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1 Historie
Im Jahr 2004 beschloss der Stadtrat der Stadt Worms, das in die Jahre gekommene denkmal- geschützte Spiel- und Festhaus der Stadt Worms in der Rathenaustraße zu sanieren und ein direkt anschließendes Kultur- und Tagungszentrum zu errichten.
Das am 20. November 1889 eröffnete Wormser Volkstheater und Festhaus mit 1.200 Sitzplätzen wurde zunächst hauptsächlich für Maskenbälle, Karnevalsveranstaltungen, Tagungen und Kongresse genutzt. Am 14. Dezember 1932 fiel das Haus einer Brandstiftung zum Opfer.
Nach der Wiedereröffnung 1934 fanden 1937 zum ersten Mal die Nibelungenfestspiele im Hause statt. Nach einer erneuten Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde das Festhaus 1966 zum dritten Mal eröffnet. Der schlichte und zurückhaltende Theaterbau der deutschen Nachkriegsmoderne steht heute als sogenanntes „herausragendes Beispiel zeitgenössischer Architektur“ unter Denkmalschutz, so auch die Blutbuche, die anlässlich der Wiedereröffnung gepflanzt wurde.
Kurz nach der Eröffnung wurden bereits die ersten Diskussionen um einen Erweiterungsbau mit großem Festsaal geführt. Im Mai 2004 beschloss der Stadtrat der Stadt Worms den Bau eines Kultur- und Tagungszentrums in Kombination mit der Sanierung des Spiel- und Festhauses. Grundsteinlegung dafür war im Oktober 2008 und damit fast auf den Tag genau 45 Jahre nach dem Beginn des letzten Umbaus.
Bild 1: Städtisches Spiel- und Festhaus, August 1939 (www.das-wormser.de)
2 Planung
Das neue Gebäude für das Kultur- und Tagungszentrum wurde spiegelgleich zum bestehenden Theater geplant und ist geprägt von kreisförmigen Grundschnitten, welche sich um eine zu erhaltende und denkmalgeschützte Blutbuche schmiegen. Das neue Ensemble sollte entsprechend den Vorstellungen der Architekten eingerahmt werden durch eine homogene und optisch größtmögliche Fläche, die sich über den Vorplatz des Gebäudes und die angrenzende Rathenaustraße erstreckt.
Vor dem Eingangsbereich des Neubaus spiegeln zwei bepflanzte Rondelle, mit der imposanten Blutbuche als Augenmerk, die Fassadenlinie wider. Die Rondelle fungieren als Sitzgelegenheit und laden die Besucher zum Verweilen ein.
Um einen niveaugleichen Übergang vom neugestalteten Freigelände des Kultur- und Tagungszentrums und des Spiel- und Festhauses zur angrenzenden Rathenaustraße zu realisieren, wurde die Straßenlage in Bezug auf ihre Achse, ihre Gradiente und ihre Querneigung an die Erfordernisse der Platzfläche angepasst.
Für eine architektonisch ansprechende Wirkung wurde eine Oberflächenbefestigung aus Basaltstein ausgesucht. Diese sollte im Römischen Verband (20 x 20 cm bis 40 x 60 cm) mit Steindicken von 12 und 14 cm ausgeführt werden. Die Vorteile dieser Gestaltung sind:
– Erzielung einer großzügigen Gesamtwirkung durch die gewählten Plattenformate,
– Vermeidung durchgehender Fugen, die länger als 100 cm sind,
– höhere Stabilität des Belags bei dynamischer Belastung (Fahrzeugverkehr) durch ungerichtete Verzahnung,
– einfache Angleichung der teilweise stark unterschiedlichen Gefälle durch die gewählten Plattenformate,
– ungerichtetes Erscheinungsbild durch die Wirkung des Römischen Verbandes, da die Gebäude fast keine lotrechten Kanten aufweisen und die Straße in einem leichten Bogen verläuft.
Der Eröffnungstermin wurde bereits zu Beginn der Planungsphase auf den 29. Januar 2011 festgelegt.
