FGSV-Nr. FGSV 002/96
Ort Stuttgart
Datum 16.03.2011
Titel Nutzung der Einbruchwahrscheinlichkeit des Verkehrsablaufs in der Verkehrssteuerung
Autoren Dr.-Ing. Christoph Schwietering
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Die Kapazität stellt eine der entscheidenden Kenngrößen zur Beschreibung des Verkehrsablaufs auf Autobahnen dar. Sie ist abhängig von verschiedenen Weg-, Verkehrs-, Umfeld- und Steuerungsbedingungen. Zusätzlich zeigen aktuelle Studien, dass die Kapazität selbst bei gleichbleibenden Bedingungen eine stochastisch verteilte Größe ist.

Basierend auf der stochastischen Beschreibung der Kapazität wird ein Modell entwickelt, das universal in der Verkehrssteuerung anwendbar ist und ohne aufwändige Justierung auskommt. Es wird ein Algorithmus entwickelt, der Geschwindigkeitseinbrüche antizipieren kann und damit ein präventives Einwirken in den Verkehrsablauf ermöglicht. Der Algorithmus wird exemplarisch an einem Teststandort „open loop“ validiert.

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1 Einleitung

Die Kapazität sowie die Geschwindigkeit und die Verkehrsstärke im Kapazitätsbereich spielen sowohl in Bemessungsverfahren zur Bestimmung der Verkehrsqualität von Verkehrsanlagen als auch in der Verkehrssteuerung eine wesentliche Rolle.

Die Kapazität nach klassischer Lehre geht aus Fundamentaldiagramm-Modellen hervor und stellt eine feste, deterministische Größe dar. Über fest definierte Abschlagsfaktoren können Besonderheiten des untersuchten Querschnitts berücksichtigt werden, z.B. der Einfluss des Lkw-Anteils, der Steigung des Streckenabschnitts oder die Lage in einem Ballungsraum. Für unterschiedliche Bedingungen sind in [1] charakteristische Fundamentaldiagramme zur Bemessung dargestellt. Im Bereich der Verkehrssteuerung findet die Kenngröße Kapazität Eingang als maßgeblicher, konstanter Bewertungsparameter von Schwellenwertverfahren.

In der neueren Forschung wird die Kapazität vielmehr als probabilistische Größe aufgefasst, also als zeitlich veränderliche Größe und nicht mehr als deterministischer Wert. Für deutsche Autobahnen wurden in Forschungsarbeiten, z.B. [2], bereits Erkenntnisse hinsichtlich der Anwendbarkeit verschiedener Verfahren zur Ermittlung von Kapazitätsverteilungen gewonnen. Die Kapazitätsverteilung beschreibt die Wahrscheinlichkeit, dass ein beobachteter Zu- sammenbruch des Verkehrsablaufs sich bei einer bestimmten Verkehrstärke ereignet. Ein weiterer Ansatz zur stochastischen Beschreibung der Kapazität ist die Bestimmung der Ein- bruchswahrscheinlichkeit. Dazu werden die Anzahl der Intervalle, denen unmittelbar ein Geschwindigkeitseinbruch folgt, der Anzahl der Intervalle bei fließendem Verkehr für Ver- kehrsstärkeklassen gegenübergestellt. Das Verhältnis beschreibt somit für eine bestimmte Verkehrsstärke das Risiko für einen Geschwindigkeitseinbruch.

Die Kapazität einer Verkehrsanlage ist abhängig von verschiedenen Einflussgrößen. Diese können grundsätzlich in Weg-, Verkehrs-, Umfeld- und Steuerungsbedingungen eingeteilt werden. Für verschiedene Bedingungen sind in den gültigen Richtlinien Größenordnungen angegeben. Insbesondere für den Einfluss von unterschiedlichen Witterungsbedingungen sowie von dynamischer Verkehrsbeeinflussung liegen aber insgesamt wenige empirische Erkenntnisse vor, um deren Einfluss näher quantifizieren zu können.

Daher sollen die Erkenntnisse zur probabilistischen Beschreibung der Kapazität überprüft und weiter vertieft werden. Basierend auf einer sowohl zeitlich als auch räumlich ausgedehnten Datengrundlage von österreichischen Autobahnen sollen auch Erkenntnisse zur Auswirkung von unterschiedlichen äußeren Bedingungen auf die Kapazität gewonnen werden.

Wesentlicher Einfluss geht von unterschiedlichen Witterungs- und Umweltbedingungen auf die Verkehrsqualität und somit auch auf die Kapazität aus. Diese Einflüsse sollten Eingang in Strategien zur Steuerung, Regelung und Sicherung des Verkehrsablaufes Eingang finden. Daher wird ein neuer Steuerungsalgorithmus für Streckenbeeinflussungsanlagen (SBA) entwickelt und anhand empirischer Daten einer SBA in Österreich auf seine Robustheit und Praxistauglichkeit überprüft. Der Algorithmus soll selbstlernend und weitgehend ohne spezielle, standortbezogene Parametrierung auskommen. Vielmehr sollen inhaltlich leicht verständliche, strategische Parameter gesetzt werden können.

Der Algorithmus soll für unterschiedliche Witterungs- und Umfeldbedingungen spezifische Kurven für die Einbruchswahrscheinlichkeit des Verkehrsablaufs vorhalten. Historische Daten fließen immer wieder der Datenhaltung zu und stellen somit die selbstlernende Funktionalität sicher. Der Steuerungsalgorithmus soll in einer Simulation implementiert und die Güte des Verfahrens hinsichtlich der Detektions- und Fehlalarmrate mit anderen Verfahren der Verkehrssteuerung gegenübergestellt werden.
Damit wird ein Beitrag geleistet zur Quantifizierung der Einflussfaktoren auf die Kapazität, die als probabilistische Größe aufgefasst wird. Außerdem wird der Einsatz der Einbruchs- wahrscheinlichkeit insbesondere in der Verkehrssteuerung genauer analysiert und ein Verfahren vorgestellt, dass für den Einsatz in einer SBA geeignet ist.

