FGSV-Nr. FGSV 002/115
Ort Duisburg
Datum 15.02.2017
Titel Herausforderung Infrastrukturerhaltung
Autoren Hon.-Prof. Dr.-Ing. Ulf Zander
Kategorien Infrastrukturmanagement
Einleitung

Der Erhaltungsstau der deutschen Verkehrsinfrastruktur hat mittlerweile ein Maß erreicht, das zu spürbaren Problemen im Reise- und Güterverkehr führt. Insbesondere der Zustand der Brücken und der der Straßen im nachgeordneten Netz ist offensichtlich nicht mehr als gut zu bezeichnen. Die Politik hat nach vielen Jahren, in denen die Schwerpunkte des Handelns und Investierens in anderen Bereichen gesehen wurden, nunmehr reagiert und stellt deutlich mehr Finanzen zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung. Dies zum Anlass zu nehmen, schlicht die baulichen Aktivitäten erhelblich zu intensivieren, führt jedoch zu weiteren gravierenden Beeinträchtigungen der Verfügbarkeit des Verkehrsnetzes. Gefragt sind Anstrengungen, die zu einer Verbesserung der Qualitäten im Straßenbau und damit zu einer Verlängerung der Nutzungsdauern von Schichten und ganzen Befestigungen beitragen, um langfristig eine Reduktion der Beeinträchtigungen für den Verkehr zu erwirken.

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1 Heilt mehr Geld den Straßenbau?

Als vor nunmehr 25 Jahren die erste Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) durchgeführt wurde, verkehrten auf den Bundesautobahnen täglich im Schnitt rund 42.000 Fahrzeuge, von denen mehr als 6.100 Fahrzeuge des Schwerverkehrs waren. Hinsichtlich der Verkehrsbelastung lag Deutschland damit hinter Großbritannien, Belgien und den Niederlanden im Mittelfeld der westeuropäischen Autobahnnetze. Seither sind die Beanspruchungen, die die bundesdeutschen Straßen zu ertragen haben, beinahe kontinuierlich gestiegen: Heute wird auf ihnen eine Gütertransportleistung von mehr als 330 Mrd. tkm abgeleistet – weit mehr als in jedem anderen europäischen Land und rund 65 % mehr als zum Zeitpunkt der ersten Zustandserfassung und -bewertung (BMVI, 2014).

Die Ergebnisse dieser ersten Zustandserfassung auf den Bundesautobahnen zeigten deutlich, dass das sichtbare Schadensbild auf den Asphaltbefestigungen stark von Spurrinnen geprägt wurde. Während die Längsebenheit und auch die Risse auf der Fahrbahnoberfläche nur bei sehr wenigen Streckenabschnitten Anlass für ein Eingreifen gaben, bereiteten Spurrinnen und auch die Griffigkeit deutlich mehr Sorgen (Bild 1). Mehr als 22 % der Autobahnen erhielten für die Griffigkeit und mehr als 15 % aufgrund der Spurrinnentiefe eine Zustandsnote von 3,5 oder schlechter.

25 Jahre später haben sich die Verhältnisse sichtbar verändert. Hinsichtlich der Griffigkeiten hat sich der qualitative Zustand deutlich verbessert, und auch bei dem Zustandswert Spurrinnentiefe hat sich eine starke Verschiebung der Zustandsnoten in den guten Bereich vollzogen. Dafür hat sich jedoch die Anzahl der Abschnitte, auf denen erhebliche Rissbildung gefunden wurde (Zustandswert ≥ 3,5), mehr als verdoppelt.

Die Einführung der Zustandserfassung und -bewertung hatte neben der reinen Zustandsanalyse des Straßennetzes das Ziel, Eingangsgrößen für das Pavement Management System (PMS) zu liefern, das wiederum der Politik die Auswirkungen unterschiedlicher Finanzmitteleinsätze verdeutlichen sollte. Dieses Verfahren aus Erfassung und Bewertung des Zustands und Ableitung eines überschlägigen Erhaltungsaufwands dient somit seither der Festlegung der Haushaltsansätze sowie der Verteilung der Finanzmittel auf die Bundesländer.

