FGSV-Nr. FGSV 002/106
Ort Stuttgart
Datum 02.04.2014
Titel Eine Bewertungs- und Optimierungsmethode für dynamische Verkehrslagedarstellungen
Autoren Univ.-Prof. Dr.-Ing. Klaus Bogenberger, Gerhard Huber
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Im Fokus dieses Artikels stehen dynamische Verkehrslagedarstellungen (dVLD), welche häufig als farbkodierte Straßenkarte visualisiert werden. Diese zeigen in Echtzeit die Qualität des Verkehrszustands auf den einzelnen Streckensegmenten. Als Grundlage hierfür finden sog. Real Time Traffic Informationen (RTTI) Verwendung. Es wird im Folgenden auf Basis einer offline Rekonstruktion der Verkehrslage, welche mittels der Adaptive Smoothing Method (ASM) erstellt wird, ein theoretischer Rahmen entwickelt, welcher die Beurteilung der Qualität der zur Verfügung gestellten RTTI erlaubt und dabei zugleich ermöglicht, reale Qualitätsdefizite von solchen zu unterscheiden, die durch technische Beschränkungen unvermeidlich sind. Darauf aufbauend wird ein neuer Qualitätsindex, der Squared Inverse Mean Percentage Error (SIMPE), konstruiert. Dieser dient anschließend als Grundlage dafür, die Grenzwerte der Geschwindigkeitsklassen innerhalb dynamischer Verkehrslagedarstellungen so zu optimieren, dass der durch die Einteilung in Geschwindigkeitsklassen verursachte Informationsverlust minimiert wird.

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1 Einleitung

Verkehrsinformationen spielen im heutigen Alltag eine bedeutende Rolle. Seien es nun Traffic Message Channel (TMC)-Meldungen die über klassischen Rundfunk ausgestrahlt werden oder dynamische Verkehrslagedarstellungen (dVLD) welche beispielsweise innerhalb von Internetanwendungen als farbcodierte Straßenkarte vorliegen. Sie dienen nicht nur Autofahrern als Orientierung für den täglichen Arbeitsweg oder für Reisen, sondern die zugrunde liegenden Verkehrsdaten stellen auch die Basis der Routenoptimierung innerhalb dynamischer Navigationssysteme dar. Folglich sorgen Verkehrsdaten von geringer Qualität für Zeitverluste und insbesondere bei denjenigen, die hierfür zahlen, zu Ärger und Frust. Um also Kunden gewinnen und halten zu können, ist es für Anbieter von Verkehrsinformationsdiensten unumgänglich die Qualität ihres Angebots systematisch zu prüfen bzw. zu optimieren. Innerhalb dieses Artikels wird auf diese beiden Aspekte näher eingegangen: Zum einen wird mit dem Squared Inverse Mean Percentage Error (SIMPE) eine Methode vorgestellt, die die Bewertung der Qualität von sog. Real Time Traffic Informationen (RTTI), welche als Grundlage dynamischer Verkehrslagedarstellungen fungieren, ermöglicht. Zum anderen wird ein auf dem SIMPE basierender Ansatz zur Optimierung von dVLD beschrieben. Die zugrunde liegende Idee dabei ist, den Informationsverlust, der durch die für dVLD übliche Einteilung von Geschwindigkeiten in Geschwindigkeitsklassen entsteht, so gering wie möglich zu halten.

1.1 Dynamische Verkehrslagedarstellungen

Die Begriffe der dynamischen Verkehrslagedarstellung bzw. der Real Time Traffic Informationen sollen hier zunächst eindeutig definiert werden. Dies erscheint notwendig, da Begriffe wie Störungsmeldungen oder Level-of-Service (LOS) Informationen in diesem Kontext häufig synonym verwendet werden. Die folgende Definition kann dabei nicht als allgemeingültig angesehen werden, sondern dient lediglich dazu das Vorgehen innerhalb dieses Artikels plausibel und präzise darstellen zu können: Als RTTI werden Verkehrsinformationen bezeichnet, die geringen Aktualisierungsraten unterliegen, einzelnen Streckensegmenten eines Straßennetzes zugeordnet sind und ausschließlich Geschwindigkeitswerte wiedergeben. Abb. 1 zeigt für den Zeitraum zwischen 15:00 und 16:00 am 12. Juli 2013 eine solche, auf RTTI basierende dVLD für Portland, USA (http://portal.its.pdx.edu/home/expandedSystemsMap/index.php). Als dVLD wird dabei die Visualisierung von RTTI als farbcodierte Straßenkarte bezeichnet. Es werden dabei typischerweise keine konkreten Geschwindigkeitswerte für die einzelnen Streckenabschnitte aufgeführt, sondern die gemessenen Geschwindigkeiten werden zuvor Geschwindigkeitsklassen zugeordnet. Im gegebenen Beispiel handelt es sich insgesamt um fünf Geschwindigkeitsklassen.

Abbildung 1: Dynamische Verkehrslagedarstellung Portland, USA

Störungsmeldungen, z.B. TMC-Meldungen, unterscheiden sich von RTTI durch eine hinsichtlich des Verkehrsflusses geringere Informationsfülle. So geben Störungsmeldungen im Allgemeinen Auskunft darüber wo sich ein Stau befindet, aber im Gegensatz zu RTTI nicht welche konkreten Geschwindigkeiten innerhalb des Staus auftreten. Grundsätzlich ist es schwierig eine scharfe Grenze zwischen den Begriffen RTTI und Störungsmeldungen zu ziehen, da es sich bei Störungsmeldungen im wörtlichen Sinne letztendlich auch um „Echtzeitverkehrsinformationen“ handelt.

1.2 Messung der Qualität von Verkehrsinformationen

Um die Qualität von Verkehrsinformationen auf makroskopischer Ebene beurteilen zu können ist eine Verkehrslagerekonstruktion (VLR) notwendig mit welcher die gemeldeten Verkehrsinformationen verglichen werden. Innerhalb von Bewertungsverfahren wird die VLR als die reale Verkehrssituation angesehen, auch wenn dies aufgrund von Messfehlern, Datenübertragungsverzögerungen und einer in der Regel unvollständigen Datenlage nicht vollkommen korrekt sein kann. Dementsprechend ist es einem Bewertungsverfahren kaum möglich die tatsächliche Qualität der Verkehrsinformation, wie sie vom Endkunden wahrgenommen wird, zu messen, selbst wenn berücksichtigt wird, dass eine makroskopische VLR ohnehin nicht fähig sein kann die mikroskopische Wahrnehmung der einzelnen Autofahrer abzubilden. Eine weitere Problematik stellt sich wie folgt dar: Die Verkehrsinformationen, deren Qualität zu beurteilen sind, unterliegen innerhalb ihrer Darstellungsmöglichkeiten gewissen technischen Restriktionen. Informationen, auch wenn Sie dem Anbieter der Verkehrsinformationen noch so präzise vorliegen, werden nur bis zu einem gewissen Detailgrad gemeldet bzw. visualisiert. Beispielsweise können sich TMC-Meldungen nur auf Streckenabschnitte (von teilweise über 10 Kilometern Länge) beziehen, die gemäß der TMC Location Code List auch codierbar sind, d.h. für die eine entsprechende Streckenreferenz vorliegt. Der Grund hierfür sind technische Beschränkungen.

