FGSV-Nr. FGSV 002/103
Ort Erfurt
Datum 15.04.2013
Titel Adaptive Steuerung im Straßennetz – Besserer Verkehrsfluss und weniger Emissionen?
Autoren Univ.-Prof. Dr.-Ing. Werner Brilon
Kategorien Kommunal
Einleitung

Vielfach erhofft man sich in den Städten, durch eine gute Steuerung der Lichtsignalanlagen (LSA) zur Verbesserung der Luftqualität beitragen zu können. Für die Bestätigung dieser Hypothese gibt es nur ansatzweise wissenschaftliche Erkenntnisse. Ein Grund dafür ist, dass die Wirkungen auf jeden Fall nicht sehr stark sind und dass es keine Methode gibt, diese begrenzten Wirkungen mit Gewissheit nachzuweisen. Es hat aber in der Vergangenheit verschiedene größere Forschungsprojekte gegeben, die Wirkungen von adaptiven LSA-Steuerungen analysiert haben. Als ein Resümee kann man festhalten: positive Wirkungen auf die Luftqualität lassen sich selbstverständlich nur erreichen, wenn durch intelligente LSA-Steuerung der Verkehrsfluss verbessert wird. Diese Verbesserungen treten durch eine adaptive Steuerung aber nicht automatisch ein. Vielmehr ist eine sehr sorgfältige und auf den Einzelfall abgestimmte Planung in Verbindung mit effizienten Kontrollmechanismen erforderlich. Dabei sind vor allem die Standardgrundlagen für die Koordinierung von LSA zu beachten. In einem konkreten Anwendungsfall einer adaptiven LSA-Steuerung wurde eine sehr weitgehende Verbesserung des Verkehrsflusses erreicht. Die rechnerische Beurteilung der Umweltwirkungen führt zu der Einschätzung: die Verringerung der Emissionen fällt geringer aus als die verkehrliche Verbesserung (beides in Prozent gemessen). Insofern kann eine verkehrlich effiziente koordinierte LSA-Steuerung auch positive ökologische Wirkungen haben. Eine sehr sorgfältige Planung ist dafür die wichtigste Voraussetzung. Umgekehrt kann man auch schließen: Eine Verschlechterung für den Verkehrsfluss des Kfz-Verkehrs kann negative Auswirkungen auf die Emissionen mit sich bringen.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Einleitung

Steuerungsverfahren für Lichtsignalanlagen (LSA) des Straßenverkehrs sind in den zurückliegenden Jahrzehnten zunehmend komplexer geworden. Ursache sind die Möglichkeiten moderner elektronischer Steuergeräte im Zusammenspiel mit hoch entwickelter Planungssoftware unter Ausnutzung mathematischer Optimierungsverfahren. Viele skeptische Beobachter fragen sich aber, ob die modernen Steuerungsmethoden wirklich zu einer Verbesserung für den Verkehrsablauf führen und ob die vielfach versprochenen positiven ökologischen Wirkungen tatsächlich eintreten.

Als modernste Variante der LSA-Steuerung gilt heute die sogenannte „Adaptive Steuerung“. Hierzu sind in den zurückliegenden Jahren von der Ruhr-Universität Bochum im Auftrag der Stadt Münster und – insbesondere – der Bundesanstalt für Straßenwesen mehrere Untersuchungen durchgeführt worden. Es handelt sich dabei um Arbeiten an konkreten Projekten der LSA-Steuerung, die in enger Abstimmung mit den beteiligten Städten und den Signalherstellern durchgeführt wurden. Der Vortrag berichtet über einige wesentliche Ergebnisse der Untersuchungen sowie über dabei gewonnene Erkenntnisse.

2 Grundlagen

Die „Adaptive Steuerung“ zielt auf eine möglichst weitgehende Anpassung der LSA-Steuerung in städtischen Straßennetzen an die jeweilige Verkehrssituation. Dabei soll eine möglichst gute Koordinierung der Freigabezeiten an benachbarten Knotenpunkten erreicht werden.

