FGSV-Nr. FGSV 001/26
Ort Bremen
Datum 28.09.2016
Titel Erfahrungen mit den RIN und aktuelle Weiterentwicklungen
Autoren Prof. Dr.-Ing. Christoph Hebel
Kategorien Kongress
Einleitung

Als Nachfolgerin der ,,RASN" bilden die ,,RIN" eine wesentliche Grundlage für die verkehrs trägerübergreifende konzeptionelle Verkehrsnetzgestaltung auf der Grundlage von raumord nerischen und landesplanerischen Vorgaben. Der FGSV-Arbeitsausschuss 1.3 ,,Netzgestaltung" arbeitet derzeit u. a. an der Ausarbeitung der ,,Hinweise zur Anwendung der RIN", die den Anwendern weitere Arbeitshilfen für die Planungspraxis an die Hand geben sollen. Darin sind methodische Hinweise zur Umsetzung der in den RIN beschriebenen Arbeitsschritte ebenso wie eine Projektübersicht konkreter RIN-Anwendungen enthalten. Unter Anwendung der Hinweise in Verbindung mit den RIN können konsistente und zielkonforme Netzkonzepte erarbeitet werden. Die Anwendung der RIN-Methodik führt nicht zwangsläufig zu einer einzigen Lösung. Wesentlich ist daher eine kritische Reflektion der erarbeiteten Ergebnisse sowie die lückenlose und transparente Darstellung der vollzogenen Nachkorrekturen durch die Planerinnen und Planer. Damit liegt dann schließlich eine qualifizierte und begründete Grundlage für die weitere Verkehrsnetzgestaltung vor.

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1 Einführung

Mit den ,,Richtlinien für integrierte Netzgestaltung" (RIN, 2008) ist ein umfangreiches Regelwerk veröffentlicht und vom Bund für den Bereich der Bundesfernstraßen für verbindlich erklärt worden, dessen Ziel die verkehrsträgerübergreifende konzeptionelle Verkehrsnetzgestaltung auf der Grundlage von raumordnerischen und landesplanerischen Vorgaben ist. Obwohl die RIN für viele Fragestellungen detaillierte Vorgaben und Empfehlungen für die Planungspraxis enthält, war schon bei der Veröffentlichung klar, dass weitere wichtige Hinweise zur Anwendung der RIN gegeben werden können und müssen. Daher arbeitet der Arbeitsausschuss 1.3 ,,Netzgestaltung" u. a. derzeit an den ,,Hinweisen zur Anwendung der RIN" mit folgenden Zielsetzungen:

  • ­Aufzeigen typischer Einsatzfelder und Darstellung der Anwendbarkeit der RIN anhand von besonders geeigneten Beispielen.
  • ­Erarbeitung praktischer Hinweise für die Anwendung, anhand realer und abstrakter Fallbeispiele, insbesondere hinsichtlich der Auswahl und Gewichtung relevanter Verbindungen, der Zuordnung der Verbindungen zu den Verkehrsnetzen, der Überprüfung und Darstellung der Verbindungsqualitäten anhand der Stufen der Angebotsqualität (SAQV) sowie einer Mängelanalyse des Infrastrukturangebots und der Verbindungsqualitäten.
  • ­Darstellung von Vorgehensweisen zur Umsetzung der in den RIN beschriebenen Methoden für Anwendungen ohne und mit einem Verkehrsnachfragemodell.
  • ­Dokumentation von Anwendungsfällen.

Die Anwendung der RIN-Methodik führt nicht zwangsläufig zu einer einzigen Lösung der Verkehrsnetzgestaltung. Die RIN enthalten zahlreiche Vorgaben, die den Lösungsraum einer Netzkategorisierung einschränken und so keine beliebigen Lösungen zulassen. Je nach Anwendungsfall ist eine gewisse planerische Freiheit mehr oder weniger erwünscht. Ein Freiheitsgrad ergibt sich aus den angestrebten Stufen der Angebotsqualität. Regeln, die eine eindeutige Bestimmung der Aufgabenträgerschaft ermöglichen, lassen sich nur in begrenztem Umfang wissenschaftlich vorgeben. In den Hinweisen sollen daher ergänzend zu den RIN weitere Kriterien vorgestellt werden, die den Lösungsraum einer Netzkategorisierung durch zusätzliche Vorgaben klarer abgrenzen und so den planerischen Abwägungsrahmen weiter präzisieren. Das Hinweispapier richtet sich an alle Anwender der RIN: Staatliche bzw. öffentliche Baulastund Aufgabenträger sowie die von diesen zur Erfüllung ihrer Aufgaben beauftragten Behörden, Verbände oder Unternehmen. Darüber hinaus sind die RIN ebenso wie diese Hinweise öffentlich und können somit dazu dienen, die Methodik von Planungsentscheidungen für Dritte nachvollziehbar und überprüfbar zu machen.