Abbildung 2: Zusammenhänge zwischen realisierbarer und wahrgenommener Datenqualität

Unabhängig von der Ursache für die Limitationen der zur Verfügung gestellten Verkehrsinformationen, scheint es unangemessen oder zumindest ungerecht, deren Qualität anhand des Unterschiedes zur VLR zu beurteilen. Genau das ist aber die Basis der meisten gängigen Methoden zur Qualitätsbewertung (siehe beispielsweise BOGENBERGER 2003 [1], BOGENBERGER 2009 [2], HUBER 2013 [3]). Stattdessen könnte ein strukturierter Vergleich zwischen den gemeldeten Verkehrsinformationen und einer, gemäß den technischen Einschränkungen der Darstellungsmöglichkeiten approximierten VLR angemessener sein (HUBER 2014 [4]). Die von der Art der Verkehrsinformation abhängige Reduktion der VLR auf ihre technische Beschränkung wird von hier ab als technische Grenze der Verkehrslagerekonstruktion (TVLR) bezeichnet. Abb. 2 gibt einen Überblick der beschriebenen Zusammenhänge im Falle von RTTI.

2 Konzepte zur Beschreibung der Verkehrslage

Nachfolgend werden nun die in Abb. 2 dargestellten Konzepte näher erläutert. Dabei wird ein fester Streckenabschnitt für einen bestimmten Zeitraum betrachtet. Für diesen Streckenabschnitt liegen innerhalb des betrachteten Zeitraums mittels Detektoren erfasste Geschwindigkeitswerte vor, ebenso wie RTTI. Die zu Grunde liegende Idee ist es die reale Verkehrssituation auf Basis der Detektordaten zu rekonstruieren und diese Rekonstruktion als Maßstab zur Bewertung der RTTI zu verwenden. Alle Ansätze und Folgerungen lassen sich auf eine beliebige Anzahl an Geschwindigkeitsklassen erweitern. Ebenso ist ein analoges Vorgehen auch für Störungsmeldungen realisierbar.

2.1 Verkehrslagerekonstruktion

Ziel der Verkehrslagerekonstruktion ist es, wie der Name schon impliziert, die real aufgetretene Verkehrslage so präzise wie möglich darzustellen. Die Grundlage hierfür, zumindest im Rahmen dieses Artikels, stellen von Induktionsschleifendetektoren erfasste Geschwindigkeitswerte dar. Auf ihrer Basis wird eine Raum-Zeit-Geschwindigkeitsfunktion VVLR erstellt. Es ist zu beachten, dass Funktionen stets mit Großbuchstaben benannt werden. Prinzipiell existieren verschiedene Ansätze zur Erstellung dieser Geschwindigkeitsfunktion. Hier wird die Adaptive Smoothing Method (ASM) angewandt (TREIBER 2002 [5]). Dieser Ansatz ist, neben den ASDA/FOTO-Modellen (REHBORN 2011 [6]), welche auf der Kernerschen 3-Phasen Verkehrstheorie (KERNER 2009 [7]) basieren, vermutlich einer der bekanntesten. Er erlaubt es typische Ausbreitungsgeschwindigkeiten von Informationen im Verkehr zu berücksichtigen.VVLR wird üblicherweise, wie in Abb. 3, als Konturplot visualisiert.

Abbildung 3: Konturplot der Verkehrslagerekonstruktion VLRV

Dieser Konturplot ist anhand von Geschwindigkeitsdaten eines ca. 16 Kilometer langen Streckenabschnitts der A99 zwischen Neuherberg und dem Autobahnkreuz München Ost, Richtung Salzburg, erzeugt worden. Um optische Vergleichbarkeit zu garantieren, basieren die Abbildungen 2, 3, 5, und 6 auf demselben Datensatz.

2.2 Real Time Traffic Informationen

In Abb. 1 lässt sich sehr gut erkennen, in welcher Form RTTI üblicherweise vorliegen: Das Straßennetz ist in einzelne Streckensegmente unterteilt. Für jedes Segment wird die aktuelle Geschwindigkeitsklasse angegeben. Die entsprechende Information wird in regelmäßigen Zyklen von wenigen Minuten erneuert. Um nun die Qualität von RTTI anhand der Verkehrslagerekonstruktion bemessen zu können, ist es zunächst notwendig die RTTI in eine mit Abbildung 3 vergleichbare Form zu bringen. Hierfür wird die betrachtete Strecke entsprechend der RTTI in Streckensegmente Si unterteilt und die betrachtete Zeitspanne gemäß den Updateraten des RTTI-Anbieters in gleichlange Zeitintervalle Tj (siehe Abb. 4).

Abbildung 4: Schematische Darstellung des RTTI-Gitters

Das so entstehende Gitter auf der Raum-Zeit-Ebene wird von nun ab als RTTI-Gitter bezeichnet. Jeder Raum-Zeit-Zelle des Gitters kann dann eindeutig eine Geschwindigkeitsklasse gemäß den RTTI zugeordnet werden. Um nun aus dieser Raum-Zeit-Anordnung von Geschwindigkeitsklassen eine Raum-Zeit-Geschwindigkeitsfunktion Zu erzeigen ist es lediglich notwendig jeder Geschwindigkeitsklasse einen diese Klasse repräsentierenden Geschwindigkeitswert zuzuordnen. Für das nachfolgende Beispiel wird dabei stets das arithmetische Mittel aus oberer und unterer Geschwindigkeitsgrenze der jeweiligen Klasse angenommen. Ausgehend von vier Geschwindigkeitsklassen A (freier Verkehrsfluss) bis D (schwerer Stau), wobei D das Intervall von 0 bis 35 km/h umfasst, C von 36 bis 60 km/h, B von 61 bis 100 km/h und A alles ab 101 km/h, könnte ein zu Abb. 3 passender RTTI-Plot wie in Abb. 5 aussehen. Es wird der Einfachheit halber angenommen, dass nur ganzzahlige Geschwindigkeitswerte vorliegen. Zu beachten ist, dass die Raum-Zeit-Funktion in Abb. 5 keine tatsächlich ausgestrahlten RTTI darstellt, sondern lediglich künstlich erzeugt wurde um das Vorgehen zu veranschaulichen. Die Aktualisierungsrate wurde dabei auf 5 Minuten festgelegt und die Streckensegmente willkürlich auf Längen zwischen 300 und 800 Metern. Diese Werte entsprechen Größenordnungen, wie sie in der Praxis zu finden sind.