LSA-Koordinierung wird im Volksmund vereinfacht als „Grüne Welle“ bezeichnet. Dieser Name gründet sich auf Koordinierungstechniken der 1950er und 1960er Jahre. Damals hat man mit manueller Planung (Bleistift und Millimeterpapier) die Freigabezeiten benachbarter LSA aufeinander abgestimmt. Die Schaltung der Signale wurde als Festzeitschaltung realisiert.

Von daher weiß man aber, dass es einige Zwänge bei der LSA-Koordinierung gibt, die sich auch durch moderne Steuertechnik nicht überwinden lassen. Dazu gehören u. a.: der Zusammenhang zwischen Umlaufzeiten und Knotenabständen, die Behandlung von Überlastungen oder Überlegungen zu Aus- und Einbiegern.

Eine herkömmliche „Grüne Welle“ hat als Ziel: die auf einer Hauptstraße durchfahrenden Kfz sollen – möglichst – ohne Halt die Knotenpunkte durchfahren können. Einbieger müssen im Allgemeinen beim nächsten Knotenpunkt warten und auch die Wartezeit für Abbieger wird nicht beachtet. Zur Überwindung dieser Grenzen sind in den 1960er Jahren im Ausland Optimierungsverfahren für Festzeitsteuerungen entwickelt worden (z. B. TRANSYT). Von deren Anwendung weiß man, dass eine „Grüne Welle“ im Allgemeinen nicht die – aus übergeordneter Sicht – optimale Lösung ist. Dies gilt vor allem dann, wenn man auch Wartevorgänge der Ein- und Abbieger und des kreuzenden Verkehrs beachtet. Es ist aber kaum möglich, ein Systemoptimum in der deutschen Öffentlichkeit als akzeptabel darzustellen, weil es – im Gegensatz zur „Grünen Welle“ in der Realität nicht erkennbar ist.

In den 1970er Jahren setzten Bemühungen ein, auch bei koordinierten LSA verkehrsabhängige Eingriffe in der LSA-Steuerung anzuwenden. Dadurch wurden auch Bevorrechtigungen für Bahnen und später für Linienbusse möglich. Solche situationsabhängigen Eingriffe in den Signalablauf werden bisher „regelbasiert“ durchgeführt. Das bedeutet: Es gibt weiterhin einen zugrunde liegenden Rahmenplan, oft als Festzeitplan, der die Koordinierung der LSA erreichen soll. Die Signalabläufe dieses Programms werden aber – je nach Verkehrslage – modifiziert. Die Anmeldungen von Fahrzeugen und Fußgängern an Detektoren werden in Computerprogrammen verarbeitet. Diese Programme ermitteln aus den Anforderungen unter Berücksichtigung des Rahmenplans und unter Beachtung zahlreicher Vorgaben die Schaltung der einzelnen Signale. Der Ablauf dieser Programme richtet sich nach einer komplexen – meist für den Einzelfall entwickelten – Logik. Damit ist aber nicht eine wirkliche Optimierung (das heißt die systematische Erreichung des bestmöglichen Zustands) verbunden.

Das Ziel der echten Optimierung verfolgt die „Adaptive Steuerung“ (vielfach auch „modellbasierte Steuerung“ genannt). Es handelt sich dabei um eine Software, die aus den erhobenen Verkehrsdaten mit mathematischen Optimierungstechniken eine Signalsteuerung erarbeitet. In Deutschland werden die beiden Systeme MOTION (Siemens) und BALANCE (Gevas, PTV, AVT-Stoye) angeboten. Im Ausland gibt es weitere Systeme (z. B. SCOOT, SCATS, etc.). Die genaue Funktionsweise der jeweiligen Software wird nicht öffentlich (auch nicht dem Käufer) bekannt gegeben. Es gibt jedoch eine Reihe von Veröffentlichungen dazu, die Grundsätze der Funktionsweise erkennen lassen.

