FGSV-Nr. FGSV 002/108
Ort Köln
Datum 28.11.2013
Titel Die RDO im Bauvertrag
Autoren Dipl.-Ing. Stefan Ehlert
Kategorien Infrastrukturmanagement
Einleitung

Die heutige Zeit ist geprägt von Begriffen und Redewendungen wie „Innovationen“, „Effizienz“, „Stillstand ist Rückschritt“ aber auch von „Einsparungen“. Diese Begriffe kennzeichnen einen Wandel der Zeit, dem wir uns nicht mehr entziehen können. Je mehr wir gezwungen werden genauer hinzusehen, desto größer ist die Notwendigkeit die entsprechenden Werkzeuge dafür zu haben. In diesem Zusammenhang stellt die rechnerische Dimensionierung gemäß den „Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht“ (RDO Asphalt 09), im Straßenbau eine Möglichkeit dar, die die Straßenbauverwaltungen auf verschiedene Weise nutzen können. Die bisherigen Erfahrungen sind jedoch noch so gering, dass weitere Möglichkeiten für den Einsatz in der „Standard-Praxis“ bzw. in konventionellen Bauverträgen geschaffen werden müssen. Ein Baustein hierfür ist die Aufnahme einer Anwendungsempfehlung in den „Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen“ (RStO 12), ab einer dimensionierungsrelevanten Beanspruchung B > 100 Mio. äquivalenter 10-t-Achsübergänge in der Belastungsklasse Bk100. Nachfolgend werden Sichtweisen und Erfahrungen des Landesbetriebes Straßenbau NRW zu und mit der Anwendung rechnerisch dimensionierter Oberbauten mit Asphaltdeckschicht in konventionellen Bauverträgen dargestellt.

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1 Einleitung

Die Dimensionierung von Straßenoberbauten in Deutschland basierte in den vergangenen Jahrzehnten im Wesentlichen auf einem empirischen Ansatz. Straßenbauverwaltungen, Ingenieurbüros, Baufirmen etc. haben es in die Wiege gelegt bekommen, dass die Festlegung der Schichtenabfolge und die jeweiligen Schichtdicken mit Hilfe entsprechender Tafeln der „Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen“ (RStO) getroffen werden. Eine rechnerische Dimensionierung, die eine Nachweisführung beinhaltet und sowohl klimatische Bedingungen als auch dimensionierungsrelevante Materialparameter berücksichtigt, war bis vor wenigen Jahren auf wenige Sonderfälle beschränkt.

Die Gründe für diese Einschränkung sind vielfältiger Natur. Aus Sicht einer Straßenbauverwaltung ist in diesem Zusammenhang sehr entscheidend, dass bis vor wenigen Jahren keine einheitlichen Vorgaben existierten, nach denen eine rechnerische Dimensionierung durchgeführt werden kann bzw. durchzuführen ist. Dieser Umstand hat sich in den Jahren 2009 und 2010 geändert. Im Jahr 2009 sind die „Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht“ (RDO Asphalt 09), mit dem Allgemeinen Rundschreiben Straßenbau Nr. 15/2009 bekannt gegeben worden. Für Straßenoberbauten mit Betondecken folgten kurze Zeit später entsprechend die „Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung von Betondecken im Oberbau von Verkehrsflächen“ (RDO Beton 09), durch das Allgemeine Rundschreiben Straßenbau Nr. 21/2010.

Da bei Straßen.NRW bisher ausschließlich mit der Anwendung der RDO Asphalt 09 Erfahrungen vorliegen, beziehen sich die folgenden Darstellungen primär auf die RDO Asphalt 09. Manche Grundsätze können jedoch auch analog für die RDO Beton 09 angewendet werden.

