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1 Erhaltungsmanagement von Geh- und Radwegen
Die Sicherstellung der Mobilität ist einer der wesentlichen gesamtgesellschaftlichen Aufgaben. Unabhängig von der Fortbewegungsart verbindet die Verkehrsinfrastruktur im wahrsten Sinne des Wortes Personen und ermöglicht den Transport von Waren. Die Baulastträger sind verantwortlich, die Verkehrsinfrastruktur in ausreichender Qualität zur Verfügung zu stellen, das heißt verkehrssicher und gebrauchstauglich. Hierbei müssen sie nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorgehen und die beschränkten Ressourcen effizient einsetzen. In einem zunehmend komplexen Spannungsfeld wird es für sie als Entscheidungsträger immer wesentlicher, über belastbare Grundlagen zu verfügen, um Entscheidungsprozesse objektiv und nachvollziehbar zu gestalten. Ein systematisches Management der Erhaltung der Verkehrsinfrastruktur ist somit unerlässlich.
Die Methoden der systematischen Straßenerhaltung unterstützen auch die kommunalen Baulastträger dabei, die Verkehrsinfrastruktur, das heißt Straßen und Nebenflächen, verkehrssicher und gebrauchstauglich zu erhalten und wirtschaftlich zu betreiben. Grundlage eines Erhaltungsmanagements ist die Zustandserfassung und -bewertung (ZEB). Hierbei wird der Zustand der Verkehrsflächen anhand definierter Merkmale beschrieben. Dies mündet in Kombination mit weiteren Informationen in ein Erhaltungsprogramm.
Im Bereich der Außerortsstraßen wird der Zustand der Straßen seit vielen Jahren regelmäßig erfasst. Auch im Bereich der Innerortsstraßen rückt das Thema zunehmend in den Fokus. Viele Kommunen haben bereits ein oder mehrere Male den Zustand der Straßeninfrastruktur systematisch erfasst. Zumeist beschränkt sich die Erfassung jedoch auf die Fahrbahnen. Der Zustand von Nebenanlagen, das heißt der Geh- und Radwege sowie Plätze wird oftmals nicht erfasst und bewertet. Die Gründe hierfür sind vielfältig. So werden von den Kommunen häufig die Kosten für die zusätzliche Erfassung aufgeführt, das Managementsystem befindet sich noch im Aufbau und beschränkt sich zunächst auf die Fahrbahnen oder es sind ohnehin nicht genügend Ressourcen vorhanden, um ein Erhaltungsprogramm für die Geh- und Radwege aufzustellen und abzuarbeiten. Zudem fehlt es aber auch an Kenntnissen über geeignete Methoden und Erfahrungen bei deren Einsatz.
Die kommunalen Nebenflächen spielen im Bereich des systematischen Erhaltungsmanagement somit eine noch recht untergeordnete Rolle. Dabei nehmen die Anforderungen an diese Flächen zu. Eine alternde Bevölkerung, zunehmender Radverkehr bzw. sonstige Verkehre der Nahmobilität sowie die Nutzung durch Menschen mit Behinderung verlangen nach einer anforderungsgerechten Infrastruktur. Gleichzeitig mangelt es an Ressourcen für Unterhaltung und Sanierung. Dies erfordert eine sorgfältige Priorisierung von Maßnahmen, um die Funktionsfähigkeit der Verkehrsflächen bestmöglich zu gewährleisten. Die Bewältigung dieser Herausforderungen erfordert ein ganzheitliches und strategisches Vorgehen der Kommunen, das technische, wirtschaftliche und soziale Aspekte gleichermaßen berücksichtigt. Es ist somit zu erwarten, dass zukünftig auch die Nebenflächen deutlich stärker in das Erhaltungsmanagement eingebunden werden.
