FGSV-Nr. FGSV 002/141
Ort Kassel
Datum 13.02.2025
Titel Vermeidung der Ersatzbaustoffverordnung durch die Vermeidung der Abfallentstehung mit Hilfe von Flüssigboden auf Tonmineralbasis
Autoren Dipl.-Ing. Olaf Stolzenburg
Kategorien Kommunal
Einleitung

Das RSS® Flüssigbodenverfahren stellt ein innovatives und nachhaltiges Verfahren im Tief- und Verkehrswegebau dar, dessen Vielseitigkeit bei der Anwendung primär auf der Nutzung von Tonmineralien basiert. Ziel des Verfahrens ist es, eine umweltfreundliche, bautechnische Alternative zu vielen konventionellen Lösungen anzubieten, Abfall – auch Bodenaushub – geplant vermeidbar zu machen und durch die Vermeidung der Abfallentstehung die Zuständigkeit der Ersatzbaustoffverordnung (EBV) für Flüssigbodenanwendungen zu vermeiden. Das Verfahren ermöglicht eine nahezu vollständige Wiederverwendung des Bodenaushubs aller Art vor Ort und reduziert die für das Bauen erforderlichen Energiemengen, die damit verbundenen CO2-Mengen und somit auch die Baukosten signifikant. Der vorliegende Beitrag gibt einen detaillierten Überblick über die technischen und stofflichen Grundlagen des RSS® Flüssigbodenverfahrens, die Vielfalt seiner Anwendungsbereiche und die Vorteile des Verfahrens sowie dessen rechtliche und normative Einordnung im deutschen und europäischen Umweltrecht.

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1 Einleitung

Die nachhaltige Nutzung von Ressourcen ist eine der zentralen Herausforderungen des modernen Bauwesens. Das RSS® Flüssigbodenverfahren, entwickelt seit 1998, bietet eine innovative Methode zur Herstellung zeitweise fließfähiger und selbstverdichtender Verfüllmaterialien, die ihren Charakter als Boden nicht verlieren und deren bodenmechanische, technologisch relevante und für den Gebrauch wichtige Eigenschaften schon in der Planungsphase gezielt planbar sind. Die Integration von Tonmineralien als primäre Stabilisatoren bei Nutzung definierter reaktionskinetischer Bedingungen schafft einen Baustoff mit der Möglichkeit des Erhalts der bodenähnlichen Eigenschaften. Dieser Baustoff wird speziell auf die Anforderungen im Tief- und Verkehrswegebau zugeschnitten und in vielen Eigenschaften infolge seiner Planbarkeit auf die Anforderungen der konkreten Baustelle in den erforderlichen Parametern gezielt eingestellt.

Durch den Einsatz dieses Verfahrens wird eine signifikante Reduktion von Bauabfällen, die Minimierung der für die Bauaufgabe erforderlichen Energie und damit verbundenen CO2-Mengen, und in deren Folge eine Minimierung von Baukosten, erreichbar. Gleichzeitig trägt es zu einer besseren Planbarkeit und Qualitätssicherung bei Infrastrukturprojekten bei, da es in einer geplanten Anwendung mit meist signifikanten Bauzeitverkürzungen zusätzlich auch mit enormen Qualitätsverbesserungen verbunden ist. Bei korrekter Ausführung des Verfahrens in seinen Anwendungen gehören beispielsweise Differenzsetzungen und Schäden an Straßen und darunter befindlichen Infrastruktursystemen der Vergangenheit an.

Für den Verkehrswegebau steht eine große Anzahl alternativer bautechnischer Lösungen mit technischen und wirtschaftlichen Vorteilen zur Verfügung, von denen sich die Masse längst auch bereits in der Praxis bewährt hat.

Bild 1: Wiederverwendbarkeit aller Böden von Torf bis zu kontaminierten Materialien

2 Umweltrechtliche Einordnung des RSS® Flüssigbodenverfahrens

Das RSS® Flüssigbodenverfahren ist eine Innovation, die nicht nur eine große technische, sondern auch eine gewaltige umweltrechtliche Bedeutung besitzt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Bauweisen, die oft mit der Entsorgung von Aushubmaterial und dem Einsatz von Austauschmaterialien und damit aktivem Ressourcenverbrauch verbunden sind, setzt das RSS® Flüssigbodenverfahren auf Wiederverwendung und Ressourcenschonung.