2 Literaturüberblick

2.1 Probabilistische Beschreibung der Kapazität

Die Einbruchswahrscheinlichkeit einer bestimmten Verkehrsstärke ist definiert als Quotient aus der Anzahl der Intervalle, denen unmittelbar ein Geschwindigkeitseinbruch folgt, und der Anzahl der Intervalle bei fließendem Verkehr. Mit der Einbruchswahrscheinlichkeit kann also für eine bestimmte Verkehrsstärke das Risiko für einen Geschwindigkeitseinbruch bestimmt werden.

Die Wahrscheinlichkeit für einen Verkehrseinbruch pC,j bei einer bestimmten Verkehrsstärke j wird aus dem Vergleich der Anzahl der Verkehrseinbrüche mj und der Anzahl der Intervalle nj bei fließendem Verkehr ermittelt:

Formel (1) siehe PDF.

Bild 1 stellt die Einbruchswahrscheinlichkeit im Vergleich zum klassischen Fundamentaldiagramm (hier: van Aerde Modell, gestrichelte Kurve) dar. Die Kapazitätsereignisse (schwarze Punkte) werden nach Gleichung (1) den Intervallen bei fließendem Verkehr gegenübergestellt und so die Einbruchswahrscheinlichkeit bestimmt.

Bild 1: Vergleich zwischen Fundamentaldiagramm (Q/V-Quadrant) und Einbruchwahrscheinlichkeit

In Deutschland liegen bereits einige empirische Erkenntnisse zur Kapazität als stochastische Größe vor. [2] entwickeln anhand empirischer Daten von zwei- und dreistreifigen Engpässen von je zwei Messstellen ein Verfahren zur Ermittlung von Kapazitätsverteilungen. [3] verifiziert diese Erkenntnisse anhand eines größeren Datenumfangs und stellt Kapazitätsverteilungen für dreistreifige Querschnitte auf. [4] entwickelt anhand empirisch gewonnener Erkenntnisse an Ein- und Ausfahrten an überwiegend dreistreifigen Richtungsfahrbahnen die Bemessungsverfahren aus [1] weiter. [5] untersucht vierstreifige Richtungsfahrbahnen anhand von Messdaten aus Hessen und Bayern und leitet daraus Kapazitätswerte für die Fort- schreibung von [1] ab.

[6] nutzt für synthetische Daten die Einbruchswahrscheinlichkeit zur stochastischen Beschreibung der Kapazität. Weitere empirische Untersuchungen zur Einbruchswahrscheinlichkeit wurden in den USA und Japan durchgeführt (z.B. [7], [8], [9], [10]). Empirische Erkenntnisse aus dem deutschsprachigen Raum zur Beschreibung der Kapazität mit der Einbruchswahrscheinlichkeit liegen derzeit nicht vor.

2.2 Kapazitätsbeeinflussende Faktoren

Wichtige Einflussgrößen auf die Kapazität die Längsneigung, die räumliche Lage des Untersuchungsquerschnitts innerhalb oder außerhalb eines Ballungsraums, die Witterung sowie die Lichtverhältnisse, der Lkw-Anteil und die Verkehrszusammensetzung. Auch Verkehrsbeeinflussungsanlagen besitzen Einfluss auf die Kapazität. Allerdings gibt es für diesen wichtigen Einflussfaktor bislang nur sehr wenige Forschungsergebnisse, um die Effekte quantifizieren zu können.

Bemerkenswert ist, dass das HCM 2000 [11] beim Einfluss der Fahrstreifenanzahl und der Lage des Untersuchungsquerschnitts den meisten anderen Literaturquellen widerspricht. Während das HCM 2000 [11] davon ausgeht, dass mit zunehmender Fahrstreifenanzahl die Geschwindigkeit bei frei fließendem Verkehr steigt und somit auch die Kapazität überproportional größer wird, besagen andere Quellen, die den Einfluss der Fahrstreifenanzahl untersuchen, dass die Kapazität mit zunehmender Fahrstreifenanzahl geringfügig sinkt. Für Querschnitte im Ballungsraum spielt die dichte Folge von Anschlussstellen, die potentielle Engpässe darstellen, im HCM 2000 [11] eine große Rolle. In Deutschland besitzt die Anschlussstellendichte bei richtliniengerechtem Ausbau einen nicht so entscheidenden Einfluss auf die Kapazität, da ein Abstand von 2 km gefordert und in der Regel auch eingehalten wird. Daher zeigen deutsche Forschungsergebnisse, dass aufgrund der zumeist ortskundigen und erfahrenen Verkehrsteilnehmer die Kapazität in Ballungsräumen deutlich größer ist als auf Verbindungsstrecken.

Aus der Auswertung vorhandener Erkenntnisse über die Einflussfaktoren auf die Kapazität geht hervor, dass die Kurvigkeit keinen großen Einfluss auf die Kapazität besitzt. Es ist zu erwarten, dass diese nur bei extremen Kurvigkeiten einen signifikanten Einfluss besitzt. Außerdem ist davon auszugehen, dass auch die Fahrstreifenbreite richtliniengerechtem Ausbau nur bei baustellenbedingten Einschränkungen eine signifikante Rolle bei Kapazitätsuntersuchungen spielt.