2 Einsatzbereiche der RIN

Ausgangspunkt der RIN sind allgemeine Ziele, die durch eine Verkehrsnetzgestaltung unterstützt werden sollen:

  • ­Orte sollen mit angemessenem Zeitaufwand erreicht werden.
  • ­Es ist anzustreben, dass Orte mit mehr als einem Verkehrsmittel erreicht werden können, so dass auch Personen ohne Pkw-Verfügbarkeit ihre Aktivitätenorte erreichen können.
  • ­Die Verkehrssicherheit soll sowohl im motorisierten als auch im nicht motorisierten Verkehr hoch sein.
  • ­Der Flächenverbrauch durch den Bau von Verkehrswegen soll gering gehalten werden.
  • ­Eine Zersiedelung der Räume soll vermieden werden.
  • ­Bebaute und sonstige schützenswerte Gebiete sollen vom motorisierten Verkehr entlastet werden.
  • ­Die Kosten für den Bau und den Unterhalt der Verkehrswege sollen minimiert werden.
  • ­Die Betriebskosten, der Kraftstoffverbrauch und damit die Emission von Treibhausgasen soll durch eine angemessene Umwegigkeit minimiert werden.

Um diese Ziele zu erreichen, basieren die RIN auf wenigen grundlegenden Prinzipien der Verkehrsnetzgestaltung:

  • ­Verkehrswege haben unterschiedliche Funktionen. Sie können der Verbindung von Orten, der innerörtlichen Erschließung und dem Aufenthalt von Menschen dienen.
  • ­Eine Überlagerung von konkurrierenden Funktionen soll möglichst vermieden werden, so dass die Verkehrswege entsprechend ihrer Funktion gestaltet werden können.
  • ­Verkehrsnetze sind deshalb hierarchisch aufgebaut.
  • ­Die Bedeutung eines Verkehrsweges, der maßgeblich der Verbindung dient, hängt im Wesentlichen von der Bedeutung der Orte ab, die der Verkehrsweg verbindet.
  • ­Verbindungen innerhalb eines Verkehrssystems (Pkw, ÖV, Rad) sollen nach Möglichkeit auf leistungsfähigen Verkehrswegen gebündelt werden.
  • ­Die Anforderungen an die Verbindungsqualität eines Verkehrsweges steigen mit seiner Verbindungsbedeutung.
  • ­Die Ansprüche an die Geschwindigkeit und die Direktheit einer Verbindung steigen mit der Entfernung.

Die RIN behandeln die Gestaltung der Verkehrsnetze einschließlich der Linienangebote des öffentlichen Personenverkehrs. Hierfür sind folgende Schritte vorgesehen:

  1. Funktionale Gliederung der Verkehrsnetze: Jedem Netzelement eines Verkehrsweges wird eine Kategorie zugewiesen. Diese ergibt sich aus der Bedeutung der Verbindungen, die über dieses Netzelement verlaufen, und der Höhe der Ansprüche aus dem verkehrswegeseitigen Umfeld. Ziel ist es, die Netzelemente eines Verkehrsweges funktionsgerecht zu gestalten. Ergebnis sind Verkehrswegekategorien für Netze des Straßenverkehrs, des öffentlichen Verkehrs und des Radverkehrs. Wird ein Netzelement von mehr als einem Verkehrssystem benutzt sollten die Kategorien aufeinander abgestimmt sein.
  2. Bewertung der verbindungsbezogenen Angebotsqualität: Für jede Verbindung werden Kenngrößen der Angebotsqualität für einzelne Verkehrssysteme oder eine Kombination von Verkehrssystemen ermittelt. Durch einen Vergleich von Kenngrößen der Angebotsqualität mit Qualitätsstufen ist eine Bewertung und damit eine Identifizierung ,,guter" und ,,schlechter" Verbindungen möglich.
  3. Qualitätsvorgaben zur Gestaltung von Verkehrsnetzen, Netzabschnitten und Verknüpfungspunkten: Für die Netze verschiedener Verkehrssysteme werden allgemeine, über die Netzelemente hinausgehende Anforderungen gestellt. Aus den Qualitätsanforderungen an die Verbindungen werden in Abhängigkeit von den Kategorien Qualitätsvorgaben für die einzelnen Netzabschnitte bestimmt. Sie betreffen in erster Linie Vorgaben für die angestrebte Fahrtgeschwindigkeit. Dabei erfolgt eine systemübergreifende Betrachtung. Aus der Verbindungsbedeutung der jeweiligen verknüpften Netzabschnitte werden Qualitätsanforderungen an die Verknüpfungsvorgänge abgeleitet, die ihrerseits die funktionale Gestaltung und Ausstattung einer Verknüpfungsanlage bestimmen.

3 Anwendungsfälle, Einsatzgrenzen und Schnittstellen der RIN

Als Einsatzbereiche und typische Aufgabenstellungen der RIN haben sich folgende Punkte ergeben:

  • ­Grundsätzlich liefern die RIN ein gutes methodisches Instrumentarium für die strategische Netzplanung und Netzbewertung im Personenverkehr für den MIV, den ÖV und den Radverkehr. Die RIN ermöglichen durch den verkehrssystemübergreifenden Vergleich der Verbindungsqualitäten integrierte Betrachtungen. Eine Übertragung der Methoden auf den Güterverkehr ist grundsätzlich möglich. Eine Anwendung für den Fußverkehr ist dagegen wegen der kleinräumigen Betrachtungen nicht sinnvoll.
  • ­Die RIN ermöglichen eine strategische Netzplanung und Netzbewertung grundsätzlich auf allen Maßstabsebenen. Es hat sich allerdings gezeigt, dass für die lokale Ebene weitere methodische Vorgaben erforderlich sind. Diese Vorgaben sollen u. a. mit den ,,Empfehlungen für die Konzeption innerörtlicher Verkehrsnetze (EKiV)" bereitgestellt werden.
  • ­Kern der Anwendungsfälle ist die funktionale Gliederung von Verkehrsnetzen und Netzelementen im Ist- und Planungsfall. Die RIN liefern hierfür ein nachvollziehbares methodisches Rüstzeug, auf dessen Grundlage fachlich begründete planerische Abwägungen möglich sind. Diese funktionale Gliederung darf nicht mit einer Klassifizierung der Straßenbaulast bzw. Aufgabenträgerschaft im ÖV gleichgesetzt werden. Eine Kategorisierung kann jedoch Hinweise für eine Klassifizierung geben.
  • ­Die RIN sehen vor allem aus wirtschaftlichen Gründen vor, dass jede Verbindung genau einer Route im Netz zugeordnet wird. Um die Verfügbarkeit von Fahrbeziehungen im Fall von Störungen beurteilen zu können, kann die RIN-Methodik aufgegriffen und für die Zwecke des operativen Verkehrsmanagements mit Hilfe einer Netzsteuerung erweitert werden. Mehr als eine Route je Verbindung erhöhen die Redundanz und damit die Reisezeitzuverlässigkeit bei Störungen, erfordern aber zusätzliche oder höherwertige Netzelemente.
  • ­Eine rechnergestützte Netzkategorisierung wurde in mehreren Projekten erfolgreich durchgeführt. Eine Modellrechnung wird aber nicht immer alle Randbedingungen berücksichtigen können, so dass die Ergebnisse vom Anwender interpretiert und planerisch nachbearbeitet werden müssen.
  • ­Die Netzkategorisierung nach den RIN ist die wesentliche Grundlage für die Entwurfsplanung von Straßen. In den ,,Richtlinien für die Anlage von Autobahnen" (RAA, 2008), ,,Richtlinien für die Anlage von Landstraßen" (RAL, 2012) und ,,Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen" (RASt, 2006) werden die Rahmenbedingungen und die Entwurfsparameter direkt aus der Netzkategorie eines Netzabschnitts abgeleitet. Eine über- und innerörtliche Wegweisung soll sich an den Routen der Netzkategorisierung orientieren.
  • ­Eine Bewertung der Verbindungen für die Zwecke einer Erreichbarkeitsanalyse kann im Ist- und Planungsfall auch ohne vorherige funktionale Gliederung von Verkehrsnetzen und Netzelementen durchgeführt werden. Die Bewertung erfolgt in zwei Schritten. Im ersten Schritt wird die Einhaltung der raumordnerischen Zielgrößen der Erreichbarkeit zentraler Orte (Tabellen 1 und 2 der RIN) überprüft. Im zweiten Schritt werden für jede Verbindung die Stufen der Angebotsqualität (SAQV) ermittelt. Hierzu dienen die SAQ-Kurven im Anhang 2 der RIN.
  • ­Die Bewertung der verbindungsbezogenen Angebotsqualität eignet sich für eine multimodale Betrachtung, bei der die Qualitäten mehrerer Verkehrssysteme (Pkw, ÖV, Rad) verglichen werden. In diese Betrachtung können auch intermodale Angebotsqualitäten (z. B. Park+Ride) einbezogen werden.
  • ­Dem Aspekt der Intermodalität bei der Netzgestaltung wird in den RIN durch die Festlegung von Verknüpfungspunkten Rechnung getragen. Verknüpfungspunkte können die systemspezifischen Vorteile zweier Verkehrssysteme kombinieren und so zu einer besseren Gesamtlösung beitragen.
  • ­Das Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen (HBS, 2015) enthält Unterkapitel zur Bewertung der Angebotsqualität von Netzabschnitten, die direkten Bezug auf die RIN nehmen. Das Verfahren zur Bewertung der Angebotsqualität von Netzabschnitten dient dem Nachweis der Einhaltung der Zielvorgaben der RIN und bewertet die Angebotsqualität anhand von sechs Stufen der Angebotsqualität von Netzabschnitten (SAQN). Diese beschreiben die Qualität, mit der ein Netzabschnitt die ihm netzplanerisch zugewiesene Verbindungsfunktion erfüllt.