Die Wiederverwendung des örtlich anstehenden Bodens im Zusammenspiel mit innovativen Technologien und alternativen bautechnischen Lösungen, ergänzt durch längere ausfallfreie Nutzungsdauer von Straßen und Infrastruktur infolge entfallender Differenzsetzungen und anderer bekannter Schadensursachen, führt zu erheblichen Einsparungen an Energie und CO2-Mengen beim Bauen und in diesem Zusammenhang auch zu zusätzlichen wirtschaftlichen Vorteilen.

Der Nachweis dafür kann mit einem inzwischen zertifizierten Berechnungsverfahren und den dafür entwickelten Hilfsmitteln geführt werden, wie sie vom Forschungsinstitut für Flüssigboden entwickelt und von immer mehr Fachplanern für Flüssigboden inzwischen zum Vorteil der Bauherren genutzt werden. Die ermittelten Mengen an eingesparter Energie bzw. eingespartem CO2-Äquivalent sind damit belastbare Zahlen, die für die Generierung von Fördermitteln oder zinsgünstigen Finanzierungen genutzt werden können.

Das Forschungsinstitut für Flüssigboden arbeitet inzwischen auch an weiteren Wegen, um die auf den Baustellen eingesparten CO2-Mengen auch noch auf anderem Wege für den jeweiligen Bauherrn zu einem Vorteil zu machen. So sind selbst dauerhafte CO2-Speicherungen inzwischen bei der geplanten Anwendung von RSS Flüssigboden® möglich, bis hin zur thermischen Aktivierung von RSS Flüssigboden®, einer Möglichkeit ihn entweder wärmeableitend, wärmespeichernd oder wärmeisolierend einzustellen und in diesen Formen zu nutzen.

Bild 2: Energie- bzw. CO2-Einsparungen auf drei Ebenen bei kompetenter Anwendung des RSS® Flüssigbodenverfahrens

Gemäß der Abfallhierarchie nach § 6 KrWG ist die Vermeidung von Abfall die oberste Handlungsmaxime des bodenbezogenen Umweltrechts. RSS Flüssigboden® fällt jedoch bei korrekter Planung und bei Wiederverwendung des örtlich anfallenden Bodens inklusive nachgewiesenermaßen fehlender Gefährdung des Wirkungspfades Boden-Grundwasser nicht unter das Abfallrecht.

Dies liegt nicht daran, dass er aus dem Geltungsbereich der Ersatzbaustoffverordnung durch eine Ausnahme entfällt. Flüssigboden bleibt im Bundesbodenschutz, wenn eine kompetente Fachplanung der Flüssigbodenanwendung für eine geplante Wiederverwendung sorgt und den Schutz des Wirkungspfades Boden-Grundwasser in seine Planungsziele erfolgreich aufnimmt. Denn dann liegt kein Entledigungswille vor und der Aushub kann auch de jure nicht zu Abfall werden.

Dem Aushub werden im Durchschnitt etwa 5 % mineralische Fremdstoffe zugegeben. Flüssigboden erhält auch für Boden charakteristische Eigenschaften. Die Logistik kann so organisiert werden, dass der Aushub die Baustellengrenzen nicht verlässt und auch den Eigentümer nicht wechselt. Auch die Herstellung des Flüssigbodens erfolgt dann innerhalb der vorher geplanten Baustellengrenzen, die nicht zwingend auch die geometrischen Grenzen der Bautätigkeit darstellen müssen. Transportwege werden in signifikantem Umfang reduziert, Energieverbräuche und Emissionen gesenkt und letztendlich, in meist relevantem Umfang, Kosten gespart.

Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit der umweltrechtlich konformen und unbedenklichen Nutzung kontaminierter Böden. Denn infolge der beim RSS® Flüssigbodenverfahren wichtigen Aufgaben der Tonmineralogie können viele kontaminierte Böden über den Weg einer Immobilisierung ohne Gefahren für die Umwelt als Baumaterial wiederverwendet werden. Selbst stark organische Böden wie Torf bis hin zu geogen/anthropogen belasteten Böden können als Ausgangsmaterial für Flüssigboden genutzt werden.

