FGSV-Nr. FGSV 002/96
Ort Stuttgart
Datum 16.03.2011
Titel Entwicklung von Strategien zur Luftreinhaltung für die Stadt Offenbach am Main
Autoren Prof. Dr.-Ing. Manfred Boltze, Dr.-Ing. Sven Kohoutek, M. Sc. Philip Krüger
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Für die Stadt Offenbach am Main wurde eine Strategie zur situationsabhängigen Beeinflussung des Verkehrs entwickelt, die auf die Reduzierung der verkehrsbedingten Luftschadstoffimmissionen ausgerichtet ist. Dazu wurden die Maßnahmen des dynamischen Verkehrsmanagements vor dem Hintergrund ihrer Eignung zur Minimierung der Immissionsbelastung an einem Umwelt-HotSpot systematisch strukturiert, beschrieben und bewertet. Ferner wurde ein allgemeingültiges Konzept zur Auswahl geeigneter Maßnahmen, zur Bündelung dieser Maßnahmen (Strategiebildung) sowie zur Bewertung der Effizienz der Strategien entwickelt. Auf Grundlage einer etwa vierwöchigen Messkampagne wurde die Wirksamkeit des Konzepts unter Berücksichtigung der Randbedingungen in der Stadt Offenbach am Main bewertet. Hierzu wurde mit einem regressionsanalytischen Ansatz ein Modell zur Ermittlung des Einflusses des Straßenverkehrs auf die Feinstaub- und Stickoxidimmissionen entwickelt. Die ermittelten Reduktionspotenziale zeigen, dass eine situationsabhängige, umweltorientierte Verkehrssteuerung wesentlich zur Einhaltung der gesetzlichen Luftqualitätsgrenzwerte beitragen kann.

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1 Einleitung

Der Entwurf des fortgeschriebenen Luftreinhalteplans Rhein-Main (siehe HMUELV 2010, [1]) weist für die Städte Darmstadt, Frankfurt am Main und Offenbach am Main Überschreitungen von Immissionsgrenzwerten und somit akuten Handlungsbedarf zur Senkung der fahrzeugbedingten Schadstoffimmissionen aus. Mit der Umsetzung einer Reihe von Maßnahmen, z. B. der Umweltzone in Frankfurt oder dem Durchfahrverbot für Schwerverkehr in Darmstadt, wurden bereits gezielte Maßnahmen realisiert, um diesem Handlungsbedarf Rechnung zu tragen. Zwar sind die Emissionsminderung im Stadtgebiet und die Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit bei solch großräumigen, statischen Maßnahmen positiv zu werten, allerdings sind mit diesen Maßnahmen für bestimmte Fahrzeug- bzw. Verkehrsarten auch erhebliche Restriktionen für die Erreichbarkeit im Stadtgebiet und eine räumliche Verlagerung negativer Wirkungen des Verkehrs verbunden.

Da Erfordernis und Effizienz einzelner verkehrlicher Maßnahmen zur Minderung der Luftschadstoffimmissionsbelastung stark von meteorologischen Randbedingungen abhängen, erscheint zumindest für lokale restriktive Maßnahmen ein situationsangepasster, dynamischer Ansatz für Eingriffe in die Verkehrssteuerung sinnvoll. Auf diese Weise werden die negativen (verkehrlichen) Wirkungen der umweltbezogenen Maßnahmen minimiert und die Akzeptanz betroffener Nutzergruppen erhöht, da mögliche Restriktionen nicht permanent gelten, sondern nur dann aktiviert werden, wenn dies zum Schutz der menschlichen Gesundheit erforderlich ist.

Mit Unterstützung der ivm GmbH (Integriertes Verkehrs- und Mobilitätsmanagement Region Frankfurt RheinMain) und der Stadt Offenbach am Main hat das Fachgebiet Verkehrsplanung und Verkehrstechnik der Technischen Universität Darmstadt im Jahr 2010 das im folgenden Beitrag beschriebene Forschungsprojekt bearbeitet. Das hierbei entwickelte Konzept für eine situationsabhängige umweltorientierte Verkehrssteuerung wurde auf die Randbedingungen der Stadt Offenbach am Main angewendet, da hier Überschreitungen des NO2-Jahresgrenzwertes und der maximal zulässigen Anzahl des PM10-Tagesgrenzwerts nicht ausgeschlossen werden können. Daneben bestand seitens der Verantwortlichen hohes Interesse an der Erweiterung der bestehenden Datenlage hinsichtlich umweltbezogerer und verkehrlicher Messdaten.

Das wesentliche Ziel des Forschungsprojekts war die Entwicklung eines praktisch umsetzbaren Konzepts für eine umweltorientierte Verkehrssteuerung. Weiterhin sollten die immissionsrelevanten zu optimierenden Verkehrskenngrößen und die Optimierungspotenziale im Testfeld Offenbach am Main ermittelt werden. Ferner sollte ein generelles Handlungskonzept entwickelt und auf die Randbedingungen des Testfelds angewendet werden, das die Auswahl und Kombination geeigneter verkehrlicher Maßnahmen zur Minimierung der Luftschadstoffbelastung an Umwelt-HotSpots erleichtert, Schließlich sollte die Effektivität und die Effizienz von Eingriffen zu definierten Situationen hinsichtlich der Einhaltung der Immissionsgrenzwerte bewertet werden.