Insgesamt haben sich die RIN in den Anwendungsfällen als wichtige fachliche Grundlage für weitergehende Planungen (Verkehrsentwicklungsplan, Straßenbedarfspläne, Nahverkehrspläne) erwiesen. Die RIN beschreiben eine strategische Netzplanung, die anders als Einzelmaßnahmenuntersuchungen das gesamte Netz betrachtet. Da die strategische Netzplanung nach der RIN noch ohne tatsächliche Verkehrsnachfrage durchgeführt wird, ist die Ermittlung des Verkehrsaufkommens zwischen zwei zentralen Orten eine weitere wichtige Grundlage, die für eine umfassende Bewertung von Maßnahmen der Netzplanung ermittelt werden muss. Im Kontext der Nachhaltigkeitsdiskussion und der Klimapolitik sind die verkehrlichen Planungsergebnisse der RIN immer nur ein Teil einer nachhaltigen Raum- und Verkehrsplanung. Die RIN können keine Aussagen zu den ökologischen, sozialen und ökonomischen Auswirkungen einer Netzplanung machen.

4 Inhalte der ,,Hinweise zur Anwendung der RIN"

Die Gliederung der Hinweise orientiert sich in ihrem Aufbau im Wesentlichen an den Arbeitsschritten der RIN. In das Hinweispapier fließen auch die Ergebnisse des Forschungsprojektes ,,Ableitung von Vorgaben zur Bestimmung der maßgebenden Verbindungsfunktionsstufe und von Qualitätsstufen zur Bewertung der verbindungsbezogenen Angebotsqualitäten in Straßennetzen" [Fiedler, Gerlach et al. 2016] ein. Nach einem einleitenden Aufzeigen der Einsatzbereiche der RIN wird auf die Frage der Bearbeitung mit oder ohne Verkehrsnachfragemodell, die für die weiteren Kapitel von grundlegender Bedeutung ist, eingegangen. Aufgrund der Komplexität einer Fragestellung und den jeweils gegebenen Rahmenbedingungen muss abgewogen werden, ob der Einsatz eines makroskopischen Personenverkehrsnachfragemodells möglich ist, oder ob die Planungsaufgabe unter Nutzung allgemein zugänglicher EDV-Tools bearbeitet werden soll. Die Wahl einer geeigneten Vorgehensweise ergibt sich aus den Anforderungen an die Ergebnisse einer Verkehrsnetzuntersuchung.