Kontaminierte Böden können mittels geeigneter Rezepturen immobilisiert werden. Dadurch werden Schadstoffe durch mineralogische Prozesse und Bindungen dauerhaft gebunden und verlieren so ihr Gefahrenpotenzial für Boden und Grundwasser dauerhaft und nachhaltig. Dieses Vorgehen entspricht den Vorgaben des Bodenschutzrechts und ermöglicht selbst in Gebieten mit hohem Anteil an kontaminierten Böden ein sicheres und nachhaltiges Bauen.

Zusätzlich zeigt das Verfahren, wie modernes Bauen und Umweltauflagen vereinbar sind: Durch die Vermeidung von Sand- und Kiesabbau sowie die Reduktion der CO2-Belastung erfüllt Flüssigboden nicht nur gesetzliche Vorgaben, sondern setzt neue Maßstäbe für nachhaltiges Bauen.

Bild 3: Das RSS® Flüssigbodenverfahren im Einklang mit dem Umweltrecht

Das Verfahren hat einen stark disruptiven Charakter und damit in Verbindung stehend eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung. Denn es hilft, nicht nur Ressourcen und Energie zu sparen.

Das Verfahren und seine Anwendungsmöglichkeiten können auch gezielt als Hebel genutzt werden, um aktuelle Defizite bei Rückständen beim Erhalt der Infrastruktur wirkungsvoll zu beseitigen und gleichzeitig die Baukosten bei kompetenter Planung und Anwendung der mit dem Verfahren möglichen neuen Technologien und Anwendungen in einem teils sehr hohen Maße zu reduzieren.

Bild 4: Relevante Faktoren, die zu Bauzeitverkürzung und Kostenreduzierung beitragen

So kann mithilfe der Anwendungsmöglichkeiten, die das RSS® Flüssigbodenverfahren für den Verkehrswegebau und alle anderen Bereiche des Tiefbaus bietet, ein hoher wirtschaftlicher Nutzen generiert und Schwachstellen, wie beispielsweise dem Arbeitskräftemangel, durch neue Technologien mit geringerem Personalbedarf und dennoch höheren Leistungen erfolgreich begegnet werden.

Gleichzeitig können die baulichen Strukturprobleme unserer Volkswirtschaft im Bereich Infrastruktur mit Hilfe deutlich höherer Bauleistungen wesentlich schneller beseitigt werden. Denn die technologischen Alternativen bei der Anwendung von RSS® Flüssigbodenlösungen ermöglichen eine Reduzierung der erforderlichen Arbeitskräfte und Technik auf der Baustelle bei gleichzeitig relevanter Steigerung der Arbeitsproduktivität, also der Bauleistung.

3 Das RSS® Flüssigbodenverfahren – Spezifik und Besonderheiten

Bild 5: Die zwei Untergruppen der zeitweise fließfähigen, selbstverdichtenden Verfüllmaterialien (ZFSV)

Das RSS® Flüssigbodenverfahren basiert primär, trotz gleichzeitiger Verwendung von Zementen, allerdings ausschließlich mit einer reaktionsspezifischen Besonderheit, auf der Tonmineralogie und den dadurch geschaffenen Möglichkeiten zur gezielten Steuerung der Eigenschaften des RSS Flüssigbodens®, als Ergebnis der Verfahrensanwendung.

Dabei spielen reaktionskinetische Besonderheiten eine Rolle, die es ermöglichen, dass die Tonkomponente der Zementkomponente nicht vor deren weitgehend vollständiger Hydratation Wasser als Reaktionspartner entzieht und so für eine Hydratation in einem Milieu mit sehr hohem Wasserüberschuss sorgt, in dem keine geschlossenen Zementsteinstrukturen mehr entstehen und die Steuerung der Flüssigbodeneigenschaften in hohem Maße von der verwendeten Tonkomponente abhängt.

