FGSV-Nr. FGSV 002/108
Ort Köln
Datum 28.11.2013
Titel Verfahrensweise bei der Bewertung der strukturellen Substanz von Asphaltbefestigungen
Autoren Univ.-Prof. Dr. Ing. Ulf Zander
Kategorien Infrastrukturmanagement
Einleitung

Für die Bewertung der strukturellen Substanz wurden bislang von Fall zu Fall sehr unterschiedliche Verfahrensweisen angewendet, die sich sowohl bei den eingesetzten Messverfahren (Falling Weight Deflectometer, Georadar usw.) als auch bei der Interpretation der damit erzielten Kennwerte und der Auswertung unterscheiden. Mit der im Verfahren der rechnerischen Dimensionierung implementierten Theorie steht jedoch ein Werkzeug zur Verfügung, mit der die Bewertung der strukturellen Substanz sachgerecht vollzogen werden kann. Mit der Erstellung der „Richtlinien zur Bewertung der strukturellen Substanz des Oberbaus von Verkehrsflächen in Asphaltbauweise“ (RSO Asphalt 14) wurden von den Arbeitsausschüssen 4.4 (Substanzbewertung) und 4.6 (Wirtschaftlichkeit der Bauweisen) deshalb der Versuch unternommen, die aktuell als wissenschaftlich fortgeschritten und baupraktisch handhabbar angesehene Vorgehensweise darzustellen und die Unternehmungen auf diesem Gebiet damit zu vereinheitlichen.

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1 Jeder weiß, was Substanz ist

Wenn es um die Substanz einer Straße geht, erhitzen sich in der Diskussion leicht die Gemüter der Beteiligten, und auch wenn nur Leute „vom Fach“ am Tisch sitzen, mag man sich lange darüber auszutauschen, warum eine Straße substanziell geschädigt ist, ehe man bemerkt, dass viele gänzlich unterschiedliche Vorstellungen von einem Substanzschaden besitzen. Am geläufigsten ist dabei wahrscheinlich die in der ZTV ZEB-StB formulierte Definition „An der Fahrbahnoberfläche erkennbare Zustandsindikatoren für strukturelle Schäden der Fahrbahnbefestigung“. Hierunter werden nach diesem Regelwerk eine ganze Reihe von Schadensbildern wie Flickstellen, Risse, Ausmagerungen, offene Nähte, Splittverlust u. Ä. verstanden. Sie stellen für die Zustandserfassung und -bewertung Indizien für das Vorhandensein von strukturellen Schäden dar, ohne dass näher definiert ist, wo der ursächliche Substanzschaden im Aufbau aufzufinden ist. Manche dieser Schäden prägen sich nämlich als Substanzschaden direkt an der Fahrbahnoberfläche aus, während andere tiefer im Aufbau entstehen und teilweise Jahre später erst an der Fahrbahnoberfläche anlangen. Eine Beseitigung letzterer Schäden ist also mit einer vergleichsweise einfachen und kostengünstigen Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahme nicht möglich. Solche strukturellen Substanzschäden entstehen in den allermeisten Fällen an der Unterseite des Asphaltaufbaus als initialer Riss, der sich bei fortwährender Verkehrsbelastung allmählich nach oben fortentwickelt. Er ist somit über Jahre hinweg weder an der Oberfläche noch durch heute verfügbare Messverfahren (z. B. Georadar) erkennbar. Auf der anderen Seite leitet sein Entstehen den Prozess der Zerstörung der gesamten Straßenbefestigung ein und wird in näherer Zukunft eine kostenintensive Erneuerungsmaßnahme erforderlich machen. Die Kenntnis über seine Existenz hilft also, wirtschaftlich unsinnige Erhaltungsmaßnahmen an Deck- und Binderschicht nicht in Betracht zu ziehen, und ermöglicht somit erhebliche finanzielle Einsparungen.