Daran anschließend wird dargelegt, welche Datenquellen für RIN-Anwendungen herangezogen werden können. Wesentliche Datengrundlagen für eine Netzkategorisierung nach den RIN bilden die zentralen Orte und die Verkehrsnetze. Zentrale Orte sind Quellen und Ziele der bei der Netzkategorisierung untersuchten Verbindungen, die dann dem Verkehrsnetz zugeordnet werden. In den Hinweisen wird auch der Umgang mit Mehrfachzentren sowie die Zentrendefinition im Rahmen der innörtlichen Anwendung erläutert. Verkehrsnetzdaten liefern außerdem die Eingangsdaten für die Ermittlung der verbindungsbezogenen Angebotsqualität. Bei einer Vorgehensweise ohne Verkehrsnachfragemodell können als Datengrundlagen frei zugängliche Routenplanungssysteme und Fahrplanauskunftssysteme genutzt werden. Bei der Vorgehensweise mit Verkehrsnachfragemodell werden die zentralen Orte und die Netzdaten in das Netzmodell des Nachfragemodells integriert. Grundsätzlich ist es sinnvoll, den Anwendern Daten zu

­ - den zentralen Orten (einschl. Mittelbereiche mit Hauptort, Zentralitätsstufe, Polygon) und

­ - den Netzdaten (Karte mit Verbindungsfunktionstufen 0/I/II)

zur Verfügung zu stellen. Geeignete Möglichkeiten dies zu realisieren, werden derzeit vom Arbeitsausschuss 1.3 geprüft.

Für die Auswahl der Verbindungen einer Verbindungsfunktionsstufe bietet es sich an, in einem ersten Schritt sogenannte Dreiecksnetze aufzubauen. Dabei werden die zentralen Orte einer Zentralitätsstufe so mit benachbarten Orten gleicher Zentralität verbunden, dass sich die Verbindungslinien nicht überschneiden. Aus diesen Dreiecksnetzen kann dann der Nachbarschaftsgrad abgeleitet werden. Die Festlegung der Dreiecksnetze ist jedoch nicht in jedem Fall eindeutig möglich. Mit Ausnahme der Verbindungsfunktionsstufe 0 begrenzen die RIN bei der Auswahl der Verbindungen den Nachbarschaftsgrad auf n = 2. Dabei wird davon ausgegangen, dass zusätzliche Verbindungen dem Nachbarschaftsgrad n > 2 nur einen geringen Einfluss auf das Ergebnis der Netzkategorisierung haben, da längere Verbindungen bei der Zuordnung zum Verkehrsnetz hauptsächlich Strecken mit einer hochrangigen Verbindungsfunktionsstufe nutzen. In praktischen Anwendungen kann es Fälle geben, bei denen Verbindungen mit n > 2 dazu führen, dass zusätzliche Netzabschnitte einer Verbindungsfunktionsstufe zugeordnet werden. Das ist besonders dann der Fall, wenn die Verbindungen direkt geführt und wenig gebündelt werden. Bei der Festlegung der Verbindungen müssen Staatsgrenzen berücksichtigt werden. Die Versorgungsfunktion muss innerhalb des Staatsgebietes erfolgen. Die Grenzen von Bundesländern sollten nicht berücksichtigt werden.