Abbildung 5: Darstellung von RTTIV als Konturplot

Die resultierenden Geschwindigkeitswerte, die die jeweilige Klasse repräsentieren, ergeben sich dementsprechend als vD = 17,5 km/h, vC = 48 km/h, vB = 80,5 km/h und vA = 137 km/h. Dabei wurde für die Klasse A eine obere Grenze von 173 km/h verwendet. Diese willkürlich wirkende Zahl ergibt sich aus der Tatsache, dass für den im Rahmen dieses Artikels näher untersuchten Datensatz die höchste auftretende Geschwindigkeit bei 173 km/h lag. Präzisere Informationen finden sich im Abschnitt 4.3. Der Wert, den die Funktion innerhalb der Zelle annimmt, wird mit bezeichnet. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Funktion lediglich eine geringe Anzahl sich unterscheidender Werte annehmen kann, nämlich die dieeinzelnen Klassen repräsentierenden Geschwindigkeitswerte. In unserem Beispiel gilt also.  Hieraus resultiert auch, dass es sich bei i. A. um eine stückweise konstante, nichtstetige Funktion innerhalb der Raum-Zeit-Ebene handelt.

Formel (1) siehe PDF.

2.3 Technische Grenze der Verkehrslagerekonstruktion

Um die VLR so zu verändern, dass technische Restriktionen berücksichtigt werden, sind zunächst diese Restriktionen im Falle von RTTI zu identifizieren. Sie entstehen durch die Partitionierung der Straßenkarte in Segmente, da für jedes dieser Segmente lediglich ein Durchschnittsgeschwindigkeitswert angegeben werden kann. Des Weiteren durch die Aktualisierungsraten der RTTI, was die zeitliche Auflösung begrenzt. Schließlich erfolgt häufig, insbesondere wenn RTTI zur Erzeugung von dVLD dienen, eine Einteilung der Geschwindigkeitswerte in Geschwindigkeitsklassen. Dies verringert die Informationsgüte weiter. Daher kann für ein Streckensegment und ein Zeitintervall nur ein einzelner von wenigen Geschwindigkeitswerten gemeldet werden. Abb. 6 zeigt den zur Abb. 2 passenden Konturplot der TVLR. Um die abgebildete Funktion zu erzeugen, wurde für jede Zelle das harmonische Mittel der Funktion gebildet. Hierbei kommt das harmonische und nicht das arithmetische Mittel zur Anwendung um Verzerrungen bei darauf aufbauenden Reisezeitberechnungen zu vermeiden (vergleiche Fig. 4.4 in TREIBER 2013 [8]). Der resultierende Wert wird entsprechend seiner Größe einer der vier Geschwindigkeitsklassen zugeordnet. Die so entstehende Raum-Zeit-Geschwindigkeitsfunktion wird mit bezeichnet. Dabei ist zu beachten, dass auch nur die die Klassen repräsentierenden Geschwindigkeitswerte annimmt stellt den entsprechenden Geschwindigkeitswert der Zelle dar.

Abbildung 6: Konturplot der technischen Verkehrslagerekonstruktion TVLR

3 Squared Inverse Mean Percentage Error

Betrachtet man die Abbildungen 5 und 6, so stellt man fest, dass, wie auch räumlich-zeitlich diskretisierte Geschwindigkeitsfunktionen darstellen. Sie nehmen konstante Werte innerhalb der Zellen des RTTI-Gitters an, welches durch die Updaterate der RTTI bzw. durch die Unterteilung des betrachteten Streckenabschnitts in Streckensegmente definiert ist. Die Grundidee ist nun die beiden Funktionen zellweise mittels eines Abstandsmaßes d zu vergleichen und den je Zelle resultierenden Wert entsprechend der Raum-Zeit-Ausdehnung dieser Zelle zu gewichten. Das aus diesen Abstandswerten resultierende Mittel, wird vorerst mit D(d ) bezeichnet. Daraus ergibt sich für den Bereich, die Geschwindigkeitsfunktionen und das RTTI-Gitter, welches durch die Segmente S1 ,..., Sn bzw. durch die Zeitintervalle T1,...,Tm gegeben ist, der Term, wobei folgende Definitionen verwendet werden:

Formel (2) siehe PDF.

Formel (3) siehe PDF.

Formel (4) siehe PDF.

Je größer der Wert D(d) desto unterschiedlicher sind die beiden Funktionen VTVLR und VRTTI schlechter ist die Qualität der RTTI zu bewerten. Die Funktion d könnte dabei durch praktisch jedes Abstandsmaß dargestellt werden. Im Rahmen statistischer Untersuchungen auf Basis realer Verkehrsdaten ist eine Reihe von möglichen Abstandsmaßen untersucht worden, wie beispielsweise die relative Abweichung oder die quadratische Abweichung (für nähere Informationen, siehe HUBER 2014, [4]). Ziel war es dabei ein Abstandsmaß zu finden, welches insbesondere dann zu hohen Fehlerwerten führt, wenn auf Basis von VTVLR und VRTTI berechnete Ankunftszeitschätzungen erhebliche Abweichungen zueinander aufweisen. Die dahinterstehende Idee ist, dass Nutzer von RTTI-Diensten, also beispielsweise von Navigationsgeräten, insbesondere Wert auf eine akkurate Ankunftszeitschätzung legen. Als Resultat dieser Analyse ergab sich folgendes Abstandsmaß:

Formel (5) siehe PDF.

Dessen hohe Korrelation mit Reisezeitabweichungen lässt sich wie folgt erklären: Stellen die Inputargumente x und y eine Geschwindigkeit dar, so kann der resultierende Zeitbedarf mit Reisezeitabweichung verstanden werden:

Formel (6) siehe PDF.

Hier entspricht tTVLR (i,j)der Reisezeit für das Durchqueren des Streckenabschnitts Si unter einer angenommenen Geschwindigkeit von vTVLR (i, j) . Analog ergibt sich tRTTI (i, j). Wie bereits erwähnt ist d nicht das einzige, in Betracht kommende Abstandsmaß, allerdings weist dieses Fehlermaß, neben der hohen Korrelation mit Reisezeitabweichungen, einige weitere nützliche Eigenschaften auf. Beispielsweise führt das quadratische Wachstum dazu, dass kleinen Fehlern, die durch Nutzer von RTTI-Diensten voraussichtlich ohnehin nicht so stark wahrgenommen werden, kaum Gewicht beigemessen wird. Schweren hingegen umso mehr.