2 Regelwerke für das Erhaltungsmanagement
In den Anfangszeiten des systematischen Erhaltungsmanagements wurde noch keine bedeutende Differenzierung zwischen Außerortsstraßen, kommunalen Straßen oder Nebenflächen vorgenommen. Es kamen vielmehr die gleichen Methoden zum Einsatz. Die Entwicklung der schnellfahrenden Messsysteme Anfang der 1990er-Jahre für die Bundesfernstraßen erforderte jedoch die Entwicklung weitergehender, spezialisierter Regelwerke. Die Regelwerke bezogen sich jedoch, entsprechend dem Einsatzzweck, auf die neuen Messsysteme sowie auf Außerortsstraßen unter Einbezug von Ortsdurchfahrten (Schmuck, 1987). Die „messtechnische Erfassung“ wurde sehr bald nicht nur auf Bundesfern-, sondern auch auf Landesund Kreisstraßen zum Standard. Auch für viele kommunale Netze wurde und wird die Methodik, meist auf die Hauptverkehrsstraßen beschränkt, angewendet. Sie hat sich jedoch nicht flächendeckend durchgesetzt, denn die Methoden lassen sich nicht vollständig auf den Innerortsbereich übertragen (Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, 2012).
Um den Anforderungen kommunaler Straßenerhaltung gerecht zu werden, wurden mit dem Forschungsvorhaben FE 77.418 des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen erstmals „Richtlinien für das Erhaltungsmanagement von Innerortsstraßen” erarbeitet. Die Ergebnisse und die damals im kommunalen Bereich vorliegenden Erfahrungen mündeten in den „Empfehlungen für das Erhaltungsmanagement von Innerortsstraßen – E EMI 2003” (Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, 2003). Damit lagen erstmals Empfehlungen speziell für die systematische Straßenerhaltung in Kommunen vor.
Im Anschluss an die Herausgabe der E EMI 2003 wurden Arbeitspapiere zur Systematik der Straßenerhaltung, AP 9, Reihe K, Kommunale Straßen erarbeitet. Diese ergänzten und konkretisierten die E EMI 2003 und beinhalteten u. a. Empfehlungen für die visuelle und messtechnische Zustandserfassung sowie die Bewertung von Straßen.
Mit den E EMI 2012 erschienen rund zehn Jahre später überarbeitete Empfehlungen. Die Überarbeitung wurde u. a. damit begründet, dass bei der Anwendung der E EMI 2003 die Grenzen der Übertragbarkeit der Ansätze der Außerortsstraßen rasch erkannt wurden. Als Gründe werden u. a. komplexere und heterogene Straßennetze mit unscharfen Übergängen, die gleichwertige Bedeutung von Fahrbahnen und Nebenflächen, eine höhere Dynamik von Einflussfaktoren (Verkehrsbelastung, Nutzung) sowie inhomogene Bauweisen aufgeführt.
Die Umsetzung und praktische Handhabung ist in der E EMI 2012 sowie den Arbeitspapieren zur Systematik der Straßenerhaltung, AP 9, Reihe K, Kommunale Straßen beschrieben. Die Arbeitspapiere sind als selbständige Teile zeitlich nach der E EMI 2012 erschienen und unterliegen, wie die E EMI 2012 auch, derzeit einer Überarbeitung (Best, 2023).
Mit den E EMI und den AP 9, Reihe K, Kommunale Straßen liegen auch Ansätze für ein Erhaltungsmanagement von kommunalen Straßennetzen vor. Die Entwicklung ist aber noch nicht abgeschlossen, da über die Zustandserfassung und -bewertung hinausgehende kommunalspezifische Aspekte, wie beispielsweise Fragen der Datenaufbereitung und der Modellannahmen für ein Pavement Management System (PMS), noch unzureichend bearbeitet sind (Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, 2015d). In der Praxis werden daher hilfsweise Ansätze aus dem Außerortsbereich übernommen und modifiziert, was fachlich nicht unumstritten ist und in jedem Fall Expertenwissen erfordert, um die erforderlichen Anpassungen vorzunehmen.
Die wesentlichen Besonderheiten kommunaler Verkehrsflächen bezüglich des Erhaltungsmanagements lassen sich durch die abweichenden und im Netz stark differierenden Nutzungsanforderungen charakterisieren. Diese reichen von der Aufenthaltsfunktion über Radverkehr bis hin zu Schwerverkehren. Dies wird beispielsweise in den E EMI 2012 beschrieben. Die unterschiedlichen Nutzungsanforderungen werden nicht nur durch die Lage im Netz charakterisiert, sondern auch durch die Art der Fläche: Fahrbahn oder Nebenfläche.