2 Grundlagen

2.1 Untersuchte Luftschadstoffe

Eingeatmete Partikel können in Abhängigkeit der Eindringtiefe und der Verweildauer im Atemtrakt schädliche Wirkungen auf die menschliche Gesundheit haben. Während grobe Partikel in den oberen Atemwegen zurückgehalten werden, können Schwermetalle oder krebserregende Stoffe in Form kleiner Partikel über das Alveolargewebe der Lunge in den Blutkreislauf eintreten. Die negativen gesundheitlichen Wirkungen stehen in einem Zusammenhang mit der Partikelkonzentration, jedoch gibt es keinen Schwellenwert, unterhalb dem keine schädlichen Wirkungen zu erwarten sind (Schwartz 2000, [2]). Folglich ist eine Erhöhung der Partikelbelastung unabhängig vom Ausgangsniveau immer als schädlich anzusehen. Die derzeit gültigen Rechtsvorschriften zur Überwachung der Luftqualität beziehen sich auf Partikel mit einem aerodynamischen Durchmesser bis zu 10 µm (PM10) und bis zu 2,5 µm (PM2,5). Der Jahresgrenzwert für PM10 liegt bei 40 µg/m³, der Tagesgrenzwert bei 50 µg/m³ bei 35 erlaubten Überschreitungen pro Jahr. Der Jahresmittelzielwert für PM2,5 liegt derzeit bei 25 µg/m³.

Stickoxide oder Stickstoffoxide sind Sammelbezeichnungen für die gasförmigen Oxide des Stickstoffs. Stickoxide entstehen unter anderem bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Stickstoffdioxid (NO2) wird nur in geringen Mengen direkt freigesetzt. Beim Menschen sind hohe Stickstoffdioxidkonzentrationen unter anderem schädigend für die Atemwege und das Herz-Kreislauf-System. Schädliche Wirkungen von Stickstoffdioxid können bereits bei kurzfristiger Exposition und auch bei Konzentrationen unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte auftreten. Der derzeit gültige Jahresgrenzwert für NO2 liegt bei 50 µg/m³, der Stundengrenzwert liegt bei 200 µg/m³ bei 18 erlaubten Überschreitungen pro Jahr. Wegen der hohen Reaktivität zwischen NO und NO2 wird bei verkehrsbezogenen Untersuchungen häufig NOX als Summe aus NO und NO2 betrachtet. Die am Umwelt-HotSpot gemessenen NOX- Konzentrationen weisen in der Regel einen hohen Anteil an NO auf, weil die Transportzeit zum verkehrsnahen Messort meist kürzer ist als die Reaktionszeit von NO zu NO2 (Umweltbundesamt 2009, [3]).

2.2 Einflussgrößen auf die städtische Luftschadstoffimmissionsbelastung

Die städtische Luftschadstoffimmissionsbelastung ergibt sich aus einer Vielzahl von Einflüssen, die zum Teil in Wechselwirkung miteinander stehen (Bild 1).

Bild 1: Vereinfachte Darstellung der Einflüsse auf die Immissionsbelastung mit Luftschadstoffen (Kohoutek 2011, [4])

Die folgenden meteorologischen Einflussgrößen haben erheblichen Einfluss auf die Luftschadstoffimmissionen:

- Windgeschwindigkeit: Grundsätzlich verhält sich die Schadstoffkonzentration antiproportional zur Windgeschwindigkeit.

- Windrichtung: Die Hauptwindrichtung hat einen wesentlichen Einfluss auf den Ferneintrag der Luftschadstoffe und damit auf die vorhandene Hintergrundbelastung.

- Niederschlag: Niederschlag führt zu reduzierten Luftschadstoffimmissionen, wobei der Effekt bei PM10 ausgeprägter erkennbar ist als bei NOX.

- Temperatur: Die Temperatur hat einen direkten Einfluss auf die Kaltstartemissionen des Straßenverkehrs sowie meist indirekten Einfluss über eine Veränderung der Luftaustauschbedingungen.

- Atmosphärische Schichtung: Eine stabile atmosphärische Schichtung in niedriger Höhe führt zu höheren Luftschadstoffkonzentrationen.

- Ozon und Globalstrahlung: Die NO2-Konzentration an einem Umwelt-HotSpot hängt maßgeblich vom vorhandenen Ozon als Reaktionspartner für das primär emittierte Stickstoffmonoxid sowie von der Intensität der Globalstrahlung ab.

Der Straßenverkehr hat ebenfalls erheblichen Einfluss auf die städtische Immissionsbelastung. An Verkehrsschwerpunkten besitzt er einen Anteil von 40 bis 50 % an der PM10- Belastung und von bis zu 80 % an der NOX-Belastung. Der Einfluss des Straßenverkehrs kann nach folgenden Kenngrößen unterschieden werden:

- Fahrzeugart: Die Partikelemissionen der schweren Fahrzeugarten sind unabhängig von der Schadstoffklasse um den Faktor zwei bis vier höher als die Partikelemissionen von leichten Fahrzeugarten. Die Fahrzeugart beeinflusst zudem die nicht-motorbedingten Partikelemissionen. Die NOX-Emissionen der schweren Fahrzeugklassen und insbesondere von Bussen liegen bis um das Zehnfache höher als die Emissionen der leichten Fahrzeugklassen.

- Kraftstoffkonzept und Schadstoffklasse: Motorbedingte Partikelemissionen von Benzinfahrzeugen sind in ihrer Größenordnung vernachlässigbar. Im Vergleich zu Diesel-Pkw der Schadstoffklassen Euro 2 und Euro 3 emittieren Fahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 4 und Euro 5 nur einen Bruchteil der Partikel. Zu den NOX- Emissionen tragen sowohl Benzin- als auch Diesel-Pkw erkennbar bei. Die Schadstoffklassen Euro 1 bis Euro 5 zeigen bezogen auf einzelne Fahrzeugarten nur eine geringe oder gar keine Reduzierung der NOX-Emissionen. Nach Umweltbundesamt (2009) wird erst die Schadstoffklasse Euro 6 eine deutliche Verbesserung mit sich bringen.

- Die Geschwindigkeit und die Qualität des Verkehrsablaufs haben einen Einfluss auf die Emissionen des Straßenverkehrs. Höhere Geschwindigkeiten und ein schlechterer Verkehrsablauf führen zu höheren Emissionen, wobei der Einfluss des Verkehrsablaufs tendenziell größer ist als der Einfluss der Geschwindigkeit.

Weitere Einflüsse ergeben sich aus baulichen Randbedingungen wie der Randbebauung, der Längsneigung sowie des Fahrbahnzustands und der Fahrbahnoberfläche (für nicht- motorbedingte Partikelemissionen).

2.3 Erfassung von Emissionen und Immissionen als Grundlage für die Wirkungsermittlung

Die gängigen Verfahren zur Ermittlung emissions- und immissionsbezogener Kenngrößen lassen sich nach den in Bild 2 dargestellten Ansätzen unterscheiden.

Aufgrund der Vielzahl verschiedener Einflussgrößen auf Luftschadstoffimmissionen ist die Einbeziehung einer Modellkomponente zur Bewertung der Wirkungen verkehrlicher Maßnahmen auch bei der Interpretation gemessener Immissionen (linke Säule in Bild 2) unerlässlich. Eine reine Emissionsmodellierung (zweite Säule von links in Bild 2) ermöglicht die isolierte Bewertung der Wirkungen verkehrlicher Maßnahmen auf die Emissionen der hier betrachteten Luftschadstoffe. Eine Bewertung der Wirkungen in Bezug auf die gesetzlich vorgegebenen Immissionsgrenzwerte ist allein mit einem Emissionsmodell jedoch nicht möglich. Im hier betrachteten Kontext dienen Emissionsmodelle primär der Ermittlung der Eingangsgrößen für nachgelagerte Ausbreitungsmodelle (dritte Säule von links in Bild 2), mittels derer Immissionen auf Grundlage physikalisch korrekter Wirkungsmechanismen räumlich und zeitlich differenziert ermittelt werden können. Darüber hinaus gibt es eine weitere Gruppe von Modellansätzen, die auf statistisch-empirischen Modellen (rechte Säule in Bild 2) beruhen. Hier werden aus erhobenen Zeitreihen statistische Wirkungsmechanismen mit lokaler Gültigkeit abgeleitet.

Bild 2: Übersicht gängiger Ansätze zur Ermittlung emissions- und immissionsbezogener Kenngrößen (Kohoutek 2011, [4])

2.4 Grundlagen zur Strategieentwicklung

Zur Klarstellung einiger elementarer Begriffe werden hier nachfolgend wesentliche Grundlagen und Definitionen auf Basis des Hinweispapiers der FGSV zur Strategieentwicklung im dynamischen Verkehrsmanagement von 2003 dargestellt (FGSV 2003, [5]).

Das dynamische Verkehrsmanagement muss auf sich ständig verändernde Situationen (z. B. von Verkehr und Umwelt) reagieren und ist auf kurzfristige und spezifische Maßnahmen bei bestimmten Situationen begrenzt. Den Kern des dynamischen Verkehrsmanagements bilden Strategien. Sie zielen darauf ab, eine bestimmte Verkehrslage oder Verkehrssituation in eine bestimmte Richtung zu verbessern.

„Die Strategie ist ein vorab festgelegtes Handlungskonzept für das Ergreifen von Maßnahmen (-bündeln) zur Verbesserung einer definierten (Ausgangs-) Situation.“ Die Zusammenstellung der möglichen Handlungskonzepte erfolgt „offline“, während die Auswahl und Aktivierung von Handlungskonzepten „online“ auf Basis detektierter Situationen geschieht. „Die Situation ist dabei die Summe von definierten Ereignissen, Problemen und weiteren relevanten Zuständen.“ Die möglichen Situationen, die eine Aktivierung von Strategien des dynamischen Verkehrsmanagements erfordern, sind strukturiert zu erfassen und entsprechend zu dokumentieren. „Das Szenario stellt die Kombination aus einer Situation und einer für diese Situation entwickelten Strategie dar“ (FGSV 2003, [5]).

Die Maßnahmenbündel für die Strategieentwicklung liegen in den Handlungsfeldern Verkehrslenkung, Verkehrsverlagerung und Verkehrsvermeidung.

3 Felduntersuchungen

3.1 Methodik

Die im Rahmen der Bestandsaufnahme erfassten Daten zu den immissionsbezogenen Randbedingungen in der Stadt Offenbach lassen erkennen, dass ein hohes Risiko der Überschreitung des NO2-Jahresgrenzwertes und ggf. der zulässigen Anzahl an Überschreitungen des PM10-Tagesgrenzwertes besteht (OFFENBACH 2008, [6], ZIV 2007, [7], ivu UMWELT 2009, [8]). Ob und inwieweit Strategien des dynamischen Verkehrsmanagements zur Einhaltung der Schadstoffgrenzwerte in Offenbach beitragen können, konnte auf Grundlage der bislang vorhandenen verkehrlichen und immissionsbezogenen Datenbasis nicht beurteilt werden. Aus diesem Grund wurde ein empirischer Ansatz angewendet, in dem eine kleine, dafür aber hochwertige Stichprobe erhoben und zur Bewertung verkehrlicher immissionsbezogener Reduktionspotenziale analysiert wurde. „Hochwertig“ bedeutet in diesem Kontext, dass an den Messstellen detaillierte Informationen zur Verkehrsnachfrage, zur Verkehrszusammensetzung und zum Verkehrsfluss sowie zu lokalen meteorologischen und immissionsbezogenen Kenngrößen in hoher zeitlicher Auflösung erfasst werden. Bild 3 zeigt die Arbeitsschritte, die im Rahmen der Felduntersuchung durchgeführt wurden.

Die beschriebene Methode wurde im Rahmen des Forschungsprojektes AMONES (BOLTZE ET AL. 2010 [9]) entwickelt und in den Testfeldern Freie und Hansestadt Hamburg sowie Seestadt Bremerhaven erfolgreich angewendet.

Bild 3: Arbeitsschritte im Rahmen der Feldunterschung

Grundsätzlich sind die Datenerhebung und die Datenauswertung auf verkehrliche Fragestellungen ausgerichtet, um Aussagen über zu optimierende verkehrliche Kenngrößen und die Größenordnung der Reduktionspotenziale zu treffen. Die Einhaltung der Datenqualitätsziele nach 39. BImSchV (39. BImSchV, [10]) war bei einer so detaillierten Erhebung im Rahmen des beauftragten Projektumfangs nicht möglich und zur Beantwortung der Fragestellung auch nicht erforderlich.

3.2 Datenerhebung

Die Felduntersuchungen wurden an zwei mit den zuständigen Behörden der Stadt Offenbach am Main abgestimmten Straßenabschnitten, die als Umwelt-HotSpots identifiziert wurden, im März 2010 werktäglich zwischen 06:30 und 18:30 Uhr durchgeführt. Die Messstellen befanden sich in der Bieberer Straße und an der Feuerwehr in der Rhönstraße (Bild 4)

Bild 4: Messstelle Feuerwehr (Röhnstraße) und Messstelle Bieberer Straße

Neben den relevanten Schadstoffkenngrößen PM10, PM2,5 sowie NO2 und NOX wurden auch lokale meteorologische Kenngrößen, u. a. Windrichtung und Windgeschwindigkeit, Temperatur, Luftdruck und Niederschlag sowie die verkehrlichen Kenngrößen Verkehrsstärke, Fahrzeugart und Rückstau im Messbereich erfasst. Diese lokalen Kenngrößen wurden durch einige regionale Kenngrößen wie der PM10-Hintergrundbelastung und dem vertikalen Temperaturverlauf ergänzt. Die Zeitreihen aus den verschiedenen Messungen wurden zu einer Datentabelle zusammengeführt und zu 15-Minutenwerten aggregiert. Anschließend wurden die Daten qualitätsgesichert, u.a. durch Prüfung auf Ausreißer, durch Korrekturen anhand von Vergleichsmessungen mit Referenzgeräten und durch Prüfung auf Datenlücken.

3.3 Ergebnisse der Datenanalyse

Im Rahmen einer qualitativen Zusammenhangsanalyse wurden zunächst grundsätzliche Zusammenhänge anhand grafisch dargestellter Tagesmittelwerte untersucht. Trotz der multiplen und wechselseitig abhängigen Einflüsse waren dominante Abhängigkeiten, beispielsweise zwischen windbezogenen Kenngrößen und Immissionen, zwischen der Hintergrundbelastung und der Immissionskonzentration sowie zwischen Niederschlagsereignissen und der Partikelkonzentration in den gemessenen Daten deutlich erkennbar.

Im nächsten Schritt wurde eine quantitative Zusammenhangsanalyse zur Entwicklung eines lokalen Immissionsmodells durchgeführt. Zunächst wurden mittels einer umfassenden Korrelationsanalyse die wesentlichen Einflussfaktoren auf die lokale Immissionsbelastung ermittelt. Die verkehrlichen Kenngrößen wurden dabei nach Kenngrößen der Verkehrsnachfrage und des Verkehrsablaufs differenziert. Hierbei ergab sich eine Vielzahl an Kenngrößen mit einem statistisch signifikanten Zusammenhang zu den gemessenen Immissionen. Als Eingangsgrößen für die Regressionsanalyse wurden allerdings nur Kenngrößen mit einer fachlich plausiblen Richtung des Zusammenhangs ausgewählt. Tabelle 1 zeigt eine aggregierte Darstellung der Ergebnisse der Korrelationsanalyse.

Tabelle 1: Ergebnisse der Korrelationsanalyse (mit für stark ausgeprägte Korrelation, für schwach ausgeprägte oder in einzelnen Messwochen entgegengesetzte Korrelation und ? für nicht signifikante oder sehr uneinheitliche Korrelation)

Mit den in der Korrelationsanalyse identifizierten, potenziellen Prädiktoren für die lokalen Immissionen wurde eine Regressionsanalyse durchgeführt. Die Regressionsmodelle wurden differenziert für die unterschiedlichen Schadstoffe, die beiden Messstellen und die einzelnen Messwochen entwickelt. Mit einem Bestimmtheitsmaß, das im Mittel 70 Prozent der Varianz erklärt, und einem relativen Standardfehler von etwa 10 Prozent wurde die Güte der lokalen Erklärungsmodelle insgesamt als befriedigend bewertet. Die Regressionmodelle enthalten die folgenden Prädiktoren:
 
NOX-Modell:  

- Windgeschwindigkeit   

- Windrichtung

- Temperatur   

- Ozon    

- Rückstaulänge    

- Schwerverkehrsstärke   

PM10-Modell:

- Windgeschwindigkeit

- PM10-Hintergrund

- Niederschlag

- Rückstaulänge

- Schwerverkehrsstärke

Mit dem Einsetzen optimierter verkehrlicher Parameter für die Rückstaulänge und die Schwerverkehrsstärke wurde anschließend die Größenordnung möglicher Reduktionspotenziale abgeschätzt. Es wurden ein mittleres Reduktionspotenzial für die dauerhafte Beeinflussung der verkehrlichen Kenngrößen und ein Reduktionspotenzial für die Beeinflussung nur zu verkehrlichen Spitzenzeiten abgeschätzt. Bei der Minimierung der Rückstaulänge wird von einer vollständigen Vermeidung von Rückstau im unmittelbaren Bereich (+/-30m) der Messstelle ausgegangen. Für die Reduzierung der Schwerverkehrsstärke wird das Reduktionspotenzial für eine umfassende Zufahrtsbeschränkung für den Schwerverkehr (Reduktion auf das 5. Perzentil) und für ein Durchfahrverbot (Reduktion um 25 % der bestehenden Schwerverkehrsstärke) ermittelt. Die ermittelten relativen Reduktionspotenziale beziehen sich bei jeweils durchschnittlichen meteorologischen Bedingungen

- auf die mittlere gemessene Immissionskonzentration („mittleres Reduktionspotenzial“)

- oder auf die fiktive Immissionskonzentration zur verkehrlichen Spitzenstunde (85. Perzentil der Rückstaulänge oder der Schwerverkehrsstärke).

Tabelle 2 zeigt die mittleren und maximalen Reduktionspotenziale.

Tabelle 2: Mittlere und maximale Reduktionspotenziale (mit „-“ für Reduktionspotenziale unter 5 % sowie BS=Messstelle Bieberer Straße und FW=Messstelle Feuerwehr)

Grundsätzlich bestätigen die Ergebnisse sowohl den subjektiven Eindruck aus den Feldmessungen in Bezug auf ein deutliches Optimierungspotenzial der Qualität des Verkehrsablaufs in der Zufahrt Bieberer Straße sowie in Bezug auf ein höheres Reduktionspotenzial einer Sperrung für den Schwerverkehr an der Messstelle Feuerwehr im Vergleich zur Bieberer Straße. Die Vollsperrung wird jedoch nur als theoretisches Szenario angesehen. Vernachlässigbar gering ist hingegen das Reduktionspotenzial bei einer Sperrung nur für den Durchgangsverkehr.

4 Strategien zur Luftreinhaltung

4.1 Ziele der Strategien

Neben den in der Verkehrsplanung stets zu beachtenden Oberzielen Leistungsfähigkeit, Sicherheit, Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit werden bei der Strategieentwicklung die folgenden konkreten Ziele berücksichtigt:

- Einhaltung des zulässigen Jahresmittelwerts für NO2,

- ggf. auch Einhaltung des zulässigen PM10-Kurzzeitgrenzwerts,

- Minimierung von kurzzeitig hohen Schadstoffbelastungen aus gesundheitlichen Gründen, auch wenn der rechtlich vorgegebene Grenzwert nicht überschritten wird, sowie

- generelle Senkung der Umweltbelastungen durch den Verkehr.

4.2 Situationen

Strategien des dynamischen Verkehrsmanagements zur Luftreinhaltung werden in Situationen aktiviert, die sowohl aus verkehrlicher als auch aus meteorologischer Sicht einen Eingriff in die Verkehrssteuerung erfordern. Daher müssen nicht nur der Verkehr sondern auch die Umweltbedingungen detektiert werden. In Bezug auf die Luftschadstoffbelastung sollte zwischen den zwei folgenden Belastungssituationen unterschieden werden:

- Belastungssituation 1: Kurzzeitig hohe Luftschadstoffbelastungen, welche die Gesundheit beeinträchtigen oder zur Überschreitung des Kurzzeitgrenzwertes beitragen könnten.

- Belastungssituation 2: Alle weiteren Luftschadstoffbelastungssituationen. Grundsätzlich kann es sinnvoll sein, auch zu unkritischen Belastungssituationen unterhalb des Grenzwertes Eingriffe in die Verkehrssteuerung vorzunehmen, um zur Einhaltung des NO2- Jahresgrenzwertes beizutragen.

Im Kontext der zweiten Belastungssituation kann davon ausgegangen werden, dass ein erheblicher Anteil an Zeiträumen dieser Situation zuzuordnen ist (voraussichtlich mehr als 90%). Ein pauschaler (statischer) Eingriff zum Zweck der Einhaltung des NO2- Jahresgrenzwerts würde allerdings zu inakzeptabel vielen Zeiten mit verkehrlichen Restriktionen führen. Für eine hohe Akzeptanz von Eingriffen in die Verkehrssteuerung sind die definierten Belastungssituationen folglich weiter nach Zeiträumen mit hoher und niedriger Wirksamkeit zu differenzieren.

4.3 Maßnahmen zur Beeinflussung der verkehrsbedingten Immissionen

Die Maßnahmen zur Beeinflussung der Immissionsbelastung an einem Umwelt-HotSpot lassen sich systematisch aufbereitet als Maßnahmenbaum gliedern und sind in Bild 5 dargestellt. In dem Bild ist angedeutet, dass zu den einzelnen Maßnahmen jeweils verschiedene Umsetzungsmöglichkeiten existieren. So können z. B. Sperrungen für alle Kfz, in Abhängigkeit der Fahrzeugart, nach der Schadstoffklasse der Fahrzeuge oder auch nach der relativen Verkehrsart (gesamter Verkehr, Durchgangsverkehr) realisiert werden.

Bild 5: Maßnahmen zur Beeinflussung der Immissionsbelastung

Im Maßnahmenbaum werden vier Bereiche unterschieden:

A: Beeinflussung des Verkehrsablaufs
B: Beeinflussung der Verkehrsmenge am HotSpot
C: Beeinflussung der absoluten Verkehrsmenge
D: Sonstige Beeinflussung

In Teil C des Maßnahmenbaums befinden sich eher langfristig orientierte Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung und Verkehrsverlagerung. Der Teil D enthält sonstige Maßnahmen zur Beeinflussung der Immissionsbelastung an einem HotSpot. Dazu zählen z. B. fahrzeugtechnische Maßnahmen oder auch straßenbetriebliche Maßnahmen (z. B. feuchtes Kehren). Bauliche Maßnahmen wie die Erneuerung schlechter Fahrbahnbeläge zählen ebenfalls zu den sonstigen Maßnahmen.

Die Teile A und B des Maßnahmenbaums umfassen die Maßnahmen zur Beeinflussung des Verkehrsablaufs und zur Beeinflussung der Verkehrsmenge an einem HotSpot. Sie sind aufgeteilt in die Bereiche Knotenpunkt- und Streckenbeeinflussung (Teil A) sowie Netzbeeinflussung (Teil B). Maßnahmen zur Netzbeeinflussung lassen sich der HotSpot-Route oder möglichen Alternativrouten zuordnen.

Als weiteres Hilfsmittel zur Strategiebildung wurden Maßnahmensteckbriefe zusammengestellt. Die Maßnahmensteckbriefe wurden für jede der betrachteten Maßnahmen und jede ihrer Umsetzungsmöglichkeiten der Teile A und B des Maßnahmenbaums ausgefüllt. Diese Steckbriefe enthalten wesentliche Informationen zur Bewertung der Eignung und der Anwendbarkeit von Maßnahmen. Neben einer kurzen Darstellung der Maßnahme und den zugehörigen rechtlichen Grundlagen wurden folgende Aspekte in den Maßnahmensteckbriefen beschrieben:

- Beeinflusste Verkehrskenngrößen: Welche Verkehrskenngrößen auf der HotSpot- Route und auf möglichen Alternativrouten werden durch die Maßnahme beeinflusst?

- Situationsabhängige Anwendbarkeit: Ist die Maßnahme situationsabhängig anwendbar oder ist nur eine dauerhafte, statische Anwendung möglich bzw. erlaubt?

- Auslösende Verkehrsindikatoren: Welche Verkehrsindikatoren machen eine Aktivierung der Maßnahme erforderlich?

- Umweltwirkungen: Welche Wirkungen der Maßnahme auf die Schadstoffbelastungen sind zu erwarten?

- (Verkehrliche) Nebenwirkungen: Welche verkehrlichen und weiteren Nebenwirkungen können bei Anwendung der Maßnahme eintreten?

- Zu prüfende Ergänzungsmaßnahmen: Welche weiteren Maßnahmen aus den Teilen A und B des Maßnahmenbaums sind ergänzend zur beschriebenen Maßnahme geeignet?

- Erforderliche technische Systeme: Welche technischen Einrichtungen und Systeme, sind für den Betrieb der Maßnahme erforderlich?

- Ausschlusskriterien: Welche Rahmenbedingungen schließen die Anwendung der Maßnahme aus?

4.4 Strategiebildung für Offenbach

Als Hilfsmittel für die Strategiebildung wird im Folgenden ein Handlungskonzept vorgeschlagen, das in vier Schritten aufgebaut ist und für die Auswahl geeigneter Maßnahmen zur Beeinflussung der Immissionsbelastung an einem HotSpot herangezogen werden kann.

Schritt 1: Überprüfung von Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung und Verkehrsverlagerung sowie Maßnahmen zur sonstigen Beeinflussung (C und D). Die geeigneten Maßnahmen dieser eher langfristig orientierten und nur wenig restriktiven Handlungsfelder werden ausgewählt und zur Beeinflussung der Immissionsbelastung am HotSpot genutzt.

Schritt 2: Überprüfung der grundsätzlichen Machbarkeit aller in den Teilen A und B des Maßnahmenbaums genannten Maßnahmen und ihrer Umsetzungsmöglichkeiten. Die grundsätzlich machbaren Maßnahmen werden vollständig zusammengestellt. Als Hilfsmittel werden die Maßnahmensteckbriefe genutzt, die z. B. Hinweise auf Ausschlusskriterien liefern.

Schritt 3: Bewertung der grundsätzlich machbaren Maßnahmen. Die grundsätzlich machbaren Maßnahmen zur Beeinflussung der Immissionsbelastung am HotSpot werden anhand der Kriteriengruppen Umweltwirksamkeit, Unerwünschte Nebenwirkungen (z. B. Verkehr, Erreichbarkeit, Anzahl Betroffener, ÖPNV, Radfahrer, Fußgänger), Technischer und sonstiger Aufwand (z. B. Wirtschaftlichkeit, Umsetzungsdauer, Anzahl Beteiligter), Akzeptanz (z. B. politische Akzeptanz, Akzeptanz bei den betroffenen Nutzern, Akzeptanz sonstiger Nutzer) und Ausschlusskriterien genauer bewertet. Als Ergebnis werden die geeigneten Maßnahmen identifiziert.

Schritt 4: Auswahl und Bündelung der machbaren Maßnahmen, wobei mögliche Zielkonflikte und Synergieeffekte besonders zu berücksichtigen sind. Als Hilfsmittel dienen die Maßnahmensteckbriefe.

Die konkreten Strategien für die Stadt Offenbach am Main wurden gemäß dem vorgeschlagenen Handlungskonzept und den Hinweisen zur Strategieentwicklung der FGSV (siehe FGSV 2003, [5]) unter Beteiligung der Verantwortlichen der Stadt Offenbach am Main entwickelt. Aufgrund der in Offenbach vorhandenen verkehrlichen und technischen Randbedingungen erscheint für die Bieberer Straße die Pförtnerung an vorgelagerten Knotenpunkten mittels Freigabezeitanpassung (Maßnahme B.3.1) als Strategie zur situationsabhängigen Verkehrsbeeinflussung wegen ihrem günstigen Verhältnis von Aufwand zu nutzen geeignet. Der Einsatz dieser Maßnahme soll dazu führen, dass die Verkehrsmenge am HotSpot so stark reduziert wird, dass der auftretende Rückstau deutlich verkürzt wird. Ergänzende Maßnahmen konnten nicht berücksichtigt werden, da insbesondere keine geeigneten Alternativrouten für Kfz identifizierbar waren und der Umsetzungsaufwand für weitere, grundsätzlich geeignete Maßnahmen zu hoch erschien.

4.5 Wirkungsabschätzung der Strategien

Im Folgenden wird für die Stadt Offenbach am Main der Beitrag des definierten Szenarios „Pförtnerung“ zur Einhaltung des NO2-Jahresgrenzwertes abgeschätzt. Gegenüber der Ermittlung der generellen Reduktionspotenziale (vgl. 3.3) werden hier zusätzlich die Auftrittshäufigkeiten der definierten Belastungssituationen berücksichtigt. Dies ermöglicht zum einen Rückschlüsse auf die Minderung der Gesamtbelastung in Form des Jahresmittelwertes, zum anderen kann über das Verhältnis zwischen Reduktionspotenzial und Eingriffsdauer die Effizienz von Eingriffen bei bestimmten Situationen grob abgeschätzt werden.

Die Häufigkeitsverteilung der Rückstaulänge an der Messstelle lässt erkennen, dass ein langer Rückstau während der definierten Belastungssituation 1 (hohe NO2-Belastung) deutlich häufiger auftritt als zur Belastungssituation 2 („normale“ NO2-Belastung). Da der Rückstau als wesentlicher Einfluss auf die NOX- bzw. NO2-Belastung identifiziert wurde, ist dies plausibel. Die Belastungssituationen 1 und 2 werden folglich weiter differenziert (vgl. Bild 6):

- Belastungsssituation 1a bzw. 2a „hohe bzw. normale Luftschadstoffbelastung bei gleichzeitig hoher Rückstaulänge“

- Belastungssituation 1b bzw. 2b „hohe bzw. normale Luftschadstoffbelastung bei gleichzeitig niedriger Rückstaulänge“.

Bild 6: NO2-Reduktionspotenziale (Red.Pot.) für Eingriffe zu definierten Belastungssituationen (Bel.Sit. 1 a bis 2b)

Aus der Häufigkeit des Auftretens der vier Belastungssituationen kann nun die Reduktionsleistung als Produkt aus reduzierter Schadstoffkonzentration und der Dauer potenzieller Eingriffe abgeleitet werden. Bild 7 zeigt die Reduktionsleistung relativ zum beeinflussbaren Anteil der Immissionsbelastung (entspricht der in der Felduntersuchung ermittelten verkehrlichen Zusatzbelastung).

Bild 7: Relative Reduktionsleistung zu den definierten Belastungssituationen unter Berücksichtigung der Häufigkeit der Belastungssituationen (Bel.Sit. 1 a bis 2b)

Die Darstellung der relativen Reduktionsleistung lässt deutlich erkennen, dass Eingriffe zu Zeiträumen mit großer Rückstaulänge, d.h. während den Belastungssituationen 1a und 2a hochgradig effizient sind und erheblich zur Einhaltung des Jahresgrenzwertes für NO2 beitragen. Inwieweit zu Zeiträumen mit hoher Schadstoffbelastung und gleichzeitig niedrigem verkehrlichem Optimierungspotenzial zur zumindest geringfügigen Minderung der Schadstoffbelastung eingegriffen werden sollte, ist unter Berücksichtigung der politischen Akzeptanz und der Nutzerakzeptanz zu entscheiden. Die Zeiträume mit „normaler“ Schadstoffbelastung und gleichzeitig niedrigem Reduktionspotenzial betreffen knapp 70 % der erfassten Zeiträume und sind deutlich ineffizienter. Von Eingriffen zu diesen Zeiträumen wird in der Regel abgeraten.

Die abgeschätzte absolute Reduktionsleistung und damit auch der Beitrag zur Einhaltung des Jahresgrenzwertes sind in Bild 8 dargestellt. Es wird deutlich, dass Eingriffe in die Verkehrssteuerung die Belastung am HotSpot zwar maßgeblich reduzieren können, eine Einhaltung des NO2-Jahresgrenzwertes mit dieser Einzelmaßnahme jedoch voraussichtlich nicht möglich ist.

Bild 8: Grobabschätzung der Wirkungen von situationsabhängigen Eingriffen auf den NO2-Jahresgrenzwert mittels einer Pförtnerung vor der Bieberer Straße in Offenbach am Main

5 Schlussfolgerungen

Die durchgeführte Untersuchung lässt folgende wesentliche Schlussfolgerungen für das Testfeld Offenbach am Main zu:

- Eine situationsabhängige umweltorientierte Verkehrssteuerung (Pförtnerung) kann erheblich zur Senkung des NO2-Jahresmittelwerts an der Bieberer Straße in Offenbach beitragen. Die beispielhafte rechnerische Abschätzung der Wirkungen einer situationsabhängigen Verkehrssteuerung zeigt, dass Eingriffe zu Zeiten hoher Verkehrsbelastung unabhängig von der aktuellen Schadstoffbelastung insbesondere in Bezug auf Langzeitgrenzwerte (z. B. NO2-Jahresmittelwert) als effizient anzusehen sind.

- Die Einhaltung des NO2-Jahresgrenzwerts an der Bieberer Straße ist auch bei permanenter, statischer Anwendung der Pförtnerung voraussichtlich nicht möglich. Eine dauerhafte Pförtnerung würde die NO2-Belastung an der Bieberer Straße im Vergleich zum situationsabhängigen Ansatz wie oben beschrieben, nach der beispielhaften Wirkungsabschätzung um nur zusätzlich etwa 1,6 µg/m³ auf 42 µg/m³ senken. Ein statischer Ansatz erscheint vor diesem Hintergrund nicht empfehlenswert.

- Eine situationsabhängige umweltorientierte Verkehrssteuerung kann das Risiko der Überschreitung des PM10-Tagesgrenzwerts in Offenbach am Main erheblich senken. Aufgrund der geringen Stichprobe von nur 15 Messtagen mit Messungen von 06:30 Uhr bis 18:30 Uhr konnte für die PM10-Belastung keine konkrete Abschätzung durchgeführt werden. Die Auswertung der Felduntersuchungen ergab jedoch auch für die PM10- Belastung signifikante Zusammenhänge zur Rückstaulänge an der Bieberer Straße und zur Schwerverkehrsstärke an der Messstelle Feuerwehr. Bei einer Optimierung dieser Kenngrößen kann von einer messbaren Reduktion in einer Größenordnung von etwa 10 % ausgegangen werden.

Neben den Ergebnissen für das Testfeld Offenbach am Main kann auch eine Reihe allgemeingültiger Schlussfolgerungen gezogen werden:

- Lokale und regionale meteorologische Kenngrößen beeinflussen die Immissionsbelastungen erheblich. Folglich ist der vorgestellte situationsabhänge Ansatz als grundsätzlich sinnvoll zu bewerten. Ferner ist die Erfassung meteorologischer Kenngrößen für die vereinfachte Erkennung und Prognose von Situationen zur Aktivierung von Strategien erforderlich.

- Die entwickelten Ansätze zur Quantifizierung der Wirkungen einer Optimierung verkehrlicher Kenngrößen auf die lokalen Luftschadstoffimmissionen sowie zur Strategieentwicklung und Strategiebewertung im Kontext der Luftreinhaltung sind räumlich übertragbar. Für eine netzweite oder streckenzugbezogene Modellierung von Immissionen erscheint eine Verknüpfung mit gängigen Ausbreitungsmodellen sinnvoll.

- Die Einflüsse einer hohen Schwerverkehrsstärke und von Schwankungen in der Qualität des Verkehrsablaufs auf die gemessenen Immissionen sind bei den Messungen in Offenbach am Main wie auch bei den Messungen in Hamburg und Bremerhaven im Projekt AMONES deutlich erkennbar. Es ist davon auszugehen, dass dieser Zusammenhang räumlich übertragbar ist. Dennoch sollte dieser Zusammenhang bei weiteren Felduntersuchungen jeweils gesondert geprüft werden.

Weiterer Handlungs- und Untersuchungsbedarf ergibt sich insbesondere beim Umgang mit bestehenden Zielkonflikten, die bei der Abstimmung des Umfangs von Auslösesituationen für Eingriffe der Verkehrssteuerung abzuwägen sind: z. B. verursachen die Implementierung und der Betrieb einer situationsabhängigen umweltorientierten Verkehrssteuerung finanziellen und personellen Aufwand. Weiter führen restriktive Maßnahmen, die zugunsten einer Verbesserung der Luftqualität an den HotSpots aktiviert werden, häufig an anderen Stellen im Verkehrsnetz zu einer Verschlechterung der Qualität des Verkehrsablaufs. Dies senkt die Akzeptanz durch die betroffenen Verkehrsteilnehmer. Aufbauend auf den in diesem Projekt gewonnenen Erkenntnissen ist eine detailliertere systematische und strukturierte Entscheidungshilfe für diesen Abwägungsprozess zu erarbeiten.

6 Danksagung

Das diesem Beitrag zugrunde liegende Forschungsprojekt wurde von der ivm GmbH (Integriertes Verkehrs- und Mobilitätsmanagement Region Frankfurt RheinMain) und der Stadt Offenbach am Main finanziert. Ferner wurden die Durchführung der Feldmessungen und die Interpretation der Umfeldkenngrößen von Mitgliedern des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie und des Fachgebiets Umweltmineralogie der Technischen Universität Darmstadt unterstützt. Die Autoren dieses Beitrags bedanken sich hiermit bei allen beteiligten Mitarbeitern dieser Einrichtungen.

7 Literaturverzeichnis

[1]    HMUELV (2010): Luftreinhalteplan für den Ballungsraum Rhein-Main, Teilplan Darmstadt – 1. Fortschreibung (ENTWURF). Hessisches Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUELV). Wiesbaden 2010.

[2]    Schwartz, J. (2000): Assessing confounding, effect modification, and treshold in the association between ambient particles and daily deaths. In: Environmental Health Perspectives, H. 108, S. 563–568.

[3]    Umweltbundesamt (2009): Entwicklung der Luftqualität in Deutschland. Umweltbundesamt. Dessau-Roßlau.

[4]    Kohoutek, S. (2011): Quantifizierung der Wirkungen des Straßenverkehrs auf Partikel- und Stickoxid-Immissionen. Dissertation im Fachbereich Bauingenieurwesen und Geodäsie der Technischen Universität Darmstadt. Darmstadt, 2011.

[5]    FGSV 2003: Hinweise zur Strategieentwicklung im dynamischen Verkehrsmanagement. Köln, 2003.

[6]    Offenbach, (2008): Luftreinhalte-/Lärmminderungskonzept Offenbach. Amt für Umwelt, Energie und Mobilität, Offenbach 2008

[7]    ZIV (2007): Verkehrsmanagementplan 2015 der Stadt Offenbach; Schlussbericht. Zentrum für integrierte Verkehrssysteme, Darmstadt 2007.

[8]    ivu Umwelt (2009): Ausbreitungsberechnungen für den Ballungsraum Rhein-Main als Beitrag zur Ursachenanalyse für den Luftreinhalteplan Rhein-Main; Endbericht, Freiburg 2009

[9]    Boltze, M., Busch., F., Friedrich, B., Friedrich, M., Kohoutek, S., Löhner, H., Lüssmann, J., Otterstätter, T. (2010): AMONES – Anwendung und Analyse modellbasierter Netzsteuerungsverfahren in städtischen Straßennetzen. Endbericht. Stuttgart.

[10]    39. BImSchV (2010): Neunundreißigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen – 39. BImSchV). Ausfertigungsdatum 02.08.2010.