FGSV-Nr. FGSV A 37
Ort Bremen
Datum 01.06.2006
Titel Verfahren der Temperaturabsenkung – Modifizierungen für Bitumen und Asphalt
Autoren Dipl.-Ing. Frank Stephan
Kategorien Asphaltstraßen
Einleitung

Die Diskussionen über dieses Thema im Allgemeinen werden mittlerweile seit einigen Jahren geführt. Viele Anwender fragen schon lange nach einem technischen Regelwerk, welches hoffentlich kurzfristig zur Verfügung gestellt werden kann. Es stellt sich dann selbstverständlich die Frage, ob die mittlerweile bekannten Verfahren sicher beherrscht werden und ob die gewünschten Effekte damit erreicht werden können. Für den Teilaspekt, der in diesem Beitrag beschrieben wird, kann diese Frage mit „Ja“ beantwortet werden.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Einleitung

Die Diskussionen über dieses Thema im Allgemeinen werden mittlerweile seit einigen Jahren geführt. Viele Anwender fragen schon lange nach einem technischen Regelwerk, welches hoffentlich kurzfristig zur Verfügung gestellt werden kann. Es stellt sich dann selbstverständlich die Frage, ob die mittlerweile bekannten Verfahren sicher beherrscht werden und ob die gewünschten Effekte damit erreicht werden können. Für den Teilaspekt, der in diesem Beitrag beschrieben wird, kann diese Frage mit „Ja“ beantwortet werden.

2 Beschreibung der Modifizierungen für Bitumen und Asphalt

Wie sehen also die Modifizierungen für Bitumen und Asphalt aus? Das Bild 1 zeigt eine Übersicht über einige heute bekannte Zusätze, die sich auf den ersten Blick durch ihr Molekulargewicht unterscheiden. Das Molekulargewicht wird durch die Kettenlängen der Kohlenstoffatome bestimmt, welche jeweils noch mit weiteren „Radikalen“ verbunden sein können. Je größer dieses Molekulargewicht ausfällt, desto größer ist in der Regel der Schmelzbereich des jeweiligen Zusatzes. Der Schmelzbereich wiederum beeinflusst die Eigenschaften des damit hergestellten Bindemittels und schließlich auch die Eigenschaften des mit diesem Bindemittel hergestellten Asphalts. Üblicherweise werden diese Zusätze als Wachse oder Paraffine bezeichnet.

Bild 1: Übersicht der Molekularverteilung einiger Wachse und Paraffine (Quelle: BASt)

Im Allgemeinen werden gebrauchsfertige Bindemittel eingesetzt, die mit einem Paraffin oder einem Wachs in einer bestimmten Zugabemenge schon bei dem Bindemittellieferanten hergestellt werden. Dabei können je nach Anwendungszweck Straßenbaubitumen oder auch polymermodifizierte Bindemittel verwendet werden. Heute bieten bereits nahezu alle Bindemittelhersteller ein oder auch mehrere Spezialbindemittel für die Herstellung von temperaturreduziertem Asphalt an.

Nach Erfahrungen des Autors ist es nicht zu empfehlen, bei der Herstellung von Walzasphalten Paraffine oder Wachse direkt in den Mischer zu dosieren. Unter günstigen Randbedingungen und bei ausreichend langen Mischzeiten kann eine homogene Verteilung unter Umständen erreicht werden. Allerdings ist das Risiko, inhomogene Mischungen zu produzieren, hierbei sehr groß. Anders verhält sich der Sachverhalt bei der Produktion von Gussasphalt. Hier kann der Zusatz in den Mischer oder in den Gussasphaltkocher dosiert werden. Da das Gussasphaltmischgut während des Transportweges zum Einbauort fortwährend durchmischt wird, kann eine homogene Verteilung des Zusatzes im Mischgut erreicht werden. Für diesen Vorgang sollten 30 bis 45 Minuten eingeplant werden.

Es sollte an dieser Stelle zunächst noch ein Missverständnis aufgeklärt werden, das mit dem häufig gebrauchten Begriff „Paraffin“ zusammenhängt. Im Bild 2 sind dazu die bitumeneigenen Paraffine dargestellt, deren Anteil im Bindemittel nicht zu hoch liegen darf und der auch durch Normenangaben begrenzt ist. Bitumeneigene Paraffine können eine hohe Rissempfindlichkeit für den Asphalt bewirken, sie können das Haftverhalten einschränken und sie können zu negativen Auswirkungen auf das Aushärtungsverhalten des Asphalts führen.

Zum Vergleich ist im Bild 3 die Verteilung der Molekularverbindungen eines heute häufig eingesetzten Wachses beschrieben. Der deutlich erkennbare Unterschied besteht darin, dass diese Wachse erst da anfangen, wo die bitumeneigenen Paraffine aufhören, es handelt sich also um langkettige Kohlenstoffverbindungen, die dem Bindemittel die gewünschten viskositätsverringernden Eigenschaften geben.

Bild 2: Chromatogramm eines bitumeneigenen Paraffins

Bild 3: Chromatogramm eines FT-Paraffins

3 Beschreibung der Wirkungsweise der Modifizierungen im Bindemittel

Das Bild 4 zeigt den Einfluss eines Wachses auf den Erweichungspunkt Ring und Kugel und auf die Penetration des Ausgangsbindemittels. Anhand dieser Kennwerte wird deutlich, dass durch die Modifizierung des Grundbitumens ein härteres Bindemittel entsteht. Die Markierung soll andeuten, dass für diesen Zusatz der günstigste Zugabeanteil bei ca. 3 M.-% liegt.

Bild 4: Einfluss der Wachszugabe auf den EPRuK und auf die Penetration

Dass mit härteren Bindemitteln standfestere Befestigungen gebaut werden können, ist grundsätzlich keine neue Erkenntnis. In der Regel haben härtere Bindemittel aber auch eine höhere Viskosität, was für den Einbau zu einer erschwerten Verarbeitbarkeit führt. Die hier beschriebenen Bindemittel, die durch die Zugabe von langkettigen Wachsen oder Paraffinen entstehen, zeichnen sich jedoch im Bereich der Verarbeitungstemperaturen durch eine niedrigere Viskosität aus. Dies wird durch das Beispiel im Bild 5 deutlich. Die Viskositätskennlinie des Grundbindemittels wird durch die Wachszugabe nach unten verschoben. Für dieses Beispiel ergibt sich bei der Variante mit der Zugabemenge von 3 M.-% dieselbe Viskosität bereits bei einer um ca. 10 °C niedrigeren Temperatur. Dadurch werden diese Bindemittel in dem Verarbeitungstemperaturbereich sehr dünnflüssig, und auch der damit hergestellte Asphalt zeichnet sich durch eine extrem günstige Verarbeitbarkeit aus. Die Reduzierung der Herstell- und Einbautemperaturen um 20 bis 30 °C stellt daher für diese modifizierten Asphalte absolut kein Problem dar.

Bild 5: Einfluss der Wachszugabe auf die Viskosität (Quelle: asphalt labor)

Nun könnte man berechtigterweise befürchten, dass mit diesen im Bereich der Gebrauchstemperaturen harten Bindemitteln Probleme in der kalten Jahreszeit verbunden sein müssten. Alle bisherigen Untersuchungen zeigen jedoch, dass bei den tiefen Temperaturen wieder die Eigenschaften des Grundbindemittels im Vordergrund stehen. So wird beispielsweise der Brechpunkt nach Fraaß erst bei hohen Zugabemengen, die nicht praxisrelevant sind, problematisch.

4 Wirkungsweise der Modifizierungen im Asphalt

Ein wesentlicher Vorteil, der sich bereits bei den Eigenschaften des modifizierten Bindemittels angedeutet hat, kommt nun voll zur Entfaltung. Das Bild 6 zeigt das spielend leichte Freilegen eines Schachtdeckels und die Arbeit in eingeengten räumlichen Situationen, welche keinerlei Probleme bereitet bei vergleichsweise niedrigen Einbautemperaturen.

Bild 6: Leichtes Freilegen eines Schachtdeckels und leichtes Arbeiten in Kleinflächen

Bei vielen Bauvorhaben konnte immer wieder festgestellt werden, dass das Handling mit derartig modifizierten Asphalten äußerst leicht fällt. In der Praxis wird sofort der Unterschied zu Asphalten mit polymermodifizierten Bindemitteln erkannt. Asphaltierungsarbeiten in einem Kreisverkehr, bei denen standfeste Asphalte mit hochviskosen Bindemitteln eingebaut werden, bringen nicht selten Probleme mit sich, insbesondere dort, wo Handarbeit in engen Bereichen erforderlich ist. Die Systeme mit Wachs- oder Paraffinmodifizierungen werden hierzu als geeignete Alternativen angesehen.

Die genannten Effekte gelten natürlich auch für den Bereich des Gussasphaltes, der ja der Ausgangspunkt aller Betrachtungen für Niedrigtemperaturasphalte gewesen ist. Wie im Bild 7 (links) zu sehen ist, ist die Sicht häufig eingeschränkt, weil bei den für Gussasphalt üblichen Verarbeitungstemperaturen von 240 bis 250 °C sehr viele Dämpfe und Aerosole freigesetzt werden. Der bisher bestehende Grenzwert von 10 mg/m³ wird bei diesen Randbedingungen um ein Vielfaches überschritten (die entsprechende TRGS wurde allerdings nach neuestem Kenntnisstand mittlerweile zurückgenommen). Dass es auch anders geht, zeigt das Bild 7 (rechts). Hier wurde die Einbautemperatur durch ein geeignetes, mit Wachs modifiziertes Bindemittel auf ca. 220 °C reduziert, so dass der ehemals geltende Grenzwert eingehalten werden konnte. Die Verarbeitbarkeit konnte dabei noch günstiger gestaltet werden.

Bild 7: Gussasphaltarbeiten mit hohen Temperaturen (links) und mit abgesenkten Temperaturen (rechts)

Die Verdichtbarkeit von Walzasphalten, die mit wachs- oder paraffinmodifizierten Bindemitteln hergestellt wurden, ist schon sehr häufig untersucht worden. Am Beispiel im Bild 8 ist sehr deutlich zu erkennen, dass schon nach kurzer Zeit – oder anders ausgedrückt nach wenigen Walzübergängen – ein sehr hohes Verdichtungsniveau bei relativ niedrigen Temperaturen erreicht werden kann. Der zunächst ungewöhnlich erscheinende Rückgang der Raumdichte im mittleren Bereich kennzeichnet den Zeitpunkt des Auftragens des Abstreumaterials. Am Ende der Kurve liegt die Temperatur bereits deutlich unter 100 °C. Dennoch können noch weitere Verbesserungen der Verdichtung erzielt werden.

Bild 8: Entwicklung des Verdichtungsgrades und der Raumdichte in Abhängigkeit von der Zeit bzw. von den Walzübergängen

5 Praktische Erfahrungen

Die im Folgenden beschriebenen Erfahrungen basieren im Wesentlichen auf einem speziellen Zusatz. Es soll damit ausdrücklich nicht der Anschein erweckt werden, dass andere am Markt erhältliche Produkte die gestellten Anforderungen nicht erfüllen könnten.

Die mittlerweile über 100 zumeist privaten Baumaßnahmen, die allein durch die Norddeutschen Mischwerke beliefert wurden, machen in der Summe eine Produktion von mehr als 100 000 t Guss- und Walzasphalt aus. Der hier verwendete Zusatz zeichnet sich durch ein hohes Molekulargewicht und somit durch einen hohen Schmelzbereich von ca. 80 bis 120 °C aus. Damit sind weitere, die Gebrauchseigenschaften günstig beeinflussende Nebenwirkungen verbunden.

Das Bild 9 zeigt die Entwicklung der Eindringtiefen einiger Gussasphalte, die mit unterschiedlichen Grundbindemitteln hergestellt wurden. Die Modifizierung bewirkt tendenziell eine Reduzierung der Eindringtiefen und damit eine Verbesserung der Standfestigkeit. Eine ähnliche Verbesserung der Standfestigkeit kann an Walzasphalten festgestellt werden (Bild 10). Dieses Beispiel für einen Asphaltbinder mit verschiedenen Zugabeanteilen macht deutlich, dass hinsichtlich der Standfestigkeit der Vergleich zu polymermodifizierten Bindemitteln nahe liegt.

Bild 9: Verbesserung der Eindringtiefen von Gussasphalten durch Zugabevon Wachs (Quelle: Damm, Abraham, Butz, Hildebrand, Riebesehl)

Bild 10: Einfluss der Wachszugabe auf das Ergebnis des Spurbildungstests

In der Praxis sind auch Kombinationen der Wachs- oder Paraffinzusätze mit polymermodifizierten Bindemitteln möglich. Die Verbesserung der Verarbeitbarkeit ist auch hier deutlich zu erkennen.

Flächen aus dem Bereich von Containerterminals in Hamburg (Bild 11) stehen unter extrem hohen Belastungen durch Transportgeräte für die Container, die bei höchstmöglicher Beladung bis zu 120 t wiegen können. Die Container selbst werden in mehreren Etagen übereinander gestellt und bringen damit auch eine beträchtliche Beanspruchung auf den Asphalt. Die hier zum Einsatz kommenden Asphalte enthalten eine Kombination von hochpolymermodifizierten Bindemitteln, die zusätzlich noch den Wachszusatz enthalten. Einen Eindruck über die Leistungsfähigkeit dieser Bindemittel kann der Erweichungspunkt Ring und Kugel vermitteln, der hier bei 90 bis 100 °C liegt.

Bild 11: Einsatz von Transportgeräten auf hochbeanspruchbaren Flächen im Bereich von Containerterminals in Hamburg

Ein weiterer Anwendungsbereich liegt in der Möglichkeit, auch bei ungünstigen Außentemperaturen noch sachgerecht Asphalt einbauen zu können. Bei einer ausgewählten Baumaßnahme wurde bewusst auf schlechtes Wetter gewartet. Der Einbau fand bei –7°C statt. Die Temperaturen des Asphalts bei Einbaubeginn lagen bei 140 bis 150 °C. Auch hier konnte eine ausreichende Verdichtung erreicht werden.

Ein großes Problem für die Asphaltherstellung besteht häufig darin, dass von den Einbaufirmen Kleinstmengen, zum Beispiel im städtischen Bereich bei Aufgrabungen, angefordert werden. Hierfür ist aus logistischen Gründen das Freihalten eines gesonderten Bitumentanks, der das fertig hergestellte Sonderbindemittel aufnehmen könnte, in der Regel nicht möglich. Für diese Anwendung wurden spezielle Faserstoffe entwickelt, die zunächst für die Herstellung von Splittmastixasphalten ausgelegt sind. Die Pellets enthalten neben der Faser den Wachszusatz, der sich durch Handzugabe in den Mischer homogen verteilen lässt. Je nach Chargengrößen (Bild 12) kann eine bestimmte Anzahl an Gebinden mit kleinem Inhalt manuell zugegeben werden. Auf diese Weise können auch kleine Mengen mit den gewünschten Eigenschaften hergestellt werden.

Bild 12: Kleingebinde mit Faserstoffen, die Wachse enthalten; manuelle Zugabe in den Mischer

Für Mischanlagen, die regelmäßig kleine Mengen an modifizierten Asphalten herzustellen haben, kommt noch eine weitere Alternative in Betracht, wenn die Kapazität für das Vorhalten des fertig hergestellten Bindemittels in einem separaten Bitumentank nicht vorhanden ist. Die Maschinentechnik hat sich bereits darauf eingestellt, Anlagenteile herzustellen, mit deren Hilfe das Wachs oder Paraffin aufgeschmolzen werden kann. Es kann somit eine gewisse Menge an flüssigem Wachs vorgehalten werden, welche bei Bedarf mit in die Bitumenwaage dosiert werden kann. Durch eine geeignete Abfolge in der Dosierung der Bindemittel-Komponenten kann eine homogene Vermischung von Bitumen und Wachs/Paraffin gewährleistet werden. Die Aufschmelzanlage kann komplett in die Mischanlagensteuerung integriert werden, so dass die erforderlichen Mengen automatisch und sehr genau zusammengesetzt werden. Auf diese Weise können jederzeit modifizierte Asphalte hergestellt werden, ohne dass ein Bitumentank dabei blockiert wird.

6 Fazit

Es besteht die Hoffnung, dass die große Zuversicht in diese neuen Bauweisen und die umfangreichen Erfahrungen, die der Autor und viele andere Asphalthersteller bereits machen konnten, auch weitere Anwender davon überzeugen können, dass die gesteckten Zielsetzungen der Temperaturabsenkung um 20 °C bis 30 °C sicher erreicht werden können.

Es kann festgestellt werden, dass sowohl für Walz- als auch für Gussasphalte eine Verbesserung der Verarbeitbarkeit und darüber hinaus Verbesserungen der Standfestigkeit dieser Produkte erreicht werden können. Als Verarbeitungshilfe können die so hergestellten Produkte genutzt werden, damit Asphalt auch bei etwas ungünstigeren Außentemperaturen eingebaut werden kann. Auch für die problematischen Kleinstmengen wurden praktikable Lösungen erarbeitet.

Mit diesen breit gestreuten Erfahrungen sind die Asphalthersteller ausreichend vorbereitet, um auf höchstem Qualitätsniveau temperaturreduzierte Asphalte unter Verwendung von modifizierten Bindemitteln herzustellen.