2.3 Kapazität als stochastische Kenngröße

Generell ist zu erkennen, dass bis auf die Untersuchungen von [2], [3], [9], [12] und [13] die Auswertungen auf sehr kleine Zeiträume beschränkt sind. Bei der Analyse größerer Zeiträume werden dann meist Daten im 1 h Intervall untersucht, während die zeitlich beschränkten Auswertungen überwiegend kürzere Zeitintervalle betrachten. Außerdem werden in den Untersuchungen meist weniger als 15 Messstellen analysiert, lediglich die Arbeiten von [3], [4], [9], [12], [14], [15] und [16] umfassen eine größere Messstellenanzahl. Darüber hinaus wird von [17] und [18] ebenfalls eine große Datenmenge für spezielle Untersuchungen zum Einfluss der Witterung auf den Verkehrsablauf analysiert.

Der allgemein geringe Datenumfang anderer Untersuchungen ist zum Einen auf die Verfügbarkeit der Daten zurückzuführen, zum Anderen auf den ernormen Aufwand bei der Aufbereitung, Plausibilisierung und Qualitätssicherung, der durch größere Datenmengen verursacht wird. Außerdem ist es erst in den letzten Jahren möglich geworden, ein großes Datenvolumen effizient auszuwerten.

Es erscheint daher sinnvoll, die Erkenntnisse anhand einer großen zeitlichen und räumlichen Datengrundlage zu verifizieren und zu präzisieren.

3 Modellentwicklung

Um ein Verfahren zur Bestimmung der Einbruchswahrscheinlichkeit auf Autobahnen aufzustellen, muss zunächst eine automatisierbare Methode entwickelt werden, die Verkehrszusammenbrüche anhand der Verkehrsdaten identifiziert. Diese Methode muss robust gegenüber kurzfristigen Schwankungen der nicht geglätteten Verkehrsstärke- und Geschwindigkeitsdaten sein. Außerdem sollte sie universal an allen Messstellen ohne aufwändige Parametrierung einsetzbar sein, aber dennoch in der Lage sein, regionale Besonderheiten wie Steigung- bzw. Gefällebereiche oder die Funktion des Streckenabschnitts zu berücksichtigen.

Die anhand einer Literaturauswertung und eigener Überlegungen zu entwickelnde Definition für einen Verkehrseinbruch wird in Software implementiert und an einem Referenzquerschnitt auf Praxistauglichkeit überprüft. Jedem Datensatz werden die vorherrschenden Bedingungen, die die Kapazität beeinflussen, zugewiesen.

Anhand der Referenzmessstelle Innsbruck-Ost wurde die Sensitivität verschiedener Parameter auf das aufgestellte Modell der Einbruchswahrscheinlichkeit untersucht und somit eine erste Kalibrierung vorgenommen. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass das Modell bis auf die Auswahl der Grenzgeschwindigkeit vGrenz ohne standortspezifische Parameter auskommt. Aus der durchgeführten Diskussion der Übertragbarkeit der Ergebnisse kann geschlossen werden, dass das Verfahren an Messstellen auf Autobahnen anwendbar ist [20].

4 Analyse der Einflussfaktoren auf die Kapazität

4.1 Ansatz

Ausgehend von einer umfassenden Literaturrecherche mit Darstellung der wesentlichen Erkenntnisse zur Kapazität auf Autobahnen wird zunächst ein Verfahren entwickelt, das die Kapazität als probabilistische Größe beschreibt. Das Verfahren soll so aufgestellt sein, das es für beliebige Querschnitte universal und einfach anwendbar ist, sodass damit eine große Datengrundlage analysiert werden kann.

Anschließend wird die Kapazität von Autobahnabschnitten und ihre beeinflussenden Parameter wie konstante Einflussgrößen (z.B. Längsneigung), variable Einflussgrößen (z.B. Witterungsverhältnisse) und steuernde Einflussgrößen (z.B. Auswirkungen von Verkehrsbeeinflussungsanlagen) detailliert untersucht. Dabei soll insbesondere die Sensitivität von Einflussgrößen auf die Kapazität anhand einer Hypothesenprüfung vorgenommen werden. Ziel ist eine Quantifizierung dieser Einflussgrößen als Grundlage für ein allgemeingültiges Modell.

4.2 Konstante Einflussfaktoren auf die Kapazität

Für die konstanten Bedingungen, also die Lage in oder außerhalb eines Ballungsraums und Längsneigung, werden für alle Messstellen die Verkehrsstärken bei einer Einbruchswahrscheinlichkeit von 50 % für gute Witterungs- und Sichtbedingungen bei Werktagsverkehr ermittelt und für diese Kenngrößen (Mittelwert, Median, Standardabweichung sowie Minimum/Maximum) ermittelt. Damit ist es möglich, Kapazitätsabschätzungen für beliebige zwei- und dreistreifige Abschnitte anzugeben. Die Einflüsse der konstanten Faktoren sind in Bild 2 dargestellt, wobei die Kenngrößen bezogen auf einen Fahrstreifen angegeben sind. Jeweils in Klammern angegeben ist die Stichprobengröße für den untersuchten Einflussfaktor.

Bild 2: Kenngrößen (Mittelwert, Median, Standardabweichung und Minimum/Maximum) für konstante Einflussfaktoren auf die Kapazität; die Werte sind bezogen auf die Kapazität bei idealen Bedingungen (trockene Fahrbahn, Werktag, tagsüber)

Es lassen sich grundsätzlich die erwarteten Ergebnisse ablesen, wobei aber diese Ergebnisse insbesondere beim Längsneigungseinfluss auf einer sehr geringen Datengrundlage beruhen. Während auf ebener Strecke (-2 % ≤ s ≤ 2 %) ausreichend viele Messquerschnitte existieren, sind die Steigungs- und Gefälleklassen (± 3 %, ± 4 %, ≥ ± 5 %) sehr gering besetzt.

Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass sich sowohl Steigungs- als auch Gefällestrecken negativ auf die Einbruchswahrscheinlichkeit auswirken. In Steigungsstrecken sinken generell die Geschwindigkeiten für alle Kfz. Dadurch findet ein Kapazitätsrückgang statt. In Gefällestrecken steigen zum Einen die Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen den Kfz (Pkw zu Pkw, aber auch Pkw zu Lkw), zum Anderen fahren insbesondere Lkw aus Sicherheitsgrün- den meist eine geringere Geschwindigkeit als auf ebener Strecke. Auf einigen Gefällestrecken gilt zudem noch ein Geschwindigkeitsbeschränkung für Kfz > 7,5 t unter 80 km/h. Dadurch sind die Auswirkungen auf die Einbruchswahrscheinlichkeit zu begründen.

In Ballungsräumen ist wie erwartet die Einbruchswahrscheinlichkeit deutlich niedriger als in Gebieten außerhalb von Ballungsräumen. Das überwiegend von ortskundigen, erfahrenen Verkehrsteilnehmern zusammengesetzte Kollektiv in Ballungsräumen nimmt kleinere Zeitlücken in Kauf als das meist ortsunkundige Kollektiv auf typischen Transit- und Verbindungsstrecken mit höherem Lkw-Anteil.

4.3 Temporäre Einflussfaktoren auf die Kapazität

In Bild 3 werden die Ergebnisse für die variablen Einflüsse für 1 min Intervalle dargestellt. Es zeigt sich auch hier das erwartete Ergebnis. An Werktagen (WT) sinkt die Verkehrsstärke, die zu einer Einbruchswahrscheinlichkeit von 50 % führt, bei nasser Fahrbahn (na) und Tageslicht (T) um ca. 13 %, bei trockenen Verhältnissen (tr) und Dunkelheit (N) um 14,3 % sowie bei nasser Fahrbahn und Dunkelheit um 23,5 %. Freizeitverkehr (FZ) wirkt sich im Vergleich zum Berufsverkehr an Werktagen mit einer Steigerung dieser Verkehrsstärke um ca. 4,7 % aus. Auch die anderen Einflussgrößen wirken sich größenordnungsmäßig entsprechend den Ergebnissen an Werktagen aus. Bei überwiegendem Freizeitverkehr sorgt im Vergleich zum Werktagsverkehr mit trockenen Verhältnissen bei Tageslicht eine nasse Fahrbahn bei Tag für einen Anstieg um ca. 19,9 %, bei trockenen Verhältnissen und Dunkelheit um 21,0 % sowie bei nasser Fahrbahn und Dunkelheit um 34,6 %.

Bild 3: Kenngrößen (Mittelwert, Median, Standardabweichung und Minimum/Maximum) für temporäre Einflussfaktoren auf die Kapazität im Vergleich zur Kapazität bei idealen Bedingungen (trockene Fahrbahn, Werktag, tagsüber)

Insgesamt ist bei fast allen Fällen eine mittlere bis hohe Standardabweichung zwischen 3,8 % bis 9,2 % zu erkennen. Für eine allgemeingültige Aussage wären deutlich geringere Standardabweichungen wünschenswert.

4.4 Steuernde Einflussfaktoren auf die Kapazität

Die Wirksamkeit einer SBA hinsichtlich der Kapazität kann anhand der vorliegenden Daten nur eingeschränkt untersucht werden, da in den meisten Fällen die Zeit vor Inbetriebnahme der SBA zu kurz für einen Vergleich ist. Es können lediglich drei Querschnitte untersucht werden, bei denen ausreichend Daten für einen unbeeinflussten Zeitraum vorlagen und es regelmäßig zu Verkehrseinbrüchen kam. Zwei Querschnitte liegen im einem zweistreifigen Bereich auf der A12 bei Innsbruck, der dritte Querschnitt im vierstreifigen Bereich der in 2010 neu in Betrieb genommenen SBA auf der A2 bei Wien.

Bild 4: Einfluss einer SBA auf die Einbruchswahrscheinlichkeit (2-streifige Fahrbahn)

Alle untersuchten Querschnitte weisen für den beeinflussten Zeitraum eine nach rechts verschobene Einbruchswahrscheinlichkeitskurve auf (s. Bild 4 und Bild 5), was bedeutet, dass der Verkehr bei aktiver SBA bei gleicher Verkehrsstärke länger stabil bleibt.
Da die Kurven für den beeinflussten Zeitraum insgesamt einen steileren Verlauf aufweisen, kann man daraus schließen, dass durch die dynamischen Maßnahmen die vorhandene Kapazität besser ausgenutzt werden und der Verkehr insgesamt stabiler fließen kann. Je größer die Verkehrsstärken werden, desto mehr nähern sich die Kurven des beeinflussten und unbeeinflussten Zeitraums an. Dies bedeutet, dass es durch die Verkehrsbeeinflussung keinen großen generellen Kapazitätsgewinn gibt. Der Hauptnutzen einer SBA liegt also in der Stabilisierung des Verkehrsablaufs, die zu einer Reduzierung der Stauereignisse führt.