Bild 2: Lageplan Neuplanung, Stadt Worms (Stadtverwaltung Worms, 6.6 Verkehrsinfrastruktur und Mobilität)
3 Materiallieferung
Die Lieferung des Basaltmaterials wurde aufgrund der Lieferzeiten unabhängig vom Straßenbau vorweg europaweit nach VOL im Jahr 2009 in Zusammenarbeit mit diversen Gutachtern ausgeschrieben. Der Umfang der Ausschreibung erstreckte sich auf
– 1.200 m² Pflastersteine und Platten aus Basalt, d = 14 cm,
– 2.200 m² Pflastersteine und Platten aus Basalt, d = 8 cm,
– 132 m Blockstufen,
– 1.050 m² Platten aus Basalt, d = 4 cm.
Teil der Ausschreibung war das Vorlegen von Mustersteinen, welche die ausgeschriebene Oberflächengüte aufwiesen. Fotos aus dem produzierenden Werk in Vietnam, welche im Laufe der Produktion an die Stadt Worms geliefert wurden, ließen bei der Projektleitung aber Zweifel aufkommen, ob die zu liefernden Steine und Platten denen der Musterfläche entsprachen.
Insbesondere wurden in Bezug auf Maßhaltigkeit und Oberflächengestaltung eklatante Unterschiede festgestellt. Die Projektleitung war sich bereits zu diesem Zeitpunkt sicher, dass Steine und Platten in der Qualität, wie sie auf den aus Vietnam stammenden Fotos dargestellt sind, nicht eingebaut werden, da sie das Erscheinungsbild der Gesamtmaßnahme erheblich negativ beeinflussen würden. Aufgrund der langen Lieferzeiten in Folge des Transportweges per Schiff musste Klärung geschaffen werden, inwieweit die Produktion in Vietnam den Ausschreibungsbedingungen entsprach. Eine Lieferung mit minderwertigem Material hätte den Baufortschritt um mehrere Monate verzögert.
Bild 3: Vergleich zwischen Mustermaterial und Material im Werk in Vietnam (Stadtverwaltung Worms, 6.6 Verkehrsinfrastruktur und Mobilität)
Aufklärung brachte in diesem Fall eine Dienstreise nach Vietnam in das Herstellerwerk in Ho-Chi-Minh-Stadt. Dort wurden durch die Projektleitung und die mitgereisten Gutachter die mangelnde Qualität des Materials in großen Teilen bestätigt. Eine Lieferung der Steine und Platten aus diesem Werk wurde von den verantwortlichen Personen ausgeschlossen.
Einerseits wiesen die vorgelegten Steine, Platten und Blockstufen erhebliche Unregelmäßigkeiten in der Maßhaltigkeit, insbesondere in der Winkligkeit, auf, welche zu einem übermäßig ungleichmäßigen Fugenbild im Ausbauzustand geführt hätten.
Darüber hinaus unterschieden sich die Oberflächen des Materials erheblich. Es gab sowohl Platten mit gleichmäßiger, ruhiger Oberfläche als auch Platten mit fleckigem Aussehen und Farbunterschieden.
Diese Oberflächenbeschaffenheit ergab sich aus der Tatsache, dass die Werksteine nicht aus Basaltsäulen, sondern Basaltkugeln hergestellt wurden.
Basaltstein entsteht durch das Abkühlen von Lavaströmen. Dabei ergeben sich aus dem Hauptstrom, der eine Mächtigkeit zwischen 1,5 und 3 m hat, durch langsame Abkühlung und Rissbildung sechseckige unregelmäßige Basaltsäulen. Durch weitere Eruptionen und Ausstöße von Lava, verbunden mit Asche, ergeben sich Basaltkugeln welche u. a. durch eine wesentlich schnellere Abkühlung eine andere chemische Zusammensetzung als die Säulen aufweisen. Diese Kugeln haben einen Durchmesser von ca. 1,5 m und liegen oberhalb der Säulen. Das Flammbild der aus den Säulen gesägten Platten ist wesentlich gleichmäßiger und ebener als das der aus den Kugeln hergestellten.
Durch die Projektleitung wurde festgelegt, dass nur solche Platten/Steine akzeptiert werden, welche aus Säulen hergestellt wurden. Die Kugeln wurden als Ausgangsmaterial nicht akzeptiert.
Der vietnamesische Werksbesitzer teilte jedoch mit, dass eine Aussortierung nicht möglich wäre und es außerdem Lieferschwierigkeiten wegen der Schließung eines Steinbruchs durch einen vietnamesischen Provinzgouverneur gäbe. Eine Lieferung des Materials aus dem Werk in Ho-Chi-Minh-Stadt war nunmehr ausgeschlossen.