Die strukturelle Substanz wird hierfür als ein Gesamtvorrat des Oberbaus von Verkehrsflächen an Widerstandsfähigkeit gegen Belastungen über die geplante Nutzungsdauer gesehen. Weder national noch international existiert derzeit ein Verfahren, das in der Lage ist, netzweit Messergebnisse zu liefern, mit denen eine Bewertung der strukturellen Substanz durchführbar wäre. Für konkrete Streckenabschnitte aber stellt die Anwendung zerstörender Prüfungen ein geringeres Problem dar. Hierfür liefert das Verfahren der rechnerischen Dimensionierung RDO Asphalt 09 eine auf physikalischen Zusammenhängen basierende Theorie, mit der eine Bewertung der strukturellen Substanz möglich erscheint. Der Arbeitsausschuss „Substanzbewertung“ der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen hat deshalb einen Arbeitskreis mit der Aufgabe zur Erstellung einer entsprechenden Richtlinie gegründet. Nach fast dreijähriger Tätigkeit liegt hierfür mittlerweile eine Entwurfsfassung der „Richtlinien zur Bewertung der strukturellen Substanz des Oberbaus von Verkehrsflächen in Asphaltbauweise“ (RSO Asphalt 14) vor. Das darin beschriebene Bewertungsverfahren lässt sich grob in drei Schritte (Bild 1) gliedern:

1. Beibringen der Eingangsdaten

2. Bildung homogener Abschnitte

3. Ermittlung der strukturellen Substanz.

Einen vierten Schritt stellt die Bestimmung des monetären Werts der Straßenbefestigung dar. Dieser Teil der Richtlinie wurde durch eine ad-hoc-Gruppe im Arbeitsausschuss Wirtschaftlichkeit von Bauweisen erarbeitet und ist nicht Gegenstand dieser Veröffentlichung.

Bild 1: Ablaufschema zur Substanzbewertung von Asphaltbefestigungen

2 Ohne Wissen keine Erkenntnis

Für die Bewertung der strukturellen Substanz ist die Kenntnis über den Aufbau der Straßenbefestigung sowie dessen Belastungen selbstverständlich unablässig. Über den Aufbau sollten dabei die Dicke aller vorhandenen Schichten und das Alter zumindest der Asphalttragschicht bekannt sein. Die Schichtdicken werden benötigt, um später die aus den Verkehrsbelastungen resultierenden Spannungen und Dehnungen in allen Tiefen des Aufbaus ermitteln zu können. Da Deck- und Binderschichten in ihren Materialkennwerten weniger stark in die Berechnungen eingehen als die erheblich dickeren Asphalttragschichten, kann zumeist auf das Wissen über das Alter dieser Schichten verzichtet werden, zumal ansonsten Annahmen über die Kennwerte der zuvor eingebauten Asphaltschichten getroffen werden müssen. Vereinfachend kann deshalb davon ausgegangen werden, dass Deck- und Binderschichten unabhängig von allen Instandsetzungsmaßnahmen im Tiefeinbau über den Nutzungszeitraum der Asphalttragschicht konstante Materialeigenschaften aufwiesen.

Die Verfügbarkeit dieser historischen Werte ist voraussichtlich in einer Reihe von Fällen nicht unmittelbar gegeben, da entsprechende Informationen in den Bauakten oder auch in den Datenbanken nicht vorhanden sind. Georadarmessungen können aber zumindest für die Gesamtdicke der Asphaltbefestigung nutzbare Erkenntnisse liefern.

Die Verkehrsbelastung selbst sollte für die Zukunft sorgfältig prognostiziert werden, das heißt eine überschlägige Schätzung der voraussichtlich zu erwartenden 10-t-Achsübergänge auf der Basis einfacher DTVSV-Daten wird in vielen Fällen keine ausreichend genaue Ermittlung der noch zu erwartenden Nutzung ermöglichen. Hier sollten detailliertere Informationen über die Verkehrszusammensetzung und deren Beladungsgrad vorliegen und genutzt werden.

Für die allgemeine Anwendung des Verfahrens zur Bewertung der strukturellen Substanz, die im Bereich des konventionellen Erhaltungsmanagements liegen wird, ist die Kenntnis der bisherigen Verkehrsnutzung auf den zu bewertenden Streckenabschnitten nicht erforderlich, da allein die in Laborversuchen zu bestimmenden Materialkennwerte zusammen mit den Aufbaudaten die notwendigen Informationen für die Restsubstanz der Befestigungen bei gegebener Verkehrsprognose beinhalten. Für Vertragsformen allerdings, in denen eine Dimensionierung für eine konkrete Verkehrsbelastung durchgeführt wurde und somit eine Anforderung an die strukturelle Substanz gestellt wird, müssen diesen Informationen aber vorliegen. Beide Vertragspartner werden Vorkehrungen treffen müssen, um entsprechende Daten zu dokumentieren und für die erforderlichen Nachweise bereit zu halten.