Bild 1: Ergebnisse der Zustandserfassung und -bewertung aus den Jahren 1991/1992 sowie 2014/2015 auf dem rechten Fahrstreifen aller Bundesautobahnen in Asphaltbauweise (Wertesynthese 2015)

Eine konkrete Erhaltungsplanung wird dadurch nicht vorgegeben, hierfür werden die Auswertungen der Zustandserfassung an die Länder übergeben, die diese unter Berücksichtigung wichtiger Randbedingungen und bestehender Prioritäten für das weitere Vorgehen nutzen.

Für die Erhaltungsbedarfsprognose 2001 bis 2015 hat der Bundesrechnungshof anhand eigener Analysen (Bundesrechnungshof, 2015) aufzeigen können, dass für die Erhaltung der Bundesfernstraßen lediglich in den Jahren 2009 und 2013 ausreichende Finanzmittel zur Verfügung standen. In den restlichen Jahren war die Straßenerhaltung deutlich unterfinanziert. Somit wurde mit Recht und Nachdruck in den letzten Jahrzehnten gegenüber der Politik proklamiert, dass der Zustand der Straßen und Brücken aufgrund nicht ausreichender finanzieller Ausstattung für den Bau, die Baubegleitung, die Erhaltung und den Betrieb zusehends in Mitleidenschaft gezogen wird. Die Zustandserfassung und -bewertung sowie das Pavement Management System zeigten hier die Missstände deutlich auf und verdeutlichten die Auswirkungen fortwährender Unterfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur. Es ist hinlänglich bekannt, dass auch die seit 2005 eingeführte Lkw-Maut die Verhältnisse für den Straßenbau nicht verbessert hat. Die hierdurch eingenommenen Einnahmen gingen vollständig zulasten des Haushaltsansatzes, so dass die Ausgaben für den Straßenbau seither wie vorher praktisch unverändert bei in etwa 5 Mrd. € verharren (Ausnahme: 2009/2010 Zusatzfinanzierung durch Konjunkturpaket +0,9 Mrd. €) (Bild 2).

Doch bei allem durchaus berechtigten Klagen über die finanziellen Rahmenbedingungen sollte über den Zustand des Bundesfernstraßennetzes differenziert geurteilt werden. Der Eindruck schlechter Straßen in Deutschland wird maßgeblich durch die in der Tat mancherorts als desolat zu bezeichnenden Brückenbauwerke, die vielfach nicht ausreichenden Zustände im ländlichen und kommunalen Straßennetz sowie durch große Staulängen auf Bundesautobahnen geprägt. Der Zustand der Bundesautobahnen an sich ist aber nach den Ergebnissen der aktuellen und auch der zurückliegenden Zustandserfassungen und -bewertungen als durchaus gut anzusehen.

Bild 2: Investitionen des Bundes in Bundesfernstraßen im Zeitraum von 2003 bis 2020 (BMVI, Deutscher Bundestag, HDB, Pro Mobilität)

Es liegt der Schluss nahe, dass wir bei den Bundesautobahnen weniger dessen Zustand beanstanden als vielmehr den Umstand, dass zur Beibehaltung des relativ guten Qualitätsniveaus zu viele und zu lang andauernde Baustellen benötigt werden, die die Verfügbarkeit des Netzes erheblich beeinträchtigen. Größere Finanzetats für die Bewältigung von mehr Erhaltungsmaßnahmen auf Bundesautobahnen wären hier demzufolge wenig hilfreich.

So wünschenswert und willkommen die vom Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur im Rahmen des sogenannten Investitionshochlaufs zugesagten zusätzlichen Finanzmittel von jährlich mehr als 2 Mrd. € sind, diese rund 40 %-ige Steigerung stellt die Straßenbauverwaltung wie die Bauindustrie vor große Herausforderungen und verpflichtet sie zu erheblichen Anstrengungen. Dabei sollte nicht aus den Augen verloren werden, dass das Ziel dieser Bemühungen nicht nur die Maximierung der Umsätze bzw. der abgewickelten Bauinvestitionen sein sollte, sondern dass der verstärke Finanzmitteleinsatz zu einer spürbaren Entlastung der Straßennutzer beitragen muss. Nur so wird sich auf politischer Ebene erschließen lassen, dass die neue Ausrichtung des Infrastrukturmanagements ein für die Gemeinschaft gewinnbringendes Investment darstellt.