Der „Gewinn“ der untersuchten SBA kann, abgelesen bei einer Einbruchswahrscheinlichkeit von 50 %, mit 3,5 % bzw. 2,7 % für trockene Verhältnisse angegeben werden, was dem Wert von [3] (3 % für 5 min Intervalle) gut entspricht. Auch [15] gelangen zu ähnlichen Größenordnungen, die allerdings nicht direkt vergleichbar sind, da die ermittelten Einbruchswahrscheinlichkeiten in einem relativ niedrigen Bereich liegen.

Bild 5: Einfluss einer SBA auf die Einbruchswahrscheinlichkeit (4-streifige Fahrbahn)

4.5 Zusammenfassung

Abschließend können die Ergebnisse der Untersuchung der Einflussfaktoren auf die Kapazität in Tabelle 1 zusammengefasst werden. Insgesamt decken sich die Ergebnisse größenordnungsmäßig mit den Erkenntnissen aus der Literatur. [12] gibt den Einfluss der Lage mit 3-11,3 % an, hier wurden für österreichische Messquerschnitte im Mittel 6,3 % beobachtet. [20] beziffert den Einfluss der Längsneigung auf 13-14 % bei einer Steigung von 5 %, dem gegenüber stehen 13,4 % für Steigungsbereiche und 4 % auf Gefällestrecken in Österreich. Die Angaben von [2], [3], [12] und [24] für witterungsbedingte Kapazitätsverluste bewegen sich zwischen 10 und 14 %, für österreichische Autobahnen konnte ein Wert von 14,4 % ermittelt werden. Während nach den Analysen von [3] die Kapazität bei Dunkelheit um 6 % erhöht und [2] keinen Einfluss beobachten, beobachten [24] mit -5 % und [12] zwischen -6 und -10 % negative Auswirkungen auf die Kapazität. Für österreichische Autobahnen wird eine vergleichsweise hohe mittlere Kapazitätsreduktion von 14,1 % festgestellt. Der beobachtete Kapazitätsverlust von 5,7 % bei überwiegendem Freizeit- und Urlaubsverkehr deckt sich mit der Angabe von [12], der eine Reduktion von 4-5 % ermittelt.

Tabelle 1: Einflussfaktoren auf die Kapazität

Der Einfluss einer SBA ist im Wesentlichen in der stabilisierenden Wirkung zu sehen [14]. [3] ermittelt in einem Vergleich von beeinflussten und nicht beeinflussten Querschnitten zweier gegenüberliegender Richtungsfahrbahnen mit einer Kapazitätserhöhung von 3 % einen geringen Einfluss auch auf die Kapazitätsverteilung. Hier konnten an zwei Querschnitten, für die jeweils Daten für einen unbeeinflussten sowie einen beeinflussten Zeitraum vorlagen, eine Kapazitätssteigerung von bis zu 3,5 % ermittelt werden.

5 Anwendung in der Verkehrssteuerung

5.1 Motivation

Bereits vor Entstehung eines Staus können präventive Schaltungen eine Staubildung verzögern oder gar verhindern sowie die Verkehrssicherheit signifikant steigern [21]. Voraussetzung für eine wirkungsvolle Beeinflussung des Verkehrs vor der Stauentstehung ist eine verlässliche Antizipation des Verkehrsablaufs. Ziel von präventiven Schaltungen ist es, durch Harmonisierung des Verkehrsablaufs eine Verkehrsstörung zu verhindern oder zumindest deren Eintreten zu verzögern. Neben der Aktualität der Prognose beeinflussen auch die räumlichen Abstände zwischen Detektions- und Anzeigeort maßgeblich die Wirksamkeit einer präventiven Schaltung.

Trotz der nachgewiesenen positiven Wirkung auf den Verkehrsauflauf den vorhandenen präventiven und Prognosealgorithmen sind folgende Nachteile bekannt:

- Nichtberücksichtigung wesentlicher Einflussgrößen wie Witterung oder Verkehrszusammensetzung (Berufsverkehr, Freizeitverkehr)

- zwar insgesamt gute Effekte im Hinblick auf die Optimierung des Verkehrsablaufs, allerdings dennoch mangelnde Prognosegüte (Verhältnis Trefferquote/Fehlalarmquote unterhalb von 50 %)

- Aufwändige Erstversorgung der Konfiguration und Parameter

- Aufwändige, kontinuierliche Pflege der Parameter

- z.T. Abbildung komplexer Zusammenhänge im zugrunde gelegten Modell, die die Erstversorgung und Feinparametrierung erschweren

- Die Kapazität wird entsprechend des klassischen Fundamentaldiagramms als diskrete Größe und nicht Zufallsgröße beschrieben

Der im Folgenden vorgestellte Algorithmus AIX-ProB (Anticipation of Incidents with extended Probability of Breakdown) soll die erkannten Nachteile nicht aufweisen.