Ganz ähnlich verhält es sich mit den klimatischen Daten für die Straßenbefestigungen. Die aus der bisherigen Nutzungsdauer resultierenden Auswirkungen auf die strukturelle Substanz der Asphaltschichten zeigen sich in den Ergebnissen der Materialuntersuchungen und sind deshalb für die Herleitung dieses Strukturzustands nicht notwendig. Aktuell wird diskutiert, wie detailliert die Klimadaten für die rechnerische Dimensionierung und somit auch für die Bewertung der strukturellen Substanz vorliegen müssen. Es sollte aber nicht ignoriert werden, dass es sich hierbei praktisch um eine Wettervorhersage für die nächsten Jahre bis Jahrzehnte handelt. Selbst wenn hier statistische Verteilungen und probabilistische Verfahren eingesetzt werden, so basieren diese letztlich auf den Wetterdaten der Vergangenheit, mit deren exakter Abbildung nicht unbedingt eine bessere oder auch eine unbedingt erforderliche genaue Prognose erreicht wird. Überlegenswert erscheint hingegen das Argument, dass die aktuellen Regelungen hierzu in den RDO Asphalt und auch in der bereits vorliegenden Fortentwicklung des Ansatzes extremere Wetterereignisse praktisch keine Beachtung finden. Mit ihnen ist jedoch innerhalb eines Dimensionierungszeitraums durchaus zu rechnen, weshalb eine Betrachtung der daraus eventuell resultierenden Substanzschädigungen untersucht werden sollte.

Die Ermittlung der Eingangsdaten für die Bewertung der strukturellen Substanz sollte gut durchdacht und hinreichend genau durchgeführt werden. Einige der hier zu beschaffenden und zu interpretierenden Informationen sind für die Ermittlung der noch vorhandenen Substanz nicht unmittelbar erforderlich, sondern dienen der Definition von Abschnitten auf der zu bewertenden Strecke, die vergleichbare Substanzeigenschaften aufweisen. Diese so genannten homogenen Abschnitte werden beispielsweise durch einen Wechsel der Bauweise oder der Baustoffgemische, bei einem Wechsel auf eine drei Jahre jüngere oder ältere Asphalttragschichtlage, bei deutlich unterschiedlicher Verkehrsbelastung oder verändertem Schichtenverbund begrenzt. Insbesondere ist hier aber die Dicke der Befestigung näher zu betrachten. Es bietet sich an, diese mit Hilfe eines Georadars über die gesamte Streckenlänge messen zu lassen und die Werte anschließend mit dem in beschriebenen Verfahren zur Bildung von homogenen Abschnitten auszuwerten.

Bewährt hat sich darüber hinaus die Involvierung weiterer Kenngrößen, die einen Aufschluss über die substanzbeeinflussenden Randbedingungen des Streckenabschnitts liefern können und mit denen eine weitergehende Abschnittsbildung vollzogen werden kann. Hierzu zählen in erster Linie Tragfähigkeitswerte, wie sie beispielsweise mit dem Falling Weight Deflectometer erfasst werden können. Da hierfür verschiedene Auswertungen zur Verfügung stehen, ist es wichtig, sich auf die Ergebnisse zu beschränken, die nutzbringend für die Bewertung der Substanz sind. Es bietet sich beispielsweise an, nur einen Kennwert für die Tragfähigkeit des gesamten Oberbaus oder aber jeweils einen Kennwert für die des Untergrunds bzw. Unterbaus und einen der gebundenen Schichten zu nutzen.

Immer wieder werden auch Kenngrößen der Zustandserfassung und -bewertung in die Substanzbewertung in Bezug auf den gesamten Oberbau integriert. Dieser zunächst naheliegend erscheinende Ansatz ist aufgrund der einleitenden Ausführungen zur Definition der Substanz nicht immer ratsam. Da die Zustandserfassung und -bewertung Schäden wie Flicken und Risse ohne einen Ursachenbezug aufnimmt, verbietet sich ein Rückschluss auf eine Qualität der vorhandenen strukturellen Substanz. Gegebenenfalls können vertiefende Untersuchungen hierzu weitere Erkenntnisse liefern, die eine Berücksichtigung der ZEB-Daten erlauben oder auch ausschließen.