2 Grundzüge der rechnerischen Dimensionierung gemäß den RDO Asphalt 09

Den Einstieg in die rechnerische Dimensionierung bilden zunächst einige einheitliche Vorgaben. Dieses sind z. B. konkrete Vorgaben für das anzusetzende Verkehrslastkollektiv, die klimatischen Bedingungen, unter anderem in Form einer Temperaturzonenkarte und die Materialparameter. In Verbindung mit einer Schichtdickenvorgabe erfolgt dann über das Rechenmodell die Nachweisführung. Dieses ist die Basis für die Schichtdickenfestlegung (s. Bild 1). 

Bild 1: Vereinfachte schematische Darstellung des Ablaufs der rechnerischen Dimensionierung gemäß den RDO Asphalt 09 

Der Nachweisführung liegt das theoretische Grundkonzept „beginnende Rissbildung an der Unterseite der Asphalttragschicht“ zugrunde. Hierunter ist zu verstehen, dass rechnerisch 100 %-Ermüdung erreicht sind, wenn die Rissbildung an der Unterseite der untersten Asphalttragschichtlage beginnt (s. Bild 2). Als Grundlage für die weiteren Ausführungen ist dieser kleine Ausschnitt aus dem Gesamtablauf ausreichend. 

Bild 2: Nachweiskriterium „beginnende Rissbildung an der Unterseite der Asphalttragschicht“

Die bisherigen typischen Anwendungsfälle von rechnerischen Dimensionierungen gemäß den RDO sind ÖPP-Projekte wie z. B. auf der BAB A 1 zwischen Bremen und Hamburg (Niedersachsen) oder Funktionsbauverträge wie z. B. auf der BAB A 31 bei Gescher (NRW). Des Weiteren kamen bzw. kommen die RDO auf Verkehrsflächen wie Flughäfen oder Containerstellflächen zur Anwendung.

Die Allgemeinen Rundschreiben Straßenbau zur Einführung der RDO Asphalt 09 und RDO Beton 09 haben die zusätzliche Erfahrungssammlung im konventionellen Bauvertrag betont, trotzdem sind die Erfahrungen bisher gering. Einen Teilbeitrag zur Änderung dieses unbefriedigenden Zwischenzustandes soll und kann die aktuelle Ausgabe der „Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen“ (RStO 12) leisten. In den RStO 12 ist eine beanspruchungsabhängige Empfehlung zur Anwendung der rechnerischen Dimensionierung enthalten. Ab einer dimensionierungsrelevanten Beanspruchung B > 100 Mio. äquivalenter 10-t-Achsübergänge sollte der Oberbau mit Hilfe der RDO dimensioniert werden. Insbesondere diese offene Formulierung gibt den Straßenbauverwaltungen die Gelegenheit, möglichst breit gefächerte Erfahrungen mit Anwendungen auf verschiedenen Wegen sammeln zu können. Damit steht mit den Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung momentan – unter bestimmten Umständen – ein alternatives Dimensionierungswerkzeug zur Verfügung. 

3 Anwendungsmöglichkeiten der rechnerischen Dimensionierung bei einer Straßenbauverwaltung im Rahmen eines konventionellen Bauvertrages

3.1 Grundlagen

Im Folgenden wird dargestellt, welche verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten der rechnerischen Dimensionierung bei einer Straßenbauverwaltung, im Rahmen eines konventionellen Bauvertrages, existieren.

Zur weiteren Heranführung wird zunächst der Weg eines Dimensionierungsergebnisses in einen konventionellen Bauvertrag aufgezeigt.

Den Anfang bildet die Zugrundelegung bzw. die Vereinbarung von einheitlichen Standards über entsprechende Richtlinien. Ob dieses letztendlich die Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung oder für die Standardisierung sind ist zunächst unerheblich. In dem hieran anschließenden Zusammenhang ist das wesentliche Ergebnis einer Dimensionierung die Festlegung der Schichtenabfolge und -dicken. Diese Festlegungen fließen unmittelbar in die Ausschreibung, das heißt in die Baubeschreibung und das Leistungsverzeichnis ein. Eine verbindliche Schichtdickenfestlegung in der Ausschreibung ist, in Abhängigkeit des Umfanges der Gesamtmaßnahme, die Basis für die Massenermittlung (auch für die Bankettbereiche) und viele Randarbeiten, z. B. die Schutzplankenarbeiten. Im Vorfeld einer Maßnahme, bei der eine Erneuerung der Schutzplanken Bestandteil der zu erbringenden Leistung ist, muss die Höhenlage der Deckschicht definiert sein, damit diese auf die Schutzplanken abgestimmt ist. Gibt es an dieser Stelle zu große Differenzen sind verschiedenartig gelagerte Probleme während der Baudurchführung vorprogrammiert.