Im Fokus des Verkehrsteilnehmers steht neben der Erfüllung der Sicherheit der Wunsch, das Reiseziel möglichst ohne Stau zu erreichen, somit also die Verfügbarkeit der Bundesfernstraßen. Für die Optimierung der Leistungsfähigkeit der Infrastruktur wird zunehmend die Einführung von sogenannten Key Performance Indicators (KPI) bzw. Kennzahlen als Steuerungsinstrument diskutiert. Zu derartigen Kenzahlen zählen der Netzzustand, die Verkehrssicherheit, die Kosteneffizienz, die Zuverlässigkeit u. a. m. Die Kennzahl Zuverlässigkeit (Ausfallsicherheit) befasst sich u. a. mit der Netzverfügbarkeit. Hier spielen Aspekte wie das Baustellenmanagement und die Analyse von Verkehrsströmen eine entscheidende Rolle. Die ASFINAG arbeitet in Österreich bereits mit derartigen Kennzahlen und hat Zielvorgaben, wie z. B. eine Baustellenfreiheit über 95 % im Gesamtnetz formuliert (Krmek).

Dieses Wunsches der Verkehrsteilnehmer sollte man sich zukünftig auch in Deutschland mehr noch als in der Vergangenheit bewusst sein und die Bestrebungen deshalb auf alle Maßnahmen konzentrieren, die die Häufigkeit und die Dauer von Eingriffen in den Verkehr minimieren. Aus diesem Grundgedanken leiten sich für die Bundesanstalt für Straßenwesen Ziele und Handlungsfelder ab, die in den vor uns liegenden Jahren angegangen werden.

2 Vertiefung des Wissens

Die Notwendigkeit von Erhaltungsmaßnahmen ergibt sich aus der Schädigung der Fahrbahnoberfläche, der Schichten des Aufbaus oder der gesamten Straßenbefestigung. Um die Anzahl der erforderlichen Maßnahmen zu deren Beseitigung zu reduzieren, sollten somit Kenntnisse über die Schadensarten, Schadensursachen und die Schadensverläufe sowie die maßgeblichen Einflussfaktoren bekannt sein. Selbstverständlich fallen einem Straßenbauingenieur hierzu viele Fakten ein, so beispielsweise:

  • Asphaltstraßen leiden unter Spurrinnenbildung und Rissen, die sich beide in Abhängigkeit von der Achslast und -anzahl, der Materialzusammensetzung und den Witterungsbedingungen schneller oder langsamer ausprägen,
  • bei den Betonstraßen dominieren die Risse, deren Entwicklung noch mehr als beim Asphalt von den Temperaturverläufen, aber auch von den Auflagerungsbedingungen und natürlich dem Verkehr beeinflusst wird,
  • und schließlich verlieren beide Bauweisen unter den Einwirkungen des Verkehrs allmählich auf der Fahrbahnoberfläche an Griffigkeit.

So banal sich diese Zusammenhänge für einen Fachmann anhören, so schwierig ist es leider auch, hieraus Modelle für die Schadensentwicklung an Straßenbefestigungen zu entwickeln. Über die Spurrinnenbildung und somit über das Verformungsverhalten von Asphalt bei Wärme wurde über Jahrzehnte hinweg geforscht, und trotzdem ist es bis heute nicht gelungen, auch nur einen adäquaten Laborversuch zur Bestimmung der auf dieses Kriterium optimierten Materialzusammensetzung oder auch zur Prognose des Materialverhaltens zu entwickeln. Selbst für dieses auf den ersten Blick vergleichsweise einfache Kriterium ist über den Zeitraum der vergangenen 30 Jahre praktisch kein Fortschritt zu verzeichnen.