Damit im Zusammenhang stehen auch die unterschiedlichen Anforderungen an die Art und Qualität der Oberfläche, deren Erfüllungsgrad im Rahmen eines Erhaltungsmanagements durch Zustandsmerkmale zu beschreiben ist. Während im Außerortsbereich die Asphaltbauweise dominiert und im Bereich hochbelasteter Straßen durch die Betonbauweise ergänzt wird, findet man im Innerortsbereich neben der Asphaltbauweise zusätzlich vielfältige Pflaster- und Plattenbauweisen in großem Umfang – insbesondere auf den Nebenflächen. Beton spielt im kommunalen Bereich hingegen eine untergeordnete Rolle, darf jedoch nicht gänzlich vernachlässigt werden, da er teils bei hochbelasteten Sonderflächen bzw. regional auch im Altbestand vorzufinden ist. Bei ein und derselben Nutzung (z. B. durch Radverkehr) gehen Flächen im kommunalen Bereich oftmals von einer Bauweise in die andere über, sei es aufgrund von Ausbesserungsarbeiten oder aus stadtplanerischen und gestalterischen Gründen. Dies führt zu inhomogenen Flächen, die es im Zuge der Zustandserfassung und -bewertung zu berücksichtigen gilt.
3 Methoden für die Zustandserfassung und -bewertung
Im kommunalen Bereich werden nach den E EMI 2012 zwei Verfahren zur Zustandserfassung unterschieden: die messtechnische und die visuelle Zustandserfassung. Hinsichtlich der Zustandsbewertung wird darin keine Unterscheidung vorgenommen. In den zeitlich später erschienenen Arbeitspapieren – insbesondere dem zuletzt erschienenen AP 9/K 2.2 – werden im Bereich der visuellen Erfassung drei Erfassungsmethoden differenziert: die Erfassung vor Ort auf Papier, die digitale Vor-Ort-Erfassung (mit georeferenziertem Bezug) sowie die Erfassung auf Basis einer Bilddokumentation (Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, 2015a). Die beiden erstgenannten Methoden einer örtlichen Erfassung lassen sich unter dem Begriff visuell-sensitiv zusammenfassen („Begehung“). Die letztgenannte Methode wird als visuell-bildbasierte Zustandserfassung bezeichnet.
Schaut man sich auf der Angebotsseite an, welche Methoden die auf Zustandserfassung spezialisierten Anbieter in ihrem Portfolio aufweisen, so sieht man, dass es neben diesen Methoden nach E EMI weitere Angebote gibt, die eine Mischung aus der rein visuell-videobasierten und einer klassischen messtechnischen Erfassung nach ZTV ZEB-StB darstellen. Praktisch muss daher eine weitere Differenzierung vorgenommen werden, die sich wie folgt darstellt:
– Visuell-sensitive Erfassung auf Papier,
– Visuell-sensitive Erfassung digital vor Ort, z. B. mittels Tablet,
– Visuell-videobasierte Erfassung,
– Visuell-videobasierte Erfassung, partiell durch Messtechnik unterstützt,
– Messtechnische Erfassung in Anlehnung an die ZTV ZEB-StB, jedoch ohne zeitbefristete Betriebszulassung der Bundesanstalt für Straßenwesen,
– Messtechnische Erfassung gemäß ZTV ZEB-StB, inklusive zeitbefristeter Betriebszulassung.
Alle diese Methoden haben spezifische Vor- und Nachteile. So liefert z. B. die messtechnische Erfassung gemäß ZTV ZEB-StB eine sehr hohe Präzision und Reproduzierbarkeit, die Einsatzdomäne der Fahrzeuge ist jedoch die fahrstreifenweise Erfassung. Für die Erfassung von Nebenstraßennetzen sind sie weniger gut geeignet. Eine Erfassung von Rad- und Gehwegen scheidet praktisch aus. Auf der anderen Seite ist die visuelle-sensitive Erfassung speziell für schwer zugängliche Bereiche, wie enge Gassen, Treppen oder Plätze geeignete, kann jedoch auf vielbefahrenen Hauptverkehrsstraßen aufgrund der Verkehrsbelastung nur eingeschränkt oder mit großem Aufwand (Sperrung) durchgeführt werden. Zudem ist sie sehr personalintensiv. Visuell-videobasierte Erfassungen schließen diese Lücke. Die Kameras, gegebenenfalls ergänzt um weitere Messeinrichtungen, können auf kleine Trägerfahrzeuge (Schmalspurfahrzeuge, (Lasten-)Fahrräder oder E-Scooter) montiert werden, die auch auf Nebenflächen fahren (Sondergenehmigung vorausgesetzt) können.