Im anschließenden, aufgrund der Vielzahl offener methodischer Fragen umfangreichsten Kapitel, werden die Möglichkeiten zur Bestimmung der maßgebenden Verbindungsfunktionsstufe und der Verkehrswegekategorie aufgezeigt. Dieses für die Hinweise zentrale Kapitel ist nach den Verkehrsarten Kfz-Verkehr, öffentlicher Verkehr und Radverkehr untergliedert, da hier jeweils sehr unterschiedliche Lösungswege beschritten werden können. Um die Verbindungsfunktionsstufe eines Netzelements zu bestimmen, wird für jede relevante Verbindung genau eine geeignete Route im Verkehrswegenetz bestimmt. Dieses Vorgehen wird für alle zu untersuchenden Verkehrssysteme (Pkw, Lkw, ÖV, Rad) oder Verkehrsmittelkombinationen (Park+Ride) durchgeführt. Bei der Zuordnung einer Verbindung zum Verkehrswegenetz sind zwei grundlegende Entscheidungsprobleme zu lösen:

1. Wo beginnt und endet eine Verbindungsfunktionsstufe?

Hochrangige Verkehrswege sollen im Pkw-Verkehr anders als im ÖV nicht bis in die Mitte eines zentralen Orts geführt werden, sondern um den Ort geführt werden. Verbindungen, die im zentralen Ort beginnen oder enden, sollen im zentralen Ort oder im Vorfeld des zentralen Ortes auf Verkehrswegen mit einer niedrigeren Verbindungsfunktionsstufe geführt werden. Das erfordert eine Entscheidung, wo die Verbindungsfunktionsstufe endet bzw. abgestuft wird.

2. Welche Route soll gewählt werden, wenn mehr als eine mögliche Route existiert?

Häufig existieren für eine Verbindung mehr als eine mögliche Route. Diese Routen unterscheiden sich u. a. hinsichtlich der Reisezeit, der Direktheit, dem Ausbauzustand der benutzten Netzelemente und der Zahl der durchfahrenen sensiblen Bereiche (Wohngebiete, ökologisch sensible Bereiche). Aufgrund dieser Eigenschaften muss eine Route ausgewählt werden.

Grundsätzlich sollen die geplanten Verkehrswege in die Untersuchungen einbezogen werden und die Zuordnung der Verbindungsfunktionsstufe sequentiell erfolgen. Dies geschieht über eine zentrale Anbindung der Zentren mit anschließender Routensuche. Bei der Anbindung sind im ÖV die Zeiten bis zum Erreichen der zentralen Haltestelle einzubeziehen und im Pkw-Verkehr ggf. eine Nahbereichskorrektur durchzuführen. Im motorisierten Individualverkehr sollte der Routensuche ein unbelastetes Netz zugrunde liegen. In Stadtregionen kann es sinnvoll sein, zusätzliche Zeitverluste an Knotenpunkten z. B. durch Abbiegezuschläge einzubeziehen. Im öffentlichen Verkehr erfolgt die Routenermittlung je nach Planungsaufgabe ohne Linienangebot allein auf der Basis der Streckenfahrzeiten oder auf einem vorgegebenen Linienangebot (Linienweg mit Fahrzeiten und Takten bzw. Fahrplan).

Alle geeigneten Routen einer Verbindung werden im Hinblick auf ihre räumliche Ähnlichkeit (keine oder geringe Überlappung, Überlappung nur im Nahbereich, weitgehende oder vollkommene Überlappung) verglichen. Damit sind Aussagen über die Anzahl der Routen pro Verbindung möglich:

1. Existiert genau eine Route oder weichen die Routen nur im Nahbereich voneinander ab, dann ist die Lösung eindeutig.

2. Existiert jedoch mehr als eine Route, ist die Lösung nicht eindeutig. Die Wahl der Route beeinflusst das Ergebnis der Netzkategorisierung.