Der Qualitätsindex D(d ) wird von hier ab als Squared Inverse Mean Percentage Error (SIMPE) bezeichnet. Um eine eindeutige Darstellung abhängig von den verglichenen Funktionen zugewährleisten, wird SIMPE(VTVLR ,VRTTI ) geschrieben, wenn für die Funktionen VTVLR und VRTTI der Wert D(d ) berechnet wird. Der Wert d (vTVLR (i, j); vRTTI (i, j)), der einer einzelnen Zelle zugeordnet wird, wird als SIMPE-Wert dieser Zelle bezeichnet. Um den Ansatz zu verdeutlichen wird das Vorgehen an einem Beispiel erläutert: Vergleicht man die Abbildungen 5 und 6, so lässt sich zwar eine gewisse Ähnlichkeit der zugrundeliegenden Funktionen VTVLR und VRTTI bescheinigen, allerdings sind auch einige Unterschiede feststellbar. Explizit soll im Folgenden die Zelle links oben, also im Zeitraum von 07:30 Uhr bis 07:35 Uhr bei Streckenkilometer 16, näher betrachtet werden. Laut den RTTI aus Abb. 5 liegt Geschwindigkeitsklasse A vor, die reale Klasse gemäß der TVLR aus Abb. 6 ist aber Klasse B. Da die Klasse A den bisher getroffenen Annahmen entsprechend durch einen Wert vA = 137 km/h (das arithmetische Mittel aus oberer und unterer Grenzgeschwindigkeit) repräsentiert wird und die Klasse B durch ergibt sich folgender SIMPE-Wert für diese Zelle:

Formel (7) siehe PDF.

Analog kann für jede der visualisierten Zellen vorgegangen werden. Dies erlaubt es auch, wie in Abb. 7, einen Fehler-Plot zu erzeugen, in welchem jede Zelle Si x Tj gemäß ihres SIMPE-Werts d(vTVLR (i, j); vRTTI (i, j)) eingefärbt ist. Weiße Zellen zeigen in diesem Beispiel an, dass die Geschwindigkeitsklassen der Funktionen VTVLR und VRTTI übereinstimmen, gefärbte Zellen signalisieren Unterschiede.

Abbildung 7: Raum-Zeit-Darstellung des SIMPE

Eine rote Zelle zeigt dabei, dass die Fehlinformation über die Klasse einer Zelle zu einem besonders hohen SIMPE-Wert für diese Zelle geführt hat. Der Schwellwerte 0,0225 entspricht dabei dem SIMPE-Wert einer Zelle, der entsteht, falls eine relative Abweichung der Geschwindigkeitsfunktionen VTVLR und VRTTI von 15% angenommen wird, d.h. unter der Bedingung, dass folgende Gleichung gilt:

Formel (8) siehe PDF.

Also folgt:

Formel (9) siehe PDF.

Analog entspricht der zweite Schwellwert von 0,36 einer relativen Abweichung der Geschwindigkeiten von 40%. Diese Schwellwerte können beliebig angepasst werden und sind hier eher beispielhaft zu verstehen. Aus diesen Überlegungen ergibt sich für die Zelle links oben bei einem SIMPE-Wert von 0,170 eine orange Färbung. Der große Vorteil einer Darstellung wie in Abb. 7 ist die Tatsache, dass sich räumlich-zeitliche Fehlerhäufungen visualisieren und dementsprechend auch identifizieren lassen. Diese Erkenntnisse können dann die Basis für Qualitätsverbesserungsmaßnahmen darstellen.

4 Optimierung der Geschwindigkeitsklassen

Neben der Qualitätsbewertung, wird nun auf eine weitere Einsatzmöglichkeit des SIMPE eingegangen: Angenommen eine Qualitätsuntersuchung der RTTI auf Basis des SIMPE ergibt, dass VTVLR undVRTTI fast identisch sind. Dennoch wird beispielsweise mittels alternativer Ansätze zur Qualitätsbewertung (z.B. mittels den in HUBER 2013, [3] beschriebenen Ansatz) festgestellt, dass VRTTI erheblich von der Verkehrslagerekonstruktion VVLR abweicht. Die Konsequenz wäre, dass ein großer Anteil des Informationsverlustes durch die eingeschränkten Darstellungsmöglichkeiten verursacht wird, also durch den Schritt von VVLRzu VTVLR. Dementsprechend wäre es unumgänglich die technischen Einschränkungen anzupassen um eine verbesserte Kundenwahrnehmung zu erwirken. Im Folgenden wird nun ein potentieller Ansatz erläutert, wie dieses unter Zuhilfenahme des SIMPE möglich ist. Betrachtet man hierfür zunächst die Konstruktion der Funktion VTVLR, so kann man einen zweistufigen Prozess ausmachen: Auf der ersten Stufe wird die Verkehrslagerekonstruktion, repräsentiert durch VVLR , auf der Raum-Zeit-Ebene gemäß des RTTI-Gitters diskretisiert, beispielweise durch eine harmonische Mittelung wie in Abschnitt 2.3 beschrieben. Die resultierende Funktion sei mit VTVLR* bezeichnet. Auf der zweiten Stufe wird die Funktion VTVLR* hinsichtlich ihrer Geschwindigkeitswerte kategorisiert.

Abbildung 8: Transformation der VLR zur TVLR

Der grundlegende Gedanke ist nun den Informationsverlust, der durch die Einteilung in Geschwindigkeitsklassen entsteht, zu minimieren, d.h. die Geschwindigkeitsklassen so zu wählen, dass der mittels des SIMPE(VTVLR*,VTVLR ) gemessene Unterschied gering ist. Zwei mögliche Vorgehensweisen lassen sich hierfür beschreiben: Erstens, die Geschwindigkeitsklassen warden so gewählt, dass selbst die für diese Geschwindigkeitsklasseneinteilung denkbar ungünstigste Funktion VTVLR* zu einem möglichst kleinen Wert von SIMPE(VTVLR*,VTVLR ) führt. Dies entspricht einer sog. „Worst-Case- Optimierung” bzw. robusten Optimierung. Die zweite Möglichkeit besteht darin die Geschwindigkeitsklassen so zu wählen, dass der zu erwartende SIMPE-Wert möglichst gering ausfällt. Hierfür ist allerdings die Funktion VTVLR* als Zufallsvariable zu interpretieren.
Das resultierende Optimierungsproblem kann folglich dem Gebiet der stochastischen Optimierung zugeordnet werden und wird mittels eines genethischen Algorithmus approximativ gelöst. Derselbe Ansatz wird zur Lösung des Worst-Case- Optimierungsproblems verwendet.