Das Pavement Management bedient sich deshalb stattdessen standardisierter Verhaltenskurven (Bild 3) und Verhaltensklassen, mit denen das in der Zustandserfassung und -bewertung vorgefundene Schadensbild und dessen Ausprägung in die Zukunft prognostiziert und Eingreifzeitpunkte für erforderliche Erhaltungsmaßnahmen abgeschätzt werden können. Es zeigt sich jedoch nicht ganz unerwartet, dass die auf diese Weise ermittelten Nutzungsdauern hohe Unsicherheiten aufweisen, schließlich bleiben wesentliche Einflussgrößen wie die Verkehrsbelastung, die eingesetzten Baumaterialien sowie das Klima gänzlich unberücksichtigt. Auswertungen, die die Verkehrsbelastung mit in Ansatz bringen, erbrachten für durchgeführte Messkampagnen sogar einen gegenüber den Standardfunktionen qualitativ abweichenden Verlauf der Entwicklung (Bild 4).

Bild 3: Standardfunktionen für die Spurrinnen zur Prognose des Verhaltens (FGSV, Richtlinien für die Planung von Erhaltungsmaßnahmen an Straßenbefestigungen (RPE-Stra 01), 2001)

Bild 4: Entwicklung des Zustandswertes der Spurrinnen auf Fahrstreifen 1, unterteilt nach verhaltenshomogenen Gruppen (Maerschalk & Socina, 2008)

Ein tieferes Verständnis des Materialverhaltens wird bei der rechnerischen Dimensionierung den Straßenbefestigungen unterstellt. Hier wird der Versagensmechanismus in Form einer allmählichen Ermüdung des Materials unter einer Beanspruchung, die sich aus dem Verkehr, dem Wetter, dem Straßenaufbau, dem Schichtenverbund und der Schichtsteifigkeiten ergeben, nachvollzogen. Straßen mit niedrigen Verkehrsbelastungen in nordischen Wetterbedingungen versagen entsprechend anders als solche mit hohen, die beispielsweise durch den Rheingraben in Richtung Basel führen. Was am Einzelobjekt mit zerstörenden Prüfungen für eine Bewertung der strukturellen Substanz damit möglich ist, wird jedoch erst dann seine vollständige Bedeutung entfalten, wenn dieses Verfahren zumindest in vereinfachter Form auch für die Netzebene anwendbar wird. Es besteht die Hoffnung, dass hier mit den schnellfahrenden Tragfähigkeitsmessverfahren, die derzeit seitens der Bundesanstalt für Straßenwesen (MESAS) und der BU Wuppertal beschafft werden, erste Fortschritte erzielt werden können. Zwar liefert dieses sehr kostspielige Verfahren nur Tragfähigkeiten und damit keinen direkten Kennwert für die (Rest-)Nutzungsdauer von Straßenbefestigungen, hierüber können aber voraussichtlich zumindest aktuell kritische und unkritische Abschnitte sowie über mehrere Messkampagnen hinweg negative Entwicklungen detektiert werden (Zander, 2016).

Ähnliche Modelle wie für die Dimensionierung wären für die Spurrinnenbildung und die Rissentwicklung an der Fahrbahnoberfläche wünschenswert, um die Vorhersage von Schäden und somit von notwendigen Erhaltungsmaßnahmen zu verbessern. Darüber hinaus sollte sich aber ein zeitgemäßes und wirtschaftliches Erhaltungsmanagement nicht auf die Erhaltung selbst beschränken, sondern sich einem beständigen Fortschritt des Straßenbaus stellen. Hierzu sind die Ursachen für hohe und niedrige Nutzungsdauern ermittelbar zu machen, wozu solche Materialverhaltensmodelle von elementarer Bedeutung sind. Anhand dieser können dann Rückschlüsse auf Materialkennwerte gezogen und darauf aufbauend das Ziel der Verwirklichung längerer Nutzungsdauern angegangen werden.