Der Rezepturentwickler, eine bedeutende Funktion und für die Richtigkeit der jeweiligen Rezeptur oder Rezepturmatrix (für wechselnde Böden) direkt haftend, hat die wichtige Aufgabe, die für die jeweilige Anwendung erforderlichen Komponenten so auszuwählen, dass die von der Fachplanung aufgabenbezogen vorzugebenden Zieleigenschaften sicher erreicht werden. Dies muss mittels Laborversuchen nachgewiesen werden. Dabei sind auch die ebenfalls nachzuweisenden Langzeiteigenschaften sehr wichtig, um so eine fehlende Eignung schon frühzeitig erkennen und ausschließen zu können.

So bietet das RSS® Flüssigbodenverfahren dem qualifizierten Planer und Bauingenieur viele Möglichkeiten, um im Verkehrswegebau interessante und hochwertige Alternativen für die Lösung bautechnischer Aufgabenstellungen wirtschaftlich vorteilhaft und verbunden mit hohen Einsparungen an Energie und Emissionen wirkungsvoll einsetzen zu können.

4 Technologische Grundlagen auf Basis der Verfahrensbesonderheiten

Das Verfahren ist aufgrund der Bereitstellung eines zeitweise fließfähigen Materials mit einer entsprechenden Auftriebswirkung beim Einbau des Flüssigbodens verbunden.

Zum einen gehen damit Risiken einher, da der Auftrieb zu Lageveränderungen einzubauender Bauteile führen kann, wenn diese nicht wirkungsvoll fixiert sind. Doch dieses scheinbare Problem ist mit den richtigen technischen Hilfsmitteln leicht beherrschbar. Denn dieses scheinbare Problem bietet viele Vorteile in qualitativer Hinsicht, ist aber auch die Grundlage für viele neue Technologien und alternative Lösungen.

In qualitativer Hinsicht können beispielsweise Spannungsspitzen in Bauteilen vermieden, die Bauteile zusätzlich geschützt und die ausfallfreie Lebensdauer, z. B. von Straßen, deutlich gesteigert werden.

Infolge der vielen neuen Technologien kann die Bauleistung durch weniger Personal dennoch enorm gesteigert werden. Leistungssteigerungen auf das Doppelte und mehr im Vergleich mit herkömmlichen Bauweisen – und das mit weniger Personal – sind bei kompetenter Planung und Ausführung eine normale Größe. Ein solches Beispiel stellt die für das Verfahren entwickelte „getaktete Bauweise“ dar. Viele weitere derartige Lösungen sind nutzbar.

Bild 6: Getaktete Bauweise im Rohrleitungsbau, der herkömmlich in Pipelinebauweise erfolgt

In bautechnischer und wirtschaftlicher Sicht können mithilfe der Möglichkeiten des Verfahrens, speziell der vielen neuen technologischen und bautechnischen Alternativen zu altbekannten Lösungen, viele Kosten eingespart, aber auch Bauzeiten verkürzt, anwohner- und umweltfreundlicher gebaut und dabei viel Energie und CO2 gespart werden. Wenn beispielsweise im Wasser ohne Wasserhaltung und damit verbundene Pumpenleistung gearbeitet werden kann oder mittels RSS Flüssigboden® überschneidende und bewehrte Bohrpfahlwände oder rückverankerte Spundwände substituiert werden können, dann ist in Zahlen der Nutzen eines solchen Verfahrens nachvollziehbar.

Wie sind solche Dinge aber möglich? Wir wissen inzwischen, dass das Verfahren primär auf der Nutzung von Tonmineralien basiert, die temporär fließfähige Eigenschaften erzeugen und nach der Einbringung des Flüssigbodens an die vorgesehene Stelle durch Ausbildung von Kohäsion primär die Rückverfestigung des Flüssigbodens auslösen.

Die dabei verwendeten Tonmineralien übernehmen neben der temporären Aufgabe der zeitweisen Plastifizierung auch die dauerhaft stabile Anlagerung eines Großteils des Zugabewassers, das so in der Flüssigbodenmatrix in angelagerter Form verbleibt. Diesen mineralogischen Prozess der Wasseranlagerung nennt man etwas populärwissenschaftlich auch kristalline Wasseranlagerung. Mithilfe dieser Besonderheiten ist eine hohe Flexibilität und Vielseitigkeit im Bauprozess nutzbar.