4.1 Das Worst-Case-Optimierungsproblem

Um das Worst-Case-Optimierungsproblem aufstellen zu können, wird hier zunächst noch einmal die Grundidee geschildert: Das Ziel ist es, die Grenzen der Geschwindigkeitsklassen so zu wählen, dass, unabhängig von der eingesetzten Raum-Zeit-Geschwindigkeitsfunktion VTVLR*, ein möglichst geringer Wert von SIMPE(VTVLR* ,VTVLR ) garantiert werden kann. Hieraus resultiert folgendes Subproblem der Worst-Case-Optimierung: Um einen möglichst geringen Wert garantieren zu können, ist es notwendig diejenige Funktion TVLR* zu identifizieren, welche für eine gegebene Einteilung in Geschwindigkeitsklassen (von hier ab als Geschwindigkeitsklassifikation bezeichnet) zum größten Wert von SIMPE(VTVLR*,VTVLR ) führt. Es bleibt anzumerken, dass sich die Funktion VTVLR direkt aus der Geschwindigkeitsklassifikation und der Funktion VTVLR* ergibt (vergleiche Abb. 8). Somit ist VTVLR* die einzige Variable des Subproblems. Die Menge aller potentiell in Frage kommenden Funktionen wird dabei definiert als die Menge V feasible TVLR* allerGeschwindigkeitsfunktionen auf dem Raum-Zeit-Bereich, die

1.    stückweise konstant innerhalb der Zellen des zugrundeliegenden RTTI-Gitters sind

2.    nur ganzzahlige Werte zwischen 1 und 173 annehmen.

Die erste Bedingung ergibt sich direkt aus der Konstruktion der Funktion VTVLR* als Raum-Zeit-Diskretisierung der kontinuierlichen Funktion VVLR. Die zweite Bedingung ist eine zusätzliche Einschränkung. Die Beschränkung des möglichen Bereichs nach unten ist dabei sinnvoll, da in der Realität keine negativen Geschwindigkeiten gemessen werden. Das Wegfallen der null ist der Konstruktion des SIMPE (vgl. Formel (5)) geschuldet, da es sonst zur Division durch null kommen würde. Die Beschränkung nach oben ergibt sich wiederum aus der höchsten auftretenden Geschwindigkeit von 173 km/h. Die Forderung der Ganzzahligkeit hingegen dient zur Vereinfach des resultierenden Optimierungsproblems und ist per se keine notwendige Bedingung. Allerdings sind die resultierenden Auswirkungen auf die Lösung vermutlich gering. Neben der Menge V TVLR feasible, ist auch festzulegen, wie eine Geschwindigkeitsklassifikation zu kodieren ist. Um die Notation so einfach wie möglich zu halten, wird für die Herleitung der Optimierungsprobleme weiter von genau vier Geschwindigkeitsklassen A bis D ausgegangen, alle Ansätze können allerdings analog auf eine beliebige Anzahl an Klassen angepasst werden. Die unteren (ganzzahligen) Geschwindigkeitsgrenzen dieser Klassen werden mit vA start bis v D start die oberen (ganzzahligen) Grenzen mit vAend bis v D end :

Abbildung 9: Darstellung der Variablen gemäß dem Beispiel von Abb. 4 und 5

Darüber hinaus wird im Rahmen der Optimierungen innerhalb des Abschnitts 4 die Forderung aufgegeben, dass sich die die Klassen repräsentierenden Geschwindigkeitswerte vA bis vD aus dem arithmetischen Mittel der Grenzen der jeweiligen Klasse ergeben. Dies eröffnet zusätzliches Optimierungspotential, da ja beispielsweise eine harmonische Mittelung zu besseren Ergebnissen führen könnte. Aus praktischer Sicht lässt sich also somit auch klären, wie diese repräsentierende Geschwindigkeitswerte für gegebene Geschwindigkeitsgrenzen zu wählen sind.

4.1.1 Subproblem: Identifikation des Worst-Case für eine gegebene Geschwindigkeitsklassifikation

Auf Basis der hier durchgeführten Vorarbeiten lässt sich dann das oben beschriebene Subproblem, nämlich zu einer gegebenen Geschwindigkeitsklassifikation diejenige Funktion aus zu finden, die zum höchsten Wert von führt, wie folgt mathematisch formulieren:

Formel (10) siehe PDF.

Hierbei wird geschrieben um zu kennzeichnen, dass sich die Funktion aus den Werten und der Funktion ergibt. Die Funktion wird eingeführt um später die Notation bei der Formulierung des Worst-Case-Optimierungsproblems zu vereinfachen.

Das Subproblem (10) ist vergleichsweise einfach zu lösen. Der Grund hierfür ist, dass sich zeigen lässt, dass stets eine auf konstante Funktion in existieren muss, die dieses Problem optimal löst:

Angenommen es gäbe eine Klassifikation und eine nichtkonstante Funktion, die das Problem (10) optimal löst. Dann gäbe es, da lediglich konstante Werte innerhalb jeder Zelle annimmt, mindestens zwei Zellen innerhalb derer sich die Werte von unterscheiden:
Nun sind zwei Fälle zu unterscheiden.

Formel (11) siehe PDF.

Fall 1: Für jedes solche Paar von Zellen wie in (11) ergibt sich derselbe SIMPE-Wert, d.h.:

Formel (12) siehe PDF.

wobei die Geschwindigkeitsfunktion darstellt, die sich aus und der Geschwindigkeitsklassifikation ergibt. Aus dieser Annahme lässt sich erkennen, dass die Funktion innerhalb jeder beliebigen Zelle auf denselben SIMPE-Wert (nämlich d *) führen muss. Damit entspricht auch der Wert von SIMPE, als das mit den Raum-Zeit-Flächen gewichtete Mittel der SIMPE-Werte der einzelnen Zellen, dem Wert d *. Folglich würde für jede Funktion, die auf der gesamten Raum-Zeit-Fläche einen Wert v* ={1,2,..,173} annimmt, der auf denselben SIMPE-Wert d * führt, gelten:

Formel (13) siehe PDF.

Somit würde auf denselben Funktionswert von f (vstart,...,vend) in (10) führen und dementsprechend wäre die konstante Funktion ebenso eine Lösung von (10) wie.

Fall 2: Es gibt mindestens ein Paar von Zellen Si x Tj und Sk x Tl, die zwar die Bedingung (11) erfüllen, aber für das gilt:

Formel (14) siehe PDF.