Die Ausschreibung bildet die Grundvoraussetzung für den Bauvertrag. Der Bauvertrag muss alle Vorgaben für eine auftragsgemäße Bauausführung enthalten bzw. vereinbaren. Die bisher existierenden technischen Lieferbedingungen und Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen sind auf RStO-konforme Oberbauten abgestimmt. Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen die auf rechnerisch dimensionierte Oberbauten abgestimmt sind existieren dagegen bisher nicht. Die Randbedingungen für die Ausführung rechnerisch dimensionierter Oberbauten, also die Umsetzung des Bauvertrages in die Praxis, sollen daher in den „Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung von Oberbauten mit Asphaltdeckschicht“ (ZTV RDO Asphalt) enthalten sein, die momentan in der Arbeitsgruppe „Asphaltbauweisen“ im Arbeitskreis 7.1.3 „Performance basierte Vertragsbedingungen“ erarbeitet werden (s. Bild 3). Eine erste Hilfestellung für die Anwendung der rechnerischen Dimensionierung in einem konventionellen Bauvertrag stellen die „Empfehlungen für die Abwicklung von Bauverträgen bei Anwendung der RDO Asphalt“ dar. 

Bild 3: Weg eines Dimensionierungsergebnisses in einen konventionellen Bauvertrag 

Wie bereits erwähnt geben die Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung die einheitlichen Randbedingungen für die Durchführung des Berechnungsvorganges vor. Sie geben jedoch nicht vor, wer die rechnerische Dimensionierung durchführt, sie geben nicht vor, welche Hilfsmittel zur Umsetzung der Dimensionierung anzuwenden sind und sie geben nicht vor, wie eine Ausschreibung im Detail zu gestalten ist.

Für die weiteren Erläuterungen wird zunächst auf die bereits erwähnten Materialparameter kurz eingegangen. Gemeint sind hiermit die dimensionierungsrelevanten Materialparameter – Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktion und Ermüdungsfunktion (s. Bild 4). Gemäß der „Arbeits- 

Bild 4: Darstellung Spaltzug-Schwellversuch (oben) mit beispielhaften Verläufen einer Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktion (unten links) und einer Ermüdungsfunktion (unten rechts) (Quelle: Radenberg, FGSV)

anleitung zur Bestimmung des Steifigkeits- und Ermüdungsverhaltens von Asphalten mit dem Spaltzug-Schwellversuch als Eingangsgröße in die Dimensionierung“ (AL Sp-Asphalt 09) werden sie mit dem Prüfverfahren „Spaltzug-Schwellversuch“ bestimmt. Diese dimensionierungsrelevanten Materialparameter sind die Basis dafür, dass bei einer rechnerischen Dimensionierung Oberbauten mit unterschiedlichen Mischgutkonzepten, bei identischer Schichtdickenfestlegung, verschiedene Nutzungsdauern bzw. Ermüdungszustände erreichen können. 

3.2 Anwendungsmöglichkeiten

Für eine Straßenbauverwaltung existieren verschiedene Möglichkeiten eine rechnerische Dimensionierung im Vorfeld oder im Rahmen einer Ausschreibung zu berücksichtigen und anzuwenden. Die erste Möglichkeit besteht in einer analogen Vorgehensweise zu den RStO.