5.2 Aufbau des Algorithmus

Bild 6 zeigt den grundsätzlichen Ablauf des Algorithmus. Für jeden Standort werden spezifische Bewertungskurven zur Bestimmung der Einbruchswahrscheinlichkeit des Verkehrsablaufs vorgehalten. Über eine Logik wird zunächst die der aktuellen Situation entsprechende Kurve der Einbruchswahrscheinlichkeit des Verkehrs ausgewählt. Dabei fließen Verkehrs- und Umfelddaten sowie ein dem System hinterlegter Ereigniskalender ein, der z.B. zwischen Werktags- und Feiertagsverkehr unterscheidet. Die Kurven der Einbruchswahrscheinlichkeit für die Betrachtungsintervalle 1 min, 5 min und 15 min werden online gelernt, d.h. einmal täglich werden die erhobenen und plausibilisierten Daten ausgewertet und den entsprechenden Ereignissen und Umfeldsituationen zugeordnet. Somit ist eine Selbstjustierung des Algorithmus gewährleistet. Weiterhin wird die dem Ereignis zugrunde liegende Musterganglinie betrachtet und geprüft, ob ein weiterer Anstieg der Verkehrsnachfrage oder ob die eine geringe Belastung zu erwarten ist. Anhand der aktuellen Verkehrsdaten kann nun die Einbruchswahrscheinlichkeit für das bzw. die nächsten Intervalle bestimmt werden. Diese Wahrscheinlichkeit wird mit „strategischen“ Parametern verglichen, die anlagenweit festgelegt werden. Die strategischen Parameter bestimmen die Einbruchswahrscheinlichkeit, bei deren Überschreiten eine Schaltung erfolgen soll. Jeder Parameterschwelle wird ein Schalt- bild zugeordnet. Je größer die Einbruchswahrscheinlichkeit ist, desto restriktiver sollte die geschaltete Geschwindigkeitsbeschränkung sein, um präventiv schon vor dem Einbruch auf den Verkehr harmonisierend einzuwirken und so den drohenden Verkehrseinbruch zu vermeiden oder zumindest hinauszuzögern. Damit ist der Algorithmus in der Lage, präventiv unmittelbar vor einer möglichen Verkehrsstörung in den Verkehrsfluss einzugreifen. Der Algorithmus berücksichtigt erstmals in der Verkehrssteuerung auch den Einfluss der Witterung sowie der Verkehrszusammensetzung (Berufsverkehr, Freizeitverkehr) auf die Kapazität.

Zwischen Schalttrigger auf Basis der Einbruchswahrscheinlichkeit und dem eigentlichen Schaltvorschlag sind eine Schaltanpassung sowie eine Hysterese geschaltet. Die Schaltanpassung regelt bei Bedarf die auf Basis der Einbruchswahrscheinlichkeit vorgeschlagene Geschwindigkeitsbeschränkung nach unten und passt sie an die aktuell gefahrene Geschwindigkeit an. Eine Hysterese sorgt dafür, dass eine angeforderte Geschwindigkeit mindestens für tHyst aktiv bleibt oder durch einen neuen Schalttrigger innerhalb der Hysteresezeit neu aktiviert wird.

Bild 6: Datenfluss des Algorithmus AIX-ProB

5.3 Validierung des Algorithmus AIX-ProB

[22] untersuchen im praktischen Einsatz befindliche Detektions- und Prognosealgorithmen zur Stau- und Störfallerkennung hinsichtlich ihrer Wirksamkeit. Sie entwickeln dafür ein Verfahren, um objektiv bewerten zu können, ob der zu untersuchende Algorithmus eine ausreichende Detektionsrate von Verkehrssituationen aufweist, und das bei akzeptabler Fehlalarmrate.

Ziel bei der Untersuchung der Prognosegüte von Verkehrszuständen ist es zu bewerten, ob das getestete Verfahren rechtzeitig vor einem Geschwindigkeitseinbruch mit einer Schaltmaßnahme reagiert hat. Dabei ist zum einen zu unterscheiden, wie gravierend der Geschwindigkeitseinbruch ausfällt. Dazu werden Klassen für das Maß des Geschwindigkeitseinbruchs eingeführt [22].

Demnach werden also die Verkehrsdaten zunächst auf Geschwindigkeitseinbrüche analysiert und diese ihrer nach Höhe klassifiziert. Anschließend werden die Schaltniveaus ebenfalls analysiert. Existiert ∆ T Minuten vor einem identifizierten Ereignis eine Schaltanforderung, gilt dieses Ereignis als richtig erkannt. Für jede Kombination aus Geschwindigkeitseinbruchsniveau und Schaltniveau existiert nach folgender Formel eine spezifische Erkennungsquote des Algorithmus [22]:

Detektionsrate = Treffer/Geschwindigkeitseinbrüche    (2)

Bei der Bestimmung der Fehlalarmrate wird analog dazu ähnlich vorgegangen. Ereignet sich nach einem Schaltwunsch in ∆ T Minuten kein Geschwindigkeitseinbruch, gilt die angefor- derte Schaltung als Fehlalarmrate. Die Fehlalarmrate [22] bestimmt sich demnach zu

Fehlalarmrate = (Alarme – Treffer) / Alarme    (3)

Bild 7: Detektions- und Fehlalarmrate des Algorithmus AIX-ProB im Vergleich zu den Harmonisierungsalgorithmen nach [23]

Bild 7 zeigt deutlich, dass der neue SBA-Algorithmus im Vergleich zum Algorithmus nach MARZ 1999 [23] eine signifikant bessere Güte aufweist. Dabei ist zu beachten, dass die Parametereinstellungen für die Algorithmen nach [23] am betrachteten Querschnitt eher so eingestellt sind, dass die Programme auf den Verkehrszustand reagieren und nicht proaktiv eingreifen. Dies ist damit zu erreichen, indem die Harmonisierungsparameter des 1. Kriteriums (QB,P ≥ QB,ein), das über die Bewertung der Bemessungsverkehrsstärke ein präventives Eingreifen ermöglicht, so gewählt werden, dass dieses Kriterium selten zutrifft, während das 2., reagierende Kriterium (...) über die Geschwindigkeit und die Dichte den überwiegenden Teil der Schaltungen erzeugt. Somit sind die hier eingesetzten Algorithmen nach [23] eher Detektionsalgorithmen und weniger antizipierende Programme. Durch die so gewählte Parametereinstellung muss daher erwartet werden, dass die Schaltungen eine deutlich geringere Trefferquote erreichen. Die Stauprogramme nach [23] sind grundsätzlich Detektionsalgorithmen, wobei hier VK_diff sowie das Verkehrsstufenkriterium nicht eingesetzt werden.