In (14) wurde ohne Beschränkung der Allgemeinheit das Ungleichheitszeichen durch ein „>“- Zeichen ersetzt. Die nachfolgenden Schlüsse ließen sich analog auch für „<“ herleiten. Es wird nun gezeigt, dass eine Funktion existiert, für die gilt, dass

Formel (15) siehe PDF.

Dementsprechend ist die Annahme, dass die nichtkonstante Funktion optimal für Problem (10) ist, zu verwerfen. Fall 1 und 2 zusammen betrachtet beweisen also, dass es stets eine konstante Funktion in geben muss, die (10) optimal löst.

Um eine Funktion wie in (15) zu konstruieren wird einfach die Bedingung (14) verwendet, die den Fall 2 innerhalb der getroffenen Fallunterscheidung definiert. Also wird nun ein Paar von Zellen betrachtet für das die Bedingung (14) gilt.

Darauf aufbauend wird die Funktion wie folgt definiert:

Formel (16) siehe PDF.

Formel (17) siehe PDF.

Hierbei ist der Geschwindigkeitswert, den die Funktion innerhalb der Zelle annimmt. Betrachtet man die Definitionen (16) und (17), so ist offensichtlich dass die SIMPE-Werte jeder einzelnen Zelle für die Funktionen übereinstimmen. Die einzige Ausnahme bildet die Zelle Sk Tl. Hier ist der entsprechende SIMPE-Wert gemäß Ungleichung (14) für die Funktion größer. Folglich muss auch der gesamte SIMPE-Wert für größer sein und somit ist Ungleichung (15) erfüllt.

Da nun gezeigt wurde, dass stets eine konstante Funktion existiert, die das Subproblem (10)
löst, ist es nun lediglich notwendig alle konstanten Funktionen in durchzutesten und diejenige auszuwählen, die zum größten SIMPE-Wert führt. Weil nur ganzzahlige Geschwindigkeitswerte zwischen 1 und 173 km/h zulässig sind, ist also die Anzahl aller zu prüfenden Funktionen auf 173 beschränkt. Dementsprechend lässt sich Problem (10) umschreiben zu:

Formel (18) siehe PDF.

Das Subproblem und seine Lösung soll nun anhand eines kleinen Beispiels erläutert werden. Es sei die Geschwindigkeitsklassifikation wie in Abb. 6 gegeben. Um nun das Subproblem (18) für diese gegebene Geschwindigkeitsklassifikation zu lösen betrachtet man zunächst die konstante Geschwindigkeitsfunktion. Da 1 km/h der Geschwindigkeitsklasse D zugeordnet werden kann, lässt sich schließen, dass VTVLR = vD = 17,5 km/h. Hieraus wiederum folgt gemäß der Definitionen des SIMPE (siehe (2), (3), (4) und (5)):

Formel (19) siehe PDF.

Formel (20) siehe PDF.

Analog ist für jede weitere zulässige konstante Geschwindigkeitsfunktion vorzugehen, also bis Abb. 10 zeigt für die gegebene Geschwindigkeitsklassifikation die resultierenden Werte. Dabei wird der größte SIMPE-Wert von 1.0 bei VTVLR* 35 km/h verzeichnet. Demzufolge löst für die gegebene Geschwindigkeitsklassifikation das Subproblem (18) (bzw. das Subproblem (10)).

Abbildung 10: SIMPE-Werte abhängig von dem Geschwindigkeitswert *v, unter der Annahme **vVTVLR*

Es ist anzumerken, dass die höchsten SIMPE-Werte an den Rändern der Geschwindigkeitsklassen angenommen warden, da sich hier die konstanten Funktionen zwangsläufig am stärksten voneinander unterscheiden. Darüber lassen sich besonders hohe SIMPE-Werte bei niedrigen Geschwindigkeiten von erkennen. Diese Beobachtung wird von hoher Bedeutung für die Interpretation der Ergebnisse der Worst- Case-Optimierung sein.

4.1.2 IntegrationdesSubproblemszurFormulierungdesWorst-Case- Optimierungsproblems

Ausgehend vom Subproblem (18) ergibt sich entsprechend das vollständige Worst-Case-Optimierungsproblem:
Hierbei ist die Menge aller zulässigen Geschwindigkeitsklassifikationen. Eine ganzzahlige Geschwindigkeitsklassifikation gilt dabei als zulässig, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

Formel (21) siehe PDF.

Diese Bedingungen garantieren, dass jeder ganzzahlige Geschwindigkeitswert zwischen 1 und 173 km/h eindeutig einer Geschwindigkeitsklasse zugeordnet werden kann.

4.2 Stochastisches Optimierungsproblem

Wie bereits erwähnt wird nun die Funktion VTVLR* als Zufallsvariable interpretiert und die Geschwindigkeitsklassifikation so gewählt, dass der Erwartungswert E[SIMPE(VTVLR*, VTVLR )] minimal ist. Das resultierende stochastische Optimierungsproblem ist dann wie folgt definiert:

Formel (22) siehe PDF.

Um dieses Problem lösen zu können, ist es notwendig Erwartungswerte zu berechnen. Innerhalb dieses Artikels wird der Erwartungswert auf Basis eines realen Datensatzes geschätzt. Konkret werden Geschwindigkeitsdaten von Induktionsschleifendetektoren eines ca. 16 Kilometer langen Teilstücks der A99 zwischen Neuherberg und dem Autobahnkreuz München Ost über einen Zeitraum von 40 Tagen verwendet. Je Tag und Fahrtrichtung wird mittels der ASM eine Verkehrslagerekonstruktion erstellt (vgl. Abb. 3), d.h. es werden 80 Funktionen generiert. Die wiederum werden durch harmonische Mittelwertbildung innerhalb der Zellen, wie in Abschnitt 2.3 beschrieben, räumlich und zeitlich entsprechend eines RTTI-Gitters diskretisiert, so dass man die entsprechenden Funktionen erhält. Dabei wird ein künstlich erzeugtes RTTI-Gitter verwendet (vergleiche Abb. 5): Die zeitliche Aktualisierungsrate ist auf fünf Minuten festgelegt, die räumliche Unterteilung des 16 Kilometer langen Streckenabschnitts erfolgt willkürlich in Segmente zwischen 300 und 800 Metern. Das Optimierungsproblem (22) kann dann folgendermaßen approximiert werden:

Formel (23) siehe PDF.

Dabei ist offensichtlich, dass eine Klassifikation, die das Problem (23) löst, stark von der verwendeten Datengrundlage abhängt. Ein größerer Datensatz der A99 oder ein Datensatz einer anderen Autobahn könnte das Ergebnis der Optimierung maßgeblich verändern.