Im Rahmen weiterer Recherchen durch den Auftragnehmer konnte ein anderer Steinlieferant in Vietnam gefunden werden. Eine Begutachtung des Materials durch die Projektleitung in Qui Nhon in der Provinz An Khe im Steinbruch eines deutschen Eigentümers konnte im Rahmen der Dienstreise stattfinden. Es wurde festgestellt, dass dort die ausgeschriebenen Platten und Steine in der entsprechenden Qualität hergestellt und fristgerecht nach Worms geliefert werden können.
4 Straßenbauarbeiten
Die Planung sah vor, den Natursteinbelag aus Basalt in gebundener Bauweise im Römischen Verband auf hydraulisch bindendem Werkmörtel und wasserdurchlässiger Asphalttragschicht zu verlegen. Dies hat den Vorteil, dass ein Nachverfugen nicht erforderlich ist und eine permanente Fugenunterhaltung zukünftig entfällt. Dadurch werden die Unterhaltungskosten gesenkt. Die aufwändige und teurere Herstellung der Flächen, damit verbundene lange Abbinde- und Erhärtungszeiten wirken sich allerdings negativ aus. Des Weiteren mussten Lösungen für die Bewegungsfugen zwischen Tiefgaragenbauwerk und Platzfläche gefunden werden.
Bild 4: Detail zur Ausführung in gebundener Pflasterbauweise (Stadtverwaltung Worms, 6.6 Verkehrsinfrastruktur und Mobilität)
Die Ausschreibung der Bauleitung inklusive der Verlegearbeiten von Pflaster und Platten erfolgte ebenfalls europaweit.
In Bezug auf die Verlegeart in gebundener Pflasterbauweise wurde inhaltlich besonderer Wert auf die Eigenschaften der zu verwendenden Mörtel und die Art und Weise der Ausführung gelegt. Der Deckenaufbau der Pflasterflächen in gebundener Bauweise war im Jahr 2010 nicht in Richtlinien erfasst. Es galt das Arbeitspapier „Flächenbefestigungen mit Pflasterdecken und Plattenbelägen in gebundener Ausführung“, Ausgabe 2007. Dieses fand allumfänglich Eingang in die Ausschreibung der Bauleistung.
Demnach wurden folgende Parameter für das Bettungsmaterial festgelegt.
Einzuhaltende Werte im Labor:
– Druckfestigkeit 28 Tage > 35 N/mm², kein Einzelwert unter 30 N/mm²
– Haftzugfestigkeit 28 Tage im Mittel 1,5 N/mm², kein Einzelwert unter 1,2 N/mm²
– Wasserdurchlässigkeit > 1 x 10-6
– Biegezugfestigkeit 28 Tage ≥ 4 N/mm²
– Statischer E-Modul ≤ 18.500 N/mm².
Einzuhaltende Werte auf der Baustelle:
– Druckfestigkeit 28 Tage > 25 N/mm², kein Einzelwert unter 20 N/mm²
– Haftzugfestigkeit mit Haftmittel 28 Tage im Mittel 0,8 N/mm², kein Einzelwert unter 0,5 N/mm²
– Haftzugfestigkeit ohne Haftmittel 28 Tage im Mittel 0,6 N/mm², kein Einzelwert unter 0,4 N/mm²
– Wasserdurchlässigkeit > 1 x 10-6.
Folgende Parameter wurden für das Fugenmaterial festgelegt:
Einzuhaltende Werte im Labor:
– Druckfestigkeit 28 Tage > 45 N/mm², kein Einzelwert unter 40 N/mm²
– Haftzugfestigkeit 28 Tage im Mittel 1,5 N/mm², kein Einzelwert unter 1,2 N/mm²
– Widerstand gegen Frost-Tausalz-Wechsel: Messung der Ultraschalllaufzeit, zulässiger Abfall des Ausgangswertes 10 %, Abwitterung maximal 500 g/m²
– Biegezugfestigkeit 28 Tage ≥ 6 N/mm²
– Statischer E-Modul ≤ 25.000 N/mm².