3 Bewertung koordinierter LSA-Steuerungen

Bei dem Vergleich der verschiedenen Steuerungssysteme stellt sich die Frage, mit welchen Instrumenten man die Qualität der jeweiligen Alternative in verkehrlicher und ökologischer Hinsicht bewerten kann.

Als vereinfachter Ansatz der verkehrlichen Bewertung kann nach HBS 2001 der Anteil der Fahrzeuge aufgefasst werden, die an einer Haltelinie ohne Halt durchfahren. Dies eignet sich aber nicht für eine gleichzeitige Bewertung mehrerer Knotenpunkte. Als sinnvoller Ansatz hat sich der „Performance Index“ (PI) herausgestellt. Dieser Wert stellt einen gewichteten Mittelwert aller Wartezeiten und Halte dar.

Formel in der PDF

Die Werte für die Anzahl der Halte und die Wartezeiten kann man auf verschiedene Weisen ermitteln.

  • Testfahrten,
  • mikroskopische Simulation,
  • mathematische Schätzverfahren (z. B. System „TRANSYT“).

Die Gewichtungen kann man aus örtlichen Präferenzen vorgeben oder aus veröffentlichten Beispielen übernehmen. Der PI ist kein absoluter Wert. Er gewinnt seine Bedeutung nur aus dem Vergleich mehrerer Lösungen. In einem solchen Vergleich ist die Lösung mit dem geringsten PI die beste.

Die Bewertung ökologischer Wirkungen, hier: Reinhaltung der Luft, ist ungleich schwieriger. Bei den durchgeführten Untersuchungen bestand zunächst die optimistische Hoffnung, man könnte Immissionen messen. Dies muss aber als ausgeschlossen angesehen werden. Resultate einzelner Messstationen liefern immer nur punktuelle Informationen. Eine hinreichend große Anzahl von Messstationen an einer mehrere Kilometer langen Teststrecke ist aber aus Kostengründen undenkbar. Außerdem müssten für den Nachweis von Unterschieden in der LSA-Steuerung alle anderen Bedingungen (Verkehrsführung, Buslinien, Baustellen, etc.) wegen des Witterungseinflusses auf die Immissionen über ca. 1 Jahr konstant gehalten werden, damit aussagekräftige Mittelwerte gewonnen werden. Dies ist in der Praxis kaum denkbar. Es geht um die Feststellung geringer Unterschiede. Für deren Feststellung müsste ein extremer Messaufwand betrieben werden.

Wenn also die ökologische Beurteilung der LSA-Steuerung über Immissionen nicht gelingt, könnte unter Umständen die Messung von Emissionen in Betracht kommen. Dies bedeutet Testfahrten mit Kraftfahrzeugen, die im laufenden Betrieb ihre Emissionen aufzeichnen. Damit gibt es wenige Erfahrungen in Deutschland in Verbindung mit verkehrstechnischen Fragestellungen. Vor allem stellt sich die Frage der Repräsentativität (Fahrerverhalten, Fahrzeugtyp, erforderlicher Stichprobenumfang).

So bleibt als Möglichkeit der Beurteilung von LSA-Steuerungen aus ökologischer Sicht die mikroskopische Simulation mit anschließender Motoren-technischer Analyse aller simulierten Fahrvorgänge. Über diese Möglichkeit wird im Folgenden berichtet.

4 Durchgeführte Projekte

Zur Beurteilung adaptiver Steuerungen sind in den zurückliegenden Jahren mehrere Untersuchungen durchgeführt worden.

A) Amones (Boltze a., 2010)
Das groß angelegte Verbundprojekt mehrerer Hochschulinstitute hat in Bremerhaven und Hamburg real vorhandene adaptive Steuerungen untersucht. Dabei wurden begrenzte Vorteile der adaptiven Steuerungen festgestellt. Zudem wurde durch Simulationen ein hypothetisches Straßennetz beurteilt. Die dabei gewonnenen Schlussfolgerungen werden auch durch die im Folgenden beschriebenen Erfahrungen unterstrichen.