So kann im Vergleich zu zementbasierten Materialien die Entstehung starrer, zwängender Fremdstrukturen unter den Straßen sicher vermieden werden. Darauf basiert die nun mögliche sichere Vermeidung von Straßenschäden in den bekannten Formen, wie z. B. Differenzsetzungen, Risse bis Ringspalte und Schäden an den unter den Straßen befindlichen Ver- und Entsorgungsnetzen.

Bild 7: Vermeidung von Fremdkörpern unter Straßen und damit Setzungsdifferenzen

5 Anwendungsbereiche und ihre Absicherung durch F&E-Arbeiten

RSS Flüssigboden® bietet vielseitige Anwendungsmöglichkeiten im Verkehrswegebau, basierend auf einer langjährigen, seit 1998 nicht unterbrochenen F&E-Tätigkeit mit vielen Partnern aus dem In- und Ausland, darunter Universitäten und Hochschulen, aber auch starke Partner aus der Praxis.

Neben dem reinen Autobahnbau hat auch der Bahnbau das RSS® Flüssigbodenverfahren längst für sich entdeckt. Seit über 20 Jahren werden für die Deutsche Bahn Projekte mit Genehmigungen im Einzelfall ausgeführt. 2012 hat das Eisenbahnbundesamt (EBA) die Bedingungen für den Einsatz von RSS Flüssigboden® allgemein gefasst und so eine breitere Anwendung ermöglicht. Dem gingen ebenfalls F&E-Projekte voraus. Weitere folgten, speziell auch, um den Einsatz von RSS Flüssigboden® unter dauerhaften, dynamischen Lasteinwirkungen zu untersuchen und für die DB sicher anwendbar zu machen.

Bild 8: Großversuche für das Ministère des Travaux publics – l‘Administration des ponts et chausées, Luxemburg

Bild 9: Untersuchung der Langzeitauswirkungen dynamischer Lasten auf RSS Flüssigboden®

Schwerpunkte flüssigbodenbasierter Anwendungen im Verkehrswegebau

Von den über 200 inzwischen verfügbaren alternativen bautechnischen Lösungen, die das RSS® Flüssigbodenverfahren inzwischen über den Verfahrensentwickler, das Forschungsinstitut für Flüssigboden (FiFB) verfügbar macht, sind etwa 70 bis 90 Anwendungen im Bereich des Verkehrswegebaus nutzbringend einsetzbar.

Die derzeitigen Anwendungsschwerpunkte für Lösungen aus dem „Werkzeugkoffer“ des RSS® Flüssigbodenverfahrens sind die nachfolgend aufgezählten (s. Präsentation):

  1. Hangsicherungen im Autobahnbau
  2. lastverteilende Schichten bis Platten im Autobahnbau
  3. Bauen auf huminen Untergründen im Straßen- und Autobahnbau
  4. Verhinderung von Setzungsdifferenzen bei Autobahnquerungen
  5. Schutz sensibler querender Leitungen vor dynamischen Lasten im Autobahnbau
  6. Flach- und Tiefgründungen im Straßen- und Autobahnbau
  7. Schutz alter Bausubstand vor verkehrsbedingten Schwingungen
  8. Straßenbau auf schlecht tragfähigen und kontaminierten Untergründen
  9. Straßenbau auf Torf
  10. Innovative Lösungen bei Brückenwiderlagern
  11. lastverteilende und schwingungsdämpfende Platten im Druckbereich der DB
  12. Straßenbau und Kombination mit Straßenbahnen und deren dynamischen Wirkungen
  13. Immobilisierung kontaminierter Böden zur Vermeidung ihrer Entsorgung
  14. Straßenbau auf Dämmen und Deichen in Kombination mit Hochwasserschutz
  15. Flüssigboden als Basis für den Schutz vor Überschwemmungen
  16. Schutz des Untergrundes von Uferstraßen und Schutz gegen Unterspülungen
  17. Hangstabilisierungen und Begrünungen beim Straßenbau im Gebirge
  18. Schutz des Straßenunterbaus gegen die Wirkung von Baumwurzeln bis Knöterich
  19. Schaffung von Möglichkeiten der Wasserretention im Straßenbereich (Schwammstadt)
  20. Anwendungen im Tunnelbau

Das erforderliche Fachwissen für eine korrekte Planung und Ausführung derartiger Anwendungsmöglichkeiten von nach dem RSS® Flüssigbodenverfahren hergestelltem Flüssigboden wird inzwischen durch immer mehr Bauherren in einer nachzuweisenden Qualifikation primär von den Planern gefordert. Denn die Ursachen möglicher Fehler und Probleme am Bau liegen oft bereits in der Planungsphase.