4.3 Heuristische Lösung der Optimierungsprobleme durch Anwendung eines genetischen Algorithmus

Die Zielfunktionen innerhalb der Optimierungsprobleme (18) und (23) sind weder linear noch konvex. Dies macht es äußerst schwierig globale Optima zu finden. Ein möglicher Ansatz zumindest „gute“, wenn auch nicht optimale Lösungen zu erhalten besteht in der Anwendung genetischer Algorithmen. Dabei wird an dieser Stelle auf den in Matlab (Matlab-Version R2012b) innerhalb der Global Optimization Toolbox bereits vorimplementierten genetischen Algorithmus zurückgegriffen. Für die zufällige Erzeugung der ersten Generation an Individuen, die Selektion, die Rekombination und die Mutation fanden im Wesentlichen die in Matlab voreingestellten Parameter Verwendung. Eine detaillierte Beschreibung dieser Vorgänge innerhalb von Matlab ist in [9] dargestellt. Im Gegensatz dazu wurde die Größe der einzelnen Generationen mit 80 Individuen manuell auf einen vergleichsweise hohen Wert gesetzt, um so möglichst viele Funktionsauswertungen zu garantieren und eine entsprechend gute Lösung zu erhalten. Darüber hinaus wurde die maximale Anzahl an Generationen auf 1000 beschränkt, um die Rechenzeit zu begrenzen. Dieses Abbruchkriterium ist allerdings im Rahmen der Optimierungen nicht zum Tragen gekommen, da stets ein anderes Terminationskriterium, nämlich das Stagnieren des besten Zielfunktionswertes über mehrere Generationen hinweg, zur Beendigung des iterativen Prozesses führte. Ein interessanter Aspekt ist dabei, dass der genetische Algorithmus deutlich weniger Generation für die stochastische Optimierung erzeugte. Auch gelangte man im Rahmen der stochastischen Optimierung bei mehreren separaten Durchläufen des genetischen Algorithmus stets zu vergleichbar guten Ergebnissen, also zu Klassifikationen die sich zwar voneinander unterschieden, aber zu ähnlichen Zielfunktionswerten führten. Das Lösen des Worst-Case-Optimierungsproblems hingegen führte insbesondere bei einer hohen Zahl an Geschwindigkeitsklassen, also bei vielen Variablen, häufig zu vergleichsweise schlechten Ergebnissen, so dass erneute Durchläufe notwendig waren. Die wahrscheinlichste Erklärung hierfür ist das Auftreten vieler lokaler Minima bzw. „Senken“, die der genetische Algorithmus im Rahmen der Optimierung nicht mehr verlassen kann.

Abbildung 11: Ergebnisse der Optimierung

Berechnet wurden Lösungen für die Probleme (18) und (23), allerdings auf Basis folgender Erweiterung: Die beiden Minimierungsprobleme wurden jeweils für eine feste Anzahl von drei bis sechs Geschwindigkeitsklassen gelöst, d.h. die Menge der zulässigen Geschwindigkeitsklassifikationen wurde jeweils entsprechend der Anzahl an Klassen angepasst. Die Ergebnisse der Optimierung, also die besten gefundenen Individuen, sind in Abb. 11 visualisiert. Auf der linken Seite finden sich die gemäß der Worst-Case-Optimierung resultierenden Klassifikationen, auf der rechten Seite entsprechend die Ergebnisse für die stochastische Optimierung. An der Färbung der Balken lassen sich die Grenzen der Geschwindigkeitsklassen erkennen und an den gestrichelten Linien die die Klassen repräsentierenden Geschwindigkeiten.

4.3.1 Interpretation der berechneten Klassifikationen

Es lässt sich feststellen, dass unabhängig von der Anzahl der Geschwindigkeitsklassen beim Worst-Case-Optimierungsproblem viele schmale Geschwindigkeitsklassen bei niedrigen Geschwindigkeiten auftreten. Die Ursache hierfür ist mit der Interpretation des SIMPE als approximierte quadrierte relative Reisezeitabweichung (vergleiche (6)) erklärbar: Verändert man eine geringen Geschwindigkeitswert um 1 km/h, so ist die prozentuale Veränderung der resultierenden Reisezeit vergleichsweise hoch. D.h. der SIMPE, als quadrierte relative Reisezeitabweichung nimmt einen hohen Wert an. Dementsprechend muss bei niedrigen Geschwindigkeiten feiner differenziert werden, um einen niedrigen SIMPE, wie er bei der Worst-Case-Optimierung gefordert ist, zu garantieren. So lassen sich auch die hohen SIMPE-Werte bei geringen Geschwindigkeiten in Abb. 10 deuten.

Auf ähnliche Weise kann für die stochastische Optimierung erklärt werden, warum sich die Klassen erst bei höheren Geschwindigkeiten verdichten: Zwar ist es weiterhin der Fall, dass der SIMPE prinzipiell größere bzw. schlechtere Werte bei niedrigen Geschwindigkeiten annimmt, allerdings treten innerhalb des untersuchten Datensatzes der A99 nur selten niedrige Geschwindigkeitswerte auf. In Abb. 12 ist der Raum-Zeit-Flächenanteil der einzelnen Geschwindigkeitswerte summiert über alle Funktionen dargestellt. Der niedrigste auftretende Geschwindigkeitswert liegt bei 7 km/h, der höchste bei 173 km/h. Der Anteil der Geschwindigkeiten über 100 km/h hingegen ist erheblich. Die Ursache hierfür ist, dass die Geschwindigkeitsfunktionen jeweils ganze Tage darstellen. Es treten zwar häufig Verkehrsbehinderungen auf, beispielsweise durch Pendler-Verkehr, allerdings herrschen nachts durchgehend Freiflussbedingungen. Als Konsequenz ergibt sich, dass beim Maximieren der Erwartungswertschätzung in (23) eine feinere Differenzierung für die Bereiche über 100 km/h notwendig wird, da auf diesem Bereich einfach mehr „Gewicht“ liegt.

Abbildung 12:(Raum-Zeit-)Häufigkeit der Geschwindigkeiten auf der A99

Die in Abb. 11 durch gestrichelte Linien gekennzeichneten repräsentierenden Geschwindigkeitswerte lassen für die Worst-Case-Optimierung kaum eine verallgemeinerbare Aussage zu. Im Rahmen der stochastischen Optimierung ist bei Klassen mit niedrigen Geschwindigkeiten, unabhängig von der Anzahl an Geschwindigkeitsklassen, die Tendenz zu hohen repräsentierenden Geschwindigkeiten ersichtlich. Diese Beobachtung ist allerdings auch den in Abb. 12 dargestellten Geschwindigkeitswerten geschuldet, da der Raum-Zeit-Anteil höherer Geschwindigkeiten innerhalb dieser „langsamen“ Klassen überwiegt. Analog können niedrige repräsentierende Geschwindigkeitswerte für die „schnellste“ Geschwindigkeitsklasse erkannt und begründet werden.