Im Bereich der Erfassung von Nebenflächen scheidet die messtechnische Erfassung gemäß ZTV ZEB-StB somit aus, während die anderen Methoden zunächst einmal in Frage kommen. Hier entscheiden zum einen die Größe und Wendigkeit des eingesetzten Trägerfahrzeugs und zum anderen die Charakteristik der zu erfassenden Flächen.
Unabhängig von der Auswahl einer geeigneten Erfassungsmethode sind jedoch noch weitere Punkte zu berücksichtigen. So ist z. B. zu klären, welche Zustandsmerkmale wie zu erfassen sind. Die Regelwerke liefern hierzu wichtige Grundlagen. Sie orientieren sich jedoch primär an den Belangen der Fahrbahnen. Für die Nebenflächen stellen sie zwar eine erste Empfehlung dar, aber vor dem Hintergrund der Erfassungsmethode und der Zielsetzungen ist eine kritische Auseinandersetzung im Vorfeld sinnvoll: Welche Merkmale benötigt man wirklich bzw. werden wirklich alle Merkmale erfasst, die benötigt werden? Und: In welcher Qualität und Quantität sind die Merkmale zu erfassen?
Bei der messtechnischen Erfassung werden Zustandsindikatoren nach Häufung (z. B. Risse als Prozent der betroffenen Fläche) bzw. Messwert (z. B. Spurrinnentiefe in mm) erfasst und anschließend bewertet (Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, 2006b). Bei der visuellen Erfassung wird meist vergleichbar vorgegangen, das heißt die von Substanzschäden betroffene Fläche wird relativ zu einer Bezugsfläche oder absolut abgeschätzt und Unebenheiten werden entweder mittels „Latte und Keil“ (visuell-sensitiv) gemessen, qualitativ abgeschätzt (visuell-sensitiv/videobasiert) oder mittels zusätzlich Sensorik bewertet (z. B. durch Erschütterungssensoren) bzw. gemessen (z. B. mittels LIDAR).
In den AP 9/K 2.2, AP 9/K 2.3 und AP 9/K 3.2 finden sich Hinweise, wie eine Erfassung und Bewertung visuell erfasster Flächen stattfinden kann (Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, 2015a, 2015b, 2018). Die Methodik ist jedoch nicht hinreichend erforscht und belegt. Das bedeutet, dass weder die Erfordernisse hinsichtlich der Ziele des Erhaltungsmanagements noch die Erfassung hinsichtlich der erforderlichen und erzielbaren Reproduzierbarkeit und Genauigkeit systematisch analysiert worden sind. Das gleiche gilt für die in AP 9/K 3.2 vorgeschlagenen Methoden für die Bewertung des Zustands. Auch hier werden Vorschläge unterbreitet, eine systematische Erforschung der Verfahren fand bislang jedoch nicht statt.
Die AP 9/K spiegeln insbesondere im Bereich der visuellen Zustandserfassung und -bewertung somit einen gewissen Erfahrungsstand wider. Eine systematische Analyse der Indikatoren sowie deren Bewertung, insbesondere der in AP 9/K 2.2 und AP 9/K 3.2 dokumentierten Verfahren zur Erfassung und Bewertung nach Ausprägung und Ausdehnung, fand bis dato nicht statt. Tatsächlich muss konstatiert werden, dass die Regelwerke teils widersprüchlich sind und wichtige Fragestellungen, wie z. B. nach einer eindeutigen Erfassung, nach der Definition von Auswerteabschnitten bzw. Bezugsflächen oder nach der Bewertung sowie Wertesynthese nicht hinreichend untermauert sind. Ebenso sind die Unterschiede zwischen messtechnischer und visueller Erfassung und Bewertung nicht fachlich begründet, sondern spiegeln eher Erfahrungswissen wider. Weiterhin behandeln die Regelwerke primär Fahrbahnen in Asphaltbauweisen. Die nach E EMI 2012 ebenso wichtigen Nebenflächen sowie Bauweisen in Pflaster und Beton werden weniger thematisiert und es wird auf Forschungsbedarf hingewiesen.
