FGSV-Nr. FGSV 001/20
Ort Berlin
Datum 13.10.2004
Titel Umsetzung des Boden- und Grundwasserschutzes im Straßenbau
Autoren RDir. Dipl.-Ing. Roderich Hillmann
Kategorien Kongress
Einleitung

In den letzten Jahren sind neue Gesetze verabschiedet und Verordnungen erlassen worden, die hinsichtlich des Schutzes der Medien Boden und Wasser sowie hinsichtlich der Kreislaufwirtschaft bei der Erfüllung des gesetzlichen Auftrags, Straßen zu bauen, zu unterhalten und zu erweitern bzw. zu verbessern, berücksichtigt werden müssen. Zur Konkretisierung dieser Gesetze und Verordnungen für den Straßenbau und seine Bauwerke sind in den jeweiligen Gremien der FGSV entsprechende Regelwerke erarbeitet worden bzw. werden erarbeitet. Parallel dazu sind von den Umweltverwaltungen Regelungen erarbeitet worden, die in die Belange des Straßenbaus eingreifen. Die jeweiligen Regelungen fanden in der Vergangenheit von der jeweils anderen Seite kaum Akzeptanz. Ausgehend von den Vereinbarungen über eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen der Länderarbeitsgemeinschaft „Abfall“ und der Leiterkonferenz Straßenbau mit festgelegten „Kernkompetenzen“ wird über den aktuellen Bearbeitungsstand des Straßenbauregelwerks mit Bezug zu Umweltschutzfragen berichtet, wobei die Regelungen zur umweltverträglichen Anwendung von RC-Baustoffen und industriellen Nebenprodukten im Vordergrund stehen. Es wird aufgezeigt, was bei der Zusammenarbeit inzwischen erreicht worden ist und bei welchen Aspekten noch wesentliche Meinungsunterschiede zwischen Straßen- und Umweltverwaltung bestehen. Der Ausblick ist den erkennbaren Ansätzen für das (horizontale) Mandat ER3 „Umwelt- und Gesundheitsanforderungen“ gewidmet.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Gesetzlicher Rahmen

Der gesetzliche Auftrag, Straßen zu bauen, zu unterhalten, zu erweitern und zu verbessern, ist im § 3 „Straßenbaulast“ des Bundesfernstraßengesetzes verankert. Die Straßenbaulast umfasst alle mit dem Bau und der Unterhaltung von Bundesfernstraßen zusammenhängenden Aufgaben. Ausdrücklich heißt es im § 3, dass dabei alle öffentlichen Belange einschließlich des Umweltschutzes zu berücksichtigen sind.

Im § 4 „Sicherheitsvorschriften“ des Bundesfernstraßengesetzes sind die Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit dem Auftrag des Trägers der Straßenbaulast geregelt. Es heißt dort: „Die Träger der Straßenbaulast haben dafür einzustehen, dass ihre Bauten allen Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügen. Behördlicher Genehmigungen, Erlaubnisse und Abnahmen durch andere als die Straßenbaubehörde bedarf es nicht“. Dies entspricht unserem rechtsstaatlichen Grundsatz, dass die jeweils tätig werdende Hoheitsverwaltung selbst für die Beachtung der von ihrem Tätigkeitsbereich berührten gesetzlichen Bestimmungen zuständig und verantwortlich ist. Straßenbauten unterliegen somit nicht dem bauaufsichtlichen Bereich.

Auch in den Landesstraßengesetzen ist diese Eigenverantwortlichkeit der Straßenbaubehörden so geregelt. Das Bundesfernstraßengesetz und die Straßengesetze der Länder bilden damit den gesetzlichen Rahmen für Tätigkeit und Verantwortung des Trägers der Straßenbaulast.

Zur praktischen Umsetzung des Auftrags und für den Vollzug bedarf es eines konkretisierenden Regelwerks, in dem die speziellen Belange des Straßenbaus geregelt sind. Wo es möglich ist, wird auf vorhandene Normen und vergleichbare Regelungen zurückgegriffen (Bild 1).

Bild 1: Konkretisierung des Auftrags des Trägers der Straßenbaulast im Regelwerk des Straßenbaus

In diesem Regelwerk für den Straßenbau müssen auch die gesetzlichen Vorgaben zum Boden- und Grundwasserschutz sowie zur Kreislaufwirtschaft beachtet und für die Belange des Straßenbaus konkretisiert werden.