Man kann lediglich die erforderlichen Mindestschichtdicken berechnen (s. Bild 6, 1). Je nach Höhe der dimensionierungsrelevanten Beanspruchung B kann hierbei allerdings das Dimensionierungsergebnis eine größere Schichtdicke als die bisher gewohnte Maximalschichtdicke der Asphalttragschicht von 22,0 cm sein (s. Bild 5). 

Bild 5: Vergleich der Ermüdungszustände nach N = 30 Jahren bei verschiedenen Dicken einer Asphalttragschicht (dimensionierungsrelevanten Beanspruchung B = ca. 160 Mio.) 

Entscheidend ist bei dieser ersten Möglichkeit die Qualität der dimensionierungsrelevanten Materialparameter, die bei der Berechnung in Ansatz gebracht werden. Das im Bild 5 dargestellte Beispiel wurde mit der Anwendersoftware „PaDesTo 2008“ der primia GmbH, Dresden berechnet, wobei die in dieser Anwendersoftware hinterlegten „Kalibrierasphalte“ nach Kiehne mit ihren spezifischen dimensionierungsrelevanten Materialparamatern gewählt wurden. Die Materialparameter der „Kalibrierasphalte“ sind Bestandteil der RDO Asphalt 09.

Sind bei einer Straßenbauverwaltung ausreichend Erfahrungen mit Ergebnissen der dimensionierungsrelevanten Parameter aus den regional hergestellten Asphaltschichten vorhanden, können alternativ auch diese in Ansatz gebracht werden. Die bisherigen Praxiserfahrungen von Straßen.NRW mit Ergebnissen der Bestimmung von dimensionierungsrelevanten Materialparametern haben gezeigt, dass große Unterschiede zu den „Kalibrierasphalten“ vorhanden sein können. Abschließend muss in diesem Rahmen festgehalten werden, dass die Qualität der dimensionierungsrelevanten Materialparameter einen wesentlichen Beitrag leistet, ob bei einer rechnerischen Dimensionierung entweder eine Reserve an Nutzungsdauer oder ein Einsparpotenzial der Schichtdicken, im Vergleich zu den bisherigen Standards, aufgezeigt werden kann. 

Bild 6: Beispielhafte Darstellungen der drei verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten 

Die zweite Anwendungsmöglichkeit der rechnerischen Dimensionierung für eine Straßenbauverwaltung beinhaltet die Vorgabe der maximalen Gesamtdicke des Asphaltoberbaus (s. Bild 6, 2). Diese Variante dürfte vor allem für Erhaltungsmaßnahmen interessant sein, insbesondere wenn Höhenbindungen vorhanden sind. Beispielsweise auf Autobahnen, wenn auf einzelnen Fahrstreifen nicht nur die Asphaltdeck-, sondern auch die Asphaltbinder- und gegebenenfalls auch die Asphalttragschicht ersetzt werden muss. Je nach Anzahl der zu ersetzenden Schichten kann bei dieser Anwendungsmöglichkeit die Schichtdicke der einzelnen Schichten offen gelassen werden, so dass ein gewisses Optimierungspotenzial im Rahmen der Bieterphase ermöglicht wird.

Die dritte Möglichkeit (s. Bild 6, 3) bezieht sich direkt auf die dimensionierungsrelevanten Materialparameter. Dieser Ansatz beinhaltet, dass in der Ausschreibung Mindestanforderungen für die Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktion und die Ermüdungsfunktion formuliert werden. In wie weit auch hier Schichtdickenvorgaben erforderlich sind hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Die Anwendung dieser Möglichkeit setzt einen gewissen regionalen Erfahrungsschatz mit den Ergebnissen von dimensionierungsrelevanten Materialparametern der in der Praxis hergestellten Asphaltschichten voraus. Des Weiteren stellt sie die Möglichkeit dar, bei der wahrscheinlich der größte Anpassungsbedarf in der Baubeschreibung erforderlich ist.

Jede der genannten Anwendungsmöglichkeiten hat verschiedene Vor- und Nachteile. Welche Variante für welchen Einsatzfall das Optimum darstellt, ist momentan unklar, weil schlichtweg noch zu wenige Erfahrungen vorhanden sind. 