Inzwischen geht das erste deutschsprachige Regelwerk, die Schweizer REGnorm Guide Flüssigboden, wie auch die Werksnorm des Verfahrensentwicklers, die eine Art Musternorm darstellt, auf derartige Bedürfnisse ein und definiert die Anforderungen an das erforderliche Grundlagenwissen und das für die einzelnen Anwendungen erforderliche Fachwissen.

6 Normative Einordnung unter Bezug auf das Umweltrecht

Das RSS® Flüssigbodenverfahren als eine der zwei Untergruppen der sogenannten zeitweise fließfähigen Verfüllbaustoffe gibt den Nutzern auch umweltrechtlich einen starken Hebel an die Hand. Denn es ermöglicht die Wiederverwendung quasi aller Bodenarten, selbst zahlreicher kontaminierter Böden, ohne dass aus diesen Massen vor ihrer Verwendung als Flüssigboden de jure Abfall entsteht. Dies ist die Basis dafür, dass für die Flüssigbodenbauweise das Bodenschutzrecht bei korrekter Planung genutzt werden kann und keine unnötigen Kosten durch die Zuständigkeit des Abfallrechts anfallen. Die Vermeidung der Entstehung von Abfall aber ist gleichzeitig die Grundlage dafür, dass auch die Ersatzbaustoffverordnung für den Bau mit Flüssigboden ausgeschlossen werden kann. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen liegen in den Händen gut ausgebildeter Planer, die damit den Willen des Gesetzgebers erfüllen und die vom europäischen und nationalen Umweltrecht geforderte Abfallvermeidung umsetzen.

Bild 10: Unterschiede zwischen Flüssigboden und hydraulisch abbindenden Materialien

So erfüllt das RSS® Flüssigbodenverfahren die Anforderungen des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG) sowie des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG). Insbesondere durch die Vermeidung von Bauabfällen trägt es zur Einhaltung der wichtigsten umweltrechtlichen Vorgabe in Bezug auf Boden bei: der Vermeidung von Abfall.

Planbare Vermeidung der Zuständigkeit der Ersatzbaustoffverordnung (EBV)

Die Ersatzbaustoffverordnung (EBV) regelt die Wiederverwendung von Abfällen, die aus den Stoffströmen im Bauwesen stammen, also auch von Bodenaushub. Dieser wird durch den Entledigungswillen des Besitzers de jure zu Abfall. Durch die geplante Wiederverwendung des Bodenaushubs – und damit die Vermeidung einer Entledigung – im Zusammenwirken mit dem Nachweis des Schutzes des Wirkungspfades Boden-Grundwasser, wird die Anwendung der EBV vermieden. Das führt zu einer erheblichen Kosten- und Zeitersparnis. Viele Behinderungen der Bauabläufe und der logistischen bis administrativen Aufwendungen entfallen.

Mit der Wiederverwendung des Aushubs über den Weg der Vermeidung von Abfall wird die wichtigste Forderung des Gesetzgebers in Bezug auf die entsprechenden Stoffströme bedient: die Vermeidung der Entstehung von Abfall! Denn in der Abfallhierarchie besitzt die Vermeidung von Abfall höchste Priorität.

Diese Forderung wird auf europäischer Ebene durch die Europäische Abfallrahmenrichtlinie und auf nationaler, deutscher Ebene durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz reguliert. Auf beiden Ebenen gibt es bereits eine sehr aussagekräftige Rechtsprechung, die sich mit der Forderung des Gesetzgebers nach der Priorität der Abfallvermeidung befasst und klare Aussagen trifft.