Nach dem Bundesbodenschutzgesetz erfüllt Boden natürliche Funktionen als Lebensgrundlage und Lebensraum für Menschen, Tiere, Pflanzen und Bodenorganismen. Im Weiteren erfüllt Boden auch Nutzungsfunktionen u.a. als Standort für Verkehr und als Abbau-, Ausgleichs- und Aufbaumedium für stoffliche Einwirkungen insbesondere zum Schutz des Grundwassers. Die beiden letztgenannten Funktionen sind für den Straßenbau von grundlegender Bedeutung.

Grundsätze der Kreislaufwirtschaft sind die Vermeidung von Abfällen und u. a. ihre stoffliche Verwertung. Der Hauptzweck der Verwertung muss in der Nutzung des Abfalls bestehen. Die Verwertung muss ordnungsgemäß und schadlos erfolgen. Für den Straßenbau ist die Verwendung von RC-Baustoffen und industriellen Nebenprodukten schon aus wirtschaftlichen Gründen angezeigt. Durch die Schonung natürlicher Ressourcen und die Einsparung von Deponieraum durch die geregelte Verwertung dieser Baustoffe wird die Umwelt entlastet.

Die Richt- und Grenzwerte für Schadstoffe im Feststoff und im Eluat dürfen im bauaufsichtlichen Bereich und im Straßenbau nicht unterschiedlich sein.

2 Straßenbauregelwerke mit Umweltbezug, Stand 2002

Das Regelwerk des Straßenbaus mit Umweltbezug, das alle Anforderungen an den Boden- und Wasserschutz sowie an die Kreislaufwirtschaft vollständig berücksichtigt, lag im Jahr 2002 in allen Teilen vor. Die Regelwerke lassen sich auf drei Ebenen einordnen (Bild 2):

Bild 2: Ebenen der Straßenbauregelwerke

  • die Ebene der bautechnischen und vertraglichen Regelungen mit den Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien sowie den Technischen Lieferbedingungen
  • die Ebene der Regelungen zur Güteüberwachung der Baustoffe mit den Richtlinien zur Güteüberwachung von Mineralstoffen und den Richtlinien für die Anerkennung der Prüfstellen für diese Baustoffe und Baustoffgemische
  • die Ebene der Regelungen zur umweltverträglichen Anwendung von industriellen Nebenprodukten und RC-Baustoffen „RuA“ sowie von Ausbaustoffen mit teer- pechtypischen Bestandteilen und Ausbauasphalt „RuVA“ sowie zur Berücksichtigung der besonderen Belange in Wasserschutzgebieten „RiStWag“.

Im Bauvertrag wird festgelegt, dass nur Baustoffe und Baustoffgemische nach den TL Min-StB verwendet werden dürfen. Im Teil B der TL Min-StB sind die einzuhaltenden wasserwirtschaftlichen Merkmale der verschiedenen Baustoffe genannt. Sie entsprechen maximal dem Zuordnungswert Z 2, bis zu dem eine Verwertung mit definierten technischen Sicherungsmaßnahmen erlaubt ist, d. h., im Straßenbau werden nur „Abfälle zur Verwertung“ eingesetzt.

Die Regelwerke des Straßenbaus werden durch die Einführung in den Ländern rechtsverbindlich. Den Bund-Länderausschuss „Straßenbautechnik“ hat es im Frühjahr 2002 interessiert, ob die RuA1) und RuVA2) in den Ländern eingeführt worden sind. Bis Juni 2002 sind 9 Rückmeldungen aus den Ländern eingegangen. Das Ergebnis war niederschmetternd.

Die Länderministerien Straßenbau haben – richtiger Weise – versucht, die Länderumweltministerien bei der Einführung von RuA und RuVA mit ins Boot zu holen. Dies ist bei der RuA nur in einem Land, bei der RuVA in zwei Ländern erfolgreich gelungen.

Aus den Antwortschreiben der Länder konnten einige Hinweise zu Ursachen für die Ablehnung der Regelwerke entnommen werden. Daraus lassen sich auch Ansätze ableiten, um aus dieser Misere heraus zu kommen. Als konstruktiv ist der Hinweis zu werten, dass der Gedankenaustausch mit der Umweltverwaltung versäumt wurde.

