FGSV-Nr. FGSV B 29
Ort Würzburg
Datum 17.09.2009
Titel Whitetopping – Erprobungsstrecke im Zuge einer Erneuerung
Autoren BDir. Dip.-Ing Rupert Schmerbeck, Dipl.-Ing. Siegfried Riffel
Kategorien Betonstraßen
Einleitung

Whitetopping ist die Überbauung eines vorhandenen Asphaltoberbaus mit einer Betondecke. Die Betondecke ist dabei höchstens 20 cm dick und die Resttragfähigkeit der vorhandenen Unterlage wird genutzt.

Im Rahmen einer großen Deckenbaumaßnahme auf dem Autobahnring München (BAB A 99) wurde der Oberbau Anschlussstelle Ottobrunn saniert. Der Oberbau aus dem Jahr 1975 entsprach etwa der Bauklasse IV und wies starke Schäden auf. Der bestehende Oberbau wurde um ca. 2 cm abgefräst, gereinigt und mit einer 14 cm dicken Betonschicht überbaut. Die Oberfläche wurde durch Entfernen des Oberflächenmörtels texturiert. Die Betonrezeptur wurde auf der Grundlage vorheriger Whitetopping-Projekte festgelegt. Trotz der beengten Verhältnisse war der Einbau erfolgreich. Die gute Waschbetonstruktur führte zu guten Griffigkeitswerten. Die Anschlussstelle ist jetzt ca. 2 Jahre unter Verkehr und befindet sich nach wie vor in einem tadellosen Zustand. Die Vorteile von Whitetopping liegen in der Tragfähigkeit und der Verformungsbeständigkeit der Betondecke und der Ausnutzung der Restsubstanz der vorhandenen Befestigung. Die Herstellung ist etwas aufwändiger und anspruchsvoller. Whitetopping kann insbesondere bei der Sanierung oder Neuherstellung von Kreuzungen, Busbuchten, Busspuren, Lkw-Stellflächen, Industrie- und Parkflächen, Kreisverkehrsflächen und dergleichen eingesetzt werden.

Die Bauweise sollte – auch aufgrund entsprechender langjähriger Erfahrungen im Ausland – in das bestehende Regelwerk einfließen.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln. 

1  Definition Whitetopping

Nach Wikipedia ist unter Whitetopping die Überbauung eines vorhandenen Asphaltoberbaues mit einer Betondecke zu verstehen (Bild 1).

Bild 1: Whitetopping

Allerdings würde diese Definition auch auf die Erneuerung im Hocheinbau gemäß Tafel 6 der RStO 01 zutreffen.

Tafel 6: Erneuerung in Betonbauweise im Hocheinbau

Vorhandene Befestigung: Bauweise mit Asphalt oder Betondecke

Bild 2: Auszug aus der RStO 01

Hier handelt es sich jedoch um eine Bauweise, bei der der Verbund und die Resttragfähigkeit der Unterlage nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Echtes Whitetopping ist durch folgende Eigenschaften charakterisiert:

  • Die Dicke ist maximal 20 cm.
  • Der Verbund zur Unterlage ist
  • Die vorhandene Resttragfähigkeit der Unterlage wird

Je nach Dicke der Betondecke wird unterschieden in Thin Whitetopping (TWT) mit einer Schichtdicke von 10 bis 20 cm und Ultra-Thin Whitetopping (UTW) mit 5 bis 10 cm.

Aufgrund der relativ dünnen Betonschichten sind entsprechend auch die Fugenabstände bzw. Plattenabmessungen gering. Die einzelnen Platten werden in der Regel weder verdübelt noch verankert. Der Einbau einer Bewehrung ist nur bei UTW üblich.

 

2  Deckenerneuerung BAB A 99, Anschlussstelle Ottobrunn

Die Anschlussstelle Ottobrunn liegt im Südwesten von München.

Bild 3: BAB A 99 Anschlussstelle Ottobrunn

Der Oberbau aus dem Jahr 1975 entsprach etwa der Bauklasse IV und wies insbesondere an der Signalanlage beim Übergang zur Staatsstraße starke Spurrinnen und Verdrückungen aus.

Bilder 4 und 5: AS Ottobrunn

Aufgrund der Schäden wurden die Anschlussstellenäste auf der Nordwestseite im Rahmen der Deckenerneuerung auf der BAB A 99 mit saniert.

2.1  Sanierungskonzept

Zur Sanierung des Oberbaus wurde folgendes Konzept entwickelt:

  • 2 cm fräsen des bestehenden Asphaltoberbaus,
  • Reinigung mit Hochdruckwasserstrahlen (Drehjet mit Absaugung),
  • Einbau einer 14 cm dicken Betonschicht,
  • 2 Anker je Platte,
  • 9 Dübel je Platte,
  • Bewehrung mit Makro-Kunststofffasern.