4 Praxisanwendung auf der B 9 bei Weeze

Bei Straßen.NRW sind Erfahrungen mit den RDO Asphalt 09 auf verschiedenen Wegen gesammelt worden. Im Rahmen von abgeschlossenen und laufenden Funktionsbauverträgen (z. B. auf der BAB A 31) und im Rahmen von konventionellen Bauverträgen auf der BAB A 46 bei Wuppertal und auf der B 9 bei Weeze im Zuge eines Projektes zur Substanzbewertung. Das Projekt „B 9 bei Weeze“ wird im Folgenden kurz dargestellt.

Im Jahr 2011 war für die Bundesstraße 9 bei Weeze am Niederrhein, die damals gemäß der Verkehrsbelastung der Bauklasse II der RStO 01 zugeordnet wurde, eine Sanierungsmaßnahme geplant. Aufgrund des Oberflächenbildes, das unter anderem zahlreiche Risse aufwies, war ursprünglich eine Deck- und Binderschichtsanierung auf ca. 2.000 m Länge vorgesehen (s. Bild 7).

Vor dem Hintergrund der Umsetzung einer Ausschreibung auf Basis der RDO Asphalt 09 erfolgte eine Überprüfung der Restnutzungsdauer der Asphalttragschicht im Rahmen einer Substanzbewertung. Basis dieser Substanzbewertung war die Durchführung von Messungen 

Bild 7: Übersichtsplan B 9 bei Weeze 

mit dem Falling Weight Deflectometer (FWD), Georadar und Bohrkernentnahmen. Die Bohrkernentnahmen erfolgten an zwei als ausreichend repräsentativ eingestuften Querschnitten des Streckenabschnittes. Die Bohrkerne sind zunächst geschnitten worden, so dass die Asphalttragschichten separat mit dem Spaltzug-Schwellversuch geprüft werden konnten. Hierdurch wird die Bestimmung der Steifigkeits-Temperaturfunktion und Ermüdungsfunktion ermöglicht. Die hiermit ermittelten dimensionierungsrelevanten Materialparameter dienten im Weiteren als Eingangsparameter für die Rechendurchläufe mit der Anwendersoftware „PaDesTo 2008“. Die Ergebnisse der Rechenläufe, in Form des Ermüdungszustandes, bezogen auf eine Referenznutzungsdauer von 30 Jahren, werden in diesem Fall als die Bestimmung der Restnutzungsdauer bewertet. Die Ermüdungszustände nach 30 Jahren Referenznutzungsdauer lagen alle auf einem sehr viel niedrigeren Niveau als erwartet.

Aufgrund der Ergebnisse der Restsubstanzbewertung wurde eine Änderung des Sanierungskonzeptes beschlossen, in der Art, dass ein Ersatz des kompletten Asphaltoberbaus vorgesehen wurde.

Unter Berücksichtigung der Höhenbindungen sollte die vorhandene Gesamtdicke des Asphaltoberbaus von 20 cm beibehalten werden. Der RStO 01-Standard hätte im Gegensatz 22 cm Asphalt vorgesehen (s. Bild 8, links). Auf der Grundlage der RDO Asphalt 09 war mit dem Angebot eine Nutzungsdauer von 30 Jahren nachzuweisen. Weitere Vorgaben für die Ausschreibung bestanden darin, dass der Aufbau dreischichtig herzustellen war, bei freier Wahl der jeweiligen Schichtdicken und Mischgutkonzepte. Um einerseits die Asphaltdeckschicht möglichst dünn herstellen zu können und andererseits einen nutzerorientierten und geräuschmindernden Fahrbahnbelag zu erhalten, war hier ein maximales Größtkorn von 5 mm vorgegeben (s. Bild 8, mitte). Zur Ausführung gelangte ein Oberbaukonzept mit dem im Bild 8 (rechts) dargestellten Aufbau. Die wesentlichen Merkmale sind das alternative Binderkonzept und ein weicheres Bitumen in der Asphalttragschicht. Die Baudurchführung erfolgte durch ein regionales, mittelständisches Bauunternehmen, das die bauvertraglichen Anforderungen, auch bezogen auf die RDO-Besonderheiten, ohne Probleme in die Praxis umsetzen konnte. 