Weniger zielführend ist der Hinweis auf eigene Länderregelungen. Ziel der Regelungen im Straßenbau sollte es sein, ein möglichst einheitliches Schutzniveau und eine einheitlich.

1) Kurzform in diesem Beitrag für „Richtlinien für die umweltverträgliche Anwendung von industriellen Nebenprodukten und Recycling-Baustoffen im Straßenbau“ (RuA-StB)

2) Kurzform in diesem Beitrag für „Richtlinien für die umweltverträgliche Verwertung von Ausbaustoffen mit teer-/pechtypischen Bestandteilen sowie für die Verwertung von Ausbauasphalt im Straßenbau“ (RuVA-StB)

Anwendungspraxis beim Einsatz von RC-Baustoffen und industriellen Nebenprodukten zu erreichen. Alles andere würde Planer, Baustoffproduzenten und bauausführende Firmen zwingen, je nach Land unterschiedliche Regelungen anzuwenden. Dies kann nicht im Sinn des Umweltschutzes sein und trägt dem Gebot der Abfallverwertung nicht Rechnung.

Der Hinweis, das Bewertungskonzept von LAGA und LAWA für die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung sei nicht übernommen worden, ist richtig. Dieses Konzept enthält eine deutliche Verschärfung gegenüber den gesetzlichen Anforderungen und ist wissenschaftlich unzureichend abgesichert. In diesem Zusammenhang sind die „Grundsätze des Grundwasserschutzes bei Abfallverwertung und Produkteinsatz“, das „GAP-Papier“, und das Geringfügigkeitsschwellenkonzept „GFS“ zu nennen.

Dass die Mitteilungen 20 der LAGA im Regelwerk des Straßenbaus nicht deckungsgleich abgebildet seien, zielt auch in die Richtung der nicht übernommenen Bewertungskonzepte. Über diese Aspekte wird weiter zu diskutieren sein.

Die erhaltenen Hinweise, die Regelungen des Straßenbaus seien nicht gesetzeskonform und die Vorgehensweise rechtswidrig, sind weniger konstruktiv und der notwendigen Zusammenarbeit wenig dienlich.

Ein wichtiger Aspekt bei der Umsetzung des Boden- und Grundwasserschutzes im Straßenbau ist die Notifizierung der Regelungen bei der Europäischen Kommission. Die Notifizierung stellt eine Information der Europäischen Kommission dar. Durch mitgeteilte Vorschriften, die von der Kommission gebilligt worden sind, wird u. a. das nationale Anforderungs- und Schutzniveau in dem Mitgliedsstaat gesichert.

Für Bauprodukte, die im bauaufsichtlichen Bereich eingesetzt werden, gibt es bisher keine Notifizierungen. Das Anforderungs- und Schutzniveau für Straßenbaustoffe ist durch die Notifizierung der TL Min-StB 2000 gesichert. Das Umweltbundesamt hat dazu folgende Sichtweise, wie einem Schreiben vom September 2003 an das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) zu entnehmen ist:

  • Unterlassene Notifizierungen im Kontext mit der Bauproduktenrichtlinie haben erhebliche negative Konsequenzen für den Umweltschutz
  • Es stellt einen Kompetenzverlust dar, wenn andere Ressorts durch aktive Notifizierungspraxis das von Europa akzeptierte deutsche Umweltschutzniveau de facto bestimmen können
  • Ohne weitere Notifizierungen gelten die Anforderungen der FGSV als das deutsche Grundwasserschutzniveau
  • Bliebe es dabei, würden nicht mit den Umweltbehörden abgestimmte und deutlich schwächere Anforderungen das europäisch anerkannte Schutzniveau für Deutschland bestimmen.

3 Zusammenarbeit mit der Umweltverwaltung

Vor dem Hintergrund derartiger Aussagen war es höchste Zeit, in den bisher kaum praktizierten Dialog zwischen Straßenbau- und Umweltseite einzutreten. Dazu hat u. a. im März 2004 ein Gespräch zwischen den Vorsitzenden der Leiterkonferenz Straßenbau (LKS) und der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) stattgefunden. In dem Gespräch hat man sich im Hinblick auf die Erarbeitung von Anforderungen an die Verwertung von mineralischen Abfällen auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit unter Beachtung der jeweiligen Kernkompetenzen verständigt.