B) Ruhr-Universität Bochum
An der Ruhr-Universität Bochum wurde zur Frage der koordinierten LSA-Steuerung eine Folge von Projekten durchgeführt.

Im Folgenden wird über wesentliche Ergebnisse daraus berichtet.

5 Festzeitsteuerung versus Verkehrsabhängigkeit

In einem ersten Schritt wurden 10 real vorhandene koordinierte Steuerungen analysiert und auf Verbesserungsmöglichkeiten hin untersucht (Brilon, Wietholt, Wu, 2007). Es zeigte sich auf der Basis mikroskopischer Simulationen, dass die vorhandenen Rahmenprogramme durch Optimierungstechniken (AMPEL-K) deutlich verbessert werden konnten. Diese Rahmenprogramme – als Festzeitsteuerung eingesetzt – verbesserten den Performance-Index um bis zu 50 %. Wenn man diese optimierten Rahmenprogramme durch die vorhandenen Verkehrsabhängigkeiten modifizierte, so ergaben sich teils Verschlechterungen und teils Verbesserungen der Verkehrsqualität (Bild 1). Im Mittel haben die Verkehrsabhängigkeiten keine Verbesserung bewirkt.

Bild 1: Vergleich des Performance-Index bei optimierter Festzeitsteuerung und verkehrsabhängiger Anpassung

6 Albersloher Weg in Münster: verkehrliche Wirkungen

Eine adaptive Steuerung wurde am intensivsten auf dem Albersloher Weg in Münster untersucht. Es handelt sich dabei um eine ca. 6 km lange Hauptverkehrsstraße, die radial von Süden her in die Stadt Münster hineinführt und die 24 LSA-gesteuerte Knotenpunkte enthält. Sie ist größtenteils anbaufrei, ohne wesentliche Steigungen vierstreifig ausgebaut. Im südlichen Bereich enthält sie aber auch einen zweistreifigen Abschnitt.

Auf dieser Straße sind alle LSA erneuert worden und mit einer neuen Steuerung ausgestattet worden. Die Wirkungen sind in drei Phasen untersucht worden:

  • Vorher: Festzeitsteuerung, wie sie sich an den vorhandenen Anlagen im Lauf der Zeit entwickelt hatte mit einigen Fußgänger-Anforderungsanlagen (ohne Koordinierung).
  • Nachher I: Konventionell koordinierte LSA mit Buspriorisierung und verkehrsabhängigen Eingriffen in die Koordinierung.
  • Nachher II: Adaptive Steuerung durch Motion (Hersteller: Siemens).

Die Stadtverwaltung Münster wollte sich von der Wirksamkeit der Neuerungen überzeugen. Sie hat deswegen den Lehrstuhl für Verkehrswesen der Ruhr-Universität Bochum (RUB) als unabhängige Institution beauftragt, die verkehrlichen Wirkungen zu untersuchen. Die RUB hat in allen drei Phasen Messfahrten auf dem Albersloher Weg durchgeführt.

  • 10 Pkw, ausgestattet mit GPS-Aufzeichnung
  • Unterschiedliche Routen (gesamte Strecke, Einfahrten von Querstraßen mit anschließender Fahrt auf der koordinierten Strecke und Abbiegen in eine andere Querstraße)
  • Morgenspitze 7:00 – 9:00 und Nachmittagsspitze 16:00 – 18:00
  • Jeweils 2 Tage

Insgesamt fanden 1583 Fahrten über insgesamt ca. 3500 km statt.

Charakteristische Ergebnisse können den Tabellen 1 und 2 entnommen werden. Demnach hat die adaptive Steuerung zu einer deutlichen Verringerung der Fahrtzeiten (12 bis 14 %) und der Anzahl der Halte (25 bis 43 %) geführt. Der Performance Index (PI) ging um 28 bis 29 % zurück (Bild 2). Wenn man es etwas allgemeiner festhalten will, hat sich also eine Verbesserung des Verkehrsablaufs für den Kraftfahrzeugverkehr um ca. 30 % ergeben.