Bild 5: Traffic Speed Deflectometer (TSD) des Road and Bridge Research Institute in Warschau

3 Steigerung der Nutzungsdauern

Da längere Nutzungsdauern direkt zu selteneren Erhaltungsmaßnahmen führen, nimmt die Verbesserung der Qualität von Baustoffen und deren Zusammensetzungen sowie des Einbaus einen hohen Stellenwert im Management der Straßeninfrastruktur ein. Modelle, die das Versagen der eingesetzten Baustoffe und Bauweisen nachempfinden, liefern die Werkzeuge, um anwendungsspezifische Konstruktionen zu entwerfen und verbesserte Materialien zu entwickeln. Um die Anwendung solcher Neuentwicklungen zu unterstützen, wird derzeit auf einer Fläche von ca. 25.000 m2 im Autobahnkreuz Köln-Ost ein neues Untersuchungsgelände geschaffen (Bild 6). Auf diesem Demonstrations-, Untersuchungs- und Referenzareal der BASt (duraBASt) sind größere Bereiche für die Testung von neue Schichten und Aufbauten unter realen Wetterbedingungen und unter zeitraffender Belastung mit dem Längsbelaster MLS30 vorgesehen. Durch eine entsprechende Instrumentierung können zudem Messwerte im Aufbau – beispielsweise Dehnungen, Druckspannungen und Temperaturen – erfasst und vor Ort gespeichert werden.

Das duraBASt repräsentiert damit eine Möglichkeit, Entwicklungen, die sich aufgrund von theoretischen Überlegungen und labortechnischen Untersuchungen als aussichtsreiche Neuerung darstellen, in eine erste praxisnahe Anwendung zu überführen. Vorteile gegenüber der Einrichtung einer Untersuchungsstrecke direkt im Straßennetz bestehen insbesondere in der direkten und unabhängigen Datenerfassung, der Vermeidung eines Eingriffs in den Verkehr und nicht zuletzt in der örtlichen Nähe zur Bundesanstalt für Straßenwesen. Direkt nach der Fertigstellung des Geländes Mitte des Jahres 2017 werden hier verschiedene Aufbaukonstruktionen für die Temperierung von Asphaltstraßen, eine Betondecke und unterschiedliche Asphaltdeckschichten mit offenporiger Struktur zur Lärmreduzierung, eine Befestigung, die durch induktive Ladung zur Selbstheilung angeregt werden soll, sowie Schichten unter Verwendung von Rejuvenatoren verwirklicht. Die sich anschließenden Untersuchungen müssen zügig angegangen werden, da zusätzlich zum bestehenden Projektplan bereits mehrere Anfragen von außen für weitere interessante Entwicklungen bestehen.

Das duraBASt liefert darüber hinaus aber auch einen Beitrag zur Verbesserung der Messqualität im Rahmen der Zustandserfassung und -bewertung. Verschiedene auf dem Gelände angesiedelte Strecken stellen an die schnellfahrenden Messfahrzeuge hohe Anforderungen bei der Erfassung der Längs- und Querebenheit, der Griffigkeit sowie der Rissdetektion auf der Fahrbahnoberfläche.

Bild 6: Luftbild des neuen Versuchsgeländes duraBASt der Bundesanstalt für Straßenwesen

Wesentliche Beiträge zur Verbesserung der Qualität von Straßen und damit zur Verlängerung der Nutzungsdauern können voraussichtlich im Bereich der Baukoordination erreicht werden. Projekte wie „Prozesssicherer Automatisierter Straßenbau“ (PAST) (Lipke, et al., 2013) oder „Prozesssichere Herstellung von Straßen in Betonbauweise“ liefern einen Einstieg in diesen Forschungsbereich. Als direkte Umsetzungen von Ergebnissen aus dem PAST-Projekt sind die Thermomulde und der Beschicker eingeführt worden und mittlerweile auf den Baustellen angekommen. Dies kann aber nur ein erster Schritt auf einem langen Weg zur Verbesserung der Einbauqualität und deren Homogenität darstellen. Was hier in Zukunft möglich ist, zeigte jüngst eine Pilotbaustelle als Schlusspunkt des Forschungsprojekts „smartSite“ (Seizer, Groß, & Enghardt, 2016): Alle Projektdaten werden – soweit möglich BIM-kompatibel – in einer Datencloud abgelegt, Material- und Maschinendaten werden kontinuierlich aktualisiert und nehmen direkt Einfluss auf den Bauablauf, um zu keinem Zeitpunkt Stillstandszeiten zu verursachen oder andere qualitätsbeeinträchtigende Faktoren zur Wirkung gelangen zu lassen. So werden auch die Walzen in Abhängigkeit von der Fertigergeschwindigkeit, der Asphalttemperatur, der bisher geleisteten Verdichtung sowie dem vorab geplanten Walzenschema gesteuert.