In Abhängigkeit von der Heterogenität der Eingangsgrößen, die ihrerseits von der Straßenkategorie beeinflusst wird, ergeben sich unterschiedlich viele homogene Abschnitte. Ihre Anzahl ist zudem umso größer, je mehr Daten zur Bildung der Abschnitte herangezogen werden, denn ein homogener Abschnitt muss hinsichtlich aller Kennwerte vergleichbare Ausprägungen besitzen. Zudem ist es streng genommen erforderlich, jeden homogenen Abschnitt auf seine Substanz zu bewerten, wozu in den meisten Fällen eine Beprobung durchgeführt werden muss. Der Grund für diesen vergleichsweise großen Aufwand liegt darin begründet, dass aus den substanzrelevanten Eingangsdaten und Randbedingungen keine direkten Rückschlüsse auf die strukturelle Substanz selbst gezogen werden können. Konkret besteht also kein Zusammenhang zwischen einer guten bzw. schlechten Tragfähigkeit oder einer dünnen bzw. dicken Befestigung und der strukturellen Substanz der Befestigung. Damit ist es nicht möglich, einen der definierten homogenen Abschnitte als den mit einer repräsentativen oder vermeintlich schlechtesten bzw. besten Substanz zu detektieren und die weitere Bewertung allein auf diesen zu beschränken.

Die RSO Asphalt geben trotzdem Verfahrensweisen vor, in welchen Fällen auf welche Weise eine zu detaillierte Abschnittsbildung vermieden werden kann. Aus allen dann noch verbleibenden homogenen Abschnitten sind im Weiteren jeweils

– 10 Bohrkerne zur Bestimmung der Ermüdungsfunktion (AL Sp-Asphalt)

– 4 Bohrkerne zur Bestimmung der Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktion (AL Sp-Asphalt)

– 2 Bohrkerne zur Bestimmung des Schichtenverbunds (TP Asphalt-StB, Teil 80 oder Teil 48)

zu entnehmen. Die 16 Bohrkerne beziehen sich auf einen 1 km langen Abschnitt und werden für jeden weiteren begonnenen Kilometer um fünf weitere ergänzt. Für ihre Entnahme stehen grundsätzlich zwei Verfahren zur Verfügung: die Querschnitts- und die Abschnittsbeprobung (Bild 2). Erstgenannte Form der Probengewinnung wurde bereits in verschiedenen Forschungsprojekten (Ressel, Benner, Wellner, Werkmeister, Lipke, 2008) und auch Substanzbewertungen für konkrete Strecken der Bundesländer angewendet (Zander, Buch, Grohs, Birbaum, 2013), so dass viele fachkundige Beschäftigte im Straßenbau damit vertraut sind. Dabei werden die Bohrkerne vorzugsweise im Bereich der Rollspur auf einer möglichst kurzen Fläche des zu bewertenden homogenen Abschnitts entnommen. Auf diese Weise sollen die Schwankungen der Materialeigenschaften gering gehalten werden. Da dieser Ansatz jedoch nur ein wenig repräsentatives Ergebnis liefern kann, schlägt die RSO Asphalt die Abschnittsbeprobung vor. Nach einer Unterteilung des Abschnitts in so viele Bereiche, wie Bohrkerne erforderlich sind, werden diese an zufällig festzulegenden Punkten innerhalb dieser entnommen. Die Abschnittsbeprobung bietet damit ein weitestgehend auf dem Zufallsprinzip basierenden Bohrplan und liefert somit Probekörper, die die Charakteristik des Abschnitts in all seinen Ausprägungen abbildet.

Bild 2: Anordnung der Bohrkerne bei der Abschnitts- und Querschnittsbeprobung

Zusätzlich zu den bereits genannten an den Asphaltproben zu bestimmenden Materialkennwerten (Ermüdungsfunktion, Steifigkeits-Temperaturfunktion und Schichtenverbund) sind gegebenenfalls für die hydraulisch gebundenen und die ungebundenen Schichten die aus den RDO Asphalt bekannten dimensionierungsrelevanten Parameter – also der Elastizitätsmodul und die Querdehnzahl sowie der Ev2-Wert – zu definieren. Sofern hierzu keine Daten vorliegen bzw. Zweifel an der fortwährenden Qualität der Schichten bestehen, kann ihre Ermittlung nach den bekannten Ausführungen der RDO Asphalt durchgeführt werden.