Tabelle 1: Fahrzeiten und Anzahl der Halte in den drei Phasen des Experiments (nur Halte und Fahrtzeiten im Zuge der durchgehenden Hauptverkehrsstraße; nur Streckenabschnitte, die nicht während des Experiments umgebaut wurden) (Quelle: Brilon e.a. 2012)

Tabelle 2: Performance-Index in den drei Phasen des Experiments (ohne die Streckenabschnitte, die während der Dauer des Versuchs umgebaut wurden) (Quelle: Brilon, Wietholt 2009)

Bild 2: Performance Index in den drei Phasen des Projekts (beide Richtungen, nur durchgehender Verkehr)

Auch die Linienbusse konnten ihre Fahrtzeit über die Strecke um 25 bis 29 % verkürzen. Dies wurde aber unabhängig von der adaptiven Steuerung bereits durch die Buspriorisierung in der Phase „Nachher I“ erreicht.

Es gab aber auch Probleme. Die adaptive Steuerung ermittelt nach jeweils 15 Minuten ein neues optimiertes Rahmenprogramm. Die Umschaltung führte beim damaligen Stand des Verfahrens jeweils zu Unterbrechungen der Koordinierung und zu Störungen an einzelnen Knotenpunkten. Bei einer Fahrtzeit von 8 bis 10 Minuten erlebten relativ viele Kraftfahrer diese Umschaltungen. Es gab deswegen – insbesondere seit einigen Umplanungen im folgenden Jahr – viele Beschwerden in der Öffentlichkeit. Als Folge ist die adaptive Steuerung wieder abgeschaltet worden.

7 Albersloher Weg: Emissionen

Im nächsten Schritt wurde versucht, die Wirkung der adaptiven Steuerung auf die Schadstoffemissionen einzuschätzen. Weil sich Messungen als nicht realisierbar erwiesen (vergleiche Abschnitt 3), wurde versucht, hier auf der Basis von mikroskopischen Simulationen zu einer Einschätzung zu gelangen. Dazu wurde die Kombination der Modelle VISSIM (Fa. PTV) und PHEM (TU Graz) eingesetzt (vgl. Bild 3).

Der Aufbau der VISSIM-Simulation einschließlich des nachgebildeten Verkehrsrechners wurde vom Hersteller der Steuerung MOTION (Siemens) geleistet, um das System in technischer Hinsicht so realistisch wie möglich nachzubilden. Durch die RUB ist eine Validierung des VIS-SIM-Modells anhand der vorliegenden (vgl. Abschnitt 6) Messdaten durchgeführt worden.

Verglichen wurden nur die konventionell verkehrsabhängige Steuerung (entspricht „Nachher I“ im Abschnitt 6) mit der adaptiven Steuerung (entspricht „Nachher II“). Für diese beiden Steuerungsverfahren wurden mit VISSIM die Fahrttrajektorien (Wegkoordinaten im Raster von 1 s)

Bild 3: Zusammenspiel zwischen VISSIM und PHEM

aller Fahrzeuge in einer Nachmittagsspitze (16:00 bis 18:00) aufgezeichnet. Diese Daten wurden an die TU Graz übergeben. Dort wurden daraus mit PHEM Emissionen der Fahrzeuge bei ihrer Fahrt im Netz auf der Basis Kraftfahrzeug-technischer Modelle errechnet. Diese Arbeiten konnten wegen der hohen Kosten für diese Berechnungen nur für ein zweistündiges Intervall durchgeführt werden.

Im Bild 4 sind die ermittelten Unterschiede (in Prozent) zwischen den beiden untersuchten Fällen der LSA-Steuerung illustriert. Verringerungen der Werte sind positiv dargestellt. Auf den ersten Blick wird deutlich: die Emissionen nehmen nicht im gleichen Umfang ab wie die verkehrlichen Maßzahlen (PI). Dabei ist allerdings zu bedenken: Der Performance Index (PI) charakterisiert nur die Verhältnisse am Knotenpunkt, während die Emissionen neben den Knotenpunkten auch die Fahrt auf den Strecken enthalten.