Zur Kernkompetenz des Trägers der Straßenbaulast gehören die Festlegung von

  • bautechnischen Anforderungen an mineralische Abfälle
  • bautechnischen Maßnahmen zur Umsetzung der Anforderungen an die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung
  • Verwertungsmaßnahmen im Straßenbau
  • Qualitätssicherungssysteme bei der Verwertung.

Die Kernkompetenz der LAGA liegt

  • in der Konkretisierung von Grundsätzen und Zielen
  • in der Festlegung grundsätzlich zulässiger Verwertungsmöglichkeiten
  • im Benennen kritischer Inhaltsstoffe
  • in der Festlegung von Art und Umfang der Analysen
  • in der Festlegung von Zuordnungswerten und Einbauklassen sowie
  • von Anforderungen an die Nachweisführung.

Im Hinblick auf die Regelwerkserarbeitung wurde eine frühzeitige und substanzielle wechselseitige Beteiligung vereinbart. Die Ergebnisse dieses Abstimmungsgesprächs sind als Grundlage für die Zusammenarbeit sehr zu begrüßen. Nun gilt es, die Zusammenarbeit zu organisieren, sie zu praktizieren und die Arbeiten anzugehen.

Bei der Organisation der Zusammenarbeit sind die Zuständigkeiten und unterschiedlichen Strukturen der Straßenbau- und Umweltseite zu beachten. Im Bild 3 sind die Organisation und Hierarchie für die Erarbeitung und Herausgabe technischer Regelwerke für den Straßenbau und der Abstimmungs- und Handlungsbedarf dabei dargestellt.

Bild 3: Organisation der Zusammenarbeit mit der Umweltverwaltung

Auf der rechtlichen Verbindlichkeitsebene sind die zuständigen Länderministerien „LMinU“ und „LMinStB“, die Umweltministerkonferenz UMK bzw. die Amtschefkonferenz ACK sowie die Verkehrsministerkonferenz VMK anzusiedeln. Sind beide Seiten von Regelungen betroffen, sollten sie im Einvernehmen eingeführt werden.

Die fachliche Abstimmungsebene wird von den Länderarbeitsgemeinschaften bzw. der Leiterkonferenz Straßenbau LKS gebildet. Abstimmungsbedarf besteht immer, wenn sich die einzuführenden Regelwerke an den Verwaltungsvollzug beider Seiten richten. LKS bzw. Länderarbeitsgemeinschaften geben das Ergebnis der Bearbeitung an die zuständigen Länderministerien mit der Empfehlung, es einzuführen.

Auf der Arbeitsebene haben die Länderarbeitsgemeinschaften Arbeitsgruppen. Für den Straßenbau besonders bedeutsam ist die Arbeitsgruppe „Mineralische Abfälle“ der LAGA mit ihren Unterausschüssen.

Um den Umweltschutz im Straßenbau im Bund-Länderausschuss „Straßenbautechnik“ stärker zu thematisieren, wurde der Unterausschuss „Umweltverträglicher Einsatz von Baustoffen“, (UA UvEB) eingerichtet.

Die Erarbeitung der Regelwerke selbst erfolgt in den Gremien der FGSV. Die Regelwerke mit Umweltbezug werden jetzt in einer ad hoc-Gruppe des KoA Bau erarbeitet, da mehrere Arbeitsgruppen daran beteiligt sind. Auf Arbeitsebene findet die substanzielle Beteiligung statt, wenn beide Seiten von den Regelungen betroffen sind.

Für den Dialog erschwerend ist der Umstand, dass sich die Arbeitsgruppe „Mineralische Abfälle“ der LAGA inzwischen aufgelöst hat. Der Dialog mit der Umweltseite auf Arbeitsebene findet jetzt in der ad-hoc-Gruppe 15.4 des KoA Bau und über die Geschäftsstellen der Länderarbeitsgemeinschaften und der FGSV statt.

4 Aktuelle Entwicklungen bei der Regelwerksbearbeitung

Die Regelwerksbearbeitung ist geprägt von der nationalen Umsetzung der europäischen Produktnormen in die TL Gestein-StB für Gesteinskörnungen, die TL SoB-StB für Baustoffgemische und die ZTV SoB-StB auf der bautechnischen und vertraglichen Ebene.