Zusätzlich zu den technischen Parametern wurden weitere Ausführungsbedingungen und -anforderungen statuiert, die bereits in der Ausschreibung verankert und Vertragsbestandteil wurden. Dazu gehörten u. a.:
– Pflastersteine/Platten mit Maßen außerhalb der zulässigen Toleranz oder mit Beschädigungen sind auszusortieren.
– Es sind Pflastersteine/Platten aus verschiedenen Kisten/Paletten gleichzeitig zu verwenden.
– Pflastersteine/Platten sind hammerfest zu versetzen, Rütteln des Belags ist nicht zulässig.
– Die Fugenrichtung, die Ebenheit und das Gefälle sind ständig zu kontrollieren.
– Das Betreten der fertigen Fläche ist auf ein Mindestmaß zu beschränken.
– Auf allen Belagselementen ist auf der Unterseite eine frost-tauwechsel-widerstandsfähige Haftschicht aus Bettungs- und Fugenmörtel aufzubringen.
– Die Fugenbreiten für Pflaster betragen 8 bis 12 mm, für Kleinpflaster 6 bis 10 mm.
Für die Verarbeitung von Bettungs- und Fugenmörtel wurde eine Einweisung des Personals durch den Hersteller gefordert. Die Unterweisung fand hinsichtlich des Mischvorgangs, der Wasserzugabe, der zu erreichenden Konsistenz und der Verarbeitung statt. Die Verarbeitung beider Mörtelarten musste Zug um Zug erfolgen, eine Zwischenlagerung angerührter Mörtel war nicht zulässig. Die Fugenfüllung musste zeitnah zur Verlegung, spätestens aber zwei Tage nach dieser erfolgen. Dabei war zu beachten, dass freie Fugen zu verschließen waren, um ein Auslaufen des Mörtels zu vermeiden. Ein nachträgliches Überschlämmen von abgebundenen teilverfüllten Fugen war nicht zulässig, die Nachbehandlung jedoch obligatorisch.
Während der Verlegearbeiten wurde durch die Projektleitung der Stadt Worms akribisch auf die Einhaltung der Vorgaben der Ausschreibung geachtet. Das auf der Baustelle tätige Personal wurde entsprechend eingewiesen, fertig angemischter Mörtel wurde direkt verarbeitet, und die technischen Anforderungen an das Material wurden mehrfach geprüft. Es wurde darauf geachtet, dass nur unbeschädigte Pflastersteine und Platten jeweils aus verschiedenen Chargen verbaut wurden und fertige Flächen nur im Ausnahmefall betreten werden durften. Durch eine stetige Eigenkontrolle durch die Baufirma und die externe Überwachung der Arbeiten durch die Projektleitung entstand eine homogene Platz- und Straßenfläche, die bis heute, 14 Jahre später, setzungs- und rissfrei nutzbar ist.
Bild 5: Pflasterverlegung in gebundener Bauweise (Stadtverwaltung Worms, 6.6 Verkehrsinfrastruktur und Mobilität)
5 Ausblick
Im Sommer 2024 wurde erstmalig ein Ausbrechen der Fugenfüllung beobachtet. Laboruntersuchungen, welche an Bohrkernen durchgeführt wurden, ergaben eine teilweise unzureichende Haftzugfestigkeit zwischen Fugenmörtel und Plattenbelag. Die entsprechenden Stellen auf der Pflasterfläche werden im Frühjahr 2025 saniert. Dafür soll das lose Fugenmaterial ausreichend tief entfernt werden und die entsprechenden Fugen mit geeignetem Material – im Idealfall mit dem Ursprungsmaterial – wieder verfüllt werden.
6 Fazit
Eine gebundene Pflasterdecke kann durchaus zum Segen werden und sich als dauerhafte und unterhaltungsarme Oberflächenbefestigung auf Verkehrsflächen erweisen. Voraussetzung dafür sind eine intensive Vorbereitung und Auseinandersetzung mit der Materie sowie eine gute Beratung und fachliche Betreuung. Insbesondere die strenge Einhaltung der vorgegebenen Parameter sowie eine gewissenhafte Umsetzung durch gut ausgebildete Fachkräfte können zu sehr guten Ergebnissen führen. Eine ausführende Firma mit einem eigenen hohen Maß an Qualität ist ebenso essenziell wie der Mut, Neues auszuprobieren.
Literaturverzeichnis
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