Bild 4: Unterschiede zwischen konventionell verkehrsabhängiger Steuerung und adaptiver Steuerung (Abnahmen in Prozent)

In der höher belasteten Richtung Süd gingen alle Emissionen in einer Größenordnung von ca. 2 % zurück. Die Fahrtzeiten haben sich deutlich um ca. 10 % reduziert. In der schwächer belasteten Fahrtrichtung haben sich die Emissionen – ebenso wie die Fahrtzeiten – um ca. 4 % verringert. Man kann also aufgrund dieser ersten Studie schätzen, dass im Fall des Albersloher Wegs die Emissionen durch die adaptive Steuerung um 2 bis 4 % verringert werden könnten.

Die Analyse ermöglicht auch einen Vergleich für einzelne Teilstrecken zwischen den Haltelinien benachbarter Knotenpunkte. Im Bild 5 sind die Unterschiede in den Emissionen den Unterschieden bei der Fahrtgeschwindigkeit (jeweils von einer Haltelinie zur nächsten) gegenübergestellt. Man erkennt: Erhöhungen der durchschnittlichen Fahrtgeschwindigkeit (das heißt weniger Halte und Wartezeiten) sind mit Verringerungen der Emissionen verbunden und umgekehrt. Behinderungen der Kfz durch die LSA-Steuerung (hier ausgedrückt durch die prozentualen Unterschiede der Fahrtgeschwindigkeit) erhöhen die Emissionen.

Bild 5: Unterschiede zwischen konventionell verkehrsabhängiger Steuerung und adaptiver Steuerung (Abnahmen in Prozent)

8 Weitere Untersuchungsgebiete

Vergleichbare Untersuchungen wurden auch auf der 6 km langen Hauptverkehrsstraße Weseler Str./Steinfurter Str. in Münster durchgeführt. Diese Straße ist im Innenstadtbereich sehr hoch ausgelastet. Die kritischen Knotenpunkte liegen nah beieinander, was eine Koordinierung erschwert. Hier hat die adaptive Steuerung keine vergleichbaren Erfolge erbracht. Über die Ursachen gibt es unterschiedliche Auffassungen zwischen Baulastträger und Hersteller.

Auch in Remscheid wurde ein anderes System einer adaptiven Steuerung untersucht. Auch von hier lassen sich keine überzeugend positiven Resultate berichten.

Die Ergebnisse hierzu sind ausführlich in dem Forschungsbericht (Brilon, e. a. 2012) dokumentiert.

9 Die Öffentlichkeit

Am Beispiel in Münster hat sich gezeigt, dass LSA-Steuerung nur dann erfolgreich sein kann, wenn auch die Öffentlichkeit (Autofahrer, Presse, Politiker) überzeugt werden können. Die Öffentlichkeit versteht aber nur die „Grüne Welle“, das heißt Fahrt ohne Halt auf der durchgehenden Straße. Die Grüne Welle ist aber durchweg alles andere als das Systemoptimum (das heißt ein Minimum aller Wartezeiten, Halte und Emissionen).

Dies Systemoptimum erschließt sich nur, wenn man den mit dem jeweiligen Projekt betrauten Experten Glauben schenkt. In diesem Spannungsfeld wird man mit einer Lösung, die der „Grünen Welle“ nahekommt, in der Öffentlichkeit am ehesten Erfolg haben.

Die Erfahrungen zeigten auch: Die Kraftfahrer bevorzugen Konstanz in der LSA-Steuerung. So wünschen sie überwiegend z. B. feste Phasenfolgen. Konstanz kann auch die Einhaltung der Verkehrsregeln fördern: Wenn man aus Erfahrung weiß, dass das „Grün“ an der nächsten Kreuzung noch lange andauert, kann man gelassen mit 50 km/h fahren. Wenn aber ständig andere Signalschaltungen auftreten, wird ein „Grün“ an der nächsten LSA meist zu höheren Geschwindigkeiten führen. Insofern könnte Konstanz in der LSA-Steuerung auch zu besserer Verkehrssicherheit betragen.