Die Systemzertifizierung für Gesteinskörnungen im mandatierten Bereich nach dem System 2+ soll durch eine freiwillige Güteüberwachung mit Produktprüfung ergänzt werden. Bei den Baustoffgemischen im nicht mandatierten Bereich bleibt es bei der Fremdüberwachung durch RAP Stra-Prüfstellen. Für Schichten ohne Bindemittel lösen die Technischen Lieferbedingungen zur Güteüberwachung von Schichten ohne Bindemittel TL G SoB-StB die RG Min-StB ab. Auf der Ebene der Regelungen zur umweltverträglichen Anwendung werden bzw. wurde RuA und RuVA inhaltlich überarbeitet.

Die Regelwerke auf den verschiedenen Ebenen nehmen aufeinander Bezug. Diese Verzahnung der Regelwerke untereinander ist im Bild 4 dargestellt.

In den TL Gestein-StB, Anhang D, sind hinsichtlich der umweltrelevanten Merkmale die Recycling-Baustoffe und industriellen Nebenprodukte geregelt, die auch schon in den TL Min-StB 2000 enthalten waren, also Nebenprodukte aus der Metall- und Energieerzeugung sowie Hausmüllverbrennungsaschen. Festgelegt sind die maximalen Schadstoffgehalte im Feststoff und im Eluat sowie die Prüfverfahren, mit denen die Schadstoffe bestimmt werden. PH-Wert und elektrische Leitfähigkeit sind Richtwerte, für Schwermetalle sowie für organische und anorganische Parameter gelten Grenzwerte.

Bild 4: Wechselseitige Bezugnahme und Verzahnung der Straßenbauregelwerke

Der Anhang D der TL Gestein-StB ist in der ad-hoc-Gruppe zur Überarbeitung von RuA und RuVA mit den Länderarbeitsgemeinschaften abgestimmt. Gegenüber den TL Min-StB 2000 hat es nur für einige Parameter weniger Baustoffe Veränderungen bei den Richt- und Grenzwerten gegeben.

Die TL Gestein-StB sind inzwischen notifiziert und bilden damit das von der Europäischen Kommission akzeptierte Anforderungs- und Schutzniveau für Straßenbaustoffe in Deutschland.

Die ad-hoc-Gruppe 15.4 „Überarbeitung der RuA und RuVA“ des KoA Bau ist im Januar 2003 eingerichtet worden. Sie hat den Auftrag, die fachlich-sachlichen Kritikpunkte an den beiden Regelwerken einvernehmlich zwischen Umwelt- und Straßenbauseite zu klären.

Von der Straßenbauseite sind BMVBW, BASt und Länderstraßenbauministerien sowie die Leiter der Arbeitsgruppen 5, 6 und 7 der FGSV vertreten. Die Umweltseite ist durch BMU, UBA und Länderumweltministerien sowie LAGA, LAWA und LABO vertreten. Außerdem gehören Vertreter von Baustoffproduzenten und aus der Wissenschaft der ad-hoc-Gruppe an.

Von den Länderarbeitsgemeinschaften ist eine Zusammenstellung der Kritikpunkte an den beiden Regelwerken erarbeitet worden, zu der die Straßenbauseite eine Stellungnahme vorgelegt hat. Diese Papiere waren die Grundlage für die Diskussion der Kritikpunkte in der 2. Sitzung der ad-hoc-Gruppe im Juli 2003. Es sind Bearbeitergruppen für die RuA und die RuVA eingerichtet und Arbeitsaufträge erteilt worden.

Die Bearbeitergruppe RuVA hat ihre Ergebnisse in der Sitzung der ad hoc-Gruppe im März 2004 vorgestellt. Die Überarbeitung der RuA ist noch nicht abgeschlossen.

5  Die RuVA

In der Bearbeitergruppe RuVA haben je zwei Vertreter der Länderstraßenbau- und Länderumweltministerien sowie der Bitumenindustrie die einzelnen Kritikpunkte ausdiskutiert. Ergebnis ist, dass keine unmittelbare Notwendigkeit zur Änderung der RuVA wegen fachlich falscher Inhalte besteht.

In einem mit dem BMU abgestimmten ARS erfolgt die Klarstellung, dass die Klassifizierung in Verwertungsklassen in den RuVA 01 nicht dazu geeignet ist, eine abfallrechtliche Einstufung der behandelten Straßenbaustoffe vorzunehmen. Die Festlegungen der abfallrechtlichen Bewertung sind im KrW-/AbfG geregelt und obliegen den zuständigen Landesbehörden. Der Entwurf des ARS ist mit dem BMU abgestimmt3).