Als Plattengröße wurde 2,60 x 2,60 m gewählt. Aufgrund der Plattendicke hätten bei einem Normalbeton die Platten die Abmessungen von ca. 1,50 x 1,50 m nicht überschreiten dürfen. Daher war der Einsatz einer Bewehrung (PPE-Makrofasern 90/40) und eines Schwindredu- zierers erforderlich.

Aufgrund der engen Radien und des starken Längsgefälles im Bereich der Rampen wurden die Dübel und Anker eingebaut.

Die Oberfläche wurde durch Entfernen des Oberflächenmörtels texturiert, wobei trotz der Kunststofffasern eine gute und gleichmäßige Waschbetonoberfläche mit einem Größtkorn von 11 mm hergestellt werden konnte.

2.2  Betonrezeptur und Erstprüfung

Die Betonrezeptur wurde auf der Grundlage vorheriger Whitetopping-Projekte im Zementwerk in Wetzlar und bei der Union Beton Rosenheim erstellt.

  • 3 Mischungen
    • 1 Referenzmischung ohne Schwindreduzierer
    • 2 verschiedene Schwindreduzierer
  • Beton: C 35/45 – XF4, XM2
  • Gesteinskörnung/Größtkorn: Natursand, Granit/A/B 11
  • Zement: CEM I 42,5 R, 420 kg/m³
  • w/z-Wert: 0,38
  • Kunststofffasern: PPE-Makrofasern: „Strux 90/40“, 3,80 kg/m³
  • Zusatzmittel:
    • Schwindreduzierer (SRA)
    • Luftporenbildner (LPS-A), 0,07 % v.Z.
    • Fließmittel (FM 31), 0,6 % v.Z.

Die Erstprüfung brachte folgende Ergebnisse:

Tabelle 1: Ergebnisse der Erstprüfung

Es zeigte sich, dass der Schwindreduzierer, der beim Schwindmaß das bessere Ergebnis brachte, bei den Luftporen zu einer leichten Verschlechterung führte.

Die folgenden Bilder entstanden im Rahmen der Voruntersuchungen für die Erstprüfung.

Bild 6: Trockenmischung                                       

Bild 7: Fertige Mischung

Bild 8: Schwindmessung                                       

Bild 9: Waschbetonoberfläche Probeplatte

2.3 Probefelder

Nach der Erstellung der Rezeptur im Rahmen der Erstprüfung wurden im Hof der Autobahnmeisterei Hohenbrunn Probefelder angelegt (Bilder 10 bis 13), bei denen zusätzlich zu den verschiedenen Schwindreduzierern auch verschiedene Nachbehandlungsmittel als Kombinationsmittel (OVZ + NB-Mittel) zum Einsatz kamen. Des Weiteren wurde die Art der Unterlage variiert (gefräst/nicht gefräst).

Bild 10: Dübel und Anker                                         

Bild 11: Betoneinbau

Bild 12: Oberflächenverzögerer                                

Bild 13: Fugenschneiden

Die Probefelder brachten folgende Erkenntnisse:

  • Der Einbau des schwindarmen, faserbewehrten Betons ist mit dem Gleitschalungsfertiger möglich.
  • Trotz der Faserbewehrung ist es möglich, eine Waschbetonoberfläche
  • Die Art der Unterlage hatte keinen erkennbaren Einfluss auf den Eine gründliche Reinigung ist aber in jedem Fall zwingend erforderlich.

2.4  Einbau in der Anschlussstelle

Die beengten Baustellenverhältnisse in der Anschlussstelle waren für den Betoneinbau mit dem Gleitschalungsfertiger sehr hinderlich. So konnten die Körbe mit den Dübeln für die Querscheinfugen in einem Teilbereich des Querschnitts erst kurz vor dem Fertiger verlegt werden, damit noch eine Fahrgasse für den Materialtransport und den Bagger vorhanden war (Bild 14).

Infolge der Waschbetonstruktur wurde eine gute Griffigkeit erzielt.

Bilder 14 und 15: Betoneinbau

Bild 16: Herstellen der Waschbetonstruktur                

Bild 17: Nahaufnahme mit Kunststofffaser

Die 100 m-Mittelwerte des µSKM liegen zwischen 0,74 und 0,93 bei 40 km/h und damit weit über der Anforderung von µSKM ≥ 0,56 (Abnahmewert bei 40 km/h gemäß den ZTV Beton-StB).

Bild 18: Messprotokoll SKM

Die Anschlussstelle ist jetzt ca. 2 Jahre unter Verkehr und befindet sich in einem nach wie vor tadellosen Zustand (Bild 19).

Bilder 19 und 20: AS Ottobrunn unter Verkehr

2.5 Ausführungsprobleme

Die sehr beengten Verhältnisse führten zu einigen – allerdings weitgehend beherrschbaren – Problemen.