10 Schlussfolgerung

Auch zu den hier dargestellten Untersuchungen ist eine kritische Sicht durchaus gerechtfertigt. Dies betrifft auch methodische Details der angewandten Untersuchungstechnik. Vor allem ist die betrachtete Anzahl der Fälle nicht ausreichend, um aus wissenschaftlicher Sicht gesicherte Ergebnisse festzustellen. Der Stichprobenumfang von „1“ bei der VISSIM/PHEM-Untersuchung ist auf jeden Fall unter einem akzeptablen Niveau. Dennoch darüber zu berichten, ist nur gerechtfertigt, weil keine finanziellen Mittel absehbar sind, die eine umfangreichere Untersuchung ermöglichen. Unter wissenschaftlichen Aspekten ist dieser Bericht also eher als ein Hinweis zu werten, nicht als gesicherte Erkenntnis. Die Kosten für die Erlangungen gesicherter Erkenntnisse sind allerdings so hoch, dass nicht klar ist, ob sich der Aufwand lohnt.

Trotz dieser Einschränkung und in Anbetracht der erkennbaren Schwierigkeiten, mit denen Baulastträger und Hersteller bei der Durchführung der Projekte zu kämpfen hatten, erscheinen aber folgende Hinweise als gerechtfertigt:

  • Die verfügbaren Techniken adaptiver Steuerungen garantieren nicht automatisch den Erfolg.
  • Unter günstigen Rahmenbedingungen und bei sorgfältiger Durchführung sind jedoch merkliche Verbesserungen des Verkehrsflusses sowie Verringerung der Emissionen durch eine adaptive Steuerung erreichbar.
  • Verflüssigung des Kfz-Verkehrs an LSA reduziert Schadstoffemissionen (und umgekehrt!).
  • Für einen Erfolg durch adaptive LSA-Steuerung ist eine sorgfältige Planung aller Beteiligten (bei intensiver Mitwirkung des Baulastträgers) Eine klare Zieldefinition sollte vorausgehen. Inkompatibilitäten in Hard- und Software müssen ausgeschlossen werden.

Abschließend bleibt festzuhalten: Adaptive LSA-Steuerung hat ein Potenzial zur Verbesserung des Verkehrsflusses und der Luftqualität. Aber möglicherweise können auch noch die technischen Ansätze dafür verbessert werden.

Literaturverzeichnis

Boltze, M.; Busch, F.; Friedrich, B.; Friedrich, M.; Kohoutek, S.; Lohner, H.; Lüßmann, J.; Otterstätter, T.: AMONES: Anwendung und Analyse modellbasierter Netzsteuerungsverfahren in städtischen Straßennetzen, Straßenverkehrstechnik, Hefte 5/2011 – 7/2011, 2011 und Forschungsbericht dazu von 2010

Brilon, W.; Wietholt, T.; Wu, N.: Kriterien für die Einsatzbereiche von Grünen Wellen und verkehrsabhängigen Steuerungen, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Verkehrstechnik, Heft V 163, Bergisch Gladbach, 2007

Brilon, W.; Wietholt, T.: Evaluierung (Erfolgskontrolle und Bewertung) der Grünen Wellen im Zuge der Modellachse Albersloher Weg in Münster mittels Reisezeitmessung, Ruhr-Universität Bochum, 2009

Brilon, W.; Hohmann, S.; Giuliani, S.; Wietholt, T.: Untersuchung der Einflussmöglichkeiten verkehrsadaptiver Netzsteuerungen auf die Emissions- und Immissionsbelastung städtischer Straßennetze, Forschungsauftrag FE 77.0484/2006 der BASt, Schlussbericht Ruhr-Universität Bochum, Dezember 2012