3 Zwei Wege führen zum Ziel

Mit Vorliegen der Verkehrs-, Aufbau- und Materialdaten kann die Bewertung der Substanz für die gebildeten homogenen Abschnitte vollzogen werden. Diese bezieht sich ähnlich wie bei der rechnerischen Dimensionierung auf den Nachweis der untersten nicht im Verbund zu einer unter ihr liegenden Schicht bzw. Lage gegenüber den auftretenden Biegezugbeanspruchungen. Die Spannungen und Dehnungen am Nachweispunkt werden in Abhängigkeit von der Anzahl an Achsübergängen mit verschiedenen Lasten und den während der verbleibenden Nutzungsdauer voraussichtlich vorherrschenden Temperaturen über den Aufbau berechnet und für jeden Lastfall ein Schädigungsanteil ermittelt. Alle Schädigungen werden nach der Miner-Hypothes aufsummiert, und sobald diese Summe den Wert „1“ erreicht, wird der Ausfall der Befestigung detektiert, das heißt zu diesem Zeitpunkt ist die strukturelle Substanz des Straßenaufbaus aufgebraucht.

Diese Verfahrensweise ist den Anwendern der RDO Asphalt hinlänglich bekannt. Neu hingegen ist, dass neben diesem deterministischen Ansatz auch eine probabilistische Auswertung zur Verfügung steht. Der Vorteil der probabilistischen Herangehensweise liegt darin, dass die Ergebnisermittlung die Streuungen der Eingangswerte berücksichtigt und nicht – wie es beim deterministischen Ansatz der Fall ist – ein einziges und definitives Eintrittsergebnis, sondern eine Wahrscheinlichkeit für den Ausfall der Befestigung liefert. Zusätzlich erhält man eine Variabilität der Aussage, also einen Streubereich der Restnutzungsdauer.

Für die Anwendung des probabilistischen Ansatzes wird in den RSO Asphalt zunächst eine Ausfallwahrscheinlichkeit der Befestigung für das Ende ihrer Nutzungsdauer definiert, das heißt es wird beispielsweise festgelegt, dass die strukturelle Substanz vollständig aufgebraucht ist, sobald 10 % der zu bewertenden Verkehrsfläche entsprechend dem ausgeführten Nachweis ausgefallen sind. Für diese Ausfalldefinition wird die zum Bewertungszeitpunkt noch vorhan-dene Restsubstanz bzw. Restnutzungsdauer ermittelt.

Bild 3: Charakteristika der deterministischen und probabilistischen Verfahrensweise bei der Bestimmung der strukturellen Substanz von Straßenbefestigungen

Der probabilistische Ansatz bietet sich demnach aber auch für die rechnerische Dimensionierung an, weshalb entsprechende Einarbeitungen für die nächste Version der RDO Asphalt bereits in Angriff genommen wurden. Eine Baufirma kann dann beispielsweise auch für sich ermitteln, wie sich eine erreichte Homogenität der Strecke positiv auf die Nutzungsdauer auswirkt und gewinnt gegenüber der deterministisch ermittelten Aussage eine gesteigertes Sicherheitsmaß der Ausfallprognose.

Für die Bewertung der strukturellen Substanz besteht ein grundsätzlicher Unterschied bei der Bestimmung des Ausfallzeitpunktes gegenüber der rechnerischen Dimensionierung. Während die Materialkennwerte für die Dimensionierung im Labor gewonnen werden, stehen bei der Substanzbewertung Probekörper direkt aus der bereits jahrelang unter Verkehr liegenden Straßenbefestigung zur Verfügung. In die in den RDO Asphalt verankerten Sicherheitsbeiwerte wurde die Übertragung der Laborwerte in die auszuführenden Schichten und die Konstruktion eingerechnet. Dieser Anteil des Sicherheitsbeiwerts ist für die Substanzbewertung nicht erforderlich und kann sich aufgrund der damit verbundenen Realitätsferne deutlich negativ auf die Genauigkeit der Prognose auswirken. Somit werden in den RSO Asphalt andere Sicherheitsbeiwerte erscheinen, die aber nicht im Widerspruch zu denen der rechnerischen Dimensionierung stehen. Keinesfalls dürfen deshalb diese neuen Sicherheitsbeiwerte in der Weise interpretiert werden, dass sie aufgrund des aktuelleren Veröffentlichungsdatums für die rechnerische Dimensionierung übernommen werden könnten. Auch ist es nicht zulässig zu behaupten, dass ausreichende Erfahrungen und eine gutes Qualitätsmanagement seitens eines Bauunternehmens dazu berechtigen.

