FGSV-Nr. FGSV 002/127
Ort online-Konferenz
Datum 13.04.2021
Titel Aufbau und Betrieb eines Qualitätsmanagements - Herausforderungen in der Praxis der Verkehrszentrale Nordrhein-Westfalen
Autoren Dr.-Ing. Anja Estel, Dr.-Ing. Martin Rose
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Die Verkehrszentrale NRW plant, baut und betreibt alle telematischen Anlagen zur Verkehrsbeeinflussung (VBA) auf den Autobahnen in NRW. Die Qualität der Verkehrsbeeinflussung hängt nicht nur von der Qualität der zugrunde liegenden Verkehrsdaten und der verwendeten Steuerungsverfahren, sondern insbesondere auch von der Qualität aller beteiligten Arbeitsprozesse im direkten und indirekten Zusammenhang mit dem Lebenszyklus der VBA ab. Zur Standardisierung und Qualitätsverbesserung aller Prozesse wurden in einem zweijährigen Projekt wesentliche Schritte hin zu einem Qualitätsmanagement unternommen, insbesondere wurde eine ausführliche Dokumentation aller wesentlichen Prozesse erstellt. Im täglichen Betrieb der Verkehrszentrale findet das Qualitätsmanagement bisher insbesondere in Form von Qualitätssicherung in den Fachprozessen statt. Für wesentliche Prozesse werden bereits Kennzahlen zur Bewertung der Qualität erhoben und als Trigger für Instandsetzung und Optimierung genutzt. Für die Implementation eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses sind die Dokumentation und Analyse dieser und weiterer Kennwerte in Hinblick auf die Qualitätsverbesserung an zentraler Stelle unentbehrlich.

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1 Motivation

Qualitätsmanagement ist in der DIN EN ISO 9000:2005 [1] als Menge aufeinander abgestimmter Tätigkeiten zum Leiten und Lenken einer Organisation bezüglich Qualität definiert. Qualität ist dabei der Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale definierte Anforderungen erfüllt. Verglichen werden die Merkmale eines Produkts oder einer Dienstleistung mit den Anforderungen des Kunden. Die Betrachtung erfolgt mit einem prozessorientierten Ansatz, d.h. eine Organisation arbeitet dann wirksam hinsichtlich Qualität, wenn sie ihre Tätigkeiten, Prozesse sowie deren Wechselwirkungen und Abhängigkeiten untereinander versteht und managt.

Die Entwicklung des Qualitätsmanagements (QM) ist in Abbildung 1 dargestellt. Sie fußt auf ersten Tätigkeiten zur Produktprüfung im herstellenden Gewerbe sowie Stichprobenprüfungen bei der Massenproduktion bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts.

Zunehmend kam zur Produkt- die Prozesssicht hinzu. Ziel dabei ist das Erreichen beherrschter Prozesse, deren Ergebnisse korrekt, transparent und reproduzierbar sind. Eine prozessorientierte Qualitätssicherung (QS) wirkt gegenüber der (aus-)sortierenden Qualitätskontrolle steuernd. Die QS greift bereits vor der Herstellung von Produkten oder Dienstleistungen in deren Planung und Entwurf ein.

In einem QM werden prozessorientiert Qualitätsziele definiert und alle Tätigkeiten, die zu deren Erreichung führen sollen, gebündelt, gesteuert und weiter verbessert. Diese kontinuierliche Verbesserung (PDCA- oder Deming-Zyklus) kann ebenfalls als Prozess angesehen werden. Geplante (P-plan) (Qualitäts-)Maßnahmen werden umgesetzt (D-do), auf Wirksamkeit gegenüber den definierten Zielen überprüft (C-check) und darauf aufbauend neue Ziele und Maßnahmen zur weiteren Verbesserung abgeleitet (A-act). Zur Bewertung der Wirksamkeit werden prozessorientierte Kennzahlen herangezogen und Grenzwerte definiert.

Abbildung 1: Entwicklung der Qualitätsarbeit mit Beispielen aus der Verkehrsbeeinflussung (eigene Darstellung)

Einen Schritt weiter gehen Konzepte des „Umfassenden QM“ (TQM) sowie Konzepte zur Integration weiterer Managementsysteme. Die vorgenannten Entwicklungsstufen des QM haben sich gegenseitig ergänzt und verbessert. So sind Qualitätskontrolle und -sicherung nach wie vor wesentliche Aufgaben einer Organisation, allerdings eingebettet in ein übergreifendes, steuerndes Management.

Bereits im Jahr 2010 und erneut in 2013 hat der Wissenschaftliche Beirat des Verkehrsministeriums in einer Stellungnahme zur „Qualitätsverbesserung im Straßenverkehr – Impulse für ein koordiniertes Qualitätsmanagement“ gefordert (siehe Wissenschaftlicher Beirat 2013, [2]), über eine QS hinaus die Einführung eines übergeordneten und abgestimmten QM im Bereich des Straßenverkehrs einzuführen. Damit lassen sich Entscheidungsgrundlagen und eine erhöhte Transparenz zwischen den Verwaltungen, der Politik und der Öffentlichkeit als Kunde und Steuerzahler erzielen. Es wird eine grobe Vorgehensweise zur Erreichung eines koordinierten Verkehrsmanagements vorgeschlagen:

∙ Definition von (bereichs-)spezifischen und differenzierten Qualitätszielen und -kriterien

∙ Etablierung standardisierter Verfahren zur Qualitätsmessung anhand der entsprechenden Kriterien unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit

∙ Ausrichtung auf eine stärkere Kundenorientierung

∙ Einführung bzw. Ausbau von Audits zur kontinuierlichen Qualitätsüberwachung und -verbesserung

Das Thema wird von Boltze et al. (siehe Boltze, 2014, [3]) aufgegriffen und vertieft. Auch hier liegt der Fokus auf dem Gesamtbereich des Straßenverkehrs. Aufgrund seiner bekannten Komplexität und der Besonderheiten in der Verwaltung gegenüber der freien Wirtschaft, in der QM schon seit Jahrzehnten gelebt und verlangt wird, wird vorgeschlagen, das komplexe Straßen- und Verkehrswesen unter wissenschaftlicher Begleitung in eigenständige und kombinierbare Bausteine zur flexibleren Gestaltung eines integrierten QM herunter zu brechen. Im Bereich der einzelnen Bausteine sollen dann konkrete Anforderungen an ein QM sowie Umsetzungshinweise über die zuständigen FGSV-Gremien in den jeweiligen fach-spezifischen Regelwerken erarbeitet und dokumentiert werden. Boltze et al. nehmen die vom Wissenschaftlichen Beirat genannten notwendigen Schritte zur Etablierung eines verzahnten QM auf und konkretisieren diese ausführlich, jedoch immer im Rahmen des Gesamtbereichs Straßenverkehr.

Ein wesentlicher Bereich im Straßenverkehr ist die intelligente Verkehrssteuerung im Rahmen des Verkehrsmanagements auf Autobahnen. Dazu zählen Planung, Bau und Betrieb klassischer Verkehrsbeeinflussungsanlagen (VBA) wie Streckenbeeinflussungsanlagen (SBA), Zuflussregelungsanlagen (ZRA), Netzbeeinflussungsanlagen (NBA) sowie Anlagen zur temporären Freigabe des Seitenstreifens (TSF). Darüber hinaus werden zukünftig die gezielte und aktuelle Information der Verkehrsteilnehmenden sowie die direkte Kommunikation zwischen Infrastruktur und Fahrzeugen bzw. zwischen den Fahrzeugen die klassische Verkehrsbeeinflussung ergänzen.

Bereits 2008 wurde im Rahmen eines Forschungsprojektes ein „Qualitätskonzept für den Betrieb der Verkehrsrechnerzentralen des Bundes“ (siehe Kirschfink, 2008, [4]) aufgestellt und ein Muster-QM-Handbuch entworfen. Dies enthält Vorschläge für Aufbau- und Ablauforganisationen von Verkehrszentralen sowie Instrumente und prozessbezogene Kennzahlen zum Aufbau und der Einführung eines QM. Es werden knapp 270 Kennwerte zur Bewertung der Produkt- und Prozessqualität vorgeschlagen, die sich in Teil- und Subprozesse untergliedern. Ein großer Anteil der Kennwerte beschäftigt sich mit der Bewertung des Aufwands für den Ablauf der Sub- und Teilprozesse. Schwellenwerte für die Bewertung der Kennwerte werden nicht vorgeschlagen.

Wie in [2] empfohlen, wurden auch für den Bereich der Verkehrssteuerung entsprechende Arbeitskreise der FGSV eingerichtet und weitere Forschungsprojekte durchgeführt. In dem im AK 3.2.10 erarbeiteten Papier „Hinweise für das Qualitätsmanagement in der Verkehrsbeeinflussung“ (siehe FGSV, 2019, [5]) werden sowohl alle wesentlichen Prozesse im Lebenszyklus einer VBA hinsichtlich möglicher Verfahren für deren QS betrachtet als auch die organisatorischen Anforderungen an ein QM seitens der Baulastträger formuliert und erste Erfahrungen aus einigen Bundesländern zusammengetragen. Im Rahmen des begleitenden Forschungs- und Entwicklungsprojektes wurde ein Modell für die Fehlerfortpflanzung innerhalb eines am Lebenszyklus einer VBA ausgerichteten Prozessmodells erstellt (siehe Neumann 2017, [6]). Anschließend wurden mithilfe einer Fehlermöglichkeits- und Fehlereinflussanalyse (FMEA) die Eintrittswahrscheinlichkeiten und Auswirkungen von Fehlern bewertet. Auf Basis eines Bayes’schen Netzes (Berechnung und Visualisierung von Wahrscheinlichkeitsverteilungen unter Berücksichtigung bedingter Abhängigkeiten zwischen Zufallsvariablen) können im Ergebnis die Auswirkungen verschiedener Fehler während Planung, Bau und Betrieb von SBA auf deren verkehrliche Wirksamkeit geschätzt und gleichzeitig für auftretende Fehler wahrscheinliche Ursachen ermittelt werden. Aufbauend auf diese Betrachtungen wurden Handlungsempfehlungen zur Vermeidung bzw. Minimierung von Fehlern im Bereich der Verkehrssteuerung abgeleitet. Den Auswertungen der Fehlerfortpflanzung folgend, hat insbesondere die Qualität der Prozesse „Ausführungsplanung“, „Konfiguration von Hard- und Software“, „Wartung und Instandsetzung“, sowie „Verkehrsdatenerhebung“ einen wesentlichen Einfluss auf die Ergebnisse der Verkehrssteuerung.

2 Qualitätsmanagement in der Verkehrszentrale NRW

2.1 Voraussetzung und Zielstellung

Im Jahr 2013 wurden alle wesentlichen Tätigkeiten zu Planung, Bau und Betrieb von VBA in Nordrhein-Westfalen in einer neuen Organisationseinheit, der Verkehrszentrale NRW (VZ NRW) im Landesbetrieb Straßenbau NRW zusammengefasst. Zuvor waren diese Aufgaben auf mehrere Organisationseinheiten innerhalb und außerhalb des Landesbetriebs verteilt. Übergeordnete Ziele waren dabei die Reduzierung von Schnittstellen, die Bündelung von Know-how sowie die Generierung von Synergien in planerischen, baulichen und betrieblichen Aspekten. Dies stellte sowohl die Leitung als auch die alten und neuen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der VZ NRW vor die Herausforderung, neue Prozesse ins Leben zu rufen, diese mit bereits vorhandenen Prozessen abzustimmen und zu koordinieren. Durch die Bündelung von Prozessen, die zuvor parallel in verschiedenen Organisationseinheiten teilweise auf unterschiedliche Art und Weise durchgeführt wurden, waren Vereinheitlichungen in den Vorgehensweisen vorzunehmen. Vor dem Hintergrund dieser Erfordernisse wurde der Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems (QMS) noch vor Gründung der VZ NRW beschlossen. Die zügig im Anschluss an die Gründung der VZ NRW erfolgte intensive Auseinandersetzung mit den Prozessen sollte zu einer spürbaren Beschleunigung des Zusammenwachsens und zur Nutzung des positiven Aufbruchsgefühls einer Organisation in der Gründungsphase führen.

2.2 Projekt Durchblick

Der Aufbau eines QMS erfolgte für die VZ NRW im Rahmen des Projektes „Durchblick“. Mithilfe einer auf QM spezialisierten Unternehmensberatung wurden in dem zweijährigen Projekt in Anlehnung an die ISO 9000 ff. wesentliche Schritte hin zu einem QM unternommen, die sich an den sechs allgemeinen Anforderungen an ein QMS orientieren. Die in der DIN EN ISO 9001:2008 [7] beschriebenen Anforderungen sind zusammen mit den entsprechenden konkreten Aufgaben für die VZ NRW in Tabelle 1 dargestellt.

Tabelle 1: Allgemeine Anforderungen an ein QMS und deren Umsetzung in der VZ NRW

Mit der Gründung der VZ NRW wurde ein QM-Beauftragter bestimmt. Nach Definition wesentlicher Begrifflichkeiten, der Festlegung der Projektziele und -grenzen lag der Fokus zunächst auf der Erfassung der Prozesslandschaft und der Dokumentation der Prozesse. Für die Prozesslandschaft erfolgte eine Unterteilung der wesentlichen Prozesse in die vier Kernprozesse

∙ Erstellung von Verkehrsmanagementsystemen,

∙ Betrieb von Verkehrsmanagementsystemen,

∙ Bereitstellung von Verkehrsinformationen sowie

∙ Management von Arbeitsstellen.

Darüber hinaus wurden Prozesse definiert, die der Unterstützung der Kernprozesse dienen. Insgesamt wurden rund 70 Prozesse als wesentlich für die VZ NRW erkannt, wie in der Prozesslandkarte in Abbildung 2 ersichtlich.

Abbildung 2: Prozesslandschaft der VZ NRW

Bei der Wahl der Prozessnotation für die Dokumentation der einzelnen Prozesse wurde eine vereinfachte Darstellung gewählt, um die Prozessdokumentation für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einfach und verständlich zu gestalten. Eine „Übersetzung“ z. B. nach BPMN ist jedoch ohne nennenswerten Aufwand möglich. Die Prozessdokumentation zeigt wesentliche Arbeitsschritte, Schnittstellen zu anderen Organisationseinheiten (ohne deren Arbeitsschritte ausführlich zu beschreiben), verwendete Methoden und Fachverfahren und Kommunikationsmittel. Ein Ausschnitt einer Prozessdokumentation ist in Abbildung 3 dargestellt. Darüber hinaus wurden wesentliche Arbeitsschritte detaillierter in sogenannten Standardvorgehen (Arbeitsanweisungen) sowie Checklisten erarbeitet, die zum einen selten ausgeführte Tätigkeiten klar beschreiben und zum anderen ein gewisses Maß an Standardisierung von Arbeitsschritten bewirken sollen. Bei der Erstellung der Dokumente im Rahmen des QMS wurde ebenfalls ein Verfahren zur Lenkung der QM-Dokumente erstellt und dokumentiert.

Abbildung 3: Ausschnitt einer Prozessdokumentation in Form von Ablaufdiagrammen

Sowohl bei der Erhebung der Prozesse als auch bei der Erarbeitung der Standardvorgehen wurden die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der VZ NRW z. B. im Rahmen von Workshops intensiv einbezogen. Ziel war hier zum einen, die tatsächlichen Arbeitsweisen abbilden zu können, und zum anderen, die Motivation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für das Thema QM zu steigern. In diesem Zusammenhang wurden Vorgehensweisen gemeinsam diskutiert und Begrifflichkeiten besprochen und festgelegt. Allein diese intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Arbeit wurde von vielen Kollegen als hilfreich und förderlich für die gemeinsame (Projekt-)Arbeit angesehen.

Losgelöst von den fachlichen Prozessen wurde das Thema Projektmanagement intensiv beleuchtet, diskutiert und Verbesserungspotential abgeleitet. Im Ergebnis wurden Rollen definiert, Dokumentvorlagen erstellt und das in Abbildung 4 gezeigte Kommunikations- und Besprechungskonzept erarbeitet. Ein Ziel war die Verbesserung des abteilungsübergreifenden Informationsflusses. Als wesentliches Ergebnis der Diskussion wurde eine abteilungsübergreifende, über den gesamten Kernprozess der Erstellung neuer VBA von der ersten Idee bis hin zur Übergabe in den Betrieb durchgängige Projektsteuerung durch eine Person herausgestellt. Erste Anwendungen dieses Vorschlags zeigten Erfolge hinsichtlich schnelleren Projektfortschritts sowie besserer Informationsflüsse. Alle wesentlichen Projektresultate wurden in einem QM-Handbuch der VZ NRW zusammengefasst.

Auf eine Definition prozessorientierter Kenngrößen wurde im Rahmen des Projektes zunächst verzichtet. Zum einen sind aufwandsbezogene Kennwerte zur Beschreibung der Prozessgüte schwer im Einzelnen zu erheben, zum anderen fehlen bisher einheitlich und verbindlich geregelte Grenzwerte, die eine Bewertung der Kennzahlen erlauben.

Abbildung 4: Kommunikations-/Besprechungskonzept der VZ NRW

Somit wurden von den in Tabelle 1 dargestellten allgemeinen Anforderungen die Forderungen a) bis d) im Rahmen des Projektes Durchblick weitestgehend erfüllt. Die in den Unterpunkten e) und f) genannten Anforderungen müssen im allgemeinen Betrieb der VZ NRW geplant, umgesetzt und dauerhaft erfüllt werden.

3 Erfahrungen aus dem Betrieb der VZ NRW im Hinblick auf das QM

3.1 Qualität der Kernprozesse

Seit Abschluss des Projektes Durchblick sind drei Jahre vergangen. Wie erwartet, gestaltet sich das „Leben“ eines QM schwieriger als dessen Aufbau. Laut ISO 9001 zählt zu den allgemeinen Forderungen an ein QM, dass dieses nach Aufbau und Verwirklichung auch aufrechterhalten und ständig verbessert werden soll (siehe Tabelle 1, e), f)). Dazu gehört insbesondere die Überwachung, Messung und Analyse aller wesentlichen Prozesse mithilfe von Kontrolltätigkeiten, Kennzahlen und Audits. Diese Aufrechterhaltung gilt gleichermaßen für die übergeordneten QM- und weiteren Managementprozesse wie für die fachlichen Kern- und Unterstützungsprozesse der VZ NRW.

Die fachlichen Prozesse der VZ NRW werden über den gesamten Lebenszyklus von VBA hinsichtlich ihrer Qualität gesichert, wenn auch in unterschiedlichem Maße und mit unterschiedlichen Mitteln. Wie erwähnt, wurden im Projekt Durchblick keine konkreten Kennwerte zur Qualitätsbewertung der Prozesse festgelegt. Trotzdem werden einige besonders wichtige Prozesse überwacht und mithilfe von Kriterien die Entwicklung der Qualität beschrieben. Aufgrund der Vielzahl der Prozesse ist eine schrittweise Einführung und Erfassung von Kennwerten erforderlich. Um dabei hinsichtlich der Qualität den größtmöglichen Effekt zu erzielen, wurden zunächst Prozesse berücksichtigt, die aufgrund ihrer Schnittstellen zu anderen Prozessen den größten Einfluss der Fehlerfortpflanzung auf die Gesamtqualität der Verkehrsbeeinflussung haben. Dies sind insbesondere die Prozesse „Ausführungsplanung“, „Konfiguration von Hard- und Software“, „Wartung und Instandsetzung“, sowie „Verkehrsdatenerhebung“ [7]. Die in diesen Bereichen eingesetzten Qualitätsmaßnahmen und -kennzahlen werden in diesem Kapitel konkretisiert.

3.1.1 Ausführungsplanung, Ausschreibung und Bau von VBA

Die Ausführungsplanung und Ausschreibung der Bauleistung von VBA haben hinsichtlich der Qualität einen bedeutenden Einfluss auf die Güte der Bauleistung sowie auf den späteren Betrieb der streckenseitigen Infrastruktur. Zu spät erkannte Fehler der Ausführungsplanung lassen sich nur schwer oder sehr aufwendig, technisch oder wirtschaftlich, beheben. In diesem Wissen wurde in der VZ NRW ein interner Arbeitskreis gebildet, in dem sich Beschäftigte aus den Bereichen Ausführungsplanung, Ausschreibung, Bauüberwachung sowie dem Unterhaltungs- und Instandsetzungs-Dienst (UI-Dienst) regelmäßig über die Erfahrungen vergangener Projekte und deren Rückkopplung in zukünftige Maßnahmen austauschen. In einem ersten Schritt wurde in diesem Rahmen aus einer Vielzahl unterschiedlicher Ausschreibungen ein Standard je VBA-Typ hinsichtlich technischer und vertraglicher Gesichtspunkte entworfen. Deren Nutzung stellt sicher, alle wesentlichen Aspekte zu berücksichtigen und von konkreten Erfahrungen vorausgegangener Projekte zu profitieren. Eine Anpassung an die konkreten Randbedingungen ist darüber hinaus sicherzustellen. Zurzeit erarbeitet dieser Arbeitskreis eine modularisierte, verfeinerte Version im Sinne eines Standardleistungsverzeichnisses. Ziel ist ein Baukasten mit Standardleistungstexten für einzelne Komponenten (z. B. Kameras, Messquerschnitte, Anzeigenquerschnitte, Streckenstationen). Durch diese Spezifizierung können zukünftig die Ausschreibungstexte trotz Standardisierung noch besser an konkrete Rahmenbedingungen der Maßnahmen angepasst werden. Dies führt nicht nur zur Fehlervermeidung, sondern auch zu einer Beschleunigung des gesamten Prozesses. Im nächsten Schritt wird ein „Lessons Learned“-Prozess festgelegt, der eine gezielte, dokumentierte Rückkopplung von Erfahrungen aus Bauüberwachung und Betrieb der telematischen Infrastruktur in den Ausführungsplanungs- und Ausschreibungsprozess sicherstellt und regelt. Lessons Learned ist ein wichtiges Projektmanagement-Werkzeug, welches auch in anderen Projekten der VZ NRW angewendet werden kann. Um einen möglichst großen Nutzen hinsichtlich der QS und Qualitätssteigerung zu erhalten, sind die in Tabelle 2 aufgeführten Anforderungen zu berücksichtigen.

Tabelle 2: Anforderungen für Lessons Learned

3.1.2 Planung und Konfiguration neuer Software für Fachanwendungen zur Verkehrsbeeinflussung

Die VZ NRW entwickelt und betreibt zusammen mit sieben weiteren Bundesländern gemeinsam Software zur Steuerung und Bedienung von VBA im Rahmen des NERZ e.V. (Verein der Nutzer der einheitlichen Rechnerzentralensoftware für Verkehrsleitsysteme). Der Prozess der Planung, Herstellung und Konfiguration von Fachanwendungssoftware hat bezüglich seiner Schnittstellen zu anderen Prozessen ein hohes Risiko der Fehlerfortpflanzung – je nach Fachanwendung in Bezug auf fast alle Betriebsprozesse. Daher sind in dem gesamten Erstellungsprozess von der Planung bis zur Konfiguration besondere Qualitätsanforderungen zu stellen. Bei der Planung, Entwicklung und Konfiguration neuer Software wird daher durchgängig ein V-Modell (V-Modell 97/XT) zugrunde gelegt. Durch ein zielgerichtetes Zuschneiden des Vorgehensmodells auf die konkret benötigten (Software-) Produkte (Tailoring) wird das Verhältnis von Aufwand und Nutzen optimiert. Wesentliche Aspekte sind hier die Komplexität, die erwartete Betriebsdauer, die Weiterentwicklung, die Einbettung in bestehende Systemlandschaften und der mögliche Mehrfacheinsatz der Produkte. Nach diesem Schritt können die Produkte anhand festgelegter Kriterien überprüft und kategorisiert werden. Erste wesentliche Produkte des NERZ e.V. sind bereits durch unabhängige Prüfer kontrolliert und bewertet worden. Festgestellte Mängel wurden beseitigt und die Produktqualität deutlich gesteigert. Die QS erfordert ein umfangreiches Fehler- und Änderungsmanagement. Dieses ist strukturiert, dokumentiert und eingebettet in ein Konfigurationsmanagement für alle Produkte (Software und Dokumente). Die Prozesse sind offen für alle Beteiligten (AG, AN, Qualitätssicherer etc.). Das Konfigurationsmanagement dient einer einfachen Bereitstellung des aktuellen Quellcodes aller Softwaremodule, Konfigurationen, aktueller Distributionspakete sowie der Dokumentation (vgl. Abbildung 5 und Abbildung 6). Gleichzeitig erlaubt es eine durchgängige Versionierung aller Produkte, zugehöriger Dokumente und Konfigurationen (siehe NERZ e.V., 2017, [8]).

Die Mehrfachnutzung, die Weiterentwicklung durch verschiedene Verwaltungen sowie der Wechsel von Auftragnehmern für einzelne Software-Einheiten zeigen den Erfolg dieser Vorgehensweise. Als Kennwerte für die Qualitätsbewertung können z. B. die Zahl der geprüften Software-Einheiten sowie die Zahl der gemeldeten und abgearbeiteten Fehler- und Änderungsmeldungen genutzt werden.

Auch in anderen Projekten zur Entwicklung neuer Fachanwendungen außerhalb des NERZ e.V. werden sowohl aus Gründen des QM als auch aufgrund von Anforderungen aus dem Grundschutz inzwischen einheitliche Mindestdokumentationen von den Auftragnehmern gefordert. Dazu zählen ein Betriebs- und Benutzerhandbuch, ein Kommunikationsschema sowie eine Systemübersicht. Dadurch wird eine schnellere Realisierung der Projekte durch Minimierung von Projektrisiken erreicht. Gleichzeitig werden alle notwendigen Informationen zur Erstellung notwendiger Betriebskonzepte sowie zur Betriebsüberwachung bereits vor Inbetriebnahme bereitgestellt und dokumentiert.

Abbildung 5: Produkt- und Dokumentenmanagement des NERZ e.V. (Quelle: www.nerz-ev.de)

Abbildung 6: Prozesse - Aktivitäten im Konfigurationsmanagement NERZ e.V. (Quelle: [8])

3.1.3 Verkehrsdatenerfassung

Im Bereich der QS im Betrieb der VBA werden in der VZ NRW vermehrt Software-Werkzeuge eingesetzt, die kontinuierlich und automatisiert verschiedene Qualitätskennzahlen erfassen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Kennzahlen zur Beschreibung der Produktqualität. So werden z. B. die Verfügbarkeit der Verkehrsdatenerfassung oder auch die der IT-Systeme, welche der Verkehrssteuerung zugrunde liegen, kontinuierlich erfasst und bewertet. Allerdings dient deren Betrachtung bisher überwiegend der fachlichen QS, z. B. der Störungsbeseitigung sowie der Interpretation von Verkehrsdaten, statt der übergeordneten Erfassung, Dokumentation und Verbesserung der Prozesse an sich.

Ein Beispiel dafür ist die im Rahmen des vom BMWI geförderten Verbundprojektes „Traffic IQ“ erstellte gleichnamige Software. Sie bewertet automatisch in 15-Minuten-Intervallen die Qualität der Verkehrsdaten aus stationärer Erfassung hinsichtlich Aktualität, Vollständigkeit, Korrektheit und Abweichung (siehe Abbildung 7). Die genannten Kennwerte können als aktuelle und historische Ganglinien sowohl tabellarisch als auch grafisch in Form von Diagrammen abgebildet werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, Managementreports mit aggregierten Kennwerten zu generieren. Da die Verkehrsdaten der Steuerung der VBA sowie den Verkehrsinformationen zugrunde liegen, ist deren QS insbesondere der Korrektheit und Verfügbarkeit in den Betriebsprozessen von besonderer Bedeutung.

Abbildung 7: Traffic IQ - verschiedene Sichten auf Verkehrsdaten und Kennwerte zur Qualitätsbewertung von Verkehrsdaten aus Messschleifen

3.1.4 Wartung und Instandsetzung der telematischen Infrastruktur

Neben der Prüfung der Qualität der MQ-Daten durch das System Traffic IQ, welches insbesondere von den Verkehrsingenieuren sowie von der Baustellenkoordinierung genutzt wird, werden die Verfügbarkeiten der einzelnen, fahrstreifenbezogenen Messschleifendaten durch den UI-Dienst der VZ NRW werktäglich auf Basis eines VRZ-Protokolls erfasst, ausgewertet und in Form einer Excel-Tabelle dokumentiert. Abbildung 8 zeigt eine Darstellung des Kennwerts für Mai 2019. Vordergründiges Ziel der Abfrage der Verfügbarkeit ist die Auflistung aller aktuell gestörten Datenendgeräte (z. B. einzelne Messschleifen, Wechselzeichengeber oder Umfelddatensensoren), um daraufhin deren Entstörung bei den Wartungsfirmen abzurufen.

Abbildung 8: Verfügbarkeit von Verkehrsdaten pro Tag in % für Mai 2019 (inkl. deaktivierter MQ in Arbeitsstellen)

Die Störungsdauer sowie die vermutete/ermittelte Ursache der Störung werden bislang nur händisch und nicht in einem gemeinsamen einheitlichen Dokument erfasst. Dies liegt hauptsächlich organisatorisch in der Kommunikation mit den Instandsetzungsfirmen begründet.

Die QS anderer Komponenten der streckenseitigen telematischen Infrastruktur erfolgt zurzeit noch visuell durch das Kontrollraum- sowie das UI-Personal an den Monitoren der Bedienrechner, wie z. B. die Bewertung der Verfügbarkeit von Anzeigequerschnitten und Videoanlagen. Diese Tätigkeiten werden in der Regel mehrfach, mindestens aber einmal täglich durchgeführt. Auch hier dient die Kontrolle vordergründig als Trigger für Instandsetzungsmaßnahmen und wird bisher nicht weitergehend dokumentiert im Sinne einer Kennzahlbewertung und -verfolgung.

3.1.5 Wartung und Instandsetzung der IT der VZ NRW

Ebenso wichtig ist die durchgängige Verfügbarkeit der IT-Fachsysteme (Software und Hardware) zur Steuerung der VBA sowie zur Bereitstellung der Verkehrs- und Baustelleninformationen auf Basis der erfassten Verkehrsdaten. Die auf der Erfassung aufsetzenden Verarbeitungsschritte von der Aggregation über Plausibilisierung, Messwertersetzung, Längs- und Querabgleich bis hin zum automatisch erfolgten Schaltbefehl sind angewiesen auf eine durchgängig und fehlerfrei zur Verfügung stehende IT-Systemlandschaft und verfügbare Kommunikationsnetze. Zu diesem Zweck wird eine automatische Betriebsüberwachung der IT-Infrastruktur mithilfe der Software check_mk aufgebaut. Das Monitoring-System erlaubt eine umfassende Betriebsüberwachung für Anwendungen, Server sowie Netzwerke. Je nach Visualisierung können auf einen Blick wichtige Betriebsinformationen für bestimmte oder alle eingepflegten IT-Komponenten dargestellt werden (siehe Abbildung 9). Bei wesentlichen Warnmeldungen werden Fehlermeldungen visuell und akustisch unterstützt sowie Benachrichtigen per E-Mail abgesetzt. Neben dem log- und ereignisbasierten Monitoring stellen insbesondere die Analyse- und Visualisierungsmöglichkeiten zahlreicher Kennwerte einen wertvollen Beitrag zur Verfolgung und Bewertung der Qualität der IT-Systeme dar. Wesentliche Kennwerte sind z. B. Auslastung (der CPU, Speichernutzung, Bandbreiten etc.), Verfügbarkeit und Ausfallzeiten von Komponenten (Hardware und Software) und Betriebsinfrastruktur (Temperaturen in Serverschränken, USV-Auslastung etc.). Da die Betriebsinformationen in Langzeitarchiven gespeichert werden, ist eine Nachverfolgung der Kennwertentwicklung auch hier möglich.

Abbildung 9: Dashboard-Ansicht der automatischen IT-Betriebsüberwachung mit check_mk

3.1.6 Konfiguration, Parametierung und Optimierung von SBA-Steuerungen

In der Vergangenheit wurden Optimierungen von SBA-Steuerungen häufig anlassbezogen durchgeführt, d. h. reaktiv bei Meldung auffälliger Beobachtungen durch die Verkehrsingenieure, Operatoren oder Verkehrsteilnehmenden. Ziel ist jedoch eine aktive, regelmäßige Überprüfung des Schaltverhaltens von VBA und eine schnellstmögliche Optimierung bei festgestellten Abweichung von den Zielvorgaben. Diese bestehen bei SBA insbesondere in einer verlässlichen Warnung vor Gefahrenstellen wie Arbeitsstellen, Unfällen und Stauenden, einer situationsgerechten Anpassung der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten an die gemessenen Verkehrswerte (Verkehrsstärke und mittlere Geschwindigkeit) sowie möglichst geringe Streuungen der Geschwindigkeiten bei Anzeigen zulässiger Höchstgeschwindigkeiten (Harmonisierung). Die resultierenden Abweichungen, Geschwindigkeitsverteilungen, deren Streuungen sowie Fehlalarmraten stellen Qualitätskennzahlen für die Parametrierung von SBA dar. Alle dafür notwendigen Informationen zur Bewertung des Erreichungsgrads dieser Ziele liegen den Verkehrsingenieuren in der VZ NRW in verschiedenen Quellen vor. Um den Analyseaufwand möglichst gering zu halten und so mehr Anlagen optimieren zu können, wurde ein am Markt verfügbares Analyse- und Optimierungstool am Beispiel einer SBA auf Verwendbarkeit hin geprüft. Es zeigte sich, dass die landesspezifischen Protokollmerkmale nicht hinreichend genau zu den Analyseverfahren passen und eine Anwendung so nur eingeschränkt möglich ist. Gleichzeitig liegt ein beträchtlicher Satz an auf die vorliegenden Protokollarten in NRW abgestimmten Auswertetools vor, die einzelne der oben genannten Zielvorgaben beschreiben und analysieren können. Aus diesem Grund wird zurzeit an einer Vorgehensweise zur Erstellung einheitlicher Analysen zur Bewertung der Qualität der Parametrierung gearbeitet. Während die eigentlichen Analyseverfahren bereits vorliegen, müssen insbesondere Grenzwerte für die einzelnen Kennwerte festgelegt werden, die eine weitere Beobachtung oder Anpassung der Parameter erforderlich machen. Auch der Turnus der wiederkehrenden Prüfung sowie die Detailtiefe der Prüfungen sind festzulegen und in einem Prüfplan zu dokumentieren. Erfahrungen abgeschlossener Optimierungsmaßnahmen sind in der oben genannten Lessons-Learned-Datensammlung zu erfassen, um daraus Erkenntnisse für zukünftige Analysen zu ziehen.

3.2 Managementprozesse

Die im Projekt Durchblick erstellte Prozessdokumentation wird intensiv genutzt, insbesondere durch neue Beschäftigte, aber auch in Fällen, in denen Prozesse oder einzelne Prozessschritte und Tätigkeiten nur selten ausgeführt werden. Auch unterstützen die dokumentierten Prozesse hilfreich bei Diskussionen um Vorgehensweisen und Verbesserungsvorschläge. Bei Bedarf werden Prozessdokumentationen angepasst oder weitere Tätigkeiten zusätzlich dokumentiert, überwiegend in Form von Standardvorgehen.

Die Prozesse werden durch die oben beschriebenen Vorgehensweisen kontinuierlich revidiert. Gleichzeitig zeigt sich, dass die meisten Prozesse sehr stabil und langlebig sind. Die Umsetzung der im Projekt Durchblick erarbeiteten Kommunikationsstruktur hat zu erheblich verbesserten Informationsflüssen innerhalb von Projekten und damit zu einer wahrnehmbaren Beschleunigung von Projekten und Aufgaben in der VZ NRW geführt. Auch die Schnittstellen zu anderen Organisationseinheiten wurden in diesem Zusammenhang neu geregelt, so dass ein deutlich verbesserter Informationsaustausch mit den Niederlassungen (z. B. durch regelmäßige Teilnahme an Baubesprechungen) sowie der Abteilung Telekommunikation (durch deren Einbindung in die Projektteammeetings der VZ NRW) stattfindet.

Hilfreich sind regelmäßige Erinnerungen der Beschäftigten an die gewonnenen Erkenntnisse und Kommunikationsregeln und -strukturen, z. B. im Rahmen eines Tagesordnungspunktes innerhalb regelmäßig stattfindender Abteilungsbesprechungen. Der Einfluss der Kommunikation auf das qualitative Gelingen von Projekten und Aufgaben ist nicht zu unterschätzen. Während sogenannte „Tür-und-Angel-Gespräche“ für die Stimmung und das Miteinander in der Belegschaft bereichernd sind, stellen sie im Projektbezug ein großes Risiko für Missverständnisse, unklare Zuständigkeiten und Fehler dar. Unterschiedliche Dienstorte und die grundsätzlich sehr zu begrüßenden flexiblen Arbeitszeitregelungen stellen Herausforderungen dar, die unbedingt erforderlichen regelmäßigen Projektbesprechungen mit dem gesamten Team durchführen zu können, um bei allen den gleichen aktuellen Kenntnisstand und eine gemeinsame Bewertung von Projektinhalten, Sachständen und aktuellen Arbeitsschritten gewährleisten zu können. Hier hat sich eine flexible (Misch-)Nutzung von persönlichen Treffen, Telefon- und Webkonferenzen bewährt.

Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Managementmaßnahmen zur Beibehaltung und Verbesserung der Qualität wie z. B. die Bereitstellung ausreichender Ressourcen in Gestalt von Beschäftigten, deren Fähigkeiten und Fortbildung.

3.3 Ressourcen

Bezogen auf das QM in der VZ NRW ist im Hinblick auf die Ressourcen zwischen dem formalen QM und der Qualitätsprüfung und -sicherung in den fachlichen Prozessen zu unter-scheiden. Auch im Betrieb des übergeordneten QM ist eine Vollzeitstelle erforderlich, die ausschließlich für die Belange der VZ NRW hinsichtlich des QM verantwortlich ist. Die Aufgaben umfassen nicht nur die Aktualisierung aller QM-Dokumente, wie Handbuch, Prozessdokumentationen, Standardvorgehen und Vorlagen. Vielmehr ist es auch eine Aufgabe des QM-Beauftragten, die Beschäftigten in Qualitätsfragen zu sensibilisieren und in den erforderlichen (Projekt-)Managementwerkzeugen zu schulen sowie Kennwerte aus verschiedenen Prozessen zusammenzutragen, zu analysieren und die Erkenntnisse mit den Prozessverantwortlichen bzw. der Leitung zu besprechen.

Bezogen auf die fachlichen Prozesse sind die Beschäftigten der VZ NRW hinsichtlich der QS ihrer Prozesse sensibilisiert und motiviert. Regelmäßige, jährliche Veranstaltungen zur Sensibilisierung und die Vermittlung von Methoden zur prozessorientierten Qualitätsbewertung anhand von Kennzahlen, Fehleranalysen sowie Strategien zur Problemlösung fördern die Qualitätskultur in der Organisation.

Die in der Normenreihe 9000 ff. genannten Qualitätszirkel werden in der VZ NRW durch Bildung von Arbeitskreisen aufgegriffen. Diese werden anlassbezogen und für begrenzte Zeit für ein bestimmtes Thema mit einer Auswahl relevanter Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gebildet. Themen sind Prozessoptimierungen (z. B. des Störungsmanagements sowie der Planungsprozesse neuer VBA), die Festlegung von Standardisierungen (z. B. einheitliche Benennung von Infrastrukturobjekten) oder anderer allgemeiner Fragestellungen ohne konkreten Projektbezug. Die Arbeitskreise werden moderiert, haben häufig Workshop-Charakter und die Erkenntnisse werden dokumentiert und fließen nicht selten in neue interne Verfügungen oder Standardvorgehen ein.

3.4 Fazit zur Aufrechterhaltung und Verbesserung des QM in der VZ NRW

In der VZ NRW werden zahlreiche Prozesse bereits heute bewusst hinsichtlich ihrer Qualität überprüft. Allerdings fehlen häufig noch konkret festgeschriebene Kennzahlen, Schwellenwerte und Prüfverfahren, um von einem geregelten kontinuierlichen Verbesserungsprozess sprechen zu können. Diese ausstehenden QM-Tätigkeiten müssen Prozess für Prozess vorbereitet und in dokumentierten Verfahren beschrieben werden. Neue und bereits existierende Kennwerte sind in einer noch zu konzipierenden übergeordneten Datenbank zu definieren, zu erfassen, zu bewerten und daraus zusammen mit den verantwortlichen Beschäftigten Maßnahmen abzuleiten. Im Arbeitsalltag zeigt sich, dass Kennwerte, die sich nicht automatisch aus ohnehin genutzten Verfahren oder Systemen ergeben, nur schwer und unzuverlässig erhoben werden und dies als zusätzliche Belastung empfunden wird.

Darüber hinaus werden die Beschaffung und Einrichtung eines umfänglichen Dokumentationsmanagementsystems sowie eine strukturierte Durchführung interner Audits als weitere notwendige Schritte für einen strukturierten kontinuierlichen Verbesserungsprozess erachtet.

Auch wenn das QM der VZ NRW orientiert an den Vorgaben der Normenreihe 9000 ff. noch nicht vollumfänglich ausgebaut und umgesetzt ist, zeigt sich bereits, dass die vielen, hier in Teilen beschriebenen Qualitätsmaßnahmen in bedeutendem Maße dazu beitragen, die zunehmende Zahl der Verkehrsbeeinflussungsanlagen in NRW mit den weitestgehend konstant gebliebenen Mitarbeiterzahlen erfolgreich planen, bauen, betreiben und optimieren zu können.

4 Ausblick

Neben fachlichen Aufgaben und dem QM beschäftigt sich die VZ NRW zunehmend mit weiteren Managementaufgaben. Seit Benennung der Telematik als Kritische Infrastruktur nach KritisV sind die Verkehrszentralen ebenso wie andere Bereiche der Straßenbauverwaltungen gesetzlich verpflichtet, ein ohnehin erforderliches Informationssicherheitsmanagementsystem (ISMS) nach IT-Grundschutz des BSI aufzubauen und zu pflegen. Da sich der Schutzbedarf der gesamten Organisation (Aufgaben, Anwendungen, Kommunikation, IT-Systeme und Gebäude) an den Schutzbedürfnissen der einzelnen Prozesse orientiert, ergibt sich hier eine wesentliche Überschneidung der Themenfelder ISMS und QM. Hinzu kommt die immer stärker werdende Bedeutung des Themas E-Gouvernement, welches im Wesentlichen die digitale Abbildung aller wesentlichen Geschäftsprozesse zum Gegenstand hat. Eine aktuelle und geregelte Prozessdokumentation, wie sie für die VZ NRW erstellt wurde, stellt dafür eine grundsätzliche Voraussetzung dar. Damit wird ersichtlich, dass diese drei wesentlichen, übergeordneten Managementsysteme eine gemeinsame Grundlage im Sinne der Geschäftsprozesse haben.

Mit Betriebsaufnahme der Autobahngesellschaft des Bundes besteht darüber hinaus die Chance, gemeinsame einheitliche Qualitätsziele, Anforderungen an die Qualitätsarbeit, Kenngrößen und deren Bewertung im Bereich der Verkehrsbeeinflussung zu definieren und einzuführen. Hier kann eine verstärkte Zusammenarbeit mit den anderen Verkehrs- und Betriebszentralen des Bundes zukünftig weitere Synergieeffekte und einen intensiveren Erfahrungsaustausch bezüglich der Themen QM und QS und damit eine weitere Verbesserung mit sich bringen. Dies würde den bereits 2013 formulierten Anforderungen des Wissenschaftlichen Beirats des BMVI entsprechen.

5 Literatur

[1]    DIN EN ISO 9000:2005 (2005). Qualitätsmanagementsysteme – Grundlagen und Begriffe. DIN Deutsches Institut für Normung e. V., Berlin.

[2]    Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2013): Qualitätsverbesserung im Straßenverkehr – Impulse für ein koordiniertes Qualitätsmanagement. In: Straßenverkehrstechnik 11/2013, S. 689–698.

[3]    Boltze et al. (2014). Konzeption eines integrierten Qualitätsmanagements für das Straßen- und Verkehrswesen. In: Straßenverkehrstechnik, Heft 9.2014, S. 607–613.

[4]    H. Kirschfink, C. Aretz (2009). Qualitätsmanagementkonzept für den Betrieb der Verkehrsrechnerzentralen des Bundes. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft V187, Bergisch Gladbach.

[5]    Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) (2019). Hinweise für das Qualitätsmanagement in der Verkehrsbeeinflussung. FGSV-Verlag, Köln.

[6]    Neumann et al. (2017). Probabilistische Modellierung der Fehlerfortpflanzung im Lebenszyklus von Streckenbeeinflussungsanlagen. In: Tagungsband HEUREKA ’17, Stuttgart.

[7]    DIN EN ISO 9001:2008 (2008). Qualitätsmanagementsysteme – Anforderungen. DIN Deutsches Institut für Normung e. V., Berlin.

[8]    NERZ e.V. (2017). Technische Dokumentation – Konzept zum Konfigurationsmanagement, Eitorf.