Bild 8: Darstellung der verschiedenen Oberbaukonzepte 

Aus dem gesamten Umfang der Erfahrungen werden nachfolgend zwei Aspekte hervorgehoben.

Alle Beteiligten müssen sich bei der Durchführung einer Baumaßnahme auf RDO-Basis darüber im Klaren sein, dass die Schichtdicken dimensionierungsrelevant sind. Anzustreben ist deshalb die Herstellung möglichst gleichmäßiger Schichtdicken. Als Beispiel hierfür ist im Bild 9 der Schichtdickenverlauf der Asphalttragschicht der B 9 bei Weeze in einer Fahrtrichtung dargestellt. Bis auf einzelne Ausnahmen kann man hier von einer guten Gleichmäßigkeit unter normalen Praxisbedingungen sprechen. 

Bild 9: Schichtdickenverlauf der Asphalttragschicht in einer Fahrtrichtung 

Ungleichmäßige Schichtdicken sind schlichtweg ein Risikofaktor dafür, dass die Dimensionierungsergebnisse der fertigen Bauleistung von der vertraglich geforderten Leistung, in der Regel die Nutzungsdauer in Verbindung mit dem berechneten Ermüdungszustand, abweichen. Optimierungspotenzial ist an dieser Stelle im Zusammenhang mit der Ebenflächigkeit und profilgerechten Lage der Unterlage vorhanden. Hier sei auf die entsprechenden Eigenüberwachungsprüfungen gemäß den Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen hingewiesen. Als weiterer Punkt müssen die möglichen Abweichungen der dimensionierungsrelevanten Materialparameter vom Labor zur Praxis erwähnt werden. Dieses Wissen ist seit einiger Zeit vorhanden und für die generelle Weiterentwicklung und Akzeptanz der rechnerischen Dimensionierung in der Praxis von großer Bedeutung. Daher wird diese Thematik momentan im Rahmen des Forschungsvorhabens FE 7.253/2011/ERB „Repräsentative Ermittlung der performance-relevanten Asphalteigenschaften als Grundlage neuer Vertragsbedingungen“ detailiert und systematisch behandelt.

5 Hinweise für die Ausschreibung von Baumaßnahmen mit rechnerisch dimensionierten Oberbauten mit Asphaltdeckschicht

Basierend auf den Erfahrungen bei Straßen.NRW werden nachfolgend einige Hinweise für die Ausschreibung von Baumaßnahmen mit rechnerisch dimensionierten Oberbauten aufgelistet.

An erster Stelle steht die Entscheidung für ein Ausschreibungsmodell. Je nach vorliegendem Einzelfall muss hier eine Abwägung der verschiedenen Vor- und Nachteile der möglichen Varianten stattfinden.

Im Weiteren muss die Ausschreibung einheitliche und vollständige Vorgaben zu allen abweichenden Parametern und Vorgehensweisen gemäß den Richtlinien enthalten, damit eine eindeutige Kalkulationsgrundlage vorhanden ist. Je nach Ausschreibungsmodell muss entschieden werden, ob Abweichungen von den Technischen Lieferbedingungen und Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen zugelassen sind. Dieses geht einher mit der Zulassung von alternativen (innovativen) Mischgutkonzepten. Werden alternative Mischgutkonzepte zugelassen, muss die Ausschreibung Angaben über alle notwendigen Randbedingungen hierzu enthalten, z. B. zu alternativen Grenzwerten und Toleranzen. In diesem Zusammenhang ist auch der nächste Punkt zu verstehen. Bei Hauptangeboten die auf dem Nachweis einer Mindest-Nutzungsdauer basieren, müssen die Erstprüfungen bzw. die Eignungsnachweise mit dem Angebot eingereicht werden. Nur so kann eine vollständige Beurteilung im Rahmen der Angebotswertung durchgeführt werden. Dieses bezieht sich insbesondere auf die dimensionierungsrelevanten Materialparameter. Auf keinen Fall zu vernachlässigen ist die Frage zu dem Umgang mit Kontrollprüfungen. Hier stehen die Fragen im Vordergrund, was zusätzlich geprüft wird und wie diese Prüfergebnisse in den Beurteilungsprozess einfließen. In diesem Zusammenhang wird wiederum auf die entsprechenden „Empfehlungen für die Abwicklung von Bauverträgen bei Anwendung der RDO Asphalt“ hingewiesen. 