Die Bearbeitergruppe hat empfohlen, die Überarbeitung der RuVA erst anzugehen, wenn auch die entsprechenden Technischen Regeln der LAGA überarbeitet werden. Die Überarbeitung soll mit gegenseitiger Beteiligung erfolgen.

3) Mittlerweile als ARS Nr. 29/2004 veröffentlicht

6 Die RuA

An dem grundsätzlichen Aufbau der RuA mit den Tabellen für die Einsatzmöglichkeiten der verschiedenen Baustoffe und den Anhängen 1 und 2 wird sich nichts ändern.

Ein wesentlicher Streitpunkt war die Definition der hydrogeologischen Standortbedingungen. Hier hat die Straßenbauseite die Regelungen hinsichtlich Mächtigkeit und Durchlässigkeit der RiStWag in die RuA übernommen. Hintergrund für die RiStWag-Regelungen sind die verzögerte Versickerung und Aufnahme von Schadstoffen bei einem außergewöhnlichen Ereignis wie dem Unfall mit einem Tankfahrzeug.

Dieser Ansatz ist bei der Verwendung von RC-Baustoffen und industriellen Nebenprodukten aber nicht zutreffend, da hierbei von ständigen Einwirkungen ausgegangen werden muss. Das Rückhaltevermögen von Böden und ihre Durchlässigkeit werden überwiegend durch Art und Menge der Feinanteile bestimmt. Für die Definition der hydrogeologischen Standortbedingungen wird jetzt die Formulierung der LAGA Mitteilungen 20, Allgemeiner Teil, übernommen. Dort heißt es: „Hydrogeologisch günstig sind u.a. Standorte, bei denen der Grundwasserleiter nach oben durch flächig verbreitete, ausreichend mächtige und homogene Deckschichten mit geringer Durchlässigkeit und hohem Rückhaltevermögen gegenüber Schadstoffen überdeckt ist.“

Die Lockergesteinsböden, die die Anforderungen an hydrogeologisch günstige Standorte erfüllen, sollen durch ein Dreiecksdiagramm anhand der Anteile an Ton, Schluff und Grobkörnigem beschrieben werden (Bild 5).

Bild 5: Definition der hydrogeologischen Standortbedingungen

Nach dem noch abzustimmenden Entwurf muss ein Boden mindestens 8 % Tonanteile aufweisen und darf maximal 75 % Sand bzw. Kies enthalten, damit er die Bedingungen für günstige hydrogeologische Standorte erfüllt. In dem gelb dargestellten Bereich muss die Dicke der Deckschicht größer als 2 Meter sein, in dem grün dargestellten Bereich mit höheren Tonanteilen muss sie mehr als 1 Meter betragen.

Zur Definition der hydrogeologischen Standortbedingungen von Festgestein kann auf die Beispiele für Karst- und Kluftgrundwasserleiter zurück gegriffen werden, die in der überarbeiteten RuA im Anhang 2 enthalten sein werden. In der Tabelle 1 sind beispielhaft wenig durchlässige sowie gut durchlässige Karst- und Kluftgrundwasserleiter (je nach Gesteins- und Trennfugendurchlässigkeit) benannt.

Tabelle 1: Wenig und gut durchlässige Karst- und Kluftgrundwasserleiter

Im Anhang 1 der RuA sind die Einsatzmöglichkeiten der Baustoffe in den verschiedenen Schichten oder Bauwerksteilen zusammengestellt. Dabei werden der Einbau in oder unter einer wasserundurchlässigen Schicht bzw. mit technischen Sicherungsmaßnahmen, in oder unter einer teilwasserdurchlässigen Schicht und in oder unter wasserdurchlässiger Schicht unterschieden.

Beim wasserundurchlässigen Einbau von schadstoffbelasteten Böden und Baustoffen im Erdbau sind technische Sicherungsmaßnahmen erforderlich, um die Durchsickerung des Erdbauwerks möglichst gering zu halten. Zu diesem Themenkomplex wird in der Arbeitsgruppe 5 der FGSV ein „Merkblatt über Technische Sicherungsmaßnahmen bei Verwendung von schadstoffbelasteten Böden und Baustoffen im Erdbau“ erarbeitet. Der Teil 1 dieses Merkblatts befasst sich mit der Behandlung der Böden und Baustoffe mit Bindemitteln. Bei dieser Art der technischen Sicherungsmaßnahme steht die dauerhafte Einbindung der Schadstoffe im Vordergrund. Der Teil 1 ist zur Abstimmung mit der Umweltseite an die Geschäftsstellen von LAGA und LAWA geschickt worden.