Die sich aus der Nachweisführung ergebende verbleibende strukturelle Substanz offenbart die noch ertragbare Anzahl an Achsübergängen für die zu bewertende Befestigung. In den meisten Fällen wird dieses Ergebnis dazu beitragen, dass das weitere Erhaltungsmangagement der Bauverwaltung die Dauerhaftigkeit der Asphalttragschicht berücksichtigt (Bild 4). Wie groß die dadurch ermöglichten wirtschaftlichen Nutzen ausfallen können, wird derzeit in einem von der TU Dresden und der Universität Siegen gemeinsam durchgeführten Forschungsauftrag anhand der in den RSO Asphalt enthaltenen Systematik zur monetären Beurteilung ermittelt (Wellner, Zander, Dragon, Birbaum, Buch, 2013). Denkbar ist aber natürlich auch, dass die strukturelle Substanz als Anforderungen an die erbrachte Bauleistung definiert werden sollen. Hierfür sind selbstverständlich entsprechende Erfahrungen mit dem Verfahren selbst erforderlich. Für den Bereich der Überprüfung der erzielten strukturellen Substanz direkt nach dem Neubau, also bei dem Vergleich der Eigenschaften der ausgeführten Baumaßnahme gegenüber dem Ergebnis der rechnerischen Dimensionierung könnten hier voraussichtlich am ehesten Möglichkeiten gegeben sein (Anforderungen hinsichtlich der verbleibenden Belastung). Für Regelungen im Rahmen von neueren Vertragsformen, also in Funktionsbauverträgen oder Konzessionsmodellen wären entsprechende Anforderungen aber auch hinsichtlich der Gesamtbelastung vorzusehen. Gerade bei der Wahl des probabilistischen Verfahrens sind noch verschiedene Anwendungen in der Praxis zu betrachten, um einen ausreichenden Bewertungshintergrund aufzubauen. Entsprechende Maßnahmen hierfür sind bereits in der Vorbereitung.

Bild 4: Möglichkeiten für die Verwendung der ermittelten strukturellen Substanz

Literaturverzeichnis

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2009): Arbeitsanleitung zur Bestimmung des Steifigkeits- und Ermüdungsverhaltens von Asphalten mit dem Spaltzug-Schwellversuch als Eingangsgröße in die Dimensionierung (AL Sp-Asphalt 09), Köln, FGSV 430

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen(2009): Arbeitspapier Grundlagen zur Ermittlung homogener Abschnitte zur Bewertung der strukturellen Substanz von Straßenbefestigungen, Köln, FGSV 431

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2008): Arbeitspapier Tragfähigkeit – Teil B 2.1 Falling Weight Deflectometer (FWD): Gerätebeschreibung, Messdurchführung – Asphaltbauweisen, Köln, FGSV 433 B 2.1

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Arbeitspapier Tragfähigkeit, Teil C 2.1 Falling Weight Deflectometer (FWD): Auswertung und Bewertung – Teil Verkehrsflächenbefestigungen in Asphaltbauweise, Köln, Entwurf

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2003): Begriffsbestimmungen, Teil: Straßenbautechnik, Köln, FGSV 924

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2010): Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht (RDO Asphalt 09), Köln, FGSV 498

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2012): Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaues von Verkehrsflächen (RStO 12), Köln, FGSV 499

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2014): Richtlinien zur Bewertung der strukturellen Substanz des Oberbaus von Verkehrsflächen in Asphaltbauweise (RSO Asphalt 14), Entwurf

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2006): Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien zur Zustandserfassung und -bewertung von Straßen (ZTV ZEB-StB), Köln, FGSV 489

Ressel, W.; Benner, A.; Wellner, F.; Werkmeister, S.; Lipke, S. (2008): Vergleichende Bewertung der Restsubstanz von Asphaltbefestigungen nach langjähriger Verkehrsnutzung, Stuttgart/Dresden, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 1003

Wellner, F.; Zander, U.; Dragon, I.; Birbaum, J.; Buch, M. (2013): Grundlagen für die Beurteilung der dimensionierungsrelevanten Eigenschaften und der Wirtschaftlichkeit von Oberbaubefestigungen aus Asphalt, Zwischenbericht zum Forschungsprojekt 07.0236/2010/AGB, Dresden

Zander, U.; Buch, M.; Grohs, S.; Birbaum, J. (2013): Bewertung der strukturellen Substanz von Verkehrsflächenbefestigungen, Schlussbericht zum Forschungsprojekt im Innovationsprogramm des BMVBS, Siegen