FGSV-Nr. FGSV A 40
Ort Nürnberg
Datum 10.05.2011
Titel Niedrigtemperaturasphalt - Stand der Entwicklung in Deutschland - Das neue Merkblatt
Autoren Dr.-Ing. Daniel Gogolin
Kategorien Asphaltstraßen
Einleitung

In dem „Merkblatt für Temperaturabsenkung von Asphalt“ aus dem Jahre 2006 wurden erstmalig die Erfahrungen mit der Bauweise „Niedrigtemperaturasphalt“ bzw. dem Einsatz von viskositätsveränderten Bindemitteln/Zusätzen zusammengefasst. Ziel dieser Bauweise ist die Herstellungs- und Verarbeitungstemperatur von Asphalt herabzusetzen, um hiermit insbesondere Arbeitsplatzbelastungen in Form von Dämpfen und Aerosolen zu verringern.

Die neue überarbeitete Fassung des Merkblatts (2011) spiegelt den aktuellen Stand der Technik wider und gibt u. a. Langzeiterfahrungen aus alten Untersuchungsstrecken, bei denen verschiedene Möglichkeiten der Temperaturabsenkung eingesetzt wurden, wieder. Zudem wurden zusätzliche Empfehlungen zur Verbesserung der Verdichtbarkeit von Asphaltschichten eingearbeitet.

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1 Einleitung

Das „Merkblatt für Temperaturabsenkung von Asphalt“, Ausgabe 2011 (M TA), wurde vom Arbeitskreis „Temperaturabsenkung“ des Arbeitsausschusses „Bauweisen“ der FGSV aufgestellt. Es spiegelt den aktuellen Stand der Technik wider und ersetzt das gleichlautende Merkblatt der (M TA), Ausgabe 2006. Im Vordergrund des Merkblattes stehen hierbei u. a. die Besonderheiten beim Umgang mit Niedrigtemperaturasphalt in Bezug auf die Erstprüfung, den Eignungsnachweis und die Kontrollprüfung. Dazu werden konkrete Empfehlungen zur Erstellung der Erstprüfung, wie beispielsweise zur Bestimmung des Erweichungspunktes Ring und Kugel am rückgewonnenen Bindemittel unter einheitlich festgelegten Extraktionsbedingungen, gegeben. In diesem Kontext werden im Merkblatt ergänzende Prüfungen im Rahmen des Eignungsnachweises für temperaturabgesenkte Walzasphalte und Gussasphalte beschrieben. Dabei wurde besonders das Verfahren zur Bestimmung des Verarbeitungsverhaltens von Gussasphalt, die Messung des Rührwiderstandes, sowohl im Aufbau (Rührwerkzeug) als auch bei der Durchführung, zielführend optimiert.

2 Einsatz Temperaturabgesenkter Asphalte

Das neue Merkblatt zeigt sowohl Möglichkeiten zur Temperaturabsenkung unter Verwendung organischer bzw. mineralischer Zusätze, als auch Möglichkeiten zur Verbesserung der Verarbeitbarkeit von Gussasphalt bzw. der Verdichtbarkeit von Walzasphalt auf. In Hinblick auf die Herstellung und den Einbau spielen die Asphaltmischguttemperaturen eine entscheidende Rolle. Die Richtwerte für die Asphaltmischguttemperaturen wurden dabei für die Herstellung und für den Einbau den aktuellen Regelwerke angepasst (vgl. Tabelle 1).

Tabelle 1: Richtwerte für die Asphaltmischguttemperaturen

In Abhängigkeit der Asphaltart, der Bindemittelart und -sorte und den äußeren Randbedingungen wie Wetter und Transportzeit sind die Temperaturen bei der Herstellung so zu bemessen, dass die Richtwerte sicher eingehalten werden. Die Einhaltung dieser Richtwerte ist für die Herstellung Temperaturabgesenkter Asphalte von besonderer Bedeutung, da sich zu hohe Mischguttemperaturen negativ auf das Einbauergebnis in Form von zu niedrigen Hohlraumgehalte bei Walzasphalten und Entmischungen bei Gussasphalten auswirken können. Beim Einbau temperaturabgesenkter Walzasphalte kann grundsätzlich das für die Verdichtung zur Verfügung stehende Verdichtungsfenster verringert sein und sollte unbedingt im Verdichtungsmanagement, das heißt Walzenlogistik, berücksichtigt werden. Beim Einsatz Temperaturabgesenkter Asphalte (besser: viskositätsveränderte Asphalte) zur Verbesserung der Verarbeitbarkeit, darf das Potenzial zur Temperaturabsenkung nicht oder nur teilweise ausgenutzt werden. Nach der aktuellen Erfahrungssammlung „zur Verwendung von Fertigprodukten und Zusätzen zur Temperaturabsenkung“ der BASt eignen sich folgende organische Zusätze zur Temperaturabsenkung von Asphalt (Tabelle 2):

Tabelle 2: Viskositätsverändernde organische Zusätze

Die viskositätsverändernden organischen Zusätze lassen sich in die drei Gruppen Fettsäureamide, Fischer-Tropsch-Wachse und Montanwachse (Derivate) unterteilen. Viskositätsverändernde organische Zusätze senken die Viskosität des Bindemittels bei hohen Temperaturen und ermöglichen somit die Reduzierung der Misch- und Einbautemperaturen. Dieser Effekt der Viskositätsminderung wird bei Asphalttemperaturen unterhalb des Erstarrungspunktes des zugegebenen Zusatzes wieder aufgehoben oder sogar umgekehrt. Dabei zeigen die einzelnen Gruppen jeweils charakteristische Unterschiede im Tropf- und im Erstarrungspunkt, was wiederrum direkt die Dynamische Viskosität beeinflusst. Die Wirkung eines viskositätsverändernden organischen Zusatzes lässt sich durch die Bestimmung des komplexen Schermoduls bzw. der dynamischen Viskosität in Abhängigkeit von der Prüftemperatur darstellen (Bild 1). Die dynamische Viskosität erhöht sich mit sinkender Temperatur und wird dabei messtechnisch im Bereich des Erstarrungspunktes des jeweiligen viskositätsverändernden organischen Zusatzes begrenzt. Die Beschreibung der Gebrauchstemperatureigenschaften ist folglich mit der dynamischen Viskosität nicht möglich.

Bild 1: Viskositätsverändernde organische Zusätze

Im Vergleich dazu zeigt der komplexe Schermodul einen annähernd parallel verschobenen Verlauf mit dem Viskositätswechsel im Bereich des Erstarrungspunktes. Im Gegensatz zur dynamischen Viskosität bietet die Oszillationsmessung des komplexen Schermoduls die Möglichkeit zur Abbildung einer größeren Temperaturspanne unterhalb des Erstarrungspunktes.

3 Hinweise zur Erstprüfung und zum Eignungsnachweis

3.1 Prüfungen des Verdichtungsverhaltens von Walzasphalt

Bei Erstprüfungen für Asphalt mit viskositätsveränderten Bindemitteln und/oder viskositätsverändernden organischen Zusätzen sollten die Marshall-Probekörper nicht bei üblichen Verdichtungstemperaturen hergestellt werden. Aus den Ergebnissen der nachfolgend beschriebenen Prüfungen werden Angaben zur Festlegung der Temperaturen für die Herstellung von Marshall-Probekörpern zur Ermittlung der Bezugsraumdichte für den Verdichtungsgrad des Asphaltes abgeleitet. Bisherige Erfahrungen haben gezeigt, dass bei Erstprüfungen für Asphalt mit viskositätsveränderten Bindemitteln und/oder viskositätsverändernden organischen Zusätzen die für die Raumdichtebestimmung notwendigen Marshall-Probekörper nicht bei üblichen Verdichtungstemperaturen von 135 ± 5 °C (Straßenbaubitumen) bzw. 145 ± 5 °C (Polymermodifizierte Bitumen) hergestellt werden sollten.

Aus einer Referenzerstprüfung mit einem nicht viskositätsveränderten Bindemittel ergibt sich eine optimale Asphaltmischgutzusammensetzung und eine Referenzraumdichte bei einer Verdichtungstemperatur von 135 °C bzw. 145 °C. Zur Bestimmung der maßgebenden Temperatur für die Herstellung von Probekörpern (VTTA) für das mit dem viskositätsveränderten Bindemittel bzw. dem viskositätsverändernden organischen Zusatz hergestellte Asphaltmischgut, werden jeweils zwei Marshall-Probekörper bei drei verschiedenen Verdichtungstemperaturen (z. B. 110, 130 und 150 °C) hergestellt. Die Verdichtungstemperaturen sind in Abhängigkeit von dem verwendeten Bindemittel zu wählen. Aus der Verdichtungskurve kann die maßgebende Verdichtungstemperatur der temperaturabgesenkten Asphaltmischgutvariante abgelesen werden. Die so ermittelte Verdichtungstemperatur ist maßgebend für den Eignungsnachweis. Sie gilt auch für die Bestimmung der Bezugsraumdichte am Marshall-Probekörper bei Kontrollprüfungen.

Bild 2: Prüfung des Verdichtungsverhaltens von Walzasphalt

3.2 Prüfung des Verarbeitungsverhaltens von Gussasphalt

Aus den Ergebnissen der nachfolgend beschriebenen Prüfung werden Angaben zur Festlegung der Einbautemperatur von Gussasphalten mit viskositätsveränderten Bindemitteln oder viskositätsverändernden Zusätzen ermittelt. Die Untersuchungen sind im Rahmen des Eignungsnachweises durchzuführen, wenn keine ausreichenden Erfahrungen zum Verarbeitungsverhalten vorliegen. Die Prüfung erfolgt über eine Rührwiderstandsmessung, bei der der Rührwiderstand, beginnend bei einer Temperatur von 240 °C, bei absinkender Temperatur kontinuierlich gemessen wird. Im Vergleich zum Merkblatt aus dem Jahr 2006 ergeben sich bei dieser Prüfung deutliche Unterschiede, besonders im Hinblick auf das Rührwerkzeug. Der überarbeitete Rührer besteht aus drei übereinander angeordneten Flügelpaaren (siehe Bild 3). Die Flügelanordnung wirkt dabei einer Entmischung entgegen, indem das untere Flügelpaar das Asphaltmischgut nach oben, und das obere Flügelpaar das Asphaltmischgut nach unten fördert.

Bild 3: Überarbeitetes Rührwerkszeug zur Prüfung des Verarbeitungsverhaltens von Gussasphalt

Wenn eine eindeutige Aussage zum Zusammenhang zwischen dem Rührwiderstand im Labor und der Verarbeitungstemperatur in der Praxis noch nicht möglich ist, sollten Untersuchungen zusätzlich an einem Referenzmaterial durchgeführt werden, für das die notwendige Verarbeitungstemperatur bekannt ist. Bisherige Erfahrungen deuten darauf hin, dass bei einem Rührwiderstand von ≤ 100 Ncm ein gut verarbeitbarer Gussasphalt vorliegt. Im Bild 4 ist ein Vergleich der Rührwiderstände unterschiedliche viskositätsverändertet Gussasphalte (MA 11 S NV) im Temperaturbereich von 240 °C bis 180 °C dargestellt. Mit Hilfe des Bezugswertes von 100 Ncm sieht man anhand des Diagramms deutliche Unterschiede im Temperaturabsenkungspotenzials der Gussasphalte. Bezogen auf den Bezugswert von 100 Ncm zeigt der Vergleich zwischen den Varianten mit der höchsten und der geringsten Temperatur eine Differenz von ca. 20 °C auf.

Bild 4: Darstellung des Potenzials der Temperaturabsenkung

3.3 Hinweise zur Extraktion viskositätsveränderter Bindemittel

Die Extraktionsart und -durchführung kann einen entscheidenden Einfluss auf die Eigenschaften von viskositätsveränderten Bindemitteln ausüben. Je nach dem eingesetztem Lösungsmittel bzw. der Extraktionszeit oder der Anzahl der Waschgänge können unterschiedliche Anteile organischen Zusatzes gelöst werden. An einer Beispielextraktion eines Straßenbaubitumens 30/45 mit viskositätsveränderndem organischem Zusatz (vgl. Bild 5), erkennt man eine deutliche Veränderung des Verlaufes des komplexen Schermoduls im Vergleich zum ursprünglichen Bitumen.

Bild 5: Prüfung des Verdichtungsverhaltens von Walzasphalt

Um bei der Extraktion verfahrensbedingte Schwankungen zu minimieren werden einheitliche Bedingungen für die Extraktion, die Rückgewinnung und die Prüfung von viskositätsveränderten Bindemitteln festgelegt. Die Festlegungen sind im Folgenden aufgeführt:

  • Extraktionszeit: 90 Minuten,
  • Lösemittel bei der Rückgewinnung und Prüfung: Trichlorethen,
  • Um ein Ausfällen des organischen Zusatzes im Rahmen der Bindemittelrückgewinnung zu vermeiden, ist das Lösemittel/Bindemittelgemisch in einen handwarmen Kolben zu geben und unmittelbar zu destillieren,
  • Eingießtemperatur der Ringe für den Erweichungspunkt Ring und Kugel: 160 °C.

Der nach diesen Bedingungen ermittelte Erweichungspunkt Ring und Kugel aus rückgewonnenem Bindemittel, ist zusammen mit den Extraktionsbedingungen im Eignungsnachweis anzugeben und bildet somit die Grundlage der Kontrollprüfung.

4 Zusammenfassung

Mit dem „Merkblatt für Temperaturabsenkung von Asphalt“, Ausgabe 2011 liegt ein Dokument vor, das unter Berücksichtigung der aktuellen Regelwerke die Herstellung und Verarbeitung von temperaturabgesenkten Walz- und Gussasphalten durch Zugabe von viskositätsverändernder Zusätze behandelt. Dabei wurden die Methoden zur Prüfung temperaturabgesenkter Walz- und Gussasphalte optimiert, Hinweise zur Extraktion präsentiert und Empfehlungen zur Verbesserung der Verarbeitbarkeit gegeben.

5 Literaturverzeichnis

M TA, 2006 „Merkblatt für Temperaturabsenkung von Asphalt“, Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), Ausgabe 2006

M TA, 2011 „Merkblatt für Temperaturabsenkung von Asphalt“, Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), Ausgabe 2011, FGSV 766