Solche Zukunftsvisionen bergen neben den großen Chancen aber auch erhebliche Aufwendungen, denn obgleich wir uns tagtäglich an die Verfügbarkeit von Informationen in fast allen Bereichen längst gewöhnt haben, greifen wir im Straßenbau viel zu häufig ins Leere. Netzdaten, Aufbaudaten, Materialdaten, Verkehrsdaten, Zustandsdaten usw. – sofern sie überhaupt vorliegen, so sind sie häufig nicht hinreichend plausibilisiert und zumeist nicht ausreichend miteinander verknüpft, um damit Bauprozesse steuern und Planungen durchführen zu können. Der Stufenplan Digitales Planen und Bauen (BMVI, 2015) gibt hier eine klare Richtung vor, wie IT-gestützte Prozesse und Technologien bei Planung, Bau und Betrieb von Straßen und Ingenieurbauwerken eingeführt werden sollen. Dabei steht das Building Information Modelling (BIM) im Zentrum und wird damit auch in der Forschung zunehmend seinen Stellenwert erhalten.

Mit der Digitalisierung des Straßenbaus wird der Wunsch erfüllbar, Regelkreise zur Verbesserung der Qualitäten zu schließen. Allein eine Ermittlung der Nutzungsdauern von Fahrbahndecken, für die wir aktuell umfangreiche Erhebungen und Auswertungen veranlassen müssen, wird damit zu einer vergleichsweise einfachen Aufgabenstellung, und auch die Frage nach den Ursachen von gehäuft auftretenden Schäden könnte bei Verfügbarkeit der maßgebenden Daten deutlich leichter beantwortet werden. Denkbar ist aber auch, dass mit Hilfe solcher Daten Prognosen für das Erfordernis von Erhaltungsmaßnahmen gegeben werden. Befinden sich hier die Daten der Zustandserfassung und -bewertung im direkten Zugriff und werden beispielsweise durch die Messergebnisse zur Tragfähigkeit ergänzt, könnten mit entsprechend aufgearbeiteten Modellen Zustandsentwicklungen auf Netzebene abrufbar gemacht werden. Ansätze im Bereich von SmartData gehen hierbei noch einen Schritt weiter. Verschiedene Forschungsprojekte beschäftigen sich aktuell mit der Erfassung nutzbringender Sensordaten direkt aus den im Verkehr fließenden Fahrzeugen. Auf diese Weise kann es beispielsweise möglich werden, aus Bewegungen der Stoßdämpfer Erkenntnisse zur Ebenheit der Fahrbahnoberfläche zu erhalten oder aus dem Schlupf die aktuelle Griffigkeit der Straße zu ermitteln. Mit solchen Ansätzen stärkt man aber auch die Schnittstelle zwischen dem Straßenbau und der Automobiltechnik und öffnet damit ein weites weiteres Feld, das auch für die Forschung im Bereich der Straßenplanung, der Verkehrstechnik und der Umwelttechnik interessant ist.

4 Weitere Potenziale

Es steht also eine Reihe von Ansätzen zur Verfügung, mit denen die Verfügbarkeit der Straße erhöht werden kann. Die bisher aufgeführten Varianten verfolgen gemeinsam den Gedanken, eine Reduzierung der Eingriffe in den Verkehr durch eine Verlängerung der Nutzungsdauern von Schichten des Straßenaufbaus oder der gesamten Befestigung zu erreichen. Ein weiterer Beitrag zur Vermeidung von Verkehrsbehinderungen kann durch eine Verkürzung der Bautätigkeiten geleistet werden. Die werkseitige Erstellung von Bauteilen aus Beton ist hierfür ein hervorragendes Beispiel (Bild 7). Auch eine verbesserte Analyse des erforderlichen Maßnahmenumfangs, eine Steigerung der Leistungsfähigkeit der einzusetzenden Baumaschinen oder der verstärkte Einsatz von Kompaktasphalt können hier zielführend sein.