Erwartungsgemäß ist die Güte hinsichtlich der antizipierenden Wirkungsweise der Algorithmen nach [23] am untersuchten Standort deutlich geringer als die Güte von AIX- ProB. Die Detektionsrate liegt bei vergleichbarer Fehlalarmrate für alle Schalt- und Einbruchsniveaus um ca. 50 % unterhalb der Trefferquote von AIX-ProB. Damit ist auch im Vergleich zu den standardmäßig eingesetzten Algorithmen nach [23] zur Harmonisierung und Staudetektion der Mehrwert des neu entwickelten Algorithmus deutlich zu erkennen.

5.4 Schlussfolgerungen

Die Analyse des neuen SBA-Algorithmus im „open loop“ Betrieb, also ohne Umsetzung der empfohlenen Schaltung, hat gezeigt, dass es mittels der Einbruchswahrscheinlichkeit des Verkehrs möglich ist, Geschwindigkeitseinbrüche mit einem zeitlichen Horizont  von ∆T = 5 min unter Berücksichtigung einer akzeptablen Fehlalarmquote zu antizipieren. Im Vergleich zu anderen getesteten bzw. im Betrieb eingesetzten Algorithmen mit präventivem Ansatz weist der neue Algorithmus eine signifikant bessere Güte auf. Wesentliche Vorteile des Algorithmus sind, dass

- er mit wenigen und leicht verständlichen Parametern auskommt,

- er selbstlernend ist und sich damit die Datengrundlage der zeitlichen, saisonalen Änderungen im Verkehrsfluss ständig anpasst und weiter selbst verbessert,

- er aktuelle Witterungsverhältnisse, Verkehrszusammensetzung und andere kapazitätsbeeinflussende Faktoren berücksichtigt,

- antizipierend arbeitet und daher für einen präventiven Eingriff in den Verkehrsablauf geeignet ist und

- die Kapazität als stochastische Größe beschrieben wird.

Es konnte nachgewiesen werden, dass der Algorithmus gut und sinnvoll für SBA einsetzbar ist. Durch weitere mögliche Optimierungsmaßnahmen am Algorithmus, z.B. eine Optimierung der Nachfrageprognose, ist eine weitere Gütesteigerung zu erwarten.

Beim entwickelten SBA-Steuerungsalgorithmus handelt es sich um einen Ansatz, der präventives Eingreifen in den Verkehrsablauf ermöglicht. Mit der implementierten Schaltanpassung kann dafür gesorgt werden, dass die vom Algorithmus vorgeschlagenen Schaltstufen über die Geschwindigkeit dem aktuellen Verkehrszustand angepasst werden. Dies kann aber z.B. bei nicht überlastungsbedingten Stausituationen, z.B. aufgrund von Unfällen, trotzdem dazu führen, dass aufgrund des Algorithmus keine oder eine nicht angemessene Schaltung aktiviert wird. Daher ist ein gemeinsamer, paralleler Einsatz mit anderen Algorithmen, insbesondere Detektionsalgorithmen, sinnvoll und notwendig, um alle Verkehrssituationen wirksam mit einer Schaltung absichern zu können.

Ein wesentlicher Faktor für den „Erfolg“ einer Verkehrssteuerungsmaßnahme ist die Akzeptanz der Schaltung durch die Verkehrsteilnehmer. Diese ist nach [21] entscheidend damit verbunden, ob die Anzeige mit der aktuell vorherrschenden Verkehrssituation übereinstimmt. Dies ist im Fall von präventiven Schaltungen problematisch, insbesondere dann, wenn wegen der Rückkopplung durch den Verkehrsteilnehmer, der mit einer Verhaltensanpassung auf die Steuerung reagiert, eine antizipierte Verkehrssituation nicht eintritt. Dann entstehen für den Verkehrsteilnehmer Ungereimtheiten zwischen der Schaltung und der subjektiv empfundenen Verkehrssituation. Generell sollten bei präventiven Schaltungen immer akut kritische Situationen für den Verkehrsteilnehmer erkennbar sein. Das insgesamt als gut zu bewertende Verhältnis zwischen Detektions- und Fehlalarmrate für den neu entwickelten Algorithmus insbesondere bei den restriktiven Schaltungen auf 60 bzw. 80 km/h lassen aber vermuten, dass bei Umsetzung von Maßnahmen aufgrund des Algorithmus eine gute Nach- vollziehbarkeit der Anzeige durch den Verkehrsteilnehmer zu erwarten ist. Sie sollte wegen der besseren Detektions- und Fehlalarmrate deutlich über den nach [21] und [22] evaluierten Verfahren wie Traffic Forecast sowie insbesondere Harmonisierung nach [23] liegen.

6 Fazit

Für eine umfassende Datenanalyse standen rund 700 Messquerschnitte auf österreichischen Autobahnen und Schnellstraßen zur Verfügung. Zunächst wurden die Querschnitte identifiziert, an denen es zu einer repräsentativen Anzahl an Stauereignissen kam, die sich nicht auf besondere Ereignisse wie Baustellen oder Unfälle zurückführen lassen. Anschließend mussten die Daten einer Qualitätssicherung unterzogen werden. Die nach erfolgter Qualitätssicherung der Daten verbliebenen 104 Messquerschnitte konnten mit dem entwickelten Modell untersucht werden und allgemeingültige Aussagen zur Einbruchswahrscheinlichkeit für zwei- und dreistreifige Querschnitte gewonnen werden.

Außerdem wurden die Einflussfaktoren auf die Kapazität mit Hilfe der Einbruchswahrscheinlichkeit überprüft. Für die unterschiedlichen Kombinationen von Beeinflussungsfaktoren (z.B. nasse Fahrbahn, Tageslicht, Werktag) wurden Regressionskurven ermittelt. Für den relevan- ten Bereich der Einbruchswahrscheinlichkeit kann der Beeinflussungsgrad näherungsweise mit einer Konstanten angegeben werden. Der Beeinflussungsgrad kann in guter Näherung bei einer Einbruchswahrscheinlichkeit von 50 % abgelesen werden und wird jeweils bezogen auf „ideale“ Verhältnisse, also trockene Fahrbahn bei Tageslicht und überwiegendem Berufsverkehr für einen Querschnitt auf ebener Strecke.

Bei idealen Verhältnissen konnte für Steigungsstrecken ein signifikanter Rückgang der Verkehrsstärke, die zu einer Einbruchswahrscheinlichkeit von 50 % führt, von 13,4 % bestimmt werden. Auch für Gefällestrecken konnte eine Reduzierung von 4,0 % nachgewiesen werden. Für zweistreifige Querschnitte, die im Ballungsraum liegen, konnte im Gegensatz zu Querschnitten auf Verbindungsstrecken eine Erhöhung um 6,3 % festgestellt werden.

Großen Einfluss auf die Einbruchswahrscheinlichkeit besitzen auch die zeitlich veränderlichen Faktoren. Für nasse Fahrbahnverhältnisse konnte ein signifikanter Rückgang der Verkehrsstärke, die zu einer Einbruchswahrscheinlichkeit von 50 % führt, von 14,4 % beobachtet werden, bei Dunkelheit ist eine Reduzierung von 14,1 % festzustellen. Überwiegender Freizeitverkehr im Gegensatz zu überwiegendem Berufsverkehr wirkt sich mit 5,7 % eben- falls negativ auf die Einbruchswahrscheinlichkeit aus.

Die temporären Einflussfaktoren können nicht generell einfach aufsummiert werden, um die Veränderung der Einbruchswahrscheinlichkeit bei gleichzeitigem Auftreten verschiedener Bedingungen zu beschreiben. Daher wurden zusätzlich für jede Kombination spezielle Änderungsfaktoren der Einbruchswahrscheinlichkeit ermittelt.

An zwei Querschnitten auf der A12 bei Innsbruck sowie an einem Querschnitt auf der A2 bei Wien konnte außerdem der Einfluss einer SBA auf die Einbruchswahrscheinlichkeit analysiert werden. Es konnte beobachtet werden, dass sich die Form der Einbruchswahrscheinlichkeitskurve dahingehend ändert, dass insbesondere bei mittleren bis hohen Verkehrsstärken der Verkehr stabiler bleibt als ohne SBA. Die Verkehrsstärke, die zu einer Einbruchswahrscheinlichkeit von 50 % führt, erhöht sich mit SBA um bis zu 3,5 %. Eine grundsätzliche Verschiebung der Einbruchswahrscheinlichkeitskurve, was eine generelle Kapazitätserhöhung bedeutet hätte, konnte erwartungsgemäß nicht festgestellt werden.

Alle ermittelten konstanten, temporären und steuernden Faktoren decken sich größenordnungsmäßig mit den gefundenen Werten aus der Literatur. Einzig der Einfluss von Dunkelheit auf die Kapazität fällt bei dieser Analyse deutlich höher aus als bei vergleichbaren Untersuchungen.

Die Erkenntnisse über die Einbruchswahrscheinlichkeit können Anwendung in der Verkehrssteuerung finden. Daher wurde der Steuerungsalgorithmus AIX-ProB für SBA entwickelt, der auf der Einbruchswahrscheinlichkeit basiert und die zeitlich veränderlichen Einflüsse berücksichtigt. Ein weiteres, wesentliches Ziel bei der Entwicklung von AIX-ProB war es, dass er ohne aufwändige Parametrierung oder Erstversorgung auskommt, für beliebige Streckenabschnitte einsetzbar und somit praxistauglich ist.
AIX-ProB wurde im Rahmen eines Open-Loop-Tests für den Einsatz in SBA getestet. Das im Vergleich zu anderen Steuerungsalgorithmen mit präventivem Ansatz als gut zu bewertende Verhältnis zwischen Detektions- und Fehlalarmrate insbesondere bei den restriktiven Schaltungen auf 60 bzw. 80 km/h lässt vermuten, dass bei Umsetzung von Maßnahmen aufgrund von AIX-ProB eine gute Nachvollziehbarkeit der Anzeige durch den Verkehrsteilnehmer zu erwarten ist. Insbesondere die Berücksichtigung des Einflusses von äußeren Bedingungen auf die Einbruchswahrscheinlichkeit wirkt sich sehr positiv auf die Güte des Verfahrens aus. Insgesamt kann nachgewiesen werden, dass sich der Einsatz von AIX-ProB in der Steuerung von SBA eignet.

Es hat sich bestätigt, dass die Kapazität eine probabilistische Größe ist, die über die Einbruchswahrscheinlichkeit beschrieben werden kann. Dabei ist sie maßgeblich von verschiedenen Einflussfaktoren abhängig, deren Größenordnungen anhand einer Untersuchung einer großen Datengrundlage quantifiziert werden konnten. Außerdem hat sich gezeigt, dass die Einbruchswahrscheinlichkeit für den Einsatz in der Bewertung der Verkehrsqualität und insbesondere in der Verkehrssteuerung geeignet ist.

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