Weiterer Forschungsbedarf besteht im Bereich der Sicherstellung von Vergleichs- und Wiederholgenauigkeit bei der Erfassung, insbesondere bei der visuellen Erfassung. Denn während im Bereich der Messtechnik durch die zeitbefristete Betriebszulassung Qualitätsstandards definiert sind, liegen solche bei der visuellen Erfassung nicht vor. In dem entsprechenden AP 9/K 2.2 wird hier auf fehlende Erfahrungen sowie Forschungsbedarf hingewiesen.
4 Herausforderung bei den Geh- und Radwegen
Die aktuelle Situation im kommunalen Erhaltungsmanagement ist somit komplex – nicht nur hinsichtlich der bautechnischen Heterogenität, der konkurrierenden Nutzung von Straßen, Plätzen und Wegen sowie deren räumlich sehr unterschiedlichen Ausprägungen, sondern auch aufgrund der Situation bei den Regelwerken und in der Forschung. Denn gegenüber den Außerortsstraßen gilt es einiges aufzuholen. Noch weitaus herausfordernder stellt sich die Situation auf den Verkehrswegen abseits der Fahrbahnen dar, das heißt den Geh- und Radwegen.
Die Umsetzung eines zielgerichteten Erhaltungsmanagements für Geh- und Radwege stellt Kommunen somit vor eine Reihe komplexer Herausforderungen. Ein zentrales Problem ist das Fehlen einheitlicher Regelwerke, Vertragsbedingungen und Standardleistungsbeschreibungen, was die Entwicklung einheitlicher Ansätze und die Vergleichbarkeit erschwert. Hinzu kommt ein heterogener Markt für Dienstleistungen im Bereich der Zustandserfassung kommunaler Geh- und Radwege, der zudem durch begrenzte Kapazitäten gekennzeichnet ist. Dies erschwert die Auswahl geeigneter Methoden und kann zu Engpässen bei der Umsetzung führen. Eine weitere Herausforderung liegt in der technischen und methodischen Varianz bei der Zustandserfassung und -bewertung. Unterschiede hinsichtlich Präzision, Kosten und angewandter Methodik erschweren die Vergleichbarkeit von Angeboten und Ergebnissen. Innovative Verfahren, wie KI-basierte Analysen, bieten zwar großes Potenzial, jedoch fehlen oft Erfahrungswerte zu deren Anwendungsgrenzen, was zu Unsicherheiten bei der Implementierung und Interpretation der Ergebnisse führen kann.
Im Rahmen des Forschungsprogramms Stadtverkehr (FoPS) des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr werden derzeit zwei Forschungsprojekte realisiert, die sich mit den wesentlichen Aspekten der kommunalen Zustandserfassung befassen. Im Projekt „Erfassung und Bewertung des baulichen Zustandes von städtischen Radverkehrsanlagen“ (FE 70.0957/2019) sind „Parameter für die technische Erfassung und Bewertung der Gebrauchstauglichkeit, der Verkehrssicherheit und des baulichen Zustandes von kommunalen Radverkehrsanlagen zu beschreiben“ und es sind „Anforderungen an die Wiederhol- und Vergleichsgenauigkeit der Erfassungs- und Bewertungstechniken zu stellen“. Die Erfassung soll dabei sowohl visuell-sensitiv als auch messtechnisch erfolgen können (FoPS, 2024).
Im Projekt „Weiterentwicklung der Bewertungsmethodik für kommunale Straßen“ (FE 77.0514/2019) ist es das Ziel, „für die Bewertung von kommunalen Straßen bestehende Zustandsindikatoren bezüglich ihrer Relevanz auf den wirtschaftlichen Werteerhalt, die Gebrauchstauglichkeit und die Verkehrssicherheit hin zu überprüfen.“ Zudem sind „geeignete Bewertungsmethoden bzw. Zusammenführungsalgorithmen [...] zu erarbeiten“ und „die neu entwickelten Bewertungsmethoden [...] hinsichtlich ihrer Praxistauglichkeit zu überprüfen.“ (FoPS, 2024).