6 Fazit und Ausblick

Die Veröffentlichung der Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen war ein wichtiger Schritt um bei einer Dimensionierung Materialparameter berücksichtigen zu können und damit eine Schichtdickenfestlegung auf der Grundlage einer rechnerischen Nachweisführung durchführen zu können. Die Erfahrungen mit rechnerisch dimensionierten Oberbauten in konventionellen Bauverträgen sind derzeit gering. Die Gründe hierfür sind unterschiedlich, durch die RStO 12 wird die Anwendung wahrscheinlich zunehmen. Für die Umsetzung von RDO-Maßnahmen mit einem konventionellen Bauvertrag fehlen derzeit einheitliche Vorgaben, insbesondere für die Ausschreibungen. Hierdurch sind in jedem Fall Anpassungen in den Bauverträgen erforderlich. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass sich die Anwender von Bauverträgen auf RDO-Basis auf ein gewisses Umdenken bzw. einen Gewöhnungsprozess einlassen müssen. Insbesondere muss ein größerer Aufwand für Voruntersuchungen eingerechnet werden und damit auch ein anderes Maß für die Zeitabläufe akzeptiert werden.

Über viele Jahrzehnte hinweg wurden Oberbauten im deutschen Straßenbau mit den Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaues bemessen bzw. dimensioniert. Da kann es nicht verwunderlich sein, dass große Änderungen oder Ergänzungen, wie sie die Einführung der Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung von Oberbauten zweifelsfrei darstellen, naturgemäß eine gewisse Zeit brauchen um bei allen Beteiligten, auch in den Straßenbauverwaltungen, angekommen zu sein. Nach Meinung des Autors muss daher die unmittelbare Dimensionierungszukunft zunächst von einem vernünftigen Nebeneinander der vorhandenen Richtlinien geprägt sein.

Literaturverzeichnis

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2009): Allgemeines Rundschreiben Straßenbau Nr. 15/2009 (RDO Asphalt 09), Verkehrsblatt-Verlag, Dortmund

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2010): Allgemeines Rundschreiben Straßenbau Nr. 21/2010 (RDO Beton 09), Verkehrsblatt-Verlag, Dortmund

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2012): Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen (RStO 12), Köln, FGSV 499

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2001): Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaues von Verkehrsflächen, Ausgabe 2001 (RStO 01), Köln

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2009): Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht (RDO Asphalt 09), Köln, FGSV 498

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2009): Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung von Betondecken im Oberbau von Verkehrsflächen (RDO Beton 09), Köln, FGSV 497

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2011): Empfehlungen für die Abwicklung von Bauverträgen bei Anwendung der RDO Asphalt, Köln, FGSV 767

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2009): Arbeitsanleitung zur Bestimmung des Steifigkeits- und Ermüdungsverhaltens von Asphalten mit dem Spaltzug-Schwellversuch als Eingangsgröße in die Dimensionierung (AL Sp-Asphalt 09), Köln, FGSV 430

Kiehn e, A. (2007): Rechnerische Dimensionierung von Verkehrsflächenbefestigungen in Asphaltbauweisen – Entwicklung und Umsetzung eines Verfahrens, Manuskript zur Dissertation, TU Dresden (unveröffentlicht)