Bild 11: Abfallvermeidung als oberste Forderung des Gesetzgebers auf europäischer Ebene

Bild 12: Abfallvermeidung als oberste Forderung des Gesetzgebers auf nationaler Ebene

Das EuGH-Urteil C-238-21 beschäftigt sich mit diesem Thema und trifft klare Aussagen zur Abfalleigenschaft bei Wiederverwendung von Böden für geplante Aufgaben, dem Nebenproduktstatus und den Kriterien für das Ende einer Abfalleigenschaft.

Bild 13: Abfallvermeidung und Förderung der Kreislaufwirtschaft, ein ebenfalls nationales Ziel

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof greift diese Problematik in Deutschland auf und fällt ebenfalls ein richtungsweisendes Urteil, das die Pflicht zur Abfallvermeidung speziell für Behörden hervorhebt. Dies ist besonders interessant, da die gängige Praxis meist darin besteht, dass Bodenmassen viel zu oft und auch häufig ohne nach der Möglichkeit einer Abfallvermeidung zu suchen, von Behörden zu Abfall erklärt werden. Doch die Aufgabe der Behörden besteht ebenfalls, sowie für Bauherren, Planer und Baufirmen, primär in der Vermeidung von Abfall. Sie besteht gerade nicht in der Deklaration von Boden zu Abfall, der im Sinne der Kreislaufwirtschaft geplantermaßen einer Wiederverwendung zugeführt werden soll und auch keine Gefährdung für Boden und Grundwasser darstellt. Die gerichtliche Entscheidung zeigt das dahinterstehende teleologische Prinzip, das ein Rechtsverständnis und damit das Fällen rechtsbasierter Entscheidungen im Sinne der Ziele eines Gesetzes und so im Sinne der vom Gesetzgeber mit dem Gesetz beabsichtigten Ziele fordert. Das aber ist primär die Vermeidung von Abfall und damit von Prozessen, die unnötig zur Entstehung von Abfall, wie auch zu Energieverbräuchen und zu vermeidbaren, also unnötigen und dem Klima abträglichen CO2-Mengen führen.

Aus dieser richterlichen Entscheidung erwachsen auch für die Planer klare Aufgaben, die dem Ziel der Abfallvermeidung dienen. So haben die Planer als Teil des Planungsprozesses die Entstehung von Abfall durch eine geplante Wiederverwendung des Bodenaushubs in Verbindung mit einem für Boden und Grundwasser schadlosen Umgang bis zum Wiedereinbau, nach Möglichkeit zu vermeiden. Die Planer haben bei der Abfallvermeidung die Aufgabe:

– die Wiederverwendung des Bodenaushubs im Rahmen ihrer planerischen Aufgaben gezielt zu planen,

– einen für Boden und Grundwasser sicheren Umgang mit dem Bodenaushub sicherzustellen, was beispielsweise auch eine entsprechende Zwischenlagerung und/oder Transportprozesse beinhaltet,

– mit der Planung einer Wiederverwendung des Bodenaushubs die de jure relevante Entledigung des Bodenaushubs durch den Besitzer zu vermeiden.

Bild 14: Wichtige umweltrelevante Aufgaben der Planung mit dem Ziel der Abfallvermeidung

Interessant und wichtig dabei ist die Tatsache, dass nachhaltiges Bauen unter Vermeidung der Abfallentstehung durch sinnvoll geplante Prozesse mit keinen Mehrkosten verbunden ist, sondern bei der Verwendung alternativer bautechnischer und auf Flüssigboden basierender Lösungen wirtschaftliche Vorteile in oft erheblichem Umfang ermöglicht. Doch ist die Voraussetzung eine kompetente Planung und eine ebenfalls korrekte und kompetente bauliche Umsetzung dieser Planung.

7 Verfahrensvorteile – Zusammenfassung und Ausblick

Eine detaillierte Kosten-Nutzen-Analyse zeigt, dass das Verfahren im Vergleich zu traditionellen Methoden erheblich günstiger ist, insbesondere bei größeren Projekten, bei denen die umfangreicheren Vorbereitungen und Planungen einen prozentual geringeren Anteil an den Gesamtkosten einnehmen als bei kleineren Projekten. Mit steigender Verbreitung des verfahrensspezifischen Fachwissens und der mit dem Verfahren verbundenen Verbreitung der Technik und Infrastruktur (Flüssigbodenhersteller nehmen laufend zu) reduziert sich dieser Unterschied. Somit können kleinere Projekte mit den gleichen wirtschaftlichen Vorteilen wie größere ausgeführt werden.