Der in Bearbeitung befindliche Teil 2 befasst sich mit Bauweisen, die die Durchsickerung minimieren. Bei dieser Art der technischen Sicherungsmaßnahmen stehen die Verbesserung und die Verdichtung der Baustoffe im Hinblick auf die Verringerung der Durchlässigkeit sowie die Abdichtung der Baustoffe im Vordergrund.

Der Einbau in oder unter teildurchlässiger Schicht in Pflasterdecken und Plattenbelägen ohne Fugenabdichtung ist zwischen Straßenbau- und Umweltseite strittig. Die Umweltseite ist der Auffassung, dass durch Pflasterdecken und Plattenbeläge so viel Wasser wie bei wasserdurchlässigen Bauweisen versickert. Die Straßenbauseite vertritt die Meinung, dass die Versickerung von der Stärke des Regenereignisses abhängt und durch das Zusetzen der Fugen im Laufe der Zeit die Versickerung reduziert ist.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass von den kommunalen Wasserentsorgungsunternehmen Pflasterdecken und Plattenbeläge bei der Entwässerung von Grundstücken gebührenmäßig wie vollständig versiegelte Flächen behandelt werden. Die Meinungen gehen bei dieser Frage also sehr weit auseinander und es besteht noch erheblicher Klärungsbedarf.

Als dritte Einsatzmöglichkeit gibt es den Einbau in oder unter wasserdurchlässigen Schichten bzw. ohne technische Sicherungsmaßnahmen. Hierbei handelt es sich um Deckschichten ohne Bindemittel und um Erdbauwerke, die nur mit Oberboden abgedeckt werden.

Am Beispiel des Einbaus in oder unter wasserundurchlässigen Schichten kann die Bewertung der Schadlosigkeit der Verwertung für die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten erläutert werden. Im Oberbau mit

  • Asphaltdecken, Betondecken oder Tragdeckschichten aus Asphalt
  • Asphalttragschichten
  • Tragschichten mit hydraulischen Bindemitteln

sind die Schadstoffe durch bitumenhaltige oder hydraulische Bindemittel dauerhaft gebunden. Die Schichten selbst sind dünn und wasserundurchlässig. Bei

  • Tragschichten ohne Bindemittel
  • Bodenverfestigungen

sind die Schichten durch die wasserundurchlässigen Schichten darüber vor der Durchsickerung geschützt und sie besitzen wegen ihrer begrenzten Dicke nur ein geringes Schadstoffpotenzial. Im Unterbau kann unter wasserundurchlässigen Schichten bei

  • Bodenverbesserungen
  • Schichten bis 1 m Dicke ab Planum

noch die begrenzte Versickerungsmöglichkeit und wegen der begrenzten Dicke das geringe Schadstoffpotenzial bei der Bewertung der Schadlosigkeit herangezogen werden. Bei höheren Dämmen sind die oben genannten technischen Sicherungsmaßnahmen erforderlich, um die Durchsickerung der Böschungen zu minimieren. Schutzwälle und die Böschungsbereiche von Hinterfüllungen erfordern ebenfalls technische Sicherungsmaßnahmen.

Weitere Einsatzmöglichkeiten unter wasserundurchlässigen Schichten sind

  • die Verfüllung von Leitungsgräben und Baugruben
  • der Unterbau unter Fundament- und Bodenplatten
  • die Bettung in Pflasterdecken und Plattenbelägen mit abgedichteten Fugen,

weil die Durchsickerung durch die Schichten oder Bauwerke darüber verhindert ist.