Die Ergebnisse beider Forschungsprojekte werden viele wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der Zustandserfassung und -bewertung liefern, die als Grundlagen für die aktuell laufende Überarbeitung der Regelwerke dienen können. Es ist somit zu erwarten, dass die kommunalen Regelwerke zukünftig wesentlich stärker auf aktuellen wissenschaftlichen Grundlagen und dem Erfahrungswissen der Kommunen und der Experten basieren. Diese Entwicklung ist sehr zu begrüßen, auch wenn noch in vielen Bereichen des kommunalen Erhaltungsmanagements Forschungsbedarf besteht – z. B. bei den Modellen für die indikative Ermittlung von Maßnahmen („Mängelklassenmodell“) sowie der Prognose des Zustands. Es kann nur gehofft werden, dass auch in Zukunft Finanzierungsmöglichkeiten vorhanden sind, um das kommunale Erhaltungsmanagement weiterzuentwickeln. Die Vertreter der kommunalen Straßenbauverwaltungen, der Universitäten und privaten Unternehmen und Ingenieurbüros sind auf solche Forschungsergebnisse angewiesen, um diese zusammen mit ihrem Praxiswissen in fundierte Regelwerke für die Allgemeinheit münden lassen zu können.
5 Fazit
Die erfolgreiche Umsetzung eines zielgerichteten Erhaltungsmanagements erfordert ein hohes Maß an Fachkompetenz. Entscheidungsträger müssen in der Lage sein, den tatsächlichen Bedarf präzise zu identifizieren, Marktangebote kritisch zu bewerten und die gewonnenen Erkenntnisse effektiv zu nutzen. Die aktuellen Regelwerke beschreiben Grundsätze zum Aufbau eines Erhaltungsmanagements und geben wichtige Empfehlungen zur Zustandserfassung und -bewertung. Die Bandbreite an Möglichkeiten ist jedoch groß und speziell für Geh- und Radwege fehlen noch wichtige Erkenntnisse aus der Forschung. Dies stellt viele Kommunen vor personelle und fachliche Herausforderungen.
Die E EMI 2012 empfiehlt stets „eine begleitende Qualitätssicherung in allen Projektphasen” (Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, 2012). Bei der messtechnischen Zustandserfassung erfolgt der Eignungsnachweis durch Vorlage einer zeitbefristeten Betriebszulassung der Bundesanstalt für Straßenwesen sowie durch die in der ZTV ZEB-StB 2006 vorgesehene Trennung von Erfassung und Qualitätssicherung bzw. Auswertung. Diese Trennung hat sich auf Bundesfern- und Landesstraßen seit Jahrzehnten bewährt und sorgt dafür, dass die Daten die vereinbarte Qualität haben, reproduzierbar sind und auch nach Jahren noch vergleichbar sind – was wichtig ist, um Trends richtig einschätzen und die Wirksamkeit von Strategien beurteilen zu können.
Während also bei der messtechnischen Zustandserfassung nach ZTV ZEB-StB Merkmalen, Anforderungen, Messtechnik, Qualitätssicherung und die Bewertung eindeutig geregelt sind, fehlt dies bei den anderen Erfassungsmethoden, die im kommunalen Bereich im Allgemeinen und auf Geh- und Radwegen im Speziellen zum Einsatz kommen. Die Ergebnisse der laufenden Forschungsprojekte werden nach Umsetzung in die Regelwerke die Situation vermutlich vereinfachen, aber bis dahin wird es noch viele Diskussionen geben, die Zeit erfordern. Vermutlich wird auch ein Methodenmix weiterhin bestehen bleiben. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass sich die Straßenbaulastträger intensiv informieren, sich über ihren tatsächlichen Bedarf Gedanken machen und sich gegebenenfalls auch von spezialisierten, unabhängigen Experten beraten lassen. Den größten Kostenblock eines Erhaltungsmanagements verursacht meist die Zustandserfassung. Der Nutzen hingegen wird bei der Verwendung der Ergebnisse erzielt. Und damit der Nutzen erzielt werden kann, müssen Ziele, Anforderungen und Methoden aufeinander abgestimmt sein.
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