Im zweiten Fall muss basierend auf den Kenngrößen der Route eine Entscheidung getroffen werden. Das erfordert eine Gewichtung der Kenngrößen und die Festlegung von Anspruchsniveaus (angestrebte Eigenschaften) und Ausschlussniveaus (nicht mehr akzeptable Eigenschaften). Die Gewichte und die Anspruchs- und Ausschlussniveaus für die einzelnen Kenngrößen müssen die für die Planung verantwortlichen Institutionen vorgeben. Dabei sind die in den RIN enthaltenen Aussagen zu Anspruchs- und Ausschlussniveaus zu berücksichtigen. Die Routenermittlung sollte dokumentiert und die Routenauswahl auf dieser Grundlage begründet werden. Ggf. sind dabei Sensitivitätsbetrachtungen sinnvoll. Ziel der Bewertung der verbindungsbezogenen Angebotsqualität ist es, einen Vergleich zwischen den Verkehrssystemen (Pkw, ÖV, Rad) zu ermöglichen und Verbindungen mit mangelhafter Angebotsqualität zu identifizieren. Eine Verbindung ist dann mangelhaft, wenn die Reisezeiten nach RIN [RIN, S. 11] nicht eingehalten werden, oder wenn die Stufen der Angebotsqualität (SAQ) eine festzulegende Qualitätsstufe (z. B. SAQ D) nicht erreichen. Die Zielgröße der anzustrebenden Qualität ist von den Anwendern selbst zu definieren. Über die Bewertung der netzabschnittsbezogenen Angebotsqualität wird der Bezug zum HBS hergestellt. Dabei besteht hinsichtlich der Referenzierung der SAQ-Kurven zur Sicherstellung einer modell- bzw. datenunabhängigen Vergleichbarkeit der Bewertungsergebnisse noch Forschungsbedarf. Im Anhang der Hinweise folgt eine Dokumentation von ausgewerteten guten Anwendungen der RIN, die einen Überblick über interessante Fallbeispiele gibt. Die Anwendung der RIN erfordert, wie jede Verkehrsplanung, den Einsatz von EDV. Für Anwendungen der RIN sind insbesondere Softwareprodukte für Verkehrsumlegungen und webbasierte Routenplanungs- und Fahrplanauskunftssysteme hilfreich. Da die Inhalte und die Verfügbarkeit von Softwareprodukten und Webseiten sich ändern können, enthalten die vorliegenden Hinweise keine Verweise auf konkrete Softwareprodukte oder Webseiten. Auf Datenquellen aus öffentlich zugängliche oder Open Source Quellen wird an einigen Stellen in allgemeiner Form hingewiesen. Die Hinweise verstehen sich als Ergänzung zu den RIN. Sie verweisen direkt auf ausgewählte Kapitel, Tabellen oder Abbildungen in den RIN und verzichten größtenteils auf eine erneute Wiedergabe der RIN-Inhalte. Zum Verständnis der Hinweise ist es deshalb erforderlich, die RIN verfügbar zu haben.

Literaturverzeichnis

,,Hinweise zur Anwendung der RIN ­ Entwurf", unveröffentlichtes Arbeitspapier des AA 1.3, Bearbeitungsstand August 2016

B i s c h o f, P.; S c h e r z, S. (2014): Konzeption innerörtlicher Verkehrsnetze: Aufwand, Nutzen und methodische Grundlagen. Straßenverkehrstechnik 12.2014, Kirschbaum Verlag, Bonn, S. 821­828

D e m n y, A.; H e b e l, C. (2014): Rechnergestützte Ermittlung der Verbindungsfunktionsstufen und der verbindungsbezogenen Angebotsqualität nach den Richtlinien für integrierte Netzgestaltung RIN 2008. Straßenverkehrstechnik 12.2014, Kirschbaum Verlag, Bonn, S. 811­820

F i e d l e r, F.; G e r l a c h, J.; H e l m e r t, C.; H o l t h a u s, T.; L e e r k a m p, B.; S e i p e l, S.; T h i m m, B.; V i e t e n, M.: Ableitung von Vorgaben zur Bestimmung der maßgebenden Verbindungsfunktionsstufe und von Qualitätsstufen zur Bewertung der verbindungsbezogenen Angebotsqualitäten in Straßennetzen, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Herausgeber: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Heft 1121, Bonn 2016

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen (HBS), FGSV Verlag, Köln 2015, (FGSV 299)

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt), FGSV Verlag, Köln 2006, (FGSV 200)

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien für integrierte Netzgestaltung (RIN), FGSV Verlag, Köln 2008, (FGSV 121)

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien für die Anlage von Autobahnen (RAA), FGSV Verlag, Köln 2008 (FGSV 202)

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien für die Anlage von Landstraßen (RAL), FGSV Verlag, Köln 2012 (FGSV 201)