Das Kernstück der RuA bilden die Tafeln, in denen für die Baustoffe nach Anhang D der TL Gestein-StB der wasserundurchlässige, der teilweise wasserdurchlässige und der wasserdurchlässige Einbau festgelegt sind (Bild 6). Diese Tafeln haben in den Kopfzeilen Änderungen erfahren. Zunächst wird der Einbau außerhalb oder innerhalb von Wasserschutzgebieten unterschieden. In der nächsten Stufe wird unterschieden, ob die hydrogeologischen Standortbedingungen günstig oder ungünstig sind. Innerhalb von Wasserschutzgebieten ist der Einsatz von RC-Baustoffen und industriellen Nebenprodukten nur bei günstigen Standortbedingungen zulässig. Bei ungünstigen hydrogeologischen Standortbedingungen außerhalb von Wasserschutzgebieten müssen weiterhin die Eigenschaften des Grundwasserleiters berücksichtigt werden. Es werden Poren- und Karstgrundwasserleiter unterschieden.

Bild 6: Einsatzmöglichkeiten von Baustoffen nach TL Gestein-StB, Anhang D

Wenn der Einsatz eines Baustoffes für alle Schichten nach Anhang 1 der RuA im Hinblick auf die Umweltverträglichkeit zulässig ist, ist in dem entsprechenden Kästchen ein „+“ vermerkt. Ist der Einsatz in keinem Fall zulässig, was insbesondere beim wasserdurchlässigen Einbau oder beim Einsatz in Wasserschutzgebieten der Fall ist, ist in dem entsprechenden Kästchen ein „–“ vermerkt. Ist der Einsatz nur in bestimmten Schichten erlaubt, sind diese Schichten mit ihrer Nummer nach Anhang 1 mit dem Zusatz z. B. „+ nur 1.3 bis 1.7“ vermerkt. Bei diesen Angaben ist auch berücksichtigt, ob der jeweilige Baustoff aus bautechnischen Gründen überhaupt in der betreffenden Schicht eingesetzt wird.

7 Mandat ER 3 „Umwelt- und Gesundheitsanforderungen“

Die Europäische Kommission erarbeitet im Rahmen der Bauproduktenrichtlinie ein horizontales Mandat zur Berücksichtigung der Umwelt- und Gesundheitsanforderungen in den Mitgliedsstaaten. Die Umwelt- und Gesundheitsanforderungen gehören zu den „grundlegenden Anforderungen“.

Man will erreichen, dass frei gehandelte Bauprodukte den Anspruch an ein hohes Schutzniveau hinsichtlich Umwelt und Gesundheit erfüllen. Das Mandat soll die Bereiche Innenraumluft, Boden und Oberflächen- sowie Grundwasser abdecken.

Aktuell liegt der 10. Mandatsentwurf vor, der 11. Entwurf wird in Kürze erwartet. Die Umsetzung soll in der 2. Generation der Produktnormen erfolgen.

Das jeweilige Schutzniveau in den Mitgliedsstaaten wird durch die notifizierten Regelungen und Regelwerke festgelegt.

8 Schlussbemerkungen

Abschließend ist festzustellen, dass die erforderlichen Änderungen an RuA und RuVA nicht so gravierend sind, wie es nach den Rückäußerungen aus den Ländern zunächst den Anschein hatte. Außer bei den beschriebenen Überarbeitungen besteht noch weiterer Abstimmungsbedarf. Der Straßenbau sollte in Abstimmung mit der Umweltseite Grenz- und Richtwerte für schadstoffhaltige Böden und Baustoffe sowie Gemische daraus, die nicht als RC-Baustoffe aufbereitet werden, in seinem Regelwerk festlegen. Die Unklarheiten in diesem Bereich führen immer wieder zu immensen Nachforderungen.

Im Auftrag des Trägers der Straßenbaulast sind zugleich die Ziele formuliert. Drei wesentliche Aspekte, die beim Bauen und Unterhalten von Straßen besonders beachtet werden müssen, sind:

  • die Beachtung der gesetzlichen Grundlagen zum Boden- und Wasserschutz
  • die Beachtung der gesetzlichen Anforderungen an die Kreislaufwirtschaft
  • die Beachtung des effizienten Einsatzes der Steuergelder, die zur Auftragserfüllung zur Verfügung gestellt werden.

Für die Umsetzung des Auftrages und das Erreichen der Ziele sollten drei Leitthesen bei der Erarbeitung von Regelwerken mit Umweltbezug beachtet werden:

  • Ausgewogenheit zwischen den differierenden Interessen von Kreislaufwirtschaft, Umwelt und Straßenbau schaffen
  • Konsens mit den Vertretern der Umweltverwaltung herstellen
  • rechtsverbindliche einheitliche Vorgehensweise in den Ländern bewirken.