Bild 15: Kostenersparnisse als Folge der Anwendung von Flüssigbodentechnologien

Die wichtigsten Vorteile einer kompetent geplanten Anwendung des RSS® Flüssigbodenverfahrens sind in den folgenden Punkten in Kurzform zusammengefasst:

  1. deutliche Verbesserung der Wirtschaftlichkeit durch zahlreiche neue technologische und bautechnische Lösungen, die zu einer neuen, vorteilhafteren Kostenstruktur führen,
  2. hoher ökologischer Nutzen, speziell beim Klimaschutz, durch große Einsparung von Energie- und CO2-Mengen dank innovativer Technologien und Anwendungen sowie neuer Bauqualität,
  3. volkswirtschaftlicher Nutzen dank der sehr hohen Steigerung der Arbeitsproduktivität mit weniger Arbeitskräften im Ergebnis der Nutzung neuer Technologien – Hilfe beim Aufholen von Strukturdefiziten der Infrastruktur,
  4. volkswirtschaftlicher Nutzen aufgrund der Einsparung einer technologiebedingt hohen Zahl von Arbeitskräften bei gleichzeitiger Leistungssteigerung – Hilfe bei der Lösung des Arbeitskräfteproblems,
  5. volkswirtschaftlicher Nutzen als Ergebnis der deutlichen Verbesserung der Bauqualität durch Wegfall der mit den herkömmlichen Bauweisen verbundenen klassischen Ursachen für Schäden an Straßen und unterirdischen Netzen – Erhöhung der ausfallfreien Lebensdauer und deutliche Reduzierung der Betriebskosten,
  6. internationaler Nutzen – durch die weitere Verbreitung der Möglichkeiten des Verfahrens kann auch über die deutschen Grenzen hinaus viel für die Reduzierung der Energieverbräuche und CO2-Entstehung, also für den praktischen Klimaschutz, getan werden,
  7. Deutschland als Technologieexporteur – das Verfahren bietet ebenfalls die Möglichkeit, dass Deutschland wieder in einem vor allem auch ökologisch relevanten Bereich einen Exportschlager besitzt und Weltmarktführer werden kann.

Das RSS® Flüssigbodenverfahren ist ein wegweisender Ansatz für den nachhaltigen Tief- und Verkehrswegebau. Es bietet sowohl ökologische als auch wirtschaftliche Vorteile und trägt zu einer deutlichen Verbesserung der Bauqualität sowie Lebensdauer der Infrastruktur bei.

Seine Verbreitung ist vor allem an das erforderliche Fachwissen gebunden, das derzeit vom Verfahrensentwickler, dem Forschungsinstitut für Flüssigboden (FiFB), in Zusammenarbeit mit der Flüssigboden-Akademie und ersten Universitäten und Hochschulen für die hier vorgestellten und vom FiFB entwickelten Anwendungen angeboten wird.

Bild 16: Beispiel eines Weiterbildungsangebotes des Verfahrensentwicklers

Eine Aufnahme dieser Wissensinhalte in die Ausbildung der zukünftigen Bauingenieure und Planer durch weitere Universitäten und Hochschulen wird diese Entwicklung beschleunigen. Diese Zusammenarbeit mit Universitäten und Hochschulen ist es auch, die große Vorteile für die weitere Entwicklung des Verfahrens mit sich bringt. Denn die Innovationspotenziale des RSS® Flüssigbodenverfahrens sind längst noch nicht ausgeschöpft.

Die Integration von digitalen Arbeitsweisen, KI-basierter Umsetzung neuer Technologien, neuen Wegen in der Erkundung der hydrogeologischen Untergrundsituation, neuen technischen Lösungen bei der Herstellung des Flüssigbodens und vielem mehr erhöht die Wirtschaftlichkeit und verbessert die Qualität der Bauweise. Zudem werden neue Wege der Qualitätssicherung bis hin zur Prozessoptimierung sowie in der Vermittlung des erforderlichen Fachwissens geebnet. Mit anderen Worten: Der Tief- und Verkehrswegebau wird immer spannender!

Literaturverzeichnis