Zusammenfassend erscheint eine Verschiebung des Blicks der Straßenbauforschung im Bereich der Infrastrukturerhaltung mit einem Fokus auf die Schadensaufnahme und -analyse sowie die Ermittlung des Erhaltungsaufwands hin zu einem sich an der Verfügbarkeit der Straße orientierenden Erhaltungsmanagement angebracht. Es liegen umfangreiche Kenntnisse über die Ermittlung und Bewertung des Zustands sowie über den qualitativ hochwertigen Bau von Straßen vor, während die Erhaltungsplanung in den vergangenen Jahren nicht die Aufmerksamkeit erlangte, die man ihr zumessen sollte. Hierbei sollte neben der Verfügbarkeit selbstverständlich auch die Wirtschaftlichkeit betrachtet werden. Lebenszyklusbetrachtungen, wie sie berechtigterweise von vielen gefordert werden, nutzen die Ergebnisse eines gezielten Obsoleszenzmanagements, auf die hier eingegangen wurde:

  • die üblichen Nutzungsdauern von Straßenbefestigungen und deren Schichten,
  • die auf die Nutzungsbedingungen angepasste Dimensionierung der Straßenbefestigung und die Potenzialermittlung von Aufbauschichten,
  • die Modelle zur Schadensentwicklung für die Prognose von Eingreif- und Ausfallzeitpunkten,
  • die Möglichkeiten zur Nutzungsdauerverlängerung beim Neubau und in der Phase der Erhaltung.

und verknüpfen diese mit detaillierten Kostendaten. Sie liefern damit für verschiedene Szenarien eine Prognose der finanziellen Gesamtaufwendungen und ermöglichen eine Optimierung der Wirtschaftlichkeit (Wellner, Zander, Dragon, Birbaum, & Buch, 2013). Eine Berücksichtigung der Lebenszykluskosten schafft aber vor allem die Möglichkeit, neue Ansätze und Entwicklungen, die beispielsweise im Rahmen von Nebenangeboten eingebracht werden, fair und im Sinn einer kostensparenden Abwicklung des Straßenbaus zu bewerten.

Bild 7: Einbau eines Betonfertigteils auf einer Bundesautobahn (Fotos: M. Wieland)

Literaturverzeichnis

  1. BMVI (2015): Stufenplan Digitales Planen, Berlin
  2. BMVI (2014): Verkehr in Zahlen 2014/2015, Hamburg: DVV Media Group GmbH Bundesrechnungshof (2015): Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages, Bonn
  3. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2001): Richtilinien für die Planung von Erhaltungsmaßnahmen an Straßenbefestigungen (RPE-Stra 01), Köln, FGSV 488
  4. Krmek, M.: Kennzahlen in der Infrastrukturinvestitionsplanung der ASFINAG – neues Verfahren zur Substanzbewertung, Vortrag beim Erfahrungsaustausch „ZEB und Erhaltungsmanagement auf Landesstraßen“ der Firma Heller Ingenieurgesellschaft, Darmstadt 2015
  5. Lipke, S.; Dietrich, W.; Utterodt, R.; Berthold, R.; Horn, A.; Böhm, S.; et al. (2013): Prozesssicherer automatisierter Straßenbau, Gesamtabschlussbericht, Hannover
  6. Maerschalk, G.; Socina, M. (2008): Weiterentwicklung der Bewertung des Pavement Management Systems (PMS) um ein Verfahren für die Umsetzung von Qualitätszielen, Bonn
  7. Seizer, B.; Groß, M.; Enghardt, L. (2016): SmartSite – Prozesssicherheit durch Vernetzung und Automatisierung, Straße und Autobahn, 50–53
  8. Wellner, F.; Zander, U.; Dragon, I.; Birbaum, J.; Buch, M. (2013): Grundlagen für die Beurteilung der dimensionierungsrelevanten Eigenschaften und der Wirtschaftlichkeit von Oberbaubefestigungen aus Asphalt, Zwischenbericht zum Forschungsprojekt 07.0236/2010/AGB, Dresden
  9. Zander, U. (2016): Integration der Substanzbewertung in die Erhaltungsplanung, Straßen- und Verkehrskongress Bremen