklima zwischen Fußgängern, Radfahrern und Kraftfahrern durch eine Kombination aus Kommunikation, Verkehrserziehung und Kontrolle verbessert werden. Wichtig ist auch eine richtige Verkehrserziehung. Im Vorschulalter und in der Grundschule lernen Kinder, wie sie möglichst sicher selbstständig am Straßenverkehr teilnehmen können, in der vierten Klasse erfolgt in der Regel eine Fahrradprüfung. Mit dem Wechsel in weiterführende Schulen kommen neue Herausforderungen auf die Kinder zu. Weitere Wege werden nun häufiger auch mit dem Rad zurückgelegt. Damit Kinder hier nicht allein gelassen werden, sind begleitende Unterrichtseinheiten auch in weiterführenden Schulen erforderlich. Aber auch Erwachsene, die nie Rad fahren gelernt haben oder nach vielen Jahren ohne Radfahrerfahrung nun ein Pedelec fahren wollen, sollten vorab an einem entsprechenden Radfahrtraining teilnehmen. Jedoch nicht nur Kinder müssen Radfahren lernen. Deutschland ist Zuwanderungsland. Viele Zuwanderer kommen aus Ländern, in denen das Fahrrad nicht zum Alltag gehört oder in denen die Infrastruktur und das Verkehrsverhalten deutlich anders als in Deutschland sind. Auch für diese Gruppen sollten daher Fahrradtrainings angeboten und Informationsmaterialien erstellt werden, um ihnen eine sichere Mobilität mit dem Rad zu ermöglichen. Einer der wichtigsten Paragraphen der Straßenverkehrsordnung ist Paragraph 1, der allgemein zu Rücksicht und Vorsicht auffordert. Gezielte Kampagnen können dazu beitragen, dass das Gefahrenbewusstsein sowohl bei Kraftfahrern aber auch bei Radfahrern für besonders problematisches und riskantes Verhalten geschärft wird. Dazu gehört aber neben umfassenden Aufklärungskampagnen auch eine gezielte Kontrolle und Ahndung bestimmten Fehlverhaltens. Insbesondere sollten dabei besonders kritische Verhaltensweisen im Fokus stehen. Auf Seiten der Kraftfahrer sind das vor allem das Abbiegen ohne auf den Radverkehr zu achten (z. B. fehlender Schulterblick), das Parken auf Radverkehrsflächen, das unbedachte Öffnen von Fahrzeugtüren und das Überholen von Radfahrern ohne ausreichenden Abstand. Aber auch auf Seiten der Radfahrer führen unbedachte Verhaltensweisen zu Gefahrensituationen und Unfällen. Dazu gehört vor allem das Fahren auf der falschen Fahrbahnseite (Geisterradler) oder auf Gehwegen, Rad fahren unter Alkoholeinfluss, Rotlichtmissachtung und fehlende Rücksichtnahme gegenüber Fußgängern. Der Einsatz polizeilicher Fahrradstaffeln eignet sich, um neben Kontrolle und Ahndung auch eine zielgruppenspezifische Aufklärungsarbeit zu leisten. Auch das Tragen eines Fahrradhelms sowie von heller bzw. reflektierender Kleidung sollte gefördert werden. Ein Fahrradhelm hilft, schwere Kopfverletzungen zu vermeiden und eine auffällige Kleidung macht Radfahrer für Kraftfahrer besser sichtbar. Auch die Fahrzeughersteller können einen Beitrag zu mehr Sicherheit für Radfahrer leisten. Die Entwicklung und Verbreitung von fahrzeugtechnischen aktiven und passiven Systemen zur Verbesserung der Sicherheit von Radfahrern sollte daher gefördert werden. Priorität sollten hier aktive Systeme zur Unfallvermeidung bzw. zur Minderung der Aufprallschwere (Notbremssysteme) vor rein passiven Systemen (z. B. Frontscheibenairbag) haben. Vor allem ein Abbiegeassistent an Lkw ist in der Lage, das sehr problematische Rechtsabbiegen positiv zu beeinflussen.

7 Zusammenfassung

Radverkehr ist eine preiswerte und flexible Mobilitätsform und in vielen Städten bereits eine wesentliche Form des Alltags- und Freizeitverkehrs. Radverkehr birgt jedoch auch Risiken. Wichtig ist, dass ­ aus der falsch verstandenen Sorge, das Rad dadurch weniger attraktiv zu machen ­ diese Risiken nicht negiert werden. Bund, Länder und insbesondere Kommunen können mit einer auf die Bedürfnisse des modernen Radverkehrs abgestimmten Verkehrsinfrastruktur aber auch der Förderung eines rücksichtsvollen Verhaltens und der Forcierung fahrzeugseitiger Sicherheitssysteme einen wesentlichen Beitrag dazu leisten den die Sicherheit des Radverkehrs und damit auch die Attraktivität des Radfahrens deutlich zu verbessern.

Literaturverzeichnis

DESTATIS: Statistisches Bundesamt, Verkehrsunfälle Dezember 2015, Wiesbaden, 7. April 2016

UDV 2014: Unfallforschung der Versicherer, Naturalistc Cycling Study, Berlin, August 2014

UDV 1/2015: Unfallforschung der Versicherer, Sicherheit des zukünftigen Radverkehrs, Berlin, Januar 2015

UDV 2/2015: Unfallforschung der Versicherer, Sicherheit von Knotenpunkten mit Grünpfeil, Berlin, Februar 2015

UDV 2016: Unfallforschung der Versicherer, Sicherheit von Fahrradstraßen und geöffneten Einbahnstraßen, Berlin, 2016, noch unveröffentlicht.

BASt V 261: A l r u t z, D.; B o h l e, W.; B u s e k, S.: Nutzung von Radwegen in Gegenrichtung ­ Sicherheitsverbesserungen, FE 77.0497/2010, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft V 261, 2015

BASt V 257: O h m, D.; M a i e r, R. et al., Führung des Radverkehrs im Mischverkehr auf innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen, FE 77.0496/2010, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft V 257, 2015

JUHRA: J u h r a, C.; M a l c z y k, A.; W e i s s, U. et al. (2012): Bicycle accidents ­ Do we only see the tip of the iceberg? A prospective multi-centre study in a large German city combining medical and police data, Injury 43, pp. 2026­2034