Abschließend sind in Tab. 1 und Abb.13 die Ergebnisse der Optimierung (für fünf Geschwindigkeitsklassen) solchen Klassifikationen gegenübergestellt, die auch in Praxis Anwendung finden. Dabei ist mit „Portland“ die in Abb. 1 aufgeführte Klassifikation bezeichnet und mit „HBS“ die Klassifikation, die sich aus der Einteilung der Qualität des Verkehrsablaufs abhängig von der mittleren gefahrenen Geschwindigkeit laut HBS (siehe Tabelle 3-1 in HBS 2009, [10]) ergibt. Zu beachten ist dabei, dass das HBS sechs Qualitätsstufen nennt.

Tabelle 1: Übersicht verschiedener Geschwindigkeitsklassifikationen

Abbildung 13: Übersicht verschiedener Geschwindigkeitsklassifikationen

Grundsätzlich sind deutliche Unterschiede zwischen den hier aufgeführten Klassifikationen feststellbar. Interessant ist jedoch die hohe Strukturelle Ähnlichkeit der stochastischen Optimierung mit dem HBS. Es scheint im HBS dem Prinzip gefolgt worden zu sein, dass vor allem bei den „üblichen“ bzw. häufig auftretenden Geschwindigkeitsniveaus auf Autobahnen zwischen 100 und 130 km/h eine feine Unterscheidung notwendig ist. Betrachtet man hingegen die Worst-Case-Klassifikation, so ist dieser, aufgrund der sehr schmalen Klassen bei geringen Geschwindigkeiten, kaum praktische Bedeutung zuordenbar, da es auf Autobahnen einem Verkehrsteilnehmer vermutlich nicht besonders wichtig ist, ob die Durchschnittsgeschwindigkeit bei zwei oder bei drei km/h liegt.

5 Zusammenfassung und Ausblick

In dem vorgestellten Artikel wird zunächst auf ein allgemeines Konzept zur Bewertung der Qualität von Verkehrsinformationen eingegangen. Der entscheidende Aspekt an dieser Stelle ist die Einführung der TVLR. Diese alternative Rekonstruktion der realen Verkehrssituation bezieht technische Restriktionen, denen die Verkehrsinformationen üblicherweise unterliegen, mit ein und erlaubt so das Nichtbewerten von Qualitätsdefiziten, die aufgrund dieser Einschränkungen unvermeidlich sind. Auf Basis der TVLR wird der SIMPE, ein Qualitätsindex zur Bewertung von RTTI hergeleitet. Im Zuge dieses Verfahrens ist es möglich Qualitätsmängel räumlich, wie auch zeitlich zu analysieren. Der SIMPE wiederum fungiert anschließend als Grundlage zur Entwicklung eines Ansatzes, der es ermöglicht die technischen Begrenzungen, die üblicherweise bei RTTI auftreten, näher zu untersuchen. Dabei steht insbesondere die typische Einteilung von konkreten Geschwindigkeitswerten in Geschwindigkeitsklassen im Fokus: Um den Informationsverlust, der durch diese Kategorisierung in Geschwindigkeitsklassen entsteht, zu minimieren, werden zwei Optimierungsprobleme aufgestellt und mittels eines genetischen Algorithmus gelöst. Die Ergebnisse sind dargestellt und deren Ursachen interpretiert.

Die hier aufgeführten Beispiele und Berechnungen haben sich stets auf Autobahnen bezogen. Natürlich kann, insbesondere was die Optimierung der Geschwindigkeitsklasseneinteilung betrifft, für jeden beliebigen Straßentyp analog vorgegangen werden. Tatsächlich wäre es sogar denkbar nicht nur für jeden Straßentyp separat einen der Optimierungsansätze anzuwenden, sondern sogar zwischen einzelnen Strecken desselben Straßentyps zu unterscheiden. So wird eine stochastisch optimierte Klassifikation für die A99 vermutlich anders aussehen als für eine weniger stark befahrene Autobahn. Allerdings muss man sich dann die Frage stellen, inwieweit dies dem Endkunden noch plausibel gemacht werden kann.

6 Danksagung

An dieser Stelle soll der Autobahndirektion Südbayern – Zentralstelle Verkehrsmanagement für die Bereitstellung des Datensatzes der A99 gedankt werden, ebenso wie dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, welches der Träger des Projekts „DC-Ladestation am Olympiapark“ ist. Dabei handelt es sich um ein Teilprojekt des Schaufensters Bayern-Sachsen ELEKTROMOBILITÄT VERBINDET, in dessen Rahmen die beschriebenen Untersuchungen durchgeführt wurden.

7 Literatur

[1]    BOGENBERGER, K.: 2003). Qualität von Verkehrsinformationen. Straßenverkehrstechnik (47), S. 518–526.

[2]    BOGENBERGER, K.; HAUSCHILD M. (2009): QFCD - A Microscopic Model for Measuring the Individual Quality of Traffic Information. ITSC World Congress, Stockholm, Schweden.

[3]    HUBER G.; BOGENBERGER, K. (2013). A Quality Evaluation Model for Real-Time- Traffic-Information. ITSC 2013, S. 2126–2131.

[4]    HUBER G.; BOGENBERGER, K. (2014). New Methods for Quality Assessment of Real Time Traffic Information. Transportation Research Board, 12. – 16. Januar 2014

[5]    TREIBER, M.; HELBING, D. (2002). Reconstructing the Spatio-Temporal Traffic Dynamics from Stationary Detector Data. Cooper@tive Tr@nsport@tion Dyn@mics 1, 2002, S. 3.1 - 3.24.

[6]    REHBORN; H. (2011). How can we determine the quality of traffic information? Proceedings of BASt colloquium: Quality of on-trip road traffic information.

[7]    KERNER, B. (2009). Introduction to Modern Traffic Flow Theory and Control: The Long Road to Three-Phase Traffic Theory. Heidelberg, Dordrecht, London, New York: Springer.

[8]    TREIBER, M.; KESTING A. (2013): Traffic Flow Dynamics. Data, Models and Simulation. Berlin, Heidelberg: Springer.

[9]    Matlab Dokumentation. How the Genetic Algorithm Works. http://www.mathworks.de/de/help/gads/how-the-genetic-algorithm-works.html.
Aktualisierungsdatum 25.11.2013 um 09:49

[10]    HBS (2009): Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen. FGSV 299, FGSV Verlag, Köln