Durch den Baustellenverkehr und die Vorarbeiten wurde die Unterlage verschmutzt. Eine erneute gründliche Reinigung war wegen der vorab verlegten Dübel und Anker nicht mehr möglich.

Eine Seitenbeschickung, wie sie noch bei den Probefeldern zum Einsatz kam, war nicht möglich. In der Fahrspur der Betonlieferfahrzeuge und des Baggers, der den Beton vor den Fertiger eingebracht hat, mussten die Dübelkörbe zwischen dem Bagger und dem Fertiger eingebaut werden (siehe Bild 14).

 

3 Vor- und Nachteile

Beim Whitetopping werden die Tragfähigkeit, die Verformungsbeständigkeit und die Dauerhaftigkeit der Betondecke ausgenutzt.

Die gute Eignung der Asphaltschichten bezüglich der Erosionsbeständigkeit im Fugen- bereich der Betondeckschicht und die plastische Auflagerung der einzelnen Betonplatten bringt weitere Vorteile.

Die Restsubstanz der vorhandenen Befestigung kann als Unterlage und Tragschicht für den Beton genutzt werden.

Gegenüber einer grundhaften Erneuerung kann die Reparatur schnell und kostengünstig durchgeführt werden.

Beim Whitetopping werden Ressourcen geschont, da nicht der gesamte Straßenaufbau, sondern nur die oberen Schicht(en) – in der Regel Deckschicht, Binderschicht – entfernt werden.

Nachteilig beim Whitetopping kann je nach Art, Lage und Größe der Baustelle die etwas aufwändige bzw. anspruchsvolle Herstellung in Bezug auf Fräsen, Reinigen und Betoneinbau sein.

 

4 Ausblick

Die Bauweise ist im bestehenden Regelwerk der ZTV nicht vertreten. Es gilt daher Erfahrungen zu sammeln und diese Erfahrungen dann in das Regelwerk einfließen zu lassen.

Auch der Blick in andere Länder ist hier sehr sinnvoll. So gibt es in Amerika einen ausführlichen Bericht über die Erfahrungen mit Whitetopping (Thin and Ultra-Thin Whitetopping: A Synthesis of Highway Practice).

Für den Bereich der Erhaltung werden erste Ansätze für die vertragliche Regelung in den ZTV zur Erhaltung (ZTV BEA-StB und ZTV BEB-StB) enthalten sein, die beide 2010 erscheinen sollen.

Für die Whitetopping-Bauweise gibt es auch ein weites Betätigungsfeld, insbesondere bei der Neuherstellung oder Sanierung von Kreuzungen, Busbuchten, Busspuren, Lkw- Stellflächen, Industrie- und Parkflächen, Kreisverkehrsflächen und dergleichen.

Die strikte Trennung zwischen der „schwarzen“ und der „weißen“ Bauweise, die seit Jahren in Deutschland herrscht, sollte aufgehoben werden, um die Materialien in einer sinnvollen Mischbauweise zum Wohle der Verkehrsteilnehmer einzusetzen, frei nach dem Motto:

„Gemeinsam sind wir stark“.

Literaturverzeichnis

  1. Riffel, S.: Whitetopping-Bauweise, Zukunftsfähiges Verfahren zur Instandsetzung mit Beton, beton 11/2009
  2. Riffel, S.: Whitetopping – eine zukunftsfähige Sanierungsmethode mit Beton, Straße und Autobahn 9/2009
  3. Riffel, S.: Whitetopping – eine zukunftsfähige Sanierungsmethode mit Beton, Straße und Tiefbau 06/2009
  4. Riffel, S.: Whitetopping – eine zukunftsfähige Sanierungsmethode mit Beton, GRIFFIG 2/2008
  5. Steigenberger, J.: White Topping in Österreich – Stand der Entwicklung, Öster- reichische Betonstraßentagung 2007
  6. Macht, J.; Tschegg, E. K.; Jamek, M.; Steigenberger, J.: White Topping – Assessment of Asphalt Concrete Interfaces 10th International Symposium on Concrete Roads 2006, Brussels
  7. ACI 325.13R-06, Concrete Overlays for Pavement Rehabilitation, Reported by ACI Committee 325, American Concrete Institute, Farmington Hills, MI 48331 (Ausgabe 2006)
  8. Riffel, S.: Whitetopping – eine unkonventionelle Sanierungsmethode für Asphalt- straßen? Österreichische Betonstraßentagung 2005
  9. Werner, R.: Whitetopping – die weiße Alternative zur Sanierung von Asphaltbelägen, Update 4/2005
  10. NCHRP Synthesis 338, Thin and Ultra-Thin Whitetopping, National Cooperative Highway Research Programm, Transportation Research Board, Washington D.